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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030825027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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- Tag1903-08-25
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5898 Ranges, ein obskurer Intrigant, dessen Name selbst vor 24 Stunden den meisten Franzosen unbekannt war und über dessen „Verräterrolle" Labor« sich, nachdem Therese sich ihm anrertraul hatte, erst aus den Wörterbüchern (I) hatte unterrichten müssen. Wer wer Rögmer? — Ein phantastischer, ungebildeter Kopf, dessen Bismarck sich einmal zu einer Sen dung an Bazame bedient bat, obgleich er ihn nach 'einem eigenen Zeugnisse niemals ernst nahm. Ein ehrgeiziger Spekulant, der sich der Kaiserin Eugenie aufdrangte. Abwechselnd Drmagog und Beamter, Revolutionär und Bouaparlist, Winkclredakteur und Börsenspekulant, Magnetiseur und „Diplomat". WeoaThrresenS Enthüllung wahr wäizr — sie selbst ist vorsichtig genug, im voraus auzukündigen, daß sie möglicherweise getäuscht worden sei — so hat dieser edle Erblasser das nationale Unglück des Jahre» 1870 dazu benutzt, sich durch Baiffe-Spetulationen auf Kosten seiueS Vaterlandes zu bereichern, mit dem er beuteten Gelbe nach England oder der Schweiz zu gehen, und dann — man weiß nicht recht warum — die ohne Ehren er worbenen Millionen der Therese zu vermachen. In welchem Verhältnis diese zu Rsanier gestanden habe, ob sie seine natürliche Tochter ist, darüber sagt Frau Humbert nichts, und r« ist auch so uninteressant, daß kein Geschworener und kein Richter es für der Müv« wert gehalten hat, sich danach zu erkundigen. Mau hat über die klägliche und mit vielem Pomp anaeküodigte Enthüllung einfach gelacht. Hat dieselbe auf den Echaldspruch und die Strafabmessuna irgend welchen Einfluß gehabt, so kann st« höchstens strafverschärfend gewirkt habe», Perm gar mancher Geschworene mag, wie die anderen Sterb lichen, auf eine wirkliche Luftlärung über eine furchtbare SchuksaiSweoduug im Leden der Prozeßheldia gelauert haben. ES gibt ein bestimmtes Zeichen dafür, daß der letzte Tag, der die NSgmer-Euthüllung brachte, für Therese und ihre Mitangeklagten verhängnisvoll gewesen ist. DaS große Publikum »äu^ich, das kem« Verantwortung zu tragen hat und darum meist strenger urteilt als der zu sorgsamer Ab- Wägung gezwungene verantwortliche Richter, hatte vor ein paar Tagen bedeutend milder geurteilt, als es schließlich der Gerichtshof tat: Der „Matin* hatte — zu Reklamezwccken, aber das tut hier nichts zur Sache — ein Preisausschreiben über den UrteilSsprnch veranstaltet. Dabei stellt« eS sich heraus, daß von 37 202 Stimmen 7641 einen völligen Freispruch aller vier Angeklagten erwarteten, daß die meisten auf eine geringe Bestrafnug der Hauptschuldigru mit Gefängnis rechneten, und daß im ganzen nur 6750 Stimmen eine Zuchthausstrafe (rS^nsion) für Therese und gar nur 4530 eine solche für FrddLric in Aussicht nahmen. Heute aber ist das Publikum, soweit die Presse als Ausdruck der öffentlichen Meinung gelten kann, mit dem Urteilsspruche durchaus einverstanden, ohne daß sich ein Unterschied in den Blättern der verschiedenen Partei richtungen kundgäbe. In einer anderen Beziehung ist man freilich, wie dem „Hann. Kour." aus Paris geschrieben wird, recht unzufrieden. Man findet, daß die Verhandlungen nicht die mindeste Klarheit über das gebracht haben, was man die „politische Seite" der Humbertaffäre genannt hat. Nach einem offenkundigen Uebereinkommen zwischen der Anklage und der Verteidigung hat man den politischen Skandal vermieden, indem man alle die kompromittierenden Schriftstücke der Oeffeut- lichkeit vorenthielt, durch welche bekannte Persönlichkeiten der politischen Welt und der Pariser Gesellschaft in ihrem.Verkehre mit den HumbertS dloßgestellt werden konnten. Labori hat diese Tatsache in seiner Verteidigungsrede ausdrücklich an erkannt und der Vorsitzende des Gerichtshofes hat nicht widersprochen. Vermutlich ist dadurch auch au der eigent lichen Sachlage nichts geändert worden, denn es ist schließlich gleichgültig, ob Felix Faure und DeScbanel, Pelletan und Jacquin persönliche Beziehungen zu den HumbertS ge pflegt haben; dies« hatten jedenfalls die Schlauheit, ihren Verkehr in allen hohen Kreisen, unbekümmert um die Partei stellung zu suchen, und die Blamage wäre infolgedessen bei einem Ausrühren dieser Dinge wohl ziemlich gleichmäßig nach rechts unv nach links verteilt worden. Aber die HumbertS rechneten hierauf, sie erhofften die Freisprechung von ihren Verbindungen und sie waren aus vielem Grunde, von ihren Angriffen gegen Valls und Waldeck-Rousseau abgesehen, ziem lich „diskret" gewesen. Sie haben sich, wie der Urteilsspruch beweist, gründlich verrechnet. Sollte es zur Revision kommen, — und Labori hat schon die ersten Schritte für eine solche getan — so wird man sich wahrscheinlich weniger reserviert zeigen, uüd dann können wir es erleben, daß die anmutigen Scenen der politischen Skandale (Wilson-, Panama-, DreyfuS- Affäre) aus den letzten Jahren sich wieverholen. Ein Teil der Presse aus beiden Seiten bat schon nicht übel Lust dazu. Cassagnac behauptet in der „Autorils", die Humbert-Affäre sei der Prozeß der Republik; Drumont will in seiner „Libre Parole" den NaciweiS führen, Laß die Rägnier-Fabet nur vorgeschoben sei, um ven wahren Ursprung des Vermögens aus dem Krach der „Union günsrale" zu vertuschen; das „Echo de Paris" spricht von dem „unmoralischen Schacher", der zwischen der Anklage und der Verteiriguog stattgesunden habe, und auch die sozialistisch« „Aurore" sragk mißtrauisch; „Was für ein außerordentliches Geschäft ist zwischen Anklage und Verteidigung zum Abschluß gekommen? Welches Inter esse konnte Kran Humbert wohl daran haben, nicht mit allem herauszurücken, ihre Rache zu opfern und fünf Jahre Zucht haus zu acceptieren?" So deutet manche» darauf hin, daß mit dem Urteile noch lange nickt das letzte Wort in der Humbert-Asfäre gesprochen ist. Leider! Sie hatte und hat wahrhaftig nichts Anziehendes. Deutsches Reich. * Leipzig, 25. August. Die hiesigen Nationalsozialen baden sich mit dem Anträge Naumann« betreffend die Fusion de« nationalsozialen Verein« mit dem liberalen Wablverein (Freisinnige Vereinigung) einverstanden erklärt, weil sie dadurch den Fortbestand der nationalsozialen Ideen für gesichert halten. Berlin, 24. August. (Aus der nationalliberalen Partei.) Der diesjährige ordentliche Vertrete»tag de« ReichSocrbandes der Vereine der Nationalliberalen Jugend findet am 30. und 31. August in Mannheim' statt. Auf der Tagesordnung stehen außer Organisations-, Verwaltungö- und die Zeitschrift „Natioualliberale Jugend" betreffenden Fragen und den üblichen Referaten über die bisherige Tätigkeit der einzelnen Vereine: Vvrbereiiung ver einzelnen Landtagswahlen, Stellungnahme zur Sozialdemo kratie, Errichtung kausmäunischrr Schiedsgerichte und Arbrils- kammeru. Als Abgeordnete deS Eeutralvorstanbes der Partei nehmen voraussichtlich teil: der Vorsitzende des Eentralvor- standes, vr. Hammacher, die ReichstagSabgeoroneleu I)r. Sattler, Prof. Ur. Hieber, Oberamtmann Beck unv Ur. Blankenborn; ferner die Zentralvorstandsmitglieder Basser- mann-Mannhcim, Binz-Karlsruhe, Prof. vr. R. Goldschmidt- Karlsruhe, Kaufmann Emst Meyer-Mannheim und General sekretär Breilhaupt. — Den nationalliberalen Jugend vereinen ist es namentlich am Rheine vergönnt gewesen, erfolgreich in die ReichStagSmahlbewegung einzugreisen; die gleiche eifrige Tätigkeit gedenken sie bei den Landtagswahlen zu entfalten in treuer Mitarbeit mit den älteren Partei genossen. Wir vertrauen, daß auch der diesjährige Ver tretertag di« gegenseitigen Beziehungen zwischen der national liberalen Jugend und der gesamten Partei erstarken läßt und das Baud der Zusammengehörigkeit uur noch fester zur Stärkung der liberalen Weltanschauung schließt. — Dem allgemeinen preußischen Delegiertentage zu Hannover beabsichtigen die rheinischen Nationalliberalen einen besonderen Parteitag in Essen vorausgeben zu lassen. Herr Bassermann wird dort allgemeine politische Fragen behandeln und Syndikus Hirsch-Essen wird über Verkehrs mittel sprechen. * Berlin, 25. August. (Der Kaiser über die Einfachheit im Offizierkorps.) Während zur Zeit wieder so viele und fast allgemein als berechtigt an erkannte Klagen über die Teuerkeit des Offizierslebens und unnütze Ausgaben laut werden, ist es von Interesse, an die Kaiserliche Kabinettsordre vom März 1890 zu er innern, in welcher nachdrücklich zur Einfachheit hin- gewiesen wurde. Dieselbe lautet: „Ich muß es mißbilligen, wenn der Eintritt (in das LsfizieckorpS) abhängig gemacht wird von einer übermäßig hohen Privatzulage, welche die Söhne wenig begüterter, aber nach Gesinnung und Lebensauffassung dem Offizierkorps nahe stehender Familien der Armee fernhalten muß. Um solchen Unzuträglichkeiten Einhalt zu tun, spreche ich meinen Willen dahin aus, daß in der Regel die Kommandeure bei der In fanterie, den Jägern, der Fußartillerie und den Pionieren nicht mehr als 45 -.L, bei der Feldartillerie nicht mehr als 70 und bei der Kavallerie nicht mehr als 150 «L an monatlichen Zulagen fordern sollen. Daß die Verhältnisse großer Garni sonen und speziell diejenigen der Truppenteile des GardekorpS geringe Erhöhungen erforderlich machen können, verkenne ich nicht. Aber ich erachte es als den Interessen der Armee nach teilig, wenn bei der Infanterie und den Jägern usw. die Forderungen an Privatzulagcn bis auf 75 und 100 — an einzelnen Stellen sogar darüber hinaus — gesteigert sind, und wenn dieselben bei der Kavallerie, namentlich bei der Garde, eine Höhe erreicht haben, welche es dem ländlichen Grundbesitzer nahezu unmöglich macht, die Söhne der ihm lieb gewordenen Waffe zuzuführen. Mit solchen übertriebenen Ansprüchen wird der Offizierersatz nach Umfang und Beschaffenheit be einträchtigt. Ich will nicht, daß in meiner Armee das Ansehen der Offizierkorps nach der Höhe der Eintrittszulage bemessen werde, und schätze diejenigen Regimenter besonders hoch, deren Offiziere sich mit geringen Mitteln einzurichten und doch ihre Pflicht mit der Befriedigung und Freudigkeit zu erfüllen wissen, die den preußischen Offizier von Alters her ausgezeichnet haben. In diesem Sinne mit Auf bietung aller Kräfte zu wirken, ist die Aufgabe der Truppen kommandeure. Unausgesetzt haben sie es sich klar zu machen, daß es heutzutage mehr wie je darauf ankommt, Charaktere zu erwecken und groß zu ziehen, die Selbstverleugnung bei ihren Offizieren zu heben, und daß hierfür das eigene Beispiel in erster Linie mitwirken muß. Wie ich es den Kommandeuren erneut zur Pflicht mache, den mancherlei Auswüchsen deS Luxus zu steuern, die in kostspieligen Geschenken, in häufigen Festessen, in einem übertriebenen Aufwande bei der Geselligkeit und ähnlichen Dingen zu Tage treten, so halte ich es auch für angezeigt, der Auffassung nachdrücklich entgegenzutreten, als sei der Kommandeur selber vermöge seiner Dienststellung zu umfangreichen Ausgaben für Repräsentationszwecke verpflichtet. Ein jeder Offizier kann sich durch angemessene Förderung einer einfachen, standesgemäßen Geselligkeit Verdienste um seinen Kanieradenkreis erwerben; zum „Repräsentieren" aber sind nach meinem Willen nur die kommandierenden Generale verpflichtet, und darf eS in meiner Armee nicht Vorkommen, daß gutgcdiente Stabsoffiziere mit Sorgen den Geldopfern entgegensehen, die mit dem etwaigen Erreichen der RegimenrS- kommandeurstellung vermeintlich ihrer warten. Ich werde mir von Zeit zu Zeit neben den Eingaben über die Offizier aspiranten Nachweisungen über die bei den Truppenteilen üblichen Zulagen und die Gehaltsabzüge vorlegen lassen. Wie ich hiermit bestimme, daß mir solche Offiziere namhaft zu machen sind, welche den auf Vereinfachung des Lebens ge richteten Einwirkungen ihrer Vorgesetzten nicht entsprechen, so werde ich die Kommandeure wesentlich mit danach beurteilen, ob es ihnen gelingt, einen geeigneten und ausreichenden Nach wuchs an Offizieren hcranzuziehen und das Leben ihrer Offi zierkorps einfach und wenig kostspielig zu gestalten. — Ich wünsche von Herzen, daß ein jeder meiner Offiziere nach er füllter Pflicht seine» Lebens froh werde. Dem überhand nehmenden Luxus in der Armee muß aber mit allem Ernst und Nachdruck entgegengetreten werden." — Die Kaiserin wird am 11. September der Lungen heilstätte in Vogelsang bei Magdeburg einen Besuch abstatlrn. — Schloß Damsmühle wurde für den Kaiser an- gekauft. Die „Post" meldet darüber: Als im vergangenen Früh jahr die Verlegung der Hosjagden vom Grünewald nach dem Oranienburger Forst beschlossen worden war, erwog man sofort den Ankauf eines Geländes zur Errichtung eines Jagdschlosses sür den Kaiser. Tie ausgedehnten Waldungen weisen zwar schon ein Jagdschloß (St. Hubertusstock) aus, doch liegt dieses abseits und an einer Nebenbahn, welche einem bedeuten den Verkehr nicht gewachsen ist, da sie nur eingleisig ist. ES wurde dann ein Platz bei Untermühle, unweit von Birkenwerder, zum Ankauf in Erwägung gezogen. Dieses Projekt fiel jedoch zu Gunsten der Besitzung de» Rittergutsbesitzers Wollauk, dem Damsmühle gehört, aus. Damsmühle ist nun zum Preise von zwei Millionen Mark verlaust worden und soll zum Jagdschloß für den Kaiser eingerichtet werden. Damsmühle ist ain Mühlen becker-See, unweit von Summt, gelegen und eine Perle der Mark Brandenburg. Es befindet sich dort bereits ein ziemlich großes schloßartigeS Gebäude, so daß ein Neubau nicht notwendig sein wird, vielmehr ein teüweiser Umbau genügen wird, um das Schloß sür den Monarchen herzurichten. — Sollte in diesem Ankauf viel leicht der Kern zu der Geschichte des „Vorwärts" von der PichelS- werder Schloßfestung stecken? — Das preußische StaatSmiuisterium trat heute zu einer Sitzung zusammen. — Durch kaiserliche Verordnung vom 23. August ist das Verbot, brtr. die Ausfuhr von Waffen und Kriegs material nach China, aufgehoben worden. — Nach einer Berliner Meldung der „Rhein.-Westf. Ztg", die sich auf ein Börsengerücht stützt, soll auch der preußische Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben amtSmüde und der Rcichsbankprästvent Koch zu seinem Nachfolger auSersehen sein. Von anderer Seite findet diese unwahrscheinliche Meldung bisher keine Bestätigung, dagegen wird sie von den „Hamb. Nachr." dementiert. Entstanden ist die Nachricht vielleicht dadurch, daß der Finanzminister morgen einen vier wöchigen Urlaub anzutreten gedenkt. — Der bayerische Staatsrat Frhr. v. Stengel ist fast allgemein sympathisch in seinem neuen Amte als Schatz sekretär begrüßt worden. Nur der Abg. Richter, Ver sich hoffentlich nicht vor ihm fürchtet, stellt ihm eine vorwiegend schlechte Zensur auS; ferne „Freis. Ztg." schreibt: „Er weiß also Bescheid auch auf den Hintertreppen und in den versteckten Winkeln des Etats. Aber er ist kein Minister, der durch die Art seines persönlichenAuftretenSdaS Gewicht seiner Stellung zu verstärken vermag. Ein Finanzminister muß im parlamentarischen Verkehr noch um einige Grade geschmeidiger und liebenswürdiger sein al» ein anderer Minister. Frhr. v. Stengel aber hat in der Art seines AuftreteuS etwa- Schroffes, Steifes, Bureau- kratischeS, was ihn keiner Partei sympathisch machte. In lar moyanter Tonart sind seine Ausführungen gehalten. Mit ihm zu verhandeln muß schwerer sein als mit irgend einem seiner Vor gänger. ... Er macht überall den Eindruck eines starren Ab- solu listen, der daS Vaterland gefährdet erachtet durch jede Kon- Zession an den KonstitutionaliSmuS. Frhr. v. Stengel kopiert Herrn v. Miquel, aber ihm sehlt die Gewandtheit jenes verschlagenen Ministers." — Es ist nach dem „Gesell." festgestellt, daß eine ziemlich große Zahl der in Preußen geduldeten Ueberläufer russischer Staatsangehörigkeit unbefugt sich au der ReickStagSwahl Thoru-Kulm-Briesen beteiligt bat. Da« Wahlergebnis wird, da der Pole BrejSki nur mit 29 Stimmen Mehrheit gewählt ist, voraussichtlich mit Erfolg angefochten werden. — Der preußische Minister des Innern hat über die Mi tteiluog^von Vorkommnissen an Zeitungen durch Beamte der Polizei folgendes bestimmt: 1) Die Poltzriverwaltungen haben über Vorkommnisse aus polizei lichem Gebiete, die für das Publikum von Wert sind und deren Be kanntgabe keine öffentlichen Interessen entgrgenstehen, und über solche, deren Verbreitung im polizeilichen Interesse erwünscht ist, regel mäßig Mitteilungen den nach den Berichten schon bisher benutzten oder sonstigen etwa hierzu geeigneten Zeitungen zugehen zu lassen. 2) Die Prüfung, welche Mitteilungen zu machen sind, und die Abgabe derselben an die Zeitungen ist einem hierfür geeigneten Beamten der Polizciverwaltung zu übertragen, welcher in zweifelhaften und ia wichtigeren Fällen die Entscheidung des Ehess der Polizeiverwaltuug oder seines Vertreters einzuholen hat. Die Mitteilungen sind bei der Polizeibehörde in der erforderlichen Anzahl von Exemplaren zu vervielfältigen und den Zeitungen unentgeltlich zu machen; sie gehöre» zu den Amtspflichten der damit beauftragten Beamten. — Ueber Aenderungen in den Avancementsverhältniffen deS unteren preußischen Eisenbahndienstes berichtet die „Frks. Ztg.": Die bisherigen Packmeister der preußisch-hessischen StaalSbahnen behalten bis auf weiteres ihre Funktionen. Dagegen werben neue Stellen nicht mehr geschaffen; di« Pack meister stehen somit auf dem Aussterbeetat. In Zukunft werden nur noch Bremser, diese auch nur noch einstweilen, sowie Schaffner und Zugführer die Fahrbeamten bilden. Mit dem Packmeisterdienst werden intelligente Schaffner beauftragt. Nach den neuen Prüfungsvorschriften beträgt die Ausbildungszeit sür Schaffner vier Monate, für Zugführer zwölf Monate. Jeder strebsame Zugführer kann von jetzt ab in die Stellen des mittleren Dienstes gelangen, d. b. er kann Eisenbahn-Assi st ent werden, sobald er die hierfür vor gesehene Ausbildungszeit absolviert und daS Examen be standen hat. — Ab gereist ist der Ministerialdirektor im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Wirkliche Geheime Oberregieruugsrat v. Schwartzkopfs, mit Urlaub. — Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Freiherr Mar schall von Bieberstein, welcher dieser Tage mit seiner Gemahlin vorübergehend in Paris weilte, hat nunmehr nach Beendigung seines Urlaubes die Rückreise nach Konstantinopel angetreten. Der Botschafter reiste mit dem Orient-Exvreßzuge zunächst über München noch Constantza in Rumänien, von wo aus er sich mit feiner Gemahlin an Bord eines Dampfers nach dem Bosporus einjchifft. Seine Ankunft daselbst wird am heutigen Montag erwartet. — Ter österreichisch-ungarische Botschafter v. Szögyeny- Marich, der aus Anlaß des Geburtstages Kaiser Franz Josefs seinen Urlaub unterbrochen hatte, ist wieder von hier zur Fort setzung seines Urlaubs zunächst nach Wien abgereist, von wo er sich auf seine Güter nach Ungarn begebeu wird. -s- Halle a/S., 24. August. Gestern abend traf mit der Eisenbahn der deutsche Kronprinz hier ein und stieg im Fürstenzimmer ab. Nach Einnahme eines Essens begab sich der Kronprinz nach dem Droschkenhalteplatz, bestieg eine Droschke und befuhr damit die Straßen, welche die Kaiserin am 6. September nach der Fahrt zur Pauluskirche zurück legen wird. Der Kronprinz begab sich bann nach dem Bahnhof zurück. Die Fahrt wurde während eines starken Gewitters unternommen. * Kassel» 24. August. Der Magistrat und die Stadtverordneten von Kassel veranstalten am 29. d. Mts. eine Abschiedsfeier für den scheidenden Oberpräsidenten Graf Zedlitz-Trützschler im Stadtparksaale. Gras Zedlitz hat sein Erscheinen zugesagt. * Essen, 24. August. Gestern wurden in sämtlichen Be zirken de« Ruhrreviers wieder zahlreich besuchte Berg arbeiterversammlungen abgehalten, in welchen die Beschwerden der Bergarb-iten vorgetragen und beraten wurden. Den Gesamteindruck ans ven Versammlungen faßt die „Frks. Ztg." dahin zusammen, daß die Arbeiter an ihren Forderungen zähe festhalteu. Mehrfach wurden Drohungen laut, daß, wenn die Zechenverwaltungen zur Maßregelung der organisierten Arbeiter übergehen sollten, der Ausstand auSbrechea würde. DaS bisherige Entgegenkommen der Zechen wurde als bei weitem nicht ausreichend bezeichnet. Die Lage soll ernst sein. T Kronberg, 24. August. Um 8 Uhr abends fand im Schloß FrievrichShos Abendtafel statt, an der außer dem Kaiser und dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen das beiderseitige Gefolge teilnahm, sowie auch Baurat Jacoby, Oberbürgermeister von Marx-Hamburg, der Führer des WachkommandoS, Hauptmann von Lüttwitz und Oberleutnant von Holzhausen. Stuttgart, 24. August. Nach 5stündiger Debatte nahm die am gestrigen Sonntag hier abgehaltene LandeS- versammlung des württembergischen national sozialen Vereins folgenden, vom Stuttgarter OrlSoerein empfohlenen Antrag nahezu einstimmig an: „Der württem- fein. Aber das Kind schrieb von einem Iachtschiffer, das klingt doch so -- so berufsmäßig." Grieben lächelt. „Der Scherz sähe ihm ähnlich, zumal jetzt, wo er, wie Die sagen, in Fräulein Lonny verliebt ist. Er litt ge wissermaßen an einer fixen Idee." „Um GotteS willen!" „Nichts von Belang, Tante. Er hatte sich nur in den Kopf gesetzt, wenn er einem Mädel den Hof machte, so nähme eö ihn schließlich drxh nur des Geldes wegen." Hier erholt sich die Majorin sehr rasch von ihrem Schreck. „Do ist er vermögend?" „Er gilt für den reichsten Gutsbesitzer der Provinz Hannover", sagt Bollhard. „Auch Die kennen ihn?". ,-Er hat in der Nähe von Riedstädt Besitzungen, und ich kaufe da von seinem Rentmeister bisweilen Holz." ,/So!" stöhnt die Majorin. Und dann noch einmal „So!" Ein Stöhnen der Erlösung von einem Alb. Dann steht sie aus und legt dem Rittmeister die Hand auf den Unterarm. Viel höher hinauf langt's nicht. „Bester Werner, eS wäre doch sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Die recht oft — ich meine, wenn Sie dieses Haus als Ihre Heimat betrachten wollten. Augenblicklich nur — Sie entschuldigen mich, nicht wahr? Wenn man jeden Augenblick solchen Besuch erwarten muß. — Nein, Lonny, das Kind! Warum schreibt sie denn nicht ein klein biß. chen ausführlicher?" Grieben hat nun schon nach seiner Pelzmütze ge griffen — „Ich verstehe, liebe Tante. Auf ein andermal! „Halt! - Entschuldige!" Blitzartig ist der Tante eine furchtbare Idee ge kommen Wenn er eS nun doch nicht wäre; nicht der reiche Grundbesitzer, sondern irgendein anderer Kurt! Man konnte sa immer noch nicht wissen — „Es ist wohl am besten, Werner — Sie sind ja nun doch völlig eingeweiht — hier — das hat Lonny uns heute morgen geschrieben." Sic zieht den zerknitterten Brief aus der Tasche. Bollhard hält für zeitgemäß, sich zu empfehlen. „Ich werde noch heute nachmittag abreiscn", sagt er zu Grete von Horsten. „ES waren keine frohen Tage, die Tie in Berlin ner- lcbten; aber Tic waren doch nicht vergeblich hier. Und noch einmal: mein heißer Dank begleitet Sie." Ein stiller Händedruck, ein paar Verbeugungen, über deren Unbeholfenheit Hertha innerlich lächelt, dann ist Bollhard draußen. Der Rittmeister versenkt sich in die Lektüre von Lonnys Brief. Als er damit zu Ende, lacht er hell auf. „Nne kapitale Epistel, gnädigste Tante. Schade, daß—" „Was?" fragt die Majorin ängstlich. „Daß Sie von der Sorte Töchter nicht zwei zu vergeben haben. Surrst — ich wäre im stände, Ihnen eine vom Fleck wegzuholen, wie dieser Kurt." Hertha beißt sich auf die Lippe, und Grete von Horsten findet in diesem Moment eine verblichene Photographie des seligen Majors interessanter als alles andere. „Er ist es?" flüstert die Majorin. „So sicher, wie ich Werner von Grieben heiße", be- -ruhigt der Rittmeister, ihr den Brief zurückgebend. „Und damit hätte ich die Ehre, mich allseitig zu empfehlen." Die beiden jungen Damen sehen kaum auf, als er die Sporen zusammenfchlägt. Um so inniger ist der Abschied seiner Tante. „Sagen Sie, Werner, noch Eins", bittet sie zwischen Tür und Rahmen. „Er ist — ich meine, Herr von Liet- hetm ist Gentleman?" „Mit Eichenlaub nnd Schwertern, gnädigste Tante. Intakt wie 'n unbeschriebenes Blatt. Adieu! Empfehlen Sie mich Fräulein Renate!" „Gott fei Dank!" haucht Fran von Grieben hinter ihm drein. „Aber hört 'mal, Mädchen, Ihr wäret geradezu ungezogen gegen Werner, und er ist doch immerhin so etwas, wie ein Vetter von Euch. Und vollends — Renate hat sich nicht einmal sehen lassen." „Ia, wo ist die? Sie wäre doch eigentlich die Haupt person in der Scene vorhin gewesen, hätte mit einem Worte die Sachlage klären können. Aber niemand hatte nach ihr gefragt. Die Maforin nicht, weil sie in Verfolg der einander überhastenden Mitteilungen Eindrücke und Ideen gänzlich überhört hatte, wie Grete ihrer Erwäh nung tat, Hertha von Grieben nicht, weil, obwohl sie nnn jeden Gedanken an ein zartes Verhältnis zwischen dem Rittmeister und Renate anfgegeben hatte, es denn doch nicht so ganz leicht mar, die Tatsache, daß der Husar nur Renatens wegen gekommen war, ohne Groll in sich zu verarbeiten. So hatte sie dem Vetter die Gegenwart dieser, offenbar feiner LicbltngScousine, nur zu gern vor enthalten. „Ich fand es ganz passend von ihr, nicht zu erscheinen", wirst sie jetzt hin. „Ach ja, natürlich!" ruft die Majorin, schon wieder in einer anderen Gedankensphäre. »Hertha, wenn du Marie fragen wolltest — es geht auf «vei — wie weit sie, mit dem Anrichten ist? Wie konnte Renate sich nur mit jenem Menschen einlasien! Ach, das Mittagbrod würde für mich wahrlich nicht eilen, nur daß Marie hernach Zeit behält — die Stuben müssen gelüftet werden, die Möbel abge- stäubt. Er kann ja doch jeden Augenblick kommen und die Zimmer sind in einer Verfassung —" „Bor fünf heute abend ist doch keine Möglichkeit. Er wird uns doch nicht im Mittagsschlaf überfallen, Mama." „Du denkst an Schlaf — heute? — Ach und ich habe den Kopf so voll —" ,/Von Lonnys Verlobtem. Man wird ganz gespannt, diesen Phönix kennen zu lernen." „Schäme dich, zu scherzen, Hertha!" rüst die Majorin, mit dem Wischtuch über die Möbelkante fahrend. Nun lachte Hertha gerade heraus. „Es ist beim besten Willen doch kein Grund zum Weinen, ich freue mich, offen gesagt, ganz riesig, daß LonnyS Bräutigam reich ist und eine weniger in einem HanShalt wie der unsere verschlägt auch schon was." Die Majorin seufzt nachdrücklich. „Ich denke, du ziehst dein weißes Batistkleid an, Hertha. Und im Haar eine einfarbige Schleife. Nur keinen Prunk! Ganz einfach. Gediegene Einfachheit! Und — was ick fragen wollte — wo steckt Renate denn eigentlich, Grete?" Grete an ihrem Fensterplätze fährt zusammen. „Fragtest du etwas?^' „Du hast doch nicht auch den Kopf verloren, um Lonnys Freier?" spottet Hertha. „Ich bitte dich, Hertha, verschon' UN» mit Fadaifen! — Ich fragte wieder nach Renate." „Sie ist in ihrem Zimmer etngeschlossen." Mit einem halben Lächeln holt Grete den Schlüssel au» der Tasche. »Ich zog ihn ab, weil sie. al» wir hetmkamen, in ihrer ersten Alrfregung mit mir in den Salon wollte und das", schließt sie ernst, „wäre wohl zu viel für sie gewesen. O Tante Hilde, die Aermste hat erstaunliche Seelenkraft ent wickelt!" Die Majorin siebt verwundert auf. »Fräste ja, aber ach nein, natürlich, du sprachst von etwas Schrecklichem, mich überlief'» dabei ein. fach kalt — von einem Begräbnis. — Ach, du lieber Gott, daß man der traurigsten Dinge allemal erst zuletzt ge denkt! Natürlich verstand ich nicht», wollte fragen aber bet all der Konfusion ,Lchr Bruder", spricht Grete Horsten leise. „Sie hielt ihn ja für tot und nun — ich dürfte eigentlich nicht davon reden, in der Aufregung aber entfuhr mir jenes Wort über ihn. Er ist erst jetzt gestorben." „Das arme, arme Kind!" jammert die Majorin. „O Grete! DaS war es — um den Bruder handelt es sich — auch vorgestern, als jener Herr Bollhard hier war?" fragt Hertha mit Tränen in den Augen. Gretens schöner Kovf nickt. ,/Lr war verschollen. Und nun — ich hoffe, jetzt wird sich alles glätten und du nimmst Rücksicht auf . die Be dauernswerte in ihrem Kummer und fragst nicht viel, Hertha? Auch mich nicht? Ihr begreift, baß sic ihn so still wie möglich beigesetzt wünscht." ,,Aber natürlich!" beteuert die Majorin mit gefalteten Händen. „Sonst hieße eS ia nur den alten Skandal auf wärmen, und gerade jetzt wäre bas, die Wckhrheit zu sagen, auch mir höchst unangenehm, du kannst mir das nach, fühlen?" „Vollkommen, liebe Tante", antwortete Fräulein von Horsten, ohne mit einer Wimver des bleichen Gesichtes zu zucken. „Ueberdies denken wir beide, Renate und ich, in den nächsten Tagen abzureisen." „O", bedauert die Majorin, im Stillen wünschend, die Abreise möchte noch heute erfolgen. Denn beim Em pfange des Barons von Ltetdeim war die Gesellschaft einer um den Bruder — und was für einen Bruder! — trauern den Schwester nichts weniger als wünschenswert. Hertha hatte während dessen mit sich gekämpft. Nun schlingt sie die Arme um ihre Cousine und über ihre Wangen rinnen zwei große Tränen. „Ich habe dir und Renate viel Schweres abzubitten,' Gedankensünden: denn was ich über euch dachte, war recht häßlich. Willst du bas Renate iaaen? Und auch, baß ich ihr Leid aus Herzensgrund mitfühle, wenn ich auch den Zusammenhang der Dinar nur mebr atmen als fassen kann? In zwei Laaen den Bruder verlieren und — hieß der — der andere nicht Killmann? Weißt du, unbegreif lich finde ich Renate» Neigung zu ihm nun gerade nichts Grete verschließt idr den Mund mit der Hand: ,/Still von ibm!" - „Er sah au» wie ein Mann —" Ein herbes Lächeln um die Lippen, geht Fräülein von Horsten still hinaus. (Fortsetzung folgt.)
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