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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030831023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903083102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903083102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-31
- Monat1903-08
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Anzetgen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeüe iS Reklame« unter dem RedakttonZstrich <4 gespalten) 78 vor den Familtenuach» richten (»getpalte«) KO Do bellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenauaahm« 2L L, (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morges.Ausgabe, ohne Postbesördenmg 60.—, mit Postbesörderuag 70»—» Annahmeschluß fSr Anzeige»: Abeud-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeige« find stet» au di« Expedition zu richte«. Die Tipedition ist wochentags ununterbrochen geüsfuet von früh 8 bis abeudS 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipzig. Nr. E. Montag den 31. August 1903. 97. Jahrgang. polMsche Tagesschau. * Leipzig, 31. August. Vreuhische Regier««», Zentrum und Polen. Hat schon die „Kreuzzeitung" den Veranstaltern, Leitern und Rednern de- SO. „KaiholikentazeS" viel An erkennende- und Freundliche- gesagt, so bleibt die „Nordd. Allstem. Ztg." hinter dem konservativen Parteiorgane nicht zurück. Ja ihrem Wochenrückblicke schreibt sie über den Verlauf des Kölner Tage-: „Der Verlauf dieser JubiläumSversammlung war glänzend, so wohl was die Zahl der Besucher und die festlichen Veranstaltungen anlaugt, als was die Liste der Redner und die Aufnahme ihrer Ausführungen betrifft. Die Organisation des Zentrum-, die Stellung seiner Führer und die Treue der Massen seiner Anhänger gelangte so zum Ausdruck, daß, lediglich von der politischen Seite betrachtet, eine andere bürgerliche Partei diesem Katholikentage schwerlich etwas Gleichwertiges zur Seite zu setzen vermag. Angenehm berührte vorallemdieZurückweisungjedes E in flusses konfessioneller Ze rsplitterung auf da» poli tische Leben unddie Betonung der patriotisch en Gesinnung allerTeilnehmerderVersammlung.DteseSeite deSJubiläumS- Katholtkentages trat besonders bedeutsam in den Ansprachen des Erz bischofs von Köln, des Kardinals vr. Fisch er, in die Erscheinung, und die Bemerkung des Kardinals, daß der ein Verräter am Vater lande sei, der in diesen ernsten Zeiten, wo der Geist des Um sturzes an der Zerstörung von Thron und Altar arbeite und am Lebensmark unseres Volkes nage, die konfessionelle Spaltung erweitern und diese beklagenswerte Kluft, die mitten durch das Herz der Nation gehe, zu einer noch mehr klaffenden machen wollte, verdient, weit über di« Kölner Katholtkenversammluug hinaus ge- HSrt zu werden." D'e „Nordd. Nllg. Ztg." stimmt dann „durchaus" dem Urteile der „Kreuz-Ztg." zu, welche sich dagegen verwahrt, daß da- Zentrum vom nationalen Standpunkte aus bekämpft werden müsse. Nun ist es ja richtig, daß die Leiter der Kölner Beriammlung sich geflissentlich bemühten, einen fried fertigen Eindruck zu machen, nach oben wie nach seitwärts, L. h. nach rechlS; der Kampf und die KampieSstimmung waren in Reserve getreten und wurden nur vorgezeigt als Eventualiiäten, „wenn sie unS nicht zu willen sind." Aber von den alten Forderungen wurde nicht eine zurück genommen, von den alten Klagen über die Unfreiheit der katholischen Kirche in Deutschland nicht eine als gegen- stan slo» qewoidea bezeichnet. Ja, Herr 0r. O r t e r e r gab mit den Worten: „Ja Preußen geht etwas vor die Laudlagswahlen werden bvfsentlich nicht ohne Ergebnisse für die Auegestaliung der Schule bleiben", die Wahlparole de« Zentrums für di« preußischen LandtagSwahlcu auS: „Der Kampf um dre Schule." Und wenn nun trotzdem die hochosfiziose „Nordd. Allgem. Ztg." sich lo bochdefriedigt von dem Verlaufe der Tagung zeigt, so haben ihre Veranstalter wahrlich allen Grund, mit ihren Erfolgen zufrieden zu sein und sich zu der neuen Taktik, die ihnen ja durch die vielbesprochene Erklärung de- Reich-kanz» lerS bezüglich der Stellung Preußens zu dem ß 2 veS Jesuiten gesetzes rzuLsl aaempfohlen worden ist, zu beglückwünschen. DaS Zentrum wird — in Preußen wenigstens — auch ohne Kampf viel von dem erreichen, was es noch fordert, und obendrein von den preußischen Offiziösen im Wetteifer mit der „Kreuzzeitung" gepriesen werden, weil es nimmt, ohne zu kämpsen. In einem Punkte Vars man freilich dem herrlichen Friede«, der am Horizonte seinen Palmen;wrig erscheinen läßt, nicht trauen. Bekanntlich bat der Kaiser in der schwungvollen Rede, die er dieser Tage in Kassel gehalten, mit besonderem Nachdrucke betont, der Fürst müßte, „wo dir Not am höchsten ist", zu dem Manue greifen, der ihm der rechte an Ort und Stelle zu sein scheine. Man darf daraus schließen, daß an maßgebender Stelle die Poleng «fahr in Schlesien jetzt als sehr ernst angeseben wird und daß an dieser Stelle die Ueberzeugung herrscht, der neue Ober präsident Graf Zedlitz müsse dieser Gefahr energischer «nt- gegentreten, al- sein Vorgänger Fürst Hatzfeldt e- ge tan. Wie aber, so muß man sich nun fragen, soll Preußen auch nur in Schlesien ein« ener gische Polenpolitik treiben, wenn es zärtliche Rücksicht auf die ultramontanen Polenprotekioreu nimmt und sich sorg lich hület, ihnen zu mißfallen? Oder glaubt man in Berlin, daS Zentrum werde für Konzessionen auf dem Schulgebietc die Polen fallen lassen? Das wäre doch die seltsamste Annahme der Welt. Die Auslieferung der Schule an die römische Kirche wäre zugleich die Auslieferung der Schule in den gemischtsprachigen Landesteilen an die Polen. Over denkt man in Berlin in Bezug auf die polnische Fra.« ebenso wie in Bezug auf andere Fragen: „Kommt Zeit, kommt Rat" und überläßt der Zukunft die Lösung deS Rätsels, wie energische Polenpolitik mit klerikaler Politik zu vereinen fit? Vielleicht fragt im preußischen Abgeordnetenbause ein national liberaler Redner den Grafen Bülow, wie er sich die Lösung dieser Frage denkt. Auf die Antwort dürfte mau ge- spannt sein. Die „Kreuzzettun«" druckt in einer ihrer letzten Nummern auS dem „Evangel. Kirchl. Anz." folgende „Kraftstellen" einer Zu chrift ab, die diesem Blatte vom Pastor ower. Bernhard Gründler in Groß- Lichterfelde „in Sachen des evangel. Bundes wider die Kreuzzeitung" rugegangen ist und von der Redak tion dieses kirchlichen Blattes mit der ausdrücklichen Er klärung veröffentlicht wird, nicht allen Ausführungen zu stimmen zu können, das Ganze aber als kennzeichnend für die Stimmung in weiten Kreisen deS evangelischen Volkes zu erachten: „Aber das Deutsche Reich muß doch regiert werden: dazu brauchen wir die Hülfe des Zentrums, und das Zentrum tut's nicht ohne die Hülfe der „Jesuiten". So hören wir die politische Pythia sagen. Nun so möge doch das Zentrum einmal versuchen, seine Hülfe zu versagen in einem für des Reiches Wohl wichtigen Punkte. Dann nach Hause mit ihm und dem ganzen Reichstage. Heran zur neue« Wahl, und die Parole sei: „Eine Majorität für die Regierung, ohne Zentrum, das sie im Stiche läßt, weil sie ihm die Jesuiten" definitiv verweigert." Solche Parole würde Mut und Ver- trauen des deutschen Volkes neu beleben. Sie würde zündend wirken durch die evangelischen Kreise hindurch bis in die sozialdemokratischen Wählermassen, ja bis in den Heerbann des Zentrums hinein . . . Die sozialdemo kratische Stimmenhochflut würde durch eine Wahlparole im angegebenen Sinne zum Abebben gebracht und ein großer Teil derselben für sie gewonnen werden. Diese Hochflut ist erzeugt worden nicht zum wenigsten durch die Verletzungen, welche da- deutsche Volk innerhalb der letzten Wahlperiode in seinem rechtlichen und konfessionellen Empfinden erlitten zu haben glaubt. Zuletzt kurz vor den Wahlen noch durch die Rom- reif« mit den tendenziös übertriebenen, aber vom Volke für wahr gehaltenen Berichten. Dieses Gefühl der Verletzung suchte einen Aus druck, und es legte vielen sonst gut kaiserlich und evangelisch gesinnten Deutschen den sozialdemokratischen Wahlzettel in die Hand. Sie fühlten sich mißachtet und führerlos und drängten dahin, wo ihnen beides zu winken schien: Beachtung und Führung. Alle Mißstimmung würde mit einem Schlage ver schwinden durch ein klares und entschiedenes Wort, daS dem Volke zeigt, daß sein Empfinden verstanden und geachtet wird. Fürst und Volk würden sich wiederfinden. Doch das Schwergewicht der persönlichen Frage drückt auf eine andere Stelle. Das deutsche Volk ist reif, das rettende Wort zu hören, sich und seine Regierung frei zu machen von der undeutschen Herrschaft, in der sie beide verstrickt liegen. . . . Der geschickteste Diplomat kann sich ver rechnen und Unheil anrichten, wenn er für die innere Füh lung mit dem zu leitenden Volke kein Organ besitzt. Das deutsche Volk ist aber und wird trotz allem bleiben: ein vor wiegend evangelisches, vom Geiste der Reformation beherrschtes Volk. Mit diesem Geiste muffen auch seine Führer innerlich vertraut und verwachsen sein, mindestens müssen sie ihm ver ständnisvoll gegenüber stehen. Hiernach muß beurteilt werden, an welchen Stellen gegenwärtig ein Personenwechsel nötig ist, um dem Volke Vertrauen zu seiner Regierung einzuflöhen. In dieser Richtung bewegen sich di« Ziele, Hoffnungen und Stimmungen in den Kreisen des Evangelischen Bundes und der treuen evangelischen Christen überhaupt. Wie aber steht die „Kreuzzeitung" dazuk Sie empfiehlt angesichts des letzten Wahlausganges: dir Flucht in die schützenden Mauern der Zentrumsburg und als Ent gelt für diesen Schutz: Verzicht auf die öffentliche Rolle des Protestantismus in unserm Volksleben. Da muß ihr allerdings der Evangelische Bund und seine Arbeit recht ärgerlich im Wege liegen. Dabei führt sie sich ohne Erröten noch immer mit einem „wir evangelischen Christen" bei den Lesern ein." Die „Kreuzztg." scheint der Ansicht zu sein, daß sie durch die Wiedergabe dieser „Kraftstellen' ihre Leser gegen den Verfasser aufregcn und mit tiefem Unmute erfüllen werde. Und ein groß-r Teil der preußischen Freunde der „Kreuzztg." wirb in der Tat der Meinung sein, der Verfasser vergreife sich nicht nur zu Unrecht an einem Un- schuldelamme, sondern sei auch ein bösartiger Hetzer schlimmster Art. Aber es wird auch Konservative, be sonders außerhalb Preußens, in großer Zahl geben, die dem Verfasser in vielen, ;a in den Hauptpunkten beipflichten. Sie werden es für anmaßend halten, daß der Verfasser einen „Personenwechsel" verlangt, und werden ferner zugrstehen, baß der Verfasser sich mehr als einmal im Ausdrucke vergreift. Ader in Ver Beurteilung ver neuen preußischen Krrchenpolitik und der Beflissenheit, mit der Vie „Kreuzztg." die Geschäfte deS Zentrums besorgt, werden sie mit dem Verfasser völlig Überernstimmen. So kann die Haltung der „Kreuzztg." gar leicht zu einer Spaltung innerhalb der deutsch-konserva tiven Partei führen, di« für dir „Kreuzztg." selbst am ver hängnisvollsten werden könnte. Von den sächsischen Konservativen glauben wir annehmen zu dürfen, daß sie eS fast samt und sonders ablehnen würden, mit dem Zentrum durch Dick und Dünn zu geben. Es ist daher der „Kreuzztg." dringend anzuempfehlen, statt sich über die Zuichrisl deS Pastors Gründler zu entrüsten, diese recht gründlich auf ihre Berechtigung zu prüfen. König Eduard l« Wie«. Die „Neue Freie Presse" begrüßt den König von Eng land, der als Gast des Kaisers von Oesterreich eben Wien einen Besuch abstattet, mit einem sehr sympathisch ge haltenen Artikel, an -essen Schluffe es heißt: Oesterreich-Ungarn ist — das zeigt sich hier wieder — trotz seiner inneren Kämpft ein Faktor, mit welchem in der Weltpolitik gerechnet werden muß und gerechnet wird. Der Separatismus Ungarns, der Größenwahn der Tschechen kann Fragen aufwerfrn, welche die Tagesordnung der inneren Politik für eine Weile be herrschen. DaS Ausland nimmt glücklicherweise von ihnen nicht Notiz, es kennt nur ein Kaiserreich, rechnet nur mit diesem und kann nur mit diesem rechnen. DaS europäische Konzert stellt sich zusammen, und zwar um den greisen Kaiser von Oesterreich. Der König von Rumänien war bei ihm in Ischl erschienen. Kaiser Wilhelm kündigt seinen Jagdbesuch in Ungarn beim Erzherzog Friedrich und beim Kaiser an; König Eduard VII. hält seinen Einzug in Wien. Kaiser Nikolaus folgt ihm fast auf dem Fuße nach. Wir sehen es mit Genugtuung, wie dem Kaiser Franz Josef, der kürz lich sein 73. Jahr vollendet Hai, als Doyen der europäischen Herr scher die gebührenden Ehren von Seiten der Fürsten erwiesen werden, wie denn die aufrichtigen Sympathien auch der Volks kreise der ganzen Welt dem vom Schicksal so schwergeprüften Herr scher sich zuwenden und erst wiederum an seinem letzten Geburts tage in warmen und verehrungsvollen Kundgebuugeo zum Ausdrucke gelangten. Mit besonderer Lebhaftigkeit äußerten sie sich in diesen Tagen der inneren Krise in der gesamten Presse des Auslandes, die nicht müde ward, zu versichern, daß an den greisen Monarchen Aufgaben herantreten, wie sie schwieriger und ver antwortungsvoller wohl keinem Herrscher der Jetztzeit gestellt werden, Aufgaben, denen gegenüber selbst die Kraft eines Jüngeren leicht versagen könnte. Es ist noch ein Glück zu nennen, daß die Oberhäupter fremder Staaten, von dem widerlichen Schauspiel selbstmörderischer, reichszerstörender Kämpfe abschend, dem Kaiser, der allein noch Kredit zu genießen scheint, mit Rück sicht auf seine persönliche Autorität, seine Weisheit und Erfahrung, ihre Verehrung bezeigen, mit ihm über die Erhaltung des Friedens deS Weltteils Rat pflegen und in ihm diese alte ehrwürdige Monarchie, dir dem Auslande noch immer nicht als eine ^uLutitt nößÜAöublo erscheint, ehren. Dem allen kairn man durchaus zustimmen. Aber man darf sich auch nicht verhehlen, daß die Einheit des Donau reiches bis auf weiteres nur auf zwei Augen ruht. Wenn diese sich schließen, ist eS doch sehr fraglich, ob die Zentri fugalkraft der disparaten Nationalitäten in der Person Les Nachfolgers auf dem Throne der Habsburger noch länger das notige Gegengewicht findet. Indessen trügt vielleicht, und daS wünschen auch wir aufrichtig, die Wall fahrt der europäischen Herrscher nach Wien dazu bei, den Feirrlletsn. 2lj Renate von Grieben. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck verboten. Die Karten werden für fünf Minuten aus der Han gelest, und während Paul eine etwas verworrene Ge- fchichte von einem Duell des Herrn Buschkorn mit einem Rivalen oder 'nem Bruder des Fräuleins — so genau wisse er das selbst nicht — zum Besten gibt, daS da hinten im Grünewald — da machen sie das ja immer ab!" erklärt er — aus mörderisch nahe Distanz stattgefunden habe, währenddessen ist Renate schon durch ein paar vorzüglich beleuchtete Straßen hindurch. Vorzüglich — wie es Vollmond und Schnee nicht anders sein kann. Um so schärfer malen sich auf dem weißen Untergründe die zackigen HauSgiebel ab, als Schaitenflüchen, in deren Schutz man schier die Hand vor Augen nicht sieht. Re nate ist das gerade recht; denn ungern möchte sie jetzt er- kannt oder gar angeredet werden, und so selten ihr auch jemand begegnet, so wählt sie dennoch, mit den Sttatzen- verhältnissen des Ortes vertraut, einen doppelt einsamen Weg, an der Apotheke, dem einzigen noch Hellen Laden, vorbei und dann über die „Freiheit". Es ist das ein schlecht gehaltener Platz hinter der Jakobskirche, welche sie im Gommer ein paarmal «fit Justine Frydag besucht hat. Sie kennt ihn genau. Bonn ein zerbröckelter Torbogen mit der ausgewaschenen Inschrift: „Inumuntss 8«u«ti ^aooiü" und der Jahreszahl IlvXVI, dann links fünfzig Schritt abseits bas Pfarrhaus mit den zwei alten Linden, unter denen sie bisweilen mit Justine gesessen, recht» in weitem Bogen zwei kahle Schulhäuser und ein paar kleinere, barackenartige Bauwerke, Spritzen wnd städtisches ArbettSgerüt bergend. Und sonst nichts, als -wischen den Hüuscrn und den hohen Kirchenmauern daS von der Riedstädter Schuljugend zerwühlte Gchneefeld, welches die Unebenheiten des »den Flecke» heute ebenso vorteil, haft deckt wie der nächtliche Schatten der Kirchenpfeiler. Ringsherum lautlose Stille; nur der Schnee unter ihrem Küßen knirscht leise. Und nur in einem der Schul» !^!^lb"enn»^än'trLr«» Wohnung Alle» wie tot. Doch nein, jetzt, da drüben, im Dunkel vor ihr, hört sie Stimmen, etwas wie einen unterdrückten Fluch. Sie weiß, daß sie an den Menschen, die dort sprechen, dicht vorüber muß; denn -er Platz verengt sich nach jenem Aus gang zu in eine Art Gasse, kaum hundert Schritte lang, die zwischen einem alten Rest der Stadtmauer auf eine der zwei Hauptstraßen und von da in die Bäckerstratze führt. Sie ist nicht furchtsam von Natur, aber hier in der nächtlichen Einsamkeit fühlt sie doch ihr Herz klopfen. „Und wenn Sie mich totschlagen, Sie Schuft, was liegt daran?" hört sie jetzt jemand sagen, in dem halb lauten Raunen, wie die Nacht es gebiert. „Mein Mädchen habt Ihr umgebracht, warum nicht mich? Meinethalben! Wo die Leute in Ahndorf mit Kingern auf uns zeigen, seit unsere Sophie heut morgen vom Mühlenwehr schwamm! Aber erst sehen, wer der Stärkste ist!" „Keine Dummheiten, Mann, oder Ihr seid deS Todes!" Was schnürt Renate die Brust, daß der Htvlfeschrei, den sie auSstoßen will, nicht über ihre Lippen kommt? Was hemmt ihr den schon rückwärts gekehrten Kutz, datz sie, ohnmächtig, an der ersten HauStüre Hülfe zu heischen dasteht, wie gebannt? Nun hört sie ein dumpfes Aufein anderprallen von zwei Körpern, ein Fallen im nächsten Augenblick — die Panik ist überwunden mit ein paar Sätzen ist sie bei den Kämpfenden. - Der letztere hört -en Ruf nicht. Er liegt auf dem Rücken, wohin der andere ihn geschleudert hat. Der aber — sie hat fofort seine Stimme erkannt: Walter Killmann — ist mit einem Sprunge an ihrer Seite und steht nun im Mondschein da wie ein düstere- Gespenst. „Du hier?" Leichenblüsse bedeckt sein Antlitz. Nun mit der Hand sich über den Bart fahrend, zischt er: „Snädige» Fräulein konnten die Trennung von dem Geliebten auf die Dauer nicht ertragen? Aber das ist doch kein Grund, mich an einer freundlichen Auseinandersetzung mit einem alten Bekannten zu hindern. Haha!" Sein Lachen erstirbt unter dem Stotz, der ihm in diesem Augenblick auf den Kopf trifft wie ein Keulen schlag. Ohne einen Laut stürzt er hin. DaS alles ist mit solcher Schnelligkeit vor sich ge gangen, der Retter in der Not auf dem weichen Schnee so lautlos erschienen, datz Renate ein paar Sekunden zur Erholung braucht, ehe sie au-ruft: „Herr Vollharb l" „Nie um de» Hknmel» willen kommen Sie 1» diese «egend, zu solcher Stundet „Auf dem Wege zu Ihnen", antwortet sie atemlos und deutet auf den Mann im Dunkel. ,Hm!" macht Vollhard, kniet bei Schwenker nieder und reibt ihm die Stirn mit Schnee. Das hilft. Dann erst, während jener sich langsam erholt, sucht er auf dem Erd boden herum. ,Haben Sie etwas verloren?" „Nur einen Pantoffel. Aber da — La ist er schon." In Heller Angst starrt sie ihn an. „Sie könnten sich den Tod holen!" Er antwortet, wieder über Schwenker geneigt, mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Die Magd mußte bei Tante Friederike bleiben, und ich lief selbst schnell zur Apotheke, um Chinin, da hörte ich auf dem Rückwege hier die Stimme, und wo sie redet, da blühen keine Rosen", sagt er, sich trotz der Kälte den Schweiß von der Stirn wischend. „Nun, Schwenker?" Der Müller hat sich langsam aufgerichtet und glotzt nun die Zwei mit stieren Augen an. „Lassen Sie mich!" „Fällt mir gar nicht ein. Sie kommsn mit, erholen sich bei mir und können dann nach Hause fahren. Ihr Fuhrwerk ist doch in der Stadt?" „Mein Schlitten steht in der „Rose". Ich mutzte ja hier den Sarg bestellen, und da begegnet mir Franz Peters aus Sölde und erzählt, der Schuft wär' hier. Hab' ich dem aufgelauert, drei Stunden lang! Erst vorm Deutschen Hause, dann vor Schwabes Weinstube, wo er eingekehrt war. Zuletzt hatte ich ihn hier fest. Er oder ich, dachte ich." — „Er oder ick", wiederholte der Unglück- liche Vater. Er war der Stärkere." „Er liegt dort", sagt Vollhard. ,Mo? — Da? — Da ist er — das haben Sie —? O, der Schuft!" Breitbeinig stellt der Müller sich vor dem Mörder seiner Tochter hin und speit auS. „O, daS unglückselige Schützenfest, wo er sie mir stahl, Herr Vollhard! Da fing's ja an " Nun streifte sein Blick Renaten» iotenstarre» Antlitz. „Die — sind Sie da» nicht, die ihn damals herbrachte? Pfui!" Mit zu Boden gekehrtem Gesichte steht er vor der Zitternden. „Da fing'S an. Und hernach daS Ende: im Wasser!" Die Hände vor die Augen geschlagen, stöhnt er laut auf. Renate ist e» wie ein Stich durchs Her» gegangen. Da« Ahnborfrr Fest — ja, da hatte au<b ihr Leid ange- fauaen, ihr« eigene Erniedrigung. Und den Menschen Lq patte sie einmal bewuudertl Dennoch spricht st«, al» Vollhard, Schwenker am Arme fassen-, sich zum Weiter gehen anschickt: „Er kann da nicht liegen bleiben." „Nein", brummt Georg Vollhard trocken, „ich werde den Wächter benachrichtigen. Bis dahin erfriert er nicht, und wenn —" Schweigsam, so rasch der Müller mit ihnen fort kann, legen sic die kurze Strecke nach Volkhards Wohnung zurück. Erst vor der Haustirr richtet sie das Wort an ihn: „Ich habe Ihnen sehr viel zu danken." „Sie vergessen meinen eigenen Groll gegen den Lumpen", antwortet er schroff. Dann führt er sie nach oben, direkt in das Kranken zimmer, sie dort, nachdem er seine Arznei an Lina Salz mann abgegeben, allein lassend. Er müsse für Schwenker sorgen und dann auch für den Menschen draußen. Eine halbe Stunde später, während der sie am Lager fier unruhig Schlummernden für ihre erregten Nerven umsonst Ruhe gesucht hat, kehrt er zurück. „Schwenker ist fort, und auch der andere. Wird sich erholt haben. Der Wächter fand ihn nicht mehr", flüstert er. Ihr entringt sich ein Aufatmen -er Erleichterung, so beklemmende Angst hatte sie ausgestanden, der Folgen wegen, die sich hätten für Vollhard entwickeln können. Unwillkürlich faltet sie die Hände. „Wollen <Äe nach dem Deutschen Hause Nachricht schicken, datz ich nicht komme?" fragt sie nun. war dort abgestiegen, bleibe aber wohl am besten hier." Er nickt bloß. Wieder sitzt sie bei der Kranken, flößt ihr ein Pulver ein, netzt ihr die Lippen, glättet die Kiffen. Sie freut sich beinahe, datz Fräulein Hengler setzt kaum die Augen öffnet, sie nicht erkennt, doch fühlt sic sich seit langer Zeit wieder einmal mit sich selbst zufrieden. ES ist fast vier Uhr, als sie auf das Drängen der alten Magd, die sich draußen ein wenig auSgeruht hat, den Platz im Krankenzimmer aufgibt. Mit einem Gemisch von Grauen und Mitleid sieht da» Mädchen ihr nach. Fünf Stunden später, als Renate, schlaferfrischt, sie ablösen kommt, zeigt Lina verweinte Augen. DaS alte Fräulein liegt auf dem Rücken, die Auge« geschlossen, mit rasselndem Atem. „Steht e» schlimm?" , Lina Salzman» verzieht -en vbm».
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