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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030827017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-27
- Monat1903-08
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Die Revolutionäre" reizen die Masse aus und sammeln sie, die „Revisionisten" stellen st« in Schlachtordnung und führen sie zum Stoße gegen die bestehende Ordnung. Zu den Musterexemplaven deS Revisionismus gehört der Abg. PeuS. Er ist natürlich auch für die Be teiligung der Sozialdemokratie am Reichstagspräsidium mit Uebernahm« der repräsentativen Pflicht gegenüber dem Kaiser. In welchem Sinne aber Herr PeuS den Revisionismus betreibt, zeigt mit krasser Deutlichkeit ein von ihm verfaßter Artikel „Sozialdemokratie und Reichstag-Präsidium" in Nr. LS5 deS ,-8olksblatteS für Anhalt" vom 22. d. M. Herr Peus erörtert zuerst di« Krage: Goll ein Sozial demokrat ein Hoch auf den Kaiser ausbringen dürfen? und schreibt dazu: „Diese Frage ist unserer Auffassung nach insofern ent schieden, als der Präsident einer Versammlung, die zum Teil aus Antimonarchisten besteht und in welcher diese Republikaner auch das ver fassungsmäßige Recht haben, für ihre anti monarchische Auffassung einzutreten, Mer- Haupt nicht das Recht hat, ein Kaiserhoch auszubringen, denn er verletzt in diesem Augenblicke die allen Parteien de- Reichstages geschuldete Unparteilichkeit." Also so weit sind wir schon gekommen, daß dem Präsi denten des deutschen Reichstages das Recht zu einem Hoch auf den deutschen Kaiser bestritten wird! Herr Peus, der „Revisionist", der Politiker positiv-revolutionärer Maß- regeln, verlangt demgemäß auch ganz folgerecht, daß die sozialdemokratischen AbgeordnetSn vor dem Kaiserhoch den Saal nicht verlassen, sondern Laß sie bleiben und pro testieren mit der Erklärung: „Wir verzichteten im Reichstage auf Hochs auf di« Sozial demokratie, und uns gegenüber hat man dieselbe Rücksicht walten zu lasten." Wa» nun die Audienz beim Kaiser betrifft, so ent- wickelt der Abgeordnete Peus folgende Ansicht: „Wenn dieser Gang zum Kaiser nichts weiter bedeutet als die Mitteilung der erfolgten Konstitution deS Reichstages an den verfassungsmäßigen Bundespräsidenten, der zugleich die verfassungsmäßige Exekutive besitzt, so könnten wir in diesem Besuche absolut nichts finden. Aber natürlich hätte sich derselbe in Formen zu vollziehen, die deutlich hervortreten ließen, daß der Reichstag denselben Anteil an der Sou veränität besitzt wie der Bundesrat. Alles das aber wäre abzulehnen, was irgendwie als Unterordnung unter die Macht und Per son des Kaisers gedeutet werden könnte. Einen Befehl zum Kommen dürste sich z. B. das Reichstags präsidium nicht erteilen lassen. Ebensowenig hätte e» sich ein Hofkleid vorschreiben zu lassen. Der Kaiser wäre ver pflichtet, damit zufrieden zu sein, daß die Präsidenten des Reichstages in derjenigen Kleidung erscheinen, welche bei fest lichen bürgerlichen Gelegenheiten Brauch ist. Die volle Gleichberechtigung zwischen Reichstag und Bundesrat müßte in den Formen der Begegnung zum Ausdrucke kommen. A l s Gleiche zum Gleichen hätten die Präsidenten zum Kaiser zu sprechen, nur al» solche sich in jeder Beziehung ihm gegenüber zu ver halten." Was di« Gleichberechtigung zwischen Bundesrat und Reichstag mit der Stellung und den Rechten des Kaisers und mit den ihm vom Reichstagspräsidium zu erweisenden Ehren zu tun hat, wird Herr Peus wohl selbst nicht wissen. Aber er rechnet darauf, daß seine sozialdemo kratischen Leser ebenso unklare Bovstelkungen wie er selbst von der deutschen Reich-verfaffung und von den verfassungsmäßigen Rechten irn- Pflichten haben. Und so suggeriert er diesen Lesern skrupellos ein« Auffassung vom Wesen der Verfassung und der verfassungsmäßigen Rechte, die den sozialdemokratischen revolutionären Zwecken entspricht und die Betörten allmählich zur Tat des VerfassungSbruches verleitet. Demgemäß führt denn auch Herr PeuS seinen Artikel, nachdem er das Wesen -cs Monarchismus und des Kaisertums verdunkelt, zu einem Schluffe, Ler geradezu ein Faustfchlag ins Gesicht -es Monarchismus ist: „vielfach ist die Meinung ausgetreten, ein Sozialdemokrat könne nicht zu Wilhelm H. gehen, der von unS in so scharfen Ausdrücken gesprochen. Das ist eine ganz unangebrachte Empfindlichkeit, di« unS Sozialdemokraten am wenigsten an steht. Wir find für volle Freiheit der Meinungsäußerung und müssen sie auch dem Kaiser gönnen. Auch ist zn bedenken, daß wir selber mit der Schärfe unseres Urteils auch nicht zurück halten, sekbft wenn der Majeftät-beleidigungS-Paragraph zu manche« Künsteleien in der LuSdruckSweis, »ötigt. Und tote sollten wir eS dem Kaiser verargen können, daß er unser Freund nicht ist, wollen wir doch ihm und seiner Nach kommenschaft eine Macht nehmen, die er als von Gottes Gnaden ihm verliehen glaubt. Gerade der Sozialdemokratie ziemt diesbezüglich die größte Großmut." Wer etwa glauben sollte, daß die anderen „Revi sionisten" an-ers dächten und anderes erstrebten, der brauchte nur die Auslassungen dieser anderen genauer anzusehen. Zwischen ihnen und den „Revolutionären" besteht ein Unterschied nur in Bezug auf die Wege zum Ziele, nicht in Bezug auf das Ziel selbst: Eroberung der Macht, die dem Kaiser gegeben ist, und Diktatur Les Proletariats. Und daß die Herren PeuS und v. Vollmar als Diktatoren von Herrn Bebel sich nicht mehr unter scheiden würden, als etwa Herr Singer von Herrn vr. Aarons, das glaubt wohl selbst Herr Pfarrer Nau mann nicht. Zur Reform -es Landtagswahlrechts. Unsere Kritik an einem der letzten Artikel der „Sächs. Nat.-lib. Korresp." veranlaßt diese zu folgender Ent- gegnuug: „Da- „Leipz. Tgbl." hat unseren neulichen Artikel „Partei- konferenzen und Ministerbesuche" gründlich mißverstanden. Indem wir daraus verzichten, auf die persönliche» Anwürfe zu reagieren, stellen wir einfach fest, daß wir nicht von einem Wink der „Dt. Tgsztg." für die Regierung, sondern von einem solche» für uns und alle Freunde der Wahlrechtsreform gesprochen haben. Dieser macht« »ns mit einem Mal« klar, daß einflußreiche Agrarier und Konservative den Versuch unternehmen wollte«, wenn nicht schon unternommen hatten, die Regierung zum Verzicht auf die „vertraulich« und unverbindlich« Be sprechung" zn bewegen, di« st« zur Borb«r«ttuug der Wahlrechtsreform in Aussicht gestellt hatte. Da wir der Ansicht waren und auch »och sind, daß die Regierung ohne merklich« Ein buße ihre- Ansehen» diesen Plan nicht fallen lassen darf, so haben wir die Aufmerksamkeit auf Vorgänge gelenkt, die allem Anschein nach der „Dtjch. Tgztg." Recht gaben. Unser öffentlicher Hinweis darauf sollt« diesen Beeinflussungsversuchen ein Ende machen. Ob wir damit Erfolg hatten, muß sich erst noch zeige»." Der böse Ausdruck „persönliche Anwürfe" kann sich doch nicht darauf beziehe», daß wir bei dem „Schreiber dieses Korrespondenzartikel-" Freude darüber mutmaßten, daß die Konservativen nun auch „Bedenken" hätten. Denn eine Mutmaßung ist doch kein Anwurf. Bleibt also nur die An nahme übrig, der betreffende Herr sehe einen „Anwurf" in der Annahme, er sei der Schreiber deS betreffenden Artikels. Solcher „Anwürfe" werde» wir u«» nicht wieder schuldig machen. WaS übrigens unsere Mutmaßung betrifft, so stehen wir mit ihr nicht allein; die„Na«.-Zig."hat sich desselben „Mißverständ nisses" schuldig gemacht. Woraus wobl geschloffen werden dürfte, daß nicht unser Mangel an Iatellekt, sondern die Au»drucks«eise der „Sächs. Nat.-lib. Korresp." den „Irrtum" verschuldet habe. Da» soll unS aber nicht daran hindern, mit Vergnüge» von der jetzigen sehr notwendigen Jalerpretalwn Notiz zu nehme», wie unS auch die Sätze von der Eiubuße de- RegirrungSaosehenS beim eveut. Fallealaffeu de- KonfrreuzplaueS sehr behagen, we-halb wir über die in Anbetracht der Beschlüsse vom 2«. Juli darin liegend« kleine Inkonsequenz gern hinweg sehen. — Aber nicht nur in dieser Auseinandersetzung mit un- werden jetzt auf einmal unsere Wege betreten, sondern auch in zwei anderen Artikeln der Korrespondenz, die wir daher hier folgen lassen können, obwohl sie in der Haupt sache nur da- wiederholen, WaS wir schon seit Wochen gepredigt Haden: Die Unvereinbarkeit der national- liberalen und der konservativen Interessen in der Wahlreformfrage. 8. A. o. Die Einführung einer moderne» berufs ständischen Vertretung in der Ersten Kammer zugleich mit der Wahlrechtsreform sür die Zweite Kammer i» Angriff zu nehmen, wie sie dir „Sächs. Nat-lib. Korresp." i» Ihrer letzten Nummer vorgeschlagrn hat, erscheint der „Dt. TagrSztg." für die diesjährige Landtagssession unmöglich. Sie meint, dt« Nesorm» frag« würde hierdurch so bepackt werde», daß st« vom nächsten Landtage sicher nicht gelöst werden könnte. Wir sind erstaunt, eiurm solch«» Einwurf« zu begrgnen. Un» ist kein« ges«tzgeb«rische Aufgab« größere« Stil- bekannt, welche in der nächsten Session sich mit einer gründliche» Land« tagöreform anWtchtigkett und Dringlichkeit messen könnte, wir kenn««, abgesehen von der Etatöbrrotung, kein«, Geg«»stand, der di« Srbrit-kraft unserer Abg«ord»«tr» so in Anspruch »rhmio würde, daß für dt« DahlrechtSfrag« »icht grallgend Zett uud Interesse übrig bliebe. Vielleicht hat di« „Dt. Tage-ztg." die Arrundlichkeit, dt« Gründ« «och näher darzuleg«», we-halb mau die Rrformsrag« einem btso»d«rr» Landtag« überlass«» soll«, der im nächsten Jahr« »inberuse« werden kö«»t«> Bi- daht« sind wir der Meinnng, daß die „Dt. Lage-ztg." »t» selbstverständliche» verlange» der Wahlrecht-freunde da,» gebrauchen will, um ein« Vertagung der Relormfrag« herbetzuführe». Ma« wird es dem Organ de» Bund«- der Landwirt« aus» Wort glaub«», daß ihr dies, Folg« nicht »»sympathisch ist; denn »in« Vertagung ml grnaena caiauäaa liegt ganz i» den Wünsche» seiner getreuen Gefolgschaft t« Sachse». Allein es sollte doch »icht übersehen, daß mehrer« Handel», und Grwrrbekammern, insbesondere aber auch der Bund der Industriell«» bereit» mit ähnlichen Vorschläge« ,« Reform der Erste« Kammer hervor getreten sind, an welchen die Regiernng im nächste« Landtage nicht stillschweigend vorübergehen kaa». Wenn nicht die Regierung von vernhemi« Entgegmrkmmoen ^t, s, wird die «atianalllberale Partei die Aufgab« übernehmen müssen, die Interessen der genannten wirtschaftlichen Gruppen zu schützen. 8. K. 0. Warum dir konservative Partei Gegnerin jeglicher Wahlrechtsreform sein muß, daS verrät ein Artikel deS „Vaterland", in dem ein „erprobter Parteifreund" R. O. offenherzig bekennt: ,,ES ist ein starkes Stück, von einer Paria» mrntSmehrheit zu fordern, sie solle selbst die Hand zu ihrer Vernichtung bieten". Eine Wahlresorm in An griff zu nehmen nur zu dem Zwecke, eine bestimmte politische Richtung aus der errungenen Mehrheit zu verdrängen, wär« ein großer Fehler, der sich einmal bitter rächen müßte. Wir sind für dies ehrliche Zugeständ nis, daß der ParteirgoismuS der Konservativen den Bestand des jetzigen Wahlrecht- fordert, aufrichtig dankbar. Wir müssen aber aus da- «utschiedenste gegen die allgemeine Schlußfolgerung de» Artikel» protestieren, welche in dem Satze ausgesprochen wird: Ein dringender Anlaß zur Aeuderung deS bestehenden Wahlrechts liegt zur Zeit für keine bürgerliche Partei vor; behalte man also, was man hat." Die Interessen der National liberalen sind in keiner Weise mit den der Konservativen identisch. Es klingt deshalb saft wie Hohn, wenn der Verfasser alle liberalen Freunde der Wahlrechtsreform auf die Zukunft vertröstet, wo auch sie die Ueberzrugung gewiunen werden, „daß auch unter dem bestehend«» Wahlrechte einmal i h r Weizen zur Blüte kommt." Wenn er auch ferner sagt: „Der Zufall hat es gewollt, daß die Volk-stimm nag bisher der konservativen Partei günstig mar; — eS kann ja aber auch einmal anders werden", so glauben wir weder an diesen „Zufall" noch an dje „BolkSstimmung". Wir wissen nur zu gut, daß ganz ander« Faktoren die konservative Zweidrittelmehrheit zu Wege gebracht haben. Den schlagendsten Beweis für diese Behauptung liefert sogleich der Verfasser des Artikels, indem er sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, daß die Grundsteuer auf da- Wahlrecht hiufort keinen Einfluß mehr haben soll. Dabei passiert e» freilich dem Herrn R. O., daß er dem als maßgebend bezeichneten Grundsatz der alten Praxi»: Die Steuerletstuug tu di« erste Reihe zu stellen, selbst ein Schnippchen schlägt; denn er stellt sich sp au, als wüßte er nichts von einer Begrenzung der Einkommensteuer bi» zum Satze vou 2000 beim jetzigen Wahlrecht, di« nicht zufällig, sonderu absichtlich in dem Wahlgesetz von 1896 Ausnahme gefuudru Hot. Ueber daS Warum einer solchen Br- stimmung würde der Herr Verfasser unter seinen Gesinnungsgenossen bald die richtige Belehrung finden, wenn er es nicht selber wüßte; denn eS ist dieselbe Antwort, wie er sie auf die Frage: „WaS hat der Staat von dem Einkommen seiner Bürger?" erteilt. Diese ist zu charakteristisch, al» daß wir sie nicht vollständig wiedergeben sollten. Herr R. O. schreibt nämlich: „Nur di« Höhe der Eteuerleistung hat für den Staat Be deutung, weil er sozusagen nur von den Steuern lebt. In vielen Fällen wrrdeu ja Einkommen und Steoerleistung im richtigen Verhältnis stehen, dann könnte man sich ruhig für das eine oder ander« System entscheiden. ES gibt aber im Lande einen sehr große» und ansehnlichen Stand, die Grundbesitzer in Stadt und Laad, der zwar in Form von Grundsteuern dem Staate zn bedeutenden Abgaben verpflichtet ist, welch letzteren aber in vielen Fällen die entsprechenden Einkommen nicht gegen überstehe». Würde man also bei der Zumessuug de» Wahlrechts nur di« Einkommensteuer in Betracht ziehen, die Grundsteuer aber, wie r» der gedachte Industrielle vorschlägt, außer Betracht lassen, so würden sämtliche Grundbesitzer Sachsens in ihrem Wahlrechte ge schmälert werden — allerdings zu Gunsten deS beweg, ltchen Besitze». Man wird wohl nicht fehlgreifen, wenn man diesen letzteren Vorschlag al» einen Herzenswunsch vieler Liberalen betrachtet. Bekannt ist ja zur Genüge, daß mit dem Grundbesitze in der Regel auch eine konservative Ge- siunung verbunden ist. Dies« konservative Gefolgschaft gründlich zu schwächen, konnte kein besseres Mittel erfunden werden, als die besondere Leistung deS Grundbesitzes bei der Zumessuug deS Wahlrechts einfach zu ignorieren. Einer solchen Wahlreform werden hoffentlich die konser vativen Fraktionen beider Ständekammern einen unerbittlichen Widerstand entgegensetzen". DaS ist wieder ein Bekenntnis deS konservativen Parteiegoismus, wie «» nicht deutlicher gegeben werden kann. Umso mehr aber müssen wir einem solchen Politiker daS Recht absprerben, den WahlrechtSrrsormrra da« Prognostik»» zu Hellen, daß sie „nicht» Bessere», nicht» Brauchbareres entdecken werden. Wer eine so gute Partrtbrill« auf der Nase trägt, daß er alle«, was den anderen Klassen und Ständen d«S Landes frommt, nicht sieht oder nicht er- kennen will, der kann bet einer der Gesamtheit frommenden Wahlrechtsreform nicht ernst genommen werden. Der „Herzen». Wunsch vieler Liberalen" ist zugleich eine Forderung der Ge. rechtigkeit. Deutsches Reich. ID v-rlt«, 2«. August. Z« hem Kapitel Kaiser, Kanzler uud Jrsuitengesetz ergreift nun auch «in zweifellos irr sehr hoben Regionen zu suchender Berliner Gewährsmann der „Südd. ReichS-Korr." da» Work. Er schreibt unter der Uederschrift „Treibereien": „Dte „Nordd. «llg. Ztg." hat e« al« «rfiudn»g be zeichnet, daß »wische« Seiner Majestät dem Kaiser und dem Reichskanzler ei«« Auseinandersetzung über dte Jesuitenfrag« erfolgt sei. Der „R«ich»bote" will nmh wider de« Stachel löckeu. Sein „GewährSmaaa", bet dem «in, tendenziös« Erfind««» au-grschloffe» sei, bezeug» »ach wie vor di« Richtigkrit der Angab«« üb«r je»« Auseinandersetzung. Dies« Berufung auf den groß«» Unbekannten ist ja «i« altrr Trick, st« HUft ad« de» „Retch-bRn," gar nicht»; dran di» „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" hat ihrerseits einen Gewährsmann, der auch sür den Chefredakteur de» „ReichSboteu" deutlich genug er- kranbar sein sollte. Alle- Geschwätz über die bewußte, nie statt gehabte AuSetuandersetzung zerfällt t» nicht», wenn der Monarch selbst die interessanten „Nachrichten" für unwahr erklärt, und da ist geschehen. Die Angriffe de» „ReichSboteu" auf den Kanzler konnten ignoriert werden; um so eher, al» dem Grafen Bülow niemals in den Sina gekommen ist, sich in der Jesuiten frage etwa mit der Krone decken zu wollen. Ganz ohne Not haben aber der „Reichsbote'', der „Evaug. kirchl. Auz." und vielleicht noch einige andere Organe de« Kaiser in dies« Frage herriazuziehen versucht, indem sie irgendwelche Einbläser««» unbesehen verbreiteten. Damit war die Grenz« dessen, wa- schweigend ge duldet werden konnte, überschritten. Für dte Ausstreuung falscher Angaben über den Träger der Krone haben rechtsstehende Blätter sowenig ein Privilegium zu beanspruchen, wie der „Vorwärts". DaS Interessanteste an dieser Auslassung ist die Mit teilung, daß daS Dementi der „Nordd. Allgem. Ztg." vom Kaiser selbst veranlaßt worden ist, dem also offenbar daran liegt, daß ersten- sein ausschließliche- Recht, die preußischen Stimmen im BundeSrate zu instruieren, nicht verdunkelt und zweiten- seine Absicht, der Geltung des § 2 deS JesuiteugesetzeS em Ende zu bereiten, nicht in Zweifel gezogen werde. AuS der Betonung dieser Absicht geht zugleich hervor, daß sie fortbesteht, trotz aller Einsprüche anderer Bundesfürsten usw. Diesem hochwichtigen Aufschluffe gegenüber kommt da», wa» der Berliner Gewährsmann der „Südd. ReichS-Korr." weiter auSfübrt, um so weniger in Betracht, je gegenstandsloser eS ist. Unsres Wissens ist eS keinem Menschen eingefallen, dem Grafen Bülow vorzuwerfeo, er habe sich in der Jesuitenfrage mit der Krooe decken wollen, und daß, wenn von der Jnstruierung der preußischen Stimmen im BundeSrate die Rede ist, der Trager der preußischen Krone al- allein berech tigt zur Jnstruierung genannt wird, ist alle- andere eher, als ein unberechtigte- Hereinziebeu diese- Träger- in die Sache. Geradezu komisch aber wirkt eS, wenn zemand, der ohne Not den Kaiser als Veranlasser eine- Dementi- der „Nordd. Allg. Ztg." namhaft macht, sich über unberechtigte Hereinziehung de» Monarchen in die Angelegenheit beschwert. -r- Berlin, 26. August. (Die Bestrafung unsitt lichen Unfugs ohne lsr Heintze.) Die „Köln. VolkS- ztg." bemüht sich wieder einmal, Stimmung für die Wieder aufnahme Ler lor Heintze zu machen, und zwar auf Grund folgenden Vorfalles: In Berlin werden seit Jahr und Tag abends in der belebtesten Gegend, nämlich in der Friedrich straße zwischenderLeipzigerStraße und deaLinden, vonStraßen- händlern Schriften, Ansichtspostkarten, sogen. Scherzartikel u. dergl., über deren grob unsittlichen Inhalt kein Zweifel obwalten kann, nicht auSgeboteu, nein, ausgebrüllt. In den letzten Wochen hat dieser gröbliche Unfug einen derartigen Umfang angenommen, daß selbst der abgehärtetste Seemann nicht vorübergehen könnte, ohne zu erröten oder Widerwillen zu empfinden. ES nützt auch nicht», die Augen abzuwenden, denn die Händler sind so gütig, den unsittlichen Sinn der Post karten usw. in unzweideutigster Weise klarzulegen. Hierüber baden sich nun Blätter der verschiedensten Parteirichtung be klagt. Daran ergötzt sich, wie erwähnt, die „Kölnische Volks- Ztg.", indem sie bemerkt: „Hätte man den Kampf gegen die öffentliche Unsittlichkeit rechtzeitig geführt, durch Polizei, Gericht und nicht zum weuigsten ru der Preffe, daun wären solche Zustände nicht möglich geworden. . . . Aber freilich, man hatte die Hände so voll mit dem Kampfe gegen die „Heintzemänner", d. h. gegen die Gegner der öffent lichen Unsittlichkeit, daß man zum Kampf gegen die Verbreiter derselben nicht die nötige Zeit fand". Auch wir sind, obwohl wir Anti-Heintzemänner sind, mindeste«- ebenso Gegner der öffentlichen Unsittlichkeit wie die „Kölnische Volkszeitung", und wir wollen die- alsbald dadurch beweisen, daß wir dartun, daß schon nach dem bestehenden Gesetze dem Unfug in der Berliner Friedrichstraße gründlich zu Leibe gegangen werden kann. Die Straßeahändler könne« «icht aur «ach § 184 R.-Str.-G.-B. belangt werden, sonder« unserer Mernung nach auch nach dem sebr viel härteren tz 18S. Die Anwendbarkeit de- tz 184 ist ja außer allem Zweifel, denn dazu genügt eS, daß unzüchtige Darstellungen verkauft werden. Der strengere 8 183 besagt: „Wer duich eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu LOO bestraft. Neben der Gefängnis strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden." tz 183 hat also drei Tatbestandsmerkmale: erstens die Oeffentlichkeit, zweiten- muß ein Aergernis gegeben werden, dritten» muß eine unzüchtige Handlung vor liegen. Daß die Friedrichstraße in Berlin ein öffent licher Ort ist, darüber braucht nicht erst geredet zu werden. Wenn weiterhin zur Ermöglichung der Be strafung festgestrllt werden muß, daß Personen an der fraglichen Handlung Aergernis genommen haben, so wird eS in diesem Kalle gewiß nicht schwer fallen, dafür Zeugen zu finden. Die Frage ist also nur, ob «ine unzüchtige Hand lung anzuuehmen ist. DaS Reichsgericht hat angenommen, daß nicht nur Handlungen im engeren Sinne deS Wortes, sondern auch mündliche Aeußerungen, z. B. Lieder, als unzüchtige Handlungen im Sinne deS ß 183 angesehen werden können. Danach konnten die Vorgänge in der Friedrichstraße sehr wohl nach H 183 bestraft werden, denn die Händler begnügen sich nicht mit dem stummen Hinhalten ihrer Ware, sondern bemühen sich, sie durch zotenhafte Aeußerungen dem Publikum schmackhafter zu machen. Wir wissen wohl, daß namhafte Juristen eine der Ansicht de» Reichsgerichts rnt- geaeugesetzte Auffassung bekunden und in derartigen münd lichen Aeußerungen keiue unzüchtige Handlung erblicken wollen, aber wir meinen, daß das allgemeine VolkSempfiudrn in diesem Falle mit dem Reichsgerichte gehe, denn die Gemeinheiten in der Friedrichstraße sind viel empörender — schon weil sie die Geldgier zur Grundlage haben —, al- wrnn eiwa eia angetrunkener Mensch eine unzüchtige Geste «acht oder vergißt, wo er sich befindet. Nach K ISS «au
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