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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190507295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19050729
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19050729
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-07
- Tag1905-07-29
- Monat1905-07
- Jahr1905
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1905
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— 118 — Ter Widerspruch war ein so entschiedener, daß Harme- ning trotz seiner schweren Sorge um Pauls Gesundheit zunächst nicht weiter auf seinem Willen bestand. „Wie stellt sich her Tirektor zu Tiv?" fragte er ab lenkend. „Hast Tu Veranlassung, Tich durch sein Beneh men gekränkt oder gedemütigt zu fühlen?" „O nein, et behandelt mich sogar so freundlich, daß mich die andern um die Bevorzugung beneiden. Aber eines Tages wird sichfI schon zeigen, was er damit be- absichitigt." „Tu bist unverbesserlich, Paul! Aber sage mir doch — eine ganz beiläufige Frage — Tu hust ja gewiß öfter Gelegenheit, den Toktor Telmtonte zu beobachten, wenn er ins Bureau kommt oder es verläßt: Pflegt er nickck führ gewöhnlich einen grauen HohenUollermnantel zu tragen, und einen steifen runden Filzhut?'" Cr begriff selber kaum/ wie er trotz der unzweifel haften Lächerlichkeit des vorhin! für einen Moment in ihm aufgetauchten Argwohns nun Loch zu dieser Frage gekommen war. Aber er empfand es seltsamerweise als eine große Erleichterung,' als Paul etwas verwundert er widerte: „Weder das eine noch das andere. Ich habe ihn seit dem Beginn des Winters nur in feinem ele ganten Gehpelz und im Zylinder gesehen." „So — so! Tantt habe ich mich also getäuscht, als ich ihm gestern zu begegnen glaubte. Nun aber ist's ge nug gegrübelt und auch genug geschwatzt für heute! Tu versprichst mir, Tich jetzt ins Bett zu legen. Und wegen des Urlaubs — na,' acht oder vierzehn Tage will ich's, noch mit ansehen. Aber wenn Tu auch dünn noch nicht etwas frischer aus den Augen schauste muß doch irgend etwas für Tein« Gesundheit geschahen. Telmonte würde Tir den Urlaub gewiß nichjt verweigern/" „Nein, das würde er wohl nicht. Er hat cs ja so gut mit mir im Sinn."" Ter Polizeidirektor gab sich den Anschein, als ob er den ironisch lütteren Klang der letzten Morte nicht wahrgcnommen hätte. Er mußte wohl einsehen, daß es ein vergebliches Bemühen bleiben würde,' Pauls unbegreif- lichp Boreingeniommercheit gegen seinen Mlohltäter zu be seitigen. > 7- Eine Wachst war vergangen, und der Polizeidirek.ior Harmening- hotte über anderen, wichtigeren Angelegen heiten die Affäre der Schauspielerin Ada Leoni fast schon vergessen. Nur ein einzigesmal war Liebenow auf die Lachst zurückgekommen,/ um zu melden, daß sich bisher weder über die Person des unbekannten Besuchers noch über irgendwelche Beziehungen der Künstlerin am hie sigen Orte etwas Tatsächsliches habe ermitteln lassen. Harmening war einverstanden, daß der Kommissar seine Kräfte nicht länger bei einer seiner Ueberzeugung nach unfruchtbaren Aufgabe vergeudete. Eben war er angestrengt mit einer sehr dringenden Arbeit beschäftigt, als ihm der als Ordonnanz dienst tuende Schutzmann meldete: „Ein Herr Doktor Telmonte wünschst den Herrn Polizeidirektor in wichtiger persön licher Angelegenheit zu sprechen."" Harmening, dessen Nervosität sich überhaupt von Tag zu Tag steigerte, fuhr erschrocken zusammen. Welches neue Unglück sollte da über ihn herstinbrechstn? Tenn daß dieser Besuch des Bankdirektors hier an der Stätte seiner amtlichstn Tätigkeit nur eine, schlimme Bedeutung haben könne, war ihm keinen Augenblick zweifelhaft. Er fühlte etwas, wie eine unsichtbare Faust an der Kehle, und er mußte sichj räusporn, ehe cr die Antwort herausbringen konnte: „Führen Sie den Herrn herein! Und ich wünsche nickst gestört zu werden, so lange er bei mir ist."" Telmonte trat über die Schwelle, in seinen kostbaren Biberpelz gekleidet und den glänzenden SeidenhUt in der Hand. Sein Gesicht rvar finster, und der harte Zug um Nase und Mund trat mit geradezu abstoßender Schärfe hervor. „Ich bedaure, wenn ich störe, Herr Polizeidirektor! Aber ich! habe mich über einen Ihrer Beamten zu be schweren, und die Sach: geht mir zu sehr an die Ehrr, als daß ich! mich auf eins umständliche schriftliche Erledi gung hätte einlassen dürfen." Telmonte war sichtlich erregt, als er bei dem Polizei- direktor eintrat, und in dieser Erregung hatte er sogar verabsäumt, diesem die Hand zu reichst«. Harmening lud ihn höflich, ein, Platz zu nehmen. Tie Einleitung hatte ihm trotz ihrer wenig verbindlichen Form eine Bergeslast vom Herzen genommen, denn er nahm sie für einen Beweis/ daß der Besuch nichts mit der Ver fehlung seines Sohnes zu schassen habe. „Sie werden mich selbstverständlich bereit finden, einen wirklichen Miß- griff nachdrücklich zu bestrafen, Herr Doktor! Tarf ich fragen, um was es sich handelt?" Telmonte warf einen Blick aus die Tür. „Kann man hier ganz rückhaltlos reden?"" „Ich, habe bereits Befehl gegeben, uns nicht zu stören,"" sagte Harmening, und lächelnd fügte er hinzu: „Taß Sie im Amtszimmer eines Polizeidirektors' Vor unberufenen Lauscherohren sicher sind/ brauchst ich Ihnen wohl nicht erst zu versichern." Aber der Besuchstr war! Heu ist augenscheinlich nicht zum Scherzen aufgelegt,^ denn seine Stirn blieb bewölkt, und seins Stimme klang beinahe rauh, als er erwiderte: „Ich möchte also vor allen Tingen wissen, welcher Ver dacht gegen mich vorliegt oder aus welchem Grunde sonst man sich herausninimt/ nrich zu beobachten und auszu spionieren?" Er mußte unschfwsv erkennen, daß das Erstaunen des Polizeidirektors kein erkünsteltes war. „Sie wären beo bachtet wordan? Und durch die Polizei?"" fragte dieser. „Jawohl, darüber gibt es gar keinen Zweifel. Schon seit zwei Tagen habe ich derartiges bemerkt, und heute morgen ist es mir durch, eine Mitteilung meines Tieners in eklatanter Weise bestätigt worden. Ein Mensch, der sich erst unter allerlei Vorwänden an ihn hcrangemacht und sich, dann später als ein Kciminalschützmann entpuppt hat, hatte die Unverschämtheit, sich von ihm meine Gar--. derobenbeftände zeigen zu lassen. Ist das nicht unerhört? Und glauben Sie, daß ich mir dergleichen gefallen lassen werde?" „Wenn Ihr Diener nicht etwa das Opfer eines Schwindlers geworden ist!, muß da allerdings ein schwer begreifliches Versehen vorlicgcn. Hat ihm der angebliche Kriiniualsckjutzmann vielleicht seinen Namen genannt?" „Ja — Bertholtz oder sv ähnlich/" „Tas ist ja merkwürdig. Einen Schutzmann dieses Namens gibt es allerdings! bei meiner Abteilung. Aber cr ist! einer unserer verständigsten und gewissenhaftesten Beamten, dem ich kaum einen derartigen Mißgriff zu trauen kann. Es wird am einfachsten sein, wenn ich ihn sogleich hierher rufen lasse."" Er hatte schon dach Finger am Knopf des Telegraphen, als Telmonte abwehrend die Hand auf seinen Arm legte. „Lassen Sie das noch,! — Bor allem liegt mir daran, von Ihnen Aufklärung zu erhalten. Taß dieser Beamte, dem Sie ein so gutes Zeugnis auMstllen, speziell nach einein grauen Hvhieiizollernmantcl mit seidenem Futter und nach einem runden Filzhut forschte, nruß doch mit irgend einem bestimmten Vorkommnis in Zusammenhang stehen. Und ich, denke, daß ich ein Recht darauf habe, diesen Zusammenhang kennen zu lernen."" Nun war das anscheinend Unerklärliche für Harme- nittg mit einem Male klar geworden. Liebeniow und Berk- hvltz suchiten also offenbar noch immer nach dem geheim nisvollen Besucher der Schauspielerin/ und sie waren da bei durch irgend welchen, wunderbaren Zufall auf den Bankdirektor geraten/ dessen steifes Knie und dessen fun kelnder Lrillantring ja auch ihn für einen Moment hat ten stutzig machen können. Er war ungehalten über den taktlosen Uebereifer des! sonst so umsichtigen Berkholtz, aber er fand zugleich./ daß die Sache eiues gewissen humoristischen Beigeschmacks nicht entbehre. „Gewiß haben Sie eint solchses Recht, verehrter Herr Doktor! Und da es! doch wohl unter uns bleibt, will ich getrost den Schleier des Amtsgeheimnisses! ein wenig lüften. Ter Zufall Hot Ihnen da einen üblen Streich ge spielt, und es ist nur gut, daß Sie nicht auch zufällig noch! statt Ihres Pelzes einen Hohenzpllernmantel und st-att Ihres Zylinders einen runden Filzhut tragen." „Warum ist das gut?"" fiel Telmonte mit heraus fordernder Sckprfe ein, „Wie nun, wenn sich derartige Kleidüngsstücko wirklich! iw meiner Garderobe befänden'?"" „Tas ist eine hypothetische Frage, nicht wahr? Tenn' in Wirklichkeit —"" „In Wirklichkeit besitze ich sowohl einen grauen Hohenzollernmantel wie einen runden, steifen Hut. Tas Signalement scheint also vollständig zü stimmen." Ter Polizeidirektor antwortete nickK sogleich Es war ihm, als ob jemand ihm einen Schilag vor die Stirn versetzt Hütte. Aber er schüttelte die Bestjürtzung doch rasch wieder von sich ab, „Allerdings, Herr Toktvr — dann haben wir entweder den wunderlichsten Zufall vor uns, der mir jemals in meiner Praxis vorgekommen, oder —"" „Nun, warum vollenden Sie nicht? Oder ich muß in Wahrheit derjenige sein, den Sie suchen — nicht wahr?"" ,'/Statt der Antwort eine Gegenfrage, Herr Doktor! — Sie kannten die Schauspielerin Ada Leoni?"" „Ich sagte Ihnen ja schon neulich/ daß ich sie ge- kanut habe." „Sie sprachen, wenn ich mich recht erinnere, nur da- von, daß Sie sie auf der Bühne gesehen hätten. Ich aber meine eine andere Bekanntschaft — eine Bekannt- sckyft außerhalb biss Theaters." „Nun wohl, ich war auch außerhalb des Theaters mit ihr bekannt." „Und Sie wußten von Ihrem Hiersein? — Sie haben sie — verzeihen Sie dste anscheinend indiskrete Frage — im Hotel besuchst?" „Ja." „Wenige Stunden, ehe sie Selbstmord verübte?"" „Ja. Kurz und bestimmt hatte Telmonte es' hcrvorgestoßen, und seine kalten Augen Ivaren unverwandt mit durch- dringendem Blick auf, das erregte Gesicht des Polizei direktors geheftet. Wieder gab es ein sekundenlanges Schweigen. „Nun, haben Sie noch eine weitere Frage?"" „Ich — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir mit teilen wollten, »vas bei jenem Besuch zwischen Ihnen und der Schauspielerin geschah" „Nichts, das ich verschweigen müßte. Ich kannte die Leoni von einem vorübergehenden Aufenthalt in Oester reich her — die flüchtige, längst vergessene Liebelei eines Sommers. Ta erhielt ich zu meiner unangenehmen lieber- rasckMng von ihr eines Tages einen Brief, in welchem sie mir mitteilte, daß sie hier sei und mich! dringend spre chen müsse, da sie sich in Peinlicher Notlage befände. Ein Mann von Elche pflegt ja sonst nicht über' stolche Tinge zu reden. Aber erstens handelt es sich um eine Tote, und zweitens hat es wirklich den Anschein, als ob ich meine IIS - Beziehungen zu der Dame rechtfertigen müßte. Ich übe» legte, ob es nicht am besten sein würde, wenn ich ihr einfach eine angemessene Geldsumüie ins Hotel schickte. Tann aber bestimmte mich doch der Wunsch» sie nicht zu verletzen, zu dem Besuch. Sie war s^hr erfreut und emp fing mich so liebenswürdig, wie cs nun einmal -hre Art war. Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, teilte ich ihr. sogleich mit/ daß ick- im Begriff sei, mich zu verloben, und daß dieser erste Besuch darum auch mein letzter sein müsse. Tie dteuigkeit ging ihr nicht sonderlich zu Herzen, da "auch bei ihr die Erinnerung an jene kürze Tändelei wohl schon recht stark verblaßt war, und wir schieden als gute Freunde, nachdem ich ihren Verlegen heiten ans hinlänglich freigebige Weise ein Ende ge macht hatte. Ta haben Sic die ganze Geschichte. Ich hoffe, sie wird Ihnen genügen."" „Mir persönlich — gcwitz: Ich möchte nur wünschen, daß ich davon gleich am ersten Tage Kenntnis gehabt hätte, lieber die Motive des Selbstmordes ist Ihnen nichts bekannt'?"" „Nicht das geringste. Tie Leoni machte mir aller dings eine Andeutung, daß ihre fluchtartige Abreise nicht bloß durch fatale Geldangelegenheiten, sondern auch durch eine Herzensafsäre veranlaßt worden sei. Und ich vermute, daß sie einfach einem ungetreuen Verehrer nachgelaufen ist. Etwas Bestimmtes aber teilte sie mir nicht mit, und ich hatte auch nicht das mindeste Interesse daran, es zu erfahren." Fortsetzung folgt- Erika. j(Zu Bismarcks Todestage, 3V. Juli.) Bon Dr. Julius Pasig. (Nachdruck verboten.) Alljährlich, gegen Ende des Heunrondes, wenn der Lchjnitter gerade bei der emsigsten Arbeit ist, pflegen drau ßen in der Waldstille, fernab vom geräuschvollen Treiben der Welt, da, wo das Hertz! sich selbst wieder «rnzugehören lernt und das Gemüt seine duftigsten Wüten treibt, jene lieblichen, rosa angehauchten Blumenkelche sich schüchtern zu erschließen, die, bald in überreicher Fülle prangend, dem Waldboden ein rosiges Ansehen verleihen, Erika, Heidekraut! Gestern war ich wiederum im duftigen Walde, und sieh« da, auf Weitschpuender Bergeshöh, lvachgeküßt vom Strahle der eben zur Rüste gehenden Sonne, leuchteten sie mir aufs neue zum erstenmal in diesem/ Jahre ent gegen, die violett-roten Glöckchen meiner Erika! Bis marcks, unsers einzigen, unvergeßlichen» großen Mskiarck» Lieblingsblume — warum macht sie sich gerade um diese Jahreszeit auf, uns zu grüßen mit ihrer stummen Sprache? Will sie uns in dar. Tagen, Pa wir des Heimganges be grüßen Toten gedenken^ erinnern an den unersetzlichen Verlust, dvn wir in seinem Tode erlitten? Will sie uns ermahinen, treu au dem herrlichen Erbe festzuhalten, da- uns sein Genius in heißem Ringen erstritten? Will sie erinnern, ihm, dem großen Toten, Dankbarkeit und Treue zu halten auch über das Grab hinaus? Wir haben sie dem Lebenden gehalten,! trotz aller. Anfeindungen kleiner Geister, die den großen nicht verstanden oder nicht verstehen »roll ten, und wir halbeur sie dem Toten bis! zum letzten Atemzuge! Erika — seit wir" in d-sn herrlichen Briefen des Ent schlafenen, die er an seine Braut und Gattin gerichtet hat, die vollgültigsten Beweise für das unendlich tiefe, kind lich« Gemüt des „eisernen"" Kanzlers haben, ist uns der Große doppelt größ und doppelt — lieb geworden. Aber sagt uns Erika nicht dasselbe? Solche Blume konnte sich zur Aieblingsblume hoch eben nur ein Gemüt wie da-
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