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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030822023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-22
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AnzeigenPreiS die ögejpaltene Petitzeile LS Reklame» unter demRedatttou-strich (-gespalten) 7S vor deu Faiinlienaach- richte» (SgeipaUeu) SO Labellarischer und Ztffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnanuahme LS L, (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgea-AuSgabe, ohae Postbesürderuug SO.—, mit Postbesörderung 70.—» ^unahmrschluß für Tinzeige«: Abend-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen stud stet« an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« n»nuterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck »ad Verlag von E. Pol» in Leipzig. Tonnabend den 22. August 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. August. Ein nachahmenswertes Beispiel. Wenn dieser Tage eine sozialdemokratische Wahlkreis- Konferenz für den Reichstagswahlkreis Westpriegnitz statt gefunden hat, so ist dies an sich sicherlich kein weltcrschüt- terndes Ereignis. Und doch ist der Vorgang vorbildlich für die Agitation und damit auch für die Erfolge der Sozialdemokratie. Auf der Konferenz wurde zunächst der bei den Wahlen vom 16. Juni in die Stich wahl gelangte, in dieser aber unterlegene Kan didat „'Genosse" vr. Weyl schon jetzt für die nächsten Reichstagswahlen wieder ausgestellt. Der Wert einer solchen, so zu sagen kontinuierlichen Kandidatur ist unbe streitbar: die Parteigenossen im Wahlkreise wissen, für wen sie agitieren, und der Ehrgeiz des Kandidaten sorgt seinerseits dafür, daß unablässig agitiert wird. Sv ist denn auch schon jetzt auf der Konferenz eine vollständige Organisation beschlossen worden. Es ist ein Kreis-Ver- trauensmann gewählt worden, der an der Spitze der Wahlkreis-Agitation steht, Ihn: haben alleViertel - jahre die Vertrauensmänner der einzelnen Distrikte des Wahlkreises Bericht über die Agitation abzustattcn; er selbst hat auf der alljährlich stattsindenden Kreis-Konferenz 'über seine eigene agitatorische Tätigkeit Rechenschaft abzulegen. In dieser Weise wird die Agitation auch während der „Friedensjahre" lebendig erhalten und der Ehrgeiz der Vertrauensmänner, etwas in der Agitation zu leisten, wird durch die Notwendigkeit der Berichterstattung gefördert. Schon bisher hat der Wahlkreis Westpriegniy eine erstaunliche regelmäßige Zu nahme der Sozialdemokratie zn verzeichnen gehabt. Bis zum Jahre 1887 wurden übcrlmnpt keine sozialdemokra tischen Stimmen in diesem Wahlkreise abgegeben, in dem erwähnten Jahre waren es ganze 90, die aber bei den folgenden Wahlen schon auf 423 anwuchsen; im Jahre 1894 waren es bereits 1798, bei den Mahlen von 1898 allerdings nur 500 Stimmen darüber, diesmal aber aber mals 1700 Stimmen mehr, sodast die Sozialdemokraten es auf nahezu 4000 Stimmen brachten. Die neue Organi sation wird voraussichtlich bei den nächsten Wahlen eine weitere Steigerung der sozialistischen Stimmen ziffer zur Folge haben, und so kann es nach und nach kommen, daß dieser zu vier Fünfteln ländliche und ganz und gar nicht industrielle Wahlkreis schließlich der Sozial demokratie verfällt. Man muß es den Sozialdemokraten lassen, daß ihr Siegesrausch sic nicht schlaftrunken macht, sondern sie nur zu verstärkter Agitation nnd ver besserter Organisation anspornt. Und wo bleiben die bürgerlichen Parteien? ' Sozialdemokratie und Konfession. Unzweifelhaft hat die Sozialdemokratie ihren großen Stimmenzuwachs bei den letzten allgemeinen Wahlen in erster Reihe den industriellen Bezirken zn verdanken, was sich ja auch ganz von selbst versteht, da hier die Agitation sehr viel leichter ist, als in weit ausgedehnten Land bezirken mit einzelnen Gehöften. Immerhin aber hat sie auch in ländlichen Bezirken eine Zunahme zu verzeichnen, und es ist nicht uninteressant, daß dieser Zmvachs relativ in katholischen ländlichen Distrikten stärker ist, als in evangelischen. In dem zum größten Teile evange lischen Regierungsbezirke Königsberg betrug die Stimmenzunahme der Sozialdemokratie lohne den Stadt kreis Königsberg) 18 Prozent, im ganz evangelischen Re gierungsbezirke Potsdam (ohne die beiden industriellen Wahlkreise Nieder-Barnim und Teltow-Becskow-Char- lottenburg) 38 Prozent, im Regierungsbezirke Frankfurt a. O. 36 Prozent, in dem ganz evangelischen Pommern (ohne die beiden industriellen Kreise Randow-Greifen hagen und Stettin) 35 Prozent, im Regierungsbezirke Breslau 18 Prozent, in den Regierungsbezirken Magde burg und Erfurt je etwa 30 Prozent. In dem zu durch schnittlich 90 Prozent katholischen Regierungs bezirke M ii n stcr, in dessen vier Wahlkreisen sämtlich die ländliche Bevölkerung überwiegt, betrug die Stimmen- znnahme der Sozialdemokratie 800 Prozent nnd der Anteil der Sozialdemokraten an der Gesamtstimmcn- abgabe stieg von 2 Prozent auf 11 Prozent. In den drei ländlichen Wahlkreisen des Regierungsbezirkes Köln, nämlich in den zu 97, bezw. 89, bezm. 77 Prozent katho lischen Wahlkreisen Bergheim-Euskirchen, Rheinbach- Bonn und SicgkrciS-Waldbröl, nahm die Stimmenziffer der Sozialdemokratie um 160 Prozent zu, im Regierungs bezirke Düsseldorf (mit Ausnahme der industriellen Wahl kreise Lennep, Elberfeld, Solingen, Düsseldorf, Essen und Duisburg) betrug die Stimmcnzunahmc 72 Prozent, in den ganz katholischen und ländlichen altbayerischcn Wahl kreisen «ausgeschlossen sind dabei die beiden großstädtischen Münchener Kreise) betrug die Zunahme 104 Prozent. Im Grvßhcrzogtnme Raden endlich, mit Ausnahme gerade der vorwiegend evangelischen und industriellen Wahlkreise Pforzheim, Kalsruhe und Mannheim, betrug der Stimmenzuwachs der Sozialdemokratie 75 Prozent. Allerdings muß betont werden, daß hier nur von dem relativen Stimmenzuwachs gegenüber den Wahlen von 1898 die Rede ist; absolut genommen, ist in allen den hier erwähnten Gebieten nicht so bald an einen Sieg der Sozialdemokratie zu denken, auch wenn sie bei den nächsten Wahlen in derselben Progression zuninnnt. Immerhin ergibt sich doch aber daraus, daß die Redens art, die katholische Kirche seß ein sicherer Hort gegen die Sozialdemokratie, nicht zntiisft. Wenn die katholische Kirche irgendwo Einfluß hat, so ist es doch auf dem platten Lande. Gerade hier aber ist der Stimmenzuwachs der Sozialdemokratie relativ stärker gewesen, als in den städtischen und vorwiegend industriellen Gebieten. Die Armccsprache in Osterreich-Ungarn. Ucbcr die Gründe, aus denen die ungarische Unab- hängigkcitspartei die deutsche Armeesprache bekämpft und für Ungarn die magyarische Sprache verlangt, l-at sich Iran; Kossuth gegen einen Mitarbeiter der „N. Fr. Pr." folgendermaßen ausgesprochen. Die Frage, ob die so genannten „nationalen Konzessionen" die Armee nicht schwächen würden, beantwortete Kossuth, „als ein Mann, der sich schon in seiner frühesten Jugend mit den mili tärischen Wissenschaften beschäftigt hat", mit einem kräf tigen Rein. Denn seit die Armee ein einheitliches Kom mando und eine einzige Fahne l>abc, sei sie fast immer geschlagen worden, so z. N. 1859 und 1866, während sie vorher mit allerlei verschiedensprachigcn Hülfstruppen aus der überwiegenden Mehrzahl der von ihr durchgc- machten Schlachten siegreich hervorgcgangen sei. Diese selt same Erscheinung erklärt Kossuth „einfach" damit, daß in der jetzigen Organisation der Armee „die Nationen nicht anwesend sind und deren Stelle einzig und allein die Disziplin vertritt", wogegen „jene Begeisterung, die das nationale Empfinden verleiht, aus ihren Reihen ver- bannt" ist! Denn „die Tugend der Todesverachtung kann dort nicht gesucht werden, wo die Begeisterung verboten und der Patriotismus verdächtigt ist, wo die Entfaltung des Selbstbewußtseins durch die Strenge der in einer fremden Sprache geltend gemachten Disziplin oehindert wird". Dann ging Kossnth auf positive Vorschläge über, wie die Armee zu ihrem Berufe zu erziehen sei. Es müßten nämlich die von einander abweichenden Charak- terzüge der verschiedenen Nationen entsprechend ansge- nützt werden. Der Magyar müßte, entsprechend seinem Mesen, znm raschen, heftigen Angriff, ver Deutsche und Slawe dagegen zum zähen Widerstande erzogen werden, und nur „bewunderungswürdige Befangenheit" habe dies bisher nicht getan. Eine Armee, die bisher also „unter Bedachtnahme auf den nationalen Geist" erzogen würde, die „die beiden Staatsgcdanken aus voller Seele zu ver teidigen hat", werde unvergleichlich tüchtig sein. Bon der Besorgnis, daß in der Schlacht das verschiedenartige Kommando Verwirrung Hervorrufen würde, ist Feldherr Kossuth frei. Denn „wer die Tinge versteht, weiß ganz genau, daß in der Wirklichkeit während der Schlacht mit Signalen kommandiert wird; das Signalhorn aber trompetet weder deutsch, noch magyarisch". Da aber Kossuth doch weiß, daß nicht die gesamte Befehlgebung auf musikalischem Wege geschehen kann, so läßt er sich zu dem Zugeständnis herbei, es könne „immerhin nützlich sein, daß der Befehlshaber in einer einzigen Sprache komman diert, und daß derjenige den Befehl versteht, der ihn anSzuteilen bat". „Das könnte dazu führen, daß bis zu gewissen militärischen oder taktischen Einheiten die Sprache eine einheitliche sein könnte; unterhalb dieser Grenze aber könnten die Sprachen der beiden Staaten zur Geltung gelangen." Denn, mit diesem triumphieren den Hinweis schließt Kossnth, Derartiges sei ja schon vorgekommen, als nämlich Graf Waldersee in China die Truppen von acht verschiedensprachigen Staaten komman diert habe! Soweit der Mann, „der sich schon in seiner frühesten Jugend mit den militärischen Wissenschaften be schäftigt ha>". r. Der König von Rumänien über die Lage auf dem Balkan. Unser Bukarester Mitarbeiter schreibt uns unterm 19. Angust: In der auswärtigen Presse sind mehrfach Artikel erschienen, welche an die Zusammenkunft des Königs Carol mit KaiserFranzIosef in Ischl allerlei Kombinationen kniipfen, namentlich im Hinblick auf die zunehmende Verwirrung in Makedonien. Es ist da viel Konjckturalpolitik mit unterlaufen. Zu nächst möchten wir daran erinnern, daß König Carol an läßlich seiner Sommerreisen schon seit einer langen Reihe von Jahren regelmäßig mit Kaiser Franz Josef zu- sammentrisft, mit dem ihn aufrichtige Sympathie und Freundschaft verbindet. Es liegt also an sich in dem Besuche König Carols bei dem österreichischen Kaiser nichts Auffallendes. Und daß man bei den Zusammenkünften gekrönter Häupter nicht bloß von dem Wetter, der gegen seitigen Gesundheit und den neuesten AutomobilMfällen sprechen wird, nnd daß man deshalb auch bei dieser Entrevue die politischen Tagesfragen in -en Bereich der gegenseitigen Aussprache gezogen haben wird, dürfte eben falls ganz selbstverständlich sein. Insoweit verkünden jene Artikel also nichts Neues, und was sie darüber hinansmelden, ist zum großen Teil falsch ober bloße Mut maßung. Wir können auf alle Fälle konstatieren, daß die Anschauungen König Carols über die Vorgänge in Makedonien wesentlich ruhigere sind, als in jenen Artikeln zum Ausdruck gelangt. Er ist der Ansicht, daß der Aufstand, auf seine eigenen HülfSmtttel angewiesen, wohl an einigen Stellen zeitweise, einem Gtrohfeuer gleich, hoch emporlodern, aber ebenso rasch wieder in sich zusammensinken wird, daß er dann noch eine Zeit unter der Asche fortglimmen, aber schließlich durch die Türken völlig unterdrückt werden wird. Falls nicht Zwischenfälle eintreten, welche Bulgarien mit der Tüickei in kriege rischen Konflikt bringen, glaubt er an einen friedlichen Ausgang der Angelegenheit, ist übrigens auch der Mei nung, daß derartigen Zwischenfällen bei allseitigem guten Willen vorgebeugt werden könne. Völlig unwahr ist die Mitteilung, daß Rumänien als Mandatar Europas Teile seines Heeres mobilisieren und iim gegebenen Augenblicke nach Bulgarien entsenden werde. Wenn vielleicht im Laufe der jüngsten Ereignisse irgendwo dieser Gedanke aufgetaucht sein sollte, so hat er sicher sofortige Zurückweisung durch den König erfahren. Denn wenn der letztere auch Soldat durch und durch, und es seiner steten Fürsorge vor allem zu verdanken ist, daß das rumä nische Heer stark und schlagfertig ist, so ist er doch einem Kriegszuge abgeneigt, der seinem Lande dauernde Un popularität bei einem Volke eintragen würde, mit dem in Frieden zu leben — man denke nur an die langgestreckte gemeinschaftliche Grenze und die wirtschaftlichen Wechsel beziehungen — das beiderseitige Interesse erheischt, es sei denn, daß die nationale Würde einen solchen Krieg nn. abänderlich macht. Bei einem europäischen Mandat ist aber die nationale Würde nicht in dem Ginne der Ge nugtuungsforderung für die verletzte BolkSehre enga- giert. Dazu kommt, daß andere europäische Staaten materiell leichter ein solches Mandat, falls erforderlich, ausftthren könnten, als das gegenwärtig schwer um seine wirtschaftliche Existenz kämpfende Rumänien. Deutsche- Reich. Leipzig, 22. August. Die diesjährige Gene ralversammlung des nationalltberalen La n ü e s o e r ei n s für das Königreich Sachsen wird am Sonntag, den 18. Gep- temberin Leimig abgehalten werden. Aus der TageS- ordnung steht außer dem satzungsgemäß vorgeschriobenen Jahres- und Kassenbericht die F rage bersächfische« Wahlrechtsreform. Dieselbe soll aber schon vor her in einer gemeinsamen Sitzung deS LandeS- ausschusses mit dem Gesamtvorstande, welche am 29. August in Döbeln stattfindet, beraten und geklärt werden. Leipzig, 22. August. Der Reichstag hat in seiner letzten Arbritsperiode die Petition des Börsenvereins der deutschen Buchhändler in Leipzig, betreffend Heran ziehung weiterer Staaten zur Berner Uebcreinkunft für den Schutz der Werke der Literatur und Kunst, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. In den Kreisen des deutschen Buchhandels gibt man sich der Hoffnung hin, der deutsche Botschafter in Washington, Freiherr Speck v. Stern burg, werde die Regierung der Bereinigten Staaten Feuilleton. isj Renate von Grieben. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck verboten. Er will etwas erwidern, starrt sie aber nur an, rot wie ein gescholtener Schulbube. Das gibt ihr den Mur, zu lachen. „Die Präliminarien hätten wir hinter uns. Renate ist krank. —" Diese Mitteilung scheint ihn aufzuregen. „Krank, nnd ich hm! Ich hübe es wahrhaftig gut gemeint!" „Gut gezielt, aber schlecht getroffen, ja. Doch können Sie Ihren Fehler wettmachen." „Wie?" „Indem Sie den Koffer dort einstweilen wieder aus. packen und bleiben." ,Hm! Ich wüßte nicht. — Fräulein von Grieben be wies mir in so unzweideutiger Weise ihr Mißfallen, ja mehr: ihre Verachtung Nein!" ruft er und fällt schwer auf seine Tischplatte. ,Herr Bollhard!" bittet sie. „Im Ernste werden Sie Renate eine, das gebe ich zu, schwere Kränkung dennoch nicht nachtragen, sobald Sie sich klar machen, in welchem Banne sie steht." Er geht einmal schwerfällig in dem kleinen Gemach auf und nieder. „Der Bann jener Augen — was wissen Sie davon?" „Ich bemerkte bereits, daß es auf derartige Fragen nicht ankomme. Genug, daß ich ihn kenne —" Sie stockt. Bollhard hat den Blick gerade auf sie gerichtet. „Die Frage ist jetzt nur: wollen Sie mir helfen, Herr Boll. Hard?" „Wie soll ich das?" ,Herr Killmann wird vielleicht schon heute nacht, jedenfalls aber sehr bald hier eintrcffen. Da Sie zwetfcls- ohne mit dem Fahrplan umzugehcn wissen, so müßten Sie ihn abfangen, unbedingt aber unmöglich machen, daß er in die Hedemannstraße kommt, ehe ich von Ihnen Nach richt habe, um — eben dieses Kommen zu verhindern." Volkhards Finger tupfen, während er neben ihr steht, nervös auf dem Tische herum. „Und?" fragte er dann. „Was?" „Und ihr Bruder?" „Können Sie dessen Aufenthalt erfahren — um so besser. Aber ich würde dann bitten, zunächst mich zu benach richtigen. Fräulein von Grieben verlangte in ihrer ersten Aufregung von mir, durch öffentliche Anzeigen seinen Verbleib zn ermitteln, doch denke ich, dazu ist noch immer Zeit. Ach, Herr Bollhard, es ist ja sehr viel, um was ich Sie anflehe, doch nicht zuviel, des Zieles wert zu sein." Nun sind seine Brillengläser wieder so forschend auf sie gerichtet. „Wie meinten Sie das? — Hm!" macht er dann, als sie schweigt. „Wollen Sie?" fragt sie schließlich. Er hält ihr seine Rechte entgegen. „Ich glaube, Sie meinen es sehr gut mit Ren — mit Fräulein von Grieben." „Und ich halte Sie für einen sehr selbstlosen Menschen", erwidert sie init ihrem gewinnenden Lächeln. „So?" fragt er kurz, ihre Hand loslassend, und sieht sie groß an. „Ja, Herr Bollhard. Also — Sie beziehen Ihren Posten auf dem Bahnhofe?" „Auf dem Lehrter", nickte er. „Dann Adieu! Meines Dankes brauche ich Sie nicht im Voraus zu versichern — An!" ruft sie dann belustigt, als er mit nochmaligem Händeschütteln ihre Finger druckt wie im Schraubstock. Im nächsten Augenblicke ist sic draußen. Er steht am Fenster und sieht in den Hotelgarten hinab. „Selbstlos, sagt sie? — Hm! — Aber nun den Fahr plan!" Dann klingelt er. „Ich bleibe voraussichtlich noch ein paar Tage." Der Hotclpage, dem er das sagte, lächelte so pfiffig. Wer so Hübschen Damenbesuch bekommt, dem mag's in Berlin wohl gefallen. Auch ein Page von sechzehn Jahren hat seine Lebens- anschanungen. Noch denselben Abend späht Georg Bollhard den Sten- daler Nachtzug entlang, mit einigem verbissenen Ingrimm und ohne sich recht im klaren zn sein, wie er sich bei einer etwaigen Berührung mit dem Objekt seiner Detektiv- Aufgabe zu verhalten habe. Die Wahrheit zu gestehen, ist es ihm einstweilen nicht einmal unangenehm, daß unter den Hundert Reisemüden, die da ausstiegen, kein Walter Killmann zu erblicken ist. „Kinne morgen der Frühzug! Steckt er in dem nicht, so habe ich bis zum Mittag Zeit, mir bei Erich Buschkorn Rat zu holen. Für den Grünschnabel wäre so 'ne ver- trakte Kommission eher 'was als für mich", knurrt er, als er die Bahnhofshalle verläßt. Krumme Wege waren nie sein Fall, und hier hat er ein so unbestimmtes Gefühl. Herrn Killmann ohne weiteres beim Kragen und für sich in Beschlag nehmen zu müssen. „'s wär' die beste Gelegenheit zum Ausgleich seines alten Kontos! Aber ich wollte doch, ich könnte sie erst mit dem schönen Erich bereden." Als er dann am folgenden Morgen — auch der Früh zug hatte den Erwarteten nicht gebracht — so gegen zehn Uhr in der Artilleriestraße 49 bei Frau Amanda Böhlke nach Herr Buschkorn fragt, ist er sshr verdrießlich Uber den Bescheid, -er Herr sei nicht zu Hause. „So früh aus?" fragt er verwundert und im Aerger, aus zarter Rücksichtnahme auf Erichs Morgenschlummer nicht zeitiger vorgesprochen zu haben. Amanda Böhlke zielst die spitzen Schultern hoch. „So'n Student, det is unberechenbar. Erst bis tu die Nacht bei der Arbeit jeseffen, und denn — vor Dau und Dag hätt' ick bald jesagt — 'ne Tasse schwarzen Kaffee, die er sich selbst zurechtjcbrodelt tust, mit 'n Cognac in'n Magen un mit sein'n dicken Freunde los in'n Irunewald. Der dicke Herr hat sich vvn'n Nachtwächter die Haustür usschließen lassen um klingelt bei mir, morjens um viere! Un wie ick ufmachen will, da steht mein Zimmerherr schon fix un fertig in'n Paletot un sagt: „Lassen Se man, Krau Böhlken, wir machen bloß 'ne Morjenpromcnadei" Na, det ick mir verflüchtigen konnte, war mir nich unanjenehm von wegen meine notdürftigen Kledaschen, un wie ick höre, det die Herren die Korridortür richtig hinter sich zu haben, da bin ick wieder in de Federn iekrochen; denn 'ne arme Witwe von zweiumfufzig, die sich zehn Jahre mit Zimmer herren abjerackert hat, verdient en Oge voll Schlaf, det können Se jlooben. un —" ,)Wann kommt Herr Buschkorn möglicherweise zurück?" unterbricht Bollhard di« Zungenfertige. „Jotte noch, det wer'n Se doch nich verlangen, det ick mir darum kümmern soll! Sie sind jewiß nie im Leben Student jewescn, mein Herr, sonst fragten Se nich. Aber — 's kann ja sind, det er bald wieder da is un wenn Sie in seinem Zimmer 'n bisken warten wollen —" Bollhard sieht nach Ler Uhr. Noch über zwei Stunden bis zum nächsten Zuge. „Ja", antwortet er non entschlossen, und Frau Böhlke geht ihm voran. „'n scheen Zimmer, was? Un daneben 'S Schlafzimmer is ooch nich schlecht, 's waren sonst Herrn Frydag seine beiden, aber der hatte nu ausstudiert un mir an seinen Freund empfohlen. Setzen S« sich man La in Le Sofaecke, un wenn Se Langeweile haben, dann können Se sich ja «ins von die Licken Medizinbücher von'n Tisch nehmen." Endlich verschwindet «die Frau. Eine halbe Stunde später starrt der schöne Erich feinen alten Freund aus übernächtigen Augen an. „Georg, Onkel Georg —" Das ist nicht das sorglos freimütige Lächeln auf den weichen Lippen, nicht die ritterlich nachlässig« Haltung, auch nicht die Eleganz in der Kleidung von Frau Doktor Buschkorns Einzigem. Das ist ein ganz anderer, 'der da, während er Georg Bollhard die Hand hinstreckt und noch einmal, stumme Selbstanklage im Blick, auSruft: „Onkel Georg!" — und dann: „Ich habe heute einen Menschen er schossen!" Bollhard sinkt wieder auf seinen Platz. „Ich bitte Sie, sehen Sie mich doch nicht so stier an, es ist wahr Wir kommen eben. Bruno und ich, vom Alexanderplatz, wo ich mich der Polizei gestellt habe." Dann versucht der Sprecher ^n mißlingendes Lächeln. „Hättest das von meiner Mutter Sohn kaum gedacht, wie? Aber 's stimmt genau; sie haben's ja bei der Kriminal polizei in den Büchern. — Brr!" Bollhard muß einmal schlucken, ehe er fragt: „Ein Zweikampf?" „Ein ehrliches Duell", ruft der breitschultrig« Stahleck. „Der Teufel konnte wissen, daß —" „Daß der Gegner ihr Bruder war", vollendet Erich leise; „Lothar von Grieben." Nun fährt Vollbavd wieder empor. „Renatens Bruder?" „Wenn der Satan, der ibm sekundierte, nicht log, so war er'S. Zudem übergab mir der Unparteiische, ein alter Herr von den Sachsen, einen Brief an sie, den er vor der Mensur von ihm erhalten hatte." Nervös fingert Erich Buschkorn in seinen Taschen und wirft dann ein Couvert aus den Tisch. „Da!" „Gersbach?" fragt Herr Bollhard verständnislos, und Stahleck belehrt ibn.
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