01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030822017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-22
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Das führende preußische Zentrumsorgan erklärt, daß die „völlige Freiheit der Papstwahl" für die katholische Kirche mehr als je eine unbedingte Notwendigkeit sei uyd daß deshalb alle Katholiken das lebhafteste Interesse daran hätten, laut ihre Stimmen zum Schutze dieser Freiheit zu erheben, damit derartige Beeinträchtigungen der Freiheit, wie die erlebte, in Zukunft nicht mehr vor kämen. Ganz ähnlich äußert sich daS führende bayerische Zentrumsorgan, indem cs schreibt: „Es widerstrebt auch dem Gefühle der Katholiken, daß in heutiger Zeit noch so veraltete Einrichtungen geduldet werben, zu denen jede Voraussetzung fehlt. Bei der paritätischen und kon stitutionellen Gestaltung der Staaten haben diese den katholischen Charakter völlig eingebüßt und stehen zu meist im Gegensätze zur Kirche." Die Forderung nach völliger Freiheit der Papstwahl ist an sich durchaus berechtigt, aber ihr selbstverständliches Korrelat wäre, daß, wenn die Papstwahl eine rein in terne Angelegenheit der katholischen Kirche sein und des halb eine Einmischung einer Regierung nicht geduldet werden soll, dann auch der Vatikan sich weder in die inneren Augelegenheiten der einzelnen Staaten, noch gar in die internationalen Beziehungen derselben ein mischt. Gerade die Geschichte Oesterreich-Ungarns aber beweist, daß der Vatikan sich von derartigen Ein mischungen durchaus nicht ferngehalten hat. AIS Papst Pius IX. im Jahre 1855 dem österreichischen Staate das Konkordat aufzwang, machte er sich durch den Inhalt dieses Konkordates zum Herrn einer Reihe der wich tigsten Institutionen des staatlichen Lebens. Beispiels weise durften danach päpstliche und bischöfliche Dekrete be kannt gemacht werden, die der Regierung sehr un angenehm sein konnten, — die Regierung hatte nicht das Recht, gegen die Veröffentlichung Einspruch zu erheben. Der Schulunterricht, ja die Lektüre der Erwachsenen wurden dem Willen Roms unterworfen, und die Regie rung mutzte sich verpflichten, daß durch jedes zweck entsprechende Mittel verhütet werden sollte, daß Bücher, die dem Papste nicht gefielen, in Oesterreich ver breitet würden. Beliebte cs der Kirche, kirchliche Strafen zu verhängen, so war der Staat verpflichtet, dabei den Büttel zu spielen. Aber noch 40 Jahre später, in der ersten Hälfte der neunziger Jahre, als in Ungarn die kirchenpolitische Gesetzgebung einer Aenderung unter zogen werden sollte, mischten sich nicht nur die Bischöfe des Landes ein, was ihr gutes Recht als Angehörige des Landes war — sondern auch -er päpstliche Nuntius tat dies, und eine Rektifizierung dieses Vor gehens hatte schließlich den Rücktritt des gemeinsamen Ministers des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, zur Folge. Schließlich fei noch erwähnt, daß der Vatikan durch die Unmöglichmachung eines Besuches des österreichischen Kaisers in Rom auf die Beziehungen zwischen den beiden Ländern Einfluß ausgeübt hat, und zwar gerade keinen günstigen. Wenn nun solchermaßen das Papsttum die Geschicke von Staaten beeinflussen kann, so ist es ganz klar, daß rein katholische Staaten, in denen natürlich die Kirche einen viel stärkeren und unter Umständen viel gefähr licheren Einfluß ausüben kann, als in konfessionell ge mischten Ländern, ein sehr starkes Interesse daran haben, baß zum mindesten nicht ein solcher Kardinal zum Papste gowä-lt wird, bei dem sie von vornherein eine ihnen un günstige Gesinnung vorauszusetzen haben. Insofern also ist das Recht des Betos, das Oesterreich-Ungarn, Frank reich und Spanien für sich in Anspruch nehmen, auch heute noch wohlbegründet. ES berührt sonderbar, wenn gerade ein Zentrumsblatt behauptet, heutzutage hätten auch die Länder mit ganz katholischer Be völkerung den katholischen Charakter etngebüßt; soweit dies der Fall ist — wie beispielsweise gegenwärtig in Frankreich — wird dieser Zustand von der Kirche doch als unnatürlich und vorübergehend angesehen, und wenn sich ihr eine Gelegenheit bietet, dem betreffenden Staate den katholischen Charakter zurttckzugeben, so wirb sie diese Gelegenheit gewiß nicht vorübcrgehcn lassen. Hindert denn überhaupt das Beto die Freiheit der Papstwahl? Der bayerische Kurier" betont cs aus drücklich, daß eS kirchlich nicht anerkannt sei, und er er- innert daran, daß Papst Paul IV. und Papst Alexander VII. gewählt worden seien, obwohl das Ex- klusioe gegen sie geltend gemacht sei. Wenn dem so ist, so wirb ja durch bas Beto bcn Karbinälen das Recht der freien Entschlietzung gar nicht genommen, sondern bat Veto hat alsdann nur die Bedeutung einer offt- Stelle» Mitteilung an die Kardtnäle, da- der «nü üer Regierung der und der Papst nicht genehm sein würde. Es wäre alsdann der diplomatischen Erwägung der Kar- binäle anheimzugeben, ob es nicht etwas Mißliches hätte, wenn ein Mann zum Papste gewählt würde, zu dem sich ein großer katholischer Staat von vornherein in Gegen satz stellt. Diese Erwägung ist offenbar auch bet der diesmaligen Papstwahl schließlich maßgebend gewesen. Angesichts der Wichtigkeit aber, die, wie wohl auch die klerikale Presse zugeben wird, oder wie vielmehr auch gerade die klerikale Presse zugeben muß, die Papstwahl für einen großen katholischen Staat besitzt, ist es doch wohl das mindeste, daß ein solcher Staat sein Bedenken gegen eine bestimmte Persönlichkeit offiziell und mit Nachdruck -en im Konklave versammelten Kardinalen zu Gehör bringen läßt. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 21. August. (Erbaulichcsaus der s oz t a l ist i «ssch - ain a r chist is ch en Verbrüde rung.) Recht erbauliche Dinge kamen aus der sozia listisch-anarchistischen Bewegung in der letzten außer ordentlichen Generalversammlung der Metallarbeiter zur Sprache. Daß der Anarchist Wiesenthal Beamter des angeblich sozialistischen Metallarbeitcrverbandes gewor den ist, wurde schon vor etlichen Wochen bekannt. Aber auch der Arnachistenführer Pawlowitsch scheint bei den Metallarbeitern einen Bersorgungsposten gefunden zu haben: in dem Protokoll über die General versammlung wird von der Stellungnahme der Ver bands beamten Cohn und Pawlowitsch geredet. Das ließe in -er Tat sehr tief blicken! Man beschäftigte sich sonst mit der Maifeier. Cohn, der Hauptleiter der Metallarbeiter, erklärte, die Maifeier sei nicht das ge worden, was man sich anfänglich davon versprochen habe, und schien sonst der Meinung zu sein, daß es am besten wäre, auf die ganze Maifeier zu verzichten. Und der Anarchist Wiesenthal, jetzt also, wie Pawlowitsch, Ge- werkschaftsbeamter, bemerkt: Es lasse sich nicht leugnen, daß bei den Gewerkschaften im allgemeinen eine gewisse Kühle, um nicht zu sagen, Abneigung gegen die Maifeier sich immer deutlicher bemerkbar mache, wenn dies auch nicht immer offen ausgesprochen werde. Schuld daran seien aber lediglich jene, von denen seinerzeit die Maifeier ins Leben gerufen worden, denn jene Kreise hätten wohl die Maifeier beschlossen, doch die Kosten für die Maßregelungen zu bezahlen, über ließen sie den Gewerkschaften.- Das ist also eine offene Auflehnung gegen die Partei. — Auch die Ge nossen in Lichtenberg waren mit der Art, wie jetzt die Maiseier begangen wird, durchaus nicht ein verstanden: die Feier habe ihren eigentlichen Charakter durch die die wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen den Partettagsbeschlüsse verloren, sie möge mehr als bis her auf dem Parteitage berücksichtigt werden. Des weiteren machte sich auch hier eine sehr starke Mißstim- mung gegen die Fraktion geltend: „Genosse" Dr. Friedeberg-Berlin hielt nicht viel vom Parlamen tarismus und erwärmte sich sehr stark für den General streik. * Berlin, 21. August. („Die Revision des Liberalismus.") Mit der im Anschluß an die letzten ReichstagSwahlen in der Tagespresse und Zeitschriften literatur nach allen Richtungen besprochenen Frage, ob und wie der Liberalismus seinen gesunkenen Einfluß auf die Volksmassen neu erringen und befestigen könne, be schäftigt sich eine kleine, anregend geschriebene Flugschrift, die unter dem oben angeführten Titel soeben bei Hermann Walther in Berlin erschienen ist und in der „Nat.-Ztg." folgende Besprechung erfährt: «Der Verfasser nennt sich „Julianus" und nach dem. was man über seine Siel- lung hört, könnte man beinahe versucht sein, im Zusam menhang mit dem Pseudonym an gewisse äußere Be ziehungen zu einem einstigen ,-Apostat«" zu denken. In- dessen, wir wollen den Schleier des Pseudonyms nicht zu lüften versuchen, glauben auch nicht, daß der Autor der praktischen Politik näher steht. Die Schrift macht vielmehr den Eindruck einer Liebhaber-Arbeit: aus ihr spricht ein liberaler Außenseiter, der sich wenig um «die verschlunge nen Wege der zum Divlomatisieren gezwungenen Partei- und Kraktionsvolitik kümmert und nur in großen Zügen anregend wirken will. Dabei will er keine grundstürzen den Thesen aufstellen, sondern im großen und ganzen nur auS der Verbindung sozialer u-nd liberaler Grundgedanken den liberalen Boden neu befruchten. Der Versuch ist nicht neu und zum sehr erheblichen Teil sogar schon seit ge raumer Zett praktisch geworden. In der Form, in der „Julianus" diese Gedanken vorträgt, bieten sie indessen -och immer noch mancherlei beachtenswerte «Anregung. Die „soziale Betätigung größten Stils", die der Verfasser vom Liberalismus fordert, soll, so rät er, nicht nur im Parlament in Erscheinung treten, sondern überall da praktisch in ausgedehntem Maße angewandt werden, wo der Liberalismus Einfluß hat oder sucht. Insbesondere führt er auS: „Das liberale BereinSwesen auf breiterer Grundlage in gemeinnütziger Richtung auS- zu gestalten, den ausschlaggebenden Einfluß, welchen der Liberalismus in den meisten größeren Kommunen besitzt, im Sinne einer vraktischcn kommunalen Wohl- fahrtspolitik geltend zu machen, das allein wird dem Liberalismus die breiteren Volksschichten wieder zuführen, daS allein vermag ein wirksames Gegengewicht zu bilden gegen über der größeren psychologischen Kunst, mit welcher die gcgne- rischen Parteien den Masscninstinkten zu schmeicheln und Rech nung zu tragen wissen. Jeder liberaler Verein muß sich als gemeinnütziger Verein betätigen, jeder liberale Stadtverordnete muß kommunale Wohlfahrrspolitik treiben — das sei daS ständige Schlagwort der Zukunft, und seine Verwirklichung allein wird den Sieg wieder an die Fahnen des Liberalismus heften. Also nicht allein fordern, sondern schaffen muß die Parole werden. Nicht nur mir Program men prunken, sondern selbst Hand anlcgcn, praktisch tätig sein, selbst eingrcifcn. das ist es, was not tut. Um dies zu erreichen, ist in erster Linie «ine straffere Organisation, ein engerer Zusammenschluß aller im Reiche vorhandenen liberalen Vereine erforderlich. Zu einem großen tatkräftigen Bunde müßten sie sich zusammenschließen, von dessen Leitung neben der agitato rischen Tätigkeit auch die Anregungen zu praktischer Wirksam keit in Vereinen und Kommunen unter Mitarbeiterschaft aller Glieder zu erfolgen hätten. Lernen wir endlich einmal von unseren Gegnern; organisieren wir uns, disziplinieren wir uns und leisten wir praktische Arbeit; aber nicht nur, wenn der Wahlaufruf durch das Land erschallt, sondern jahraus, jahr ein." Was speziell die praktisch-soziale Betätigung des Libe ralismus in den Kommunen aubetrrfft, so lesen wir u. a.: Der Liberalismus besitzt in zahlreichen Kommunen das ent scheidende Ucbergewicht. und die Mehrheit der Bildungsfragen, wie der sozialen Fragen überhaupt, kann auf kommunalem Wege ihrer Lösung entgcgcngeführt werden. . . . Eine der Haupteinnahmcquellen sollte für die kommunalen Klassen die Bodenbesteuerung bilden, soweit die für die Ent wickelung der Städte in gewissem Grade unerläßliche bodeu er s ch l i e ß c n d e Spekulation nicht hierdurch ausgeschaltet wird. Es verstößt nicht etwa gegen die liberalen Prinzipien, sondern es entspricht der ethischen Grund norm von der anzustrcbenden Herrschaft des Tüchtigeren, wenn ein ohne jede Arbeit, ohne jedes persönliche Verdienst erzielter Zufallsgewinn einem entsprechend hohen Abzüge zu Gunsten der Allgemeinheit unterliegt. Die Errichtung von obliga torischen Fortbildungs-, Gewerbe-, Handfertig keils-, Haushaltungs- und Landwirrschaftsschulen ist — Ulster Vermeidung von Abend- und Sonntagsumerricht — nicht nur anzustreben, sondern auf kommunalem Wege mit aller Energie in Angriff zu nehmen. . . Die einzelnen Vorschläge sind, wie gesagt, nicht neu; aber es ist nützlich, sie wieder mit Eifer uno Nachdruck zu betonen und weiteren Volkskreisen wieder mehr zum Bewußtsein zu bringen, daß der Liberalismus tatsächlich in diesem Sinne zu wirken willens ist. Wenn die kleine Schrift von „Julianus" hierzu anregen Hilst, wird sie ein nützliches Werk fördern. * Berlin, 21. August. (Sozialpolitische Per spektiven.) Ein Prozeß, der für die Lvhnkampf- beweguug aller Länder von weittragender Bedeutung ist, wurde dieser Tage in zweiter Instanz zu Gunsten der Kläger entschieden. Die Klage wurde angestrengt von 74 Aktiengesellschaften, die etwa 200 Gruben besitzen und rund 100 000 Arbeiter beschäftigen. Angeklagt ist die Ge werkschaft der Bergarbeiter. Dem Pro zeß liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten sich auf eine sog. gleitende Skala geeinigt, d. h. die Löhne stiegen oder fielen entsprechend dem Steigen oder 'Fallen der Kohlcnprcise. Indessen hatten sic die Rechnung ohne die Zwischenhändler und Ausfuhrhändler gemacht; diese hatten ein Interesse daran, die Einkaufspreise hcrabzu- drttcken, mn beim Verkauf einen höheren Gewinn zu er zielen. Diese Spekulation hatte gemäß der „gleitenden Skala" zur Folge, daß auch die Löhne zurttckgingcn. Wie erinnerlich sein wird, wurde auch im Reichstage bei der Interpellation über die Kohlennot das Treiben mancher Zwischenhändler scharf kritisiert: man sah tn ihm eine der Hauptursachen für das Anschwellen der Kohlen preise. Jedenfalls aber ist dasjenige Mittel, das die vorerwähnte Gewerkschaft zur Besciti, gung der Einwirkung der Zwischcnhandelsspekulation aus die Löhne wählte, mehr originell als wirksam. Die Arbeiter boschlossen nämlich, zum Zweck der Erhöhung des Einkaufspreises und damit auch der Löhne, für einen Tag die Kohlenförderung einzustellen. Die Arbeitgeber moch ten über diesen selbstherrlichen Eingriff in den Gesamt betrieb reichlich verdutzt sein, begnügten sich aber vorerst mit einem Protest. Als sich aber das Schauspiel wieder holte und die Förderung von den Arbeitern gleich auf mehrere Tage selbständig „verboten" wurde, gingen die Grubenbesitzer mit Gegenmaßrcgeln vor; denn nicht die Zwischenhändler, sondern sie wurden empfindlich ge schädigt. Sie verklagten die Gewerkschaft auf 2 Millionen Mark — so hoch bezifferte sich nämlich gerade das Gemerk- schaftsvermügen —, um.-Schadenersatz zu erhalten für den aus ungesetzliche und böswillige Weise herbcigeführtcn Vertragsbruch". Sie wurden in erster Instanz abgc- wissen, errangen aber in der zweiten ein obsiegendes Er kenntnis. Die (Gewerkschaft wird sich mm an die dritte und letzte Instanz wenden. — Nun spielt der Prozeß zwar in England — es handelt sich um die Trades-Union der südwalisisckxn Bergleute und die Besitzer der dortigen Gruben —: man wird die Entscheidung der letzten Instanz abwarten müssen, um aus der Angelegenheit Folgerungen zu ziehen. Indessen gewisse Perspektiven eröffnen sich schon jetzt, und nicht zum mindesten Mr Deutschland, wo der Terrorismus der Arbeiter gegen die Arbeitgeber un leugbar einen ähnlichen Grad erreicht hat, wo aber un seres Wissen» mit derartigen Maßnahmen noch nicht vor gegangen worden ist, höchstens ganz vereinzelt. Es ist schon bezeichnend, daß unsere sozialdemokratische Presse die Entwicklung jenes Prozesses mit größter Aufmerksam keit verfolgt: sie wittert instinktiv die gewaltige Gefahr, die -er politischen Streikbewegung droht, wenn das Unter nehmertum grundsätzlich den Weg der sü-walisischen Berg- Werksbesitzer beschreitet. Natürlich kann es sich nicht um Schadenersatz aus dem reinen Lohnkampf handeln, der nachher gesetzlichen Kündigungsfrist in Scene gesetzt wird: dieser ist berechtigt und entscheidet sich je nach der finan ziellen Kraft der streitenden Teile. Das spezifisch sozial- demokratische Mittel, mit dessen Anwewdbarkeit die ganze Sozialdemokratie steht und fällt, fit der Streik unter Vertragsbruch mit dem Endziel, die Arbeitgeber zu zwingen, ihnen nicht genehme Arbeiter wieder zu be schäftigen und keine anderen als gewerkschaftlich, d. h. sozialdemokratisch organisierte Leute anzunohmen. Um auf diesem (s^ebiet etwas zu erreichen, wäre freilich eine straffe und lückenlose Organisation des Unternehmertums nach englischem oder amerikanischem Ntufter erforderlich. (Schwöb. Merk.) 5-) Berlin, 2l. August. (Telegramm.) Zu der Be merkung des „Vorwärts", der Hofmarschall ». Trotha und der Burgenbauer Architekt Bodo Sbhar-t könnten über den Plan, auf t er Insel PichelSwerder ein kaiserliches Schloß zu erbauen, Auskunft geben, schreibt die „Post": „Wir sind vom ArchitektenEbhardt zu derErklärung ermächtigt,daß er die Insel PichelSwerder gar nicht kenne, niemals dort gewesen sei und auch niemals mit dem Hofmarschall v. Trotba über einen Schloßbau auf dieser Insel oder ein ähnliches Pro jekt gesprochen habe; an der ganzen Geschichte sei, was ihn und Herrn v. Trotha betreffe, kein wahres Wort. 6. U. Berlin, 21. August. (Privattelegramm.) Prinz Heinrich wird, wie nunmehr bestimmt ist, im Herbste seine Stellung als Chef de» 1. Geschwaders nieder legen. Welche Stellung der Prinz dann in der Mariue erhalten wird, steht noch nicht fest. — Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen ist mit dem jüngsten Prinzen Leopold und der Prinzesstn-Tochter am Montag für einige Wochen inkognito nach England abgereist. Die beiden ältesten Söhne des Prinzen Friedrich Leopold, die Prinzen Sigismund und Friedrich Karl, sind am Sonnabend von einer längeren Reise nach England, die sie in Begleitung ihre» Gouverneurs dorthin unternommen hatten, nach Schloß Glienicke zurückgekehrt. — Ueber da» Schicksal der nationalsozialen Presse hat Pfarrer Naumann vor einigen Tagen mitgetrilt, daß „Die Zeit" eingehen, „Die Hilfe" aber sortbestehen werde. Ja die Redaktion der „Nation" werde Herr Weinhauseu, der bis herige Redakteur der „Zeit" «intreteu. * Hamburg, 21. August. Gegeuüber de» ia auswärtige» Blättern verbreiteten Nachrichteu über einen drohende» Straßenbahner-AuSstand, der schon beute beginnen sollte, schreibt der „Hamb. Korresp.": Soviel ist zweifellos: vorläufig gibt'S keinen Straßenbahuer-AuSstaad, wenn auch der Versuch dazu in der weiteren Folge nicht aus geschlossen erscheint. * Hannover, 20. August. Am 21. Dezember dieses JahreS begehen der Herzog von Cumberland und seine Ge mahlin das Fest der silbernen Hochzeit. AuS diesem Aulaß entwickelt die deutsch-hannoversche Partei eine rege Tätigkeit in der Provinz Hannover, um freiwillige Bei träge zu sammeln für ein großes Silbergeschenk. ES soll ein künstlerisch hergestelltes Prunkstück überreicht werden; gleich zeitig fordert mau auf zu einem Massenbesuch im Schlosse zu Gmunden an jenem Tage. Mau erwartet, daß etwa 1000 Hannoveraner die Fahrt dorthin antreteu werden. (-) Altengrabow, 21. August. (Telegramm.) Der Kaiser wohnte von 8 Uhr früh ab auf dem Truppen übungsplatz der Uebung der verstärkten Kavallerie- Division des 4. Korps unter Leitung deS General» der Kavallerie Edler v. d. Planitz bei. Die Division war gebildet aus der 2., der 3. und der 4. Kavallerie- Brigade, der 5. zusammengesetzten und der 7. zusammen- gesehten Kavallerie-Brigade mit der zugehörigen reitenden Feldartillerie. Das Wetter ist stürmisch und regnerisch. Die Kavallerie-Regimenter waren zunächst verteilt auf eine Division -1. I unter Generalleutnant v. Hennigs und eine Division -1. unter Generalmajor Freiherr v. Langermaun und Erlencamp. Die Regimenter waren zu vier Schwadronen formiert, aus den abgegebenen Schwadronen waren neue Regimenter gebildet, sodaß jede Partei drei volle Brigaden batte. Die Artillerie stellte das Feldartillerie- Regiment Nr. 3 und das I. Garde-Feldartillerie-Regiment; die Regimenter 26 und 66 stellten je ein Bataillon. Bei der Division war außerdem eine Maschinengewehr-Abteilung. General Edler v. d. Planitz hatte die Aufgabe gestellt. Nach dieser Uebung vereinigte der Kaiser, der die Uniform der Leib garde-Husaren trug, sämtliche Regimenter und führte mit ihnen reglenientarische Bewegungen auS. Ein Borbeimarsch be- ichloß die Uebung. Um 12 Uhr kehrte der Kaiser ia daS Lager zurück hinter der Kapelle der Leibgarde-Husaren und nahm im Kasino das Frühstück ein. Gestern abend hatte oer Kaiser ebenfalls im Kreise der Offiziere der Kavallerie- Regimenter gespeist, wobei sämtliche anwesende Musikkorps eine» Zapfenstreich auSgeführt hatten. * Rudolstadt» 21.August. Fürst Günther vou Schwarz burg-Rudolstadt feiert heute seiaeu 51. Geburtstag. Oesterreich - Ungar«. Zusammenschluß -er deutsche» Parteien. <r. Tetsche», 20. «August. Die Obmänner der deut schen Bezirke Nordbödmens dielten hier eine Versammlung ab und faßten auf Antrag des Tetschener Bezirksausschusses zum Zusammenschluß der deutschen Parteien nachstehende Entschließung: „Die versammelten Obmänner der deutschen Bezirksvertretungen Nord- böhmens begrüßen mit lebhafter Genugtuung di« am Schluffe der letzten Reichsratssession beschlossene Bereini gung von deutschen Parteien zu gemeiiffaurer Arbeit zum Wohle des deutschen Volkes in Oesterreich. Dieselben erhoffen ans diesem Wege nicht nur eine Besserung in wirt schaftlicher Hinsicht, sondern auch eine gemeinsame Abwehr der ungezügelten Ansprüche des tschechischen Lharwt- niSmuS." Ist Juuobruck eiue gemischtsprachige Stadt? Die Italiener behaupten eS bereits. Sie konstatiere» mit Genugtuung, daß man heute aus den Straßen der Vor stadt Wilten bet jedem Schritte die Sprache deS ,^i" in den verschiedenen Dialekten zu hören bekomme und daß die Wälder und Berge um Innsbruck von italienischen Liedern widerhaüen. Außer einer Menge von Beamt«
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