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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021006021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902100602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902100602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-06
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möglich sein würde, begegnen die „Mitteilungen für die Vertrauensmänner der nationalliberaleu Partei" mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß die Partei in der glücklichen Vage ist, ihren Angehörigen durch Berichterstattung über alle wichtigen Gebiete ihres MitarbeitenS in den Parlamenten zu zeigen, wie über die bedeutsamen einzelnen Aufgaben gesetz geberischer Natur weithin llebereinstimmung erzielt werden tonnte und Streitfragen von sachlich ernstem Charakter fast nirgends übrig geblieben sind, soweit cö sich um vollbrachte Arbeit auf politischem, sozialem und selbst auf wirtschaft lichem Gebiete handelt. Der Rückblick aus die seit dem letzten größeren Delegiertenlage von 1896 geleistete Arbeit mag jedermanns Urteil darüber herausfordern, ob sich die nationalliberale von irgend einer anderen Partei in viel seitiger und praktischer Mitarbeit an der Gesetzgebung dieser sechs Jahre hat übertreffen lassen. „Mcinungsverschieden-1 heilen", so fahren die „Mitteilungen" fort, „sind natürlich vorhanden in bezug auf die schwebenden Fragen, und eS wäre gar nicht zu verstehen, wenn es anders wäre. Diese Fragen berühren vorzugsweise das Gebiet der materiellen, wirtschaftlichen Interessen, die in den verschiedenen Er- werbsklassen und je nach der Verschiedenheit der Gegend immer auch verschieden beurteilt werden. Der größte Parteityrann würde nicht im stände sein, eine solche, über alle Berufsklassen und über daS ganze Reich sich erstreckende Partei zusammenzuhalten, wenn er solche Meinungsverschieden heiten ausschließen wollte. Sache des Delegiertentages wird es aber sein, sich darüber zu äußern, ob etwa und wie weit bei Geltendmachung dieser gegensätzlichen Interessen auf die Dauer das Gemeinwohl benachteiligt erscheint, und dem Ausgleich der Gegensätze die rechten Wege zu zeigen." Die Ausrollung dieser Fragen berührt bereits die Partei- taktik, über welche ebenfalls die Ansichten zur Zeit noch auseinandergehcn, die aber, so hoffen wir, durch den Delegiertentag eine feste, sichere Zielrichtung erhalten wird. Dies läßt sich am ehesten durch eine freie, mündliche Aus sprache der Delegierten und durch ihren persönlichen Ver kehr unter einander erreichen. Deshalb erscheint cS auch wünschenswert, die Delegiertentage in kürzeren Zeiträumen als bisher auf einander folgen zu lassen. Diese Anregung hängt mit der Organisation der Partei zusammen, die zum ersten Male auf der Tagesordnung des nationalliberalen Delezirtentageö steht. Nur eine kurre Zeitspanne noch trennt unS von der Eisenacher Tagung. Zu unserer Genugthuung vernehmen wir, baß unser Appell an die Parteigenossen im ferneren Osten und Norden nicht vergeblich gewesen ist. Aber nochmals richten wir gerade an die Parteigenossen, die durch räumliche Entfernung fast isoliert stehen, die Aufforderung, sich zur Tagfabrt nach Eisenach zu rüsten, um durch gegen seitigen persönlichen Gedankenaustausch mit den anderen Parteigenossen diese und fick selbst in dem unvergänglichen liberalen Grundcharakter des Nationalliberaltsmus zu bestärken. * Berlin, 5. Oktober. (BundeSrat.) In der am 3. d. M. unter dem Vorsitz des Staatöministers, Staats sekretärs des Innern Or. Gras von Posadowsky-Webner ab gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats, über die wir schon kurz berichteten, wurde ferner von der Bildung der Ausschüsse sür das Landheer und die Festungen und für das See wesen Mitteilung gemacht, während die Bildung der übrigen Ausschüsse durch Zuruf vollzogen wurde. Die Vorlagen, betreffend die Beaufsichtigung schaum- burg-lippeschcr privater Versicherungsunlernebmungen, be treffend die Außerkurssetzung der Zwanzigpfennigstücke auS Nickel, betreffend die Ergebnisse der Volkszählung von 1900, betreffend den Entwurf einer Verordnung wegen anderweiter Anrechnung des Wobnungsgeldzuschusses bei Bemessung der Pension für die Reichsbankbeamten und endlich be treffend die Ergänzung der Nr. XXXVe der An lage L zur Eisenbahn-VerkehrSordnung in bezug aus Patronen aus Anagon-Sprengpulver und aus Westfalit, wurden den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Von der Mitteilung, betreffend die Jahresberichte der Gewerbe-Aus sichtsbeamten und Bergbehörden für das Jahr 1901, wurde Kenntnis genommen. Den Ausschußanträgen üher den Antrag deS Präses des Kuratoriums der Unterrichts anstalten des Klosters St. Johannis zu Hamburg, betreffend die Befreiung der an diesen Anstalten fest angestellten Lehrkräfte von der Versicherungs pflicht gemäß Ztz 5, 6 und 7 deS Invaliden - Versicherungs gesetzes, sowie über die Eingabe der Landesversicherungsanstalt Schlesien, betreffend Kenntlichmachung der Ouittungskarten nach den Jahren der Anfertigung, wurde die Zustimmung erteilt. Ferner wurde über die dem Kaiser zu unterbreitenden Vorschläge wegen Besetzung der Stelle eines ständigen Mit glieds im Reichsversicherungsamt und wegen Besetzung einer Mitgliedsstelle bei dem Reichsgerichte, sowie über ver schiedene Eingaben Beschluß gefaßt. — Der General der Kavallerie ü la suite deS Leib- Garde-Husaren-Regiments von Krosigk empfing an dem Tage, an welchem er vor 50 Jahren in die Armee ein getreten, das nachstehende Telegramm des Kaisers: Ich wünsche Ihnen zu dem heutigen 50. Jahrestage des Be- ginneS Ihrer ehrenvollen, in Krieg und Frieden gleich bewährten militärischen Lausbahn von Herzen Glück und erinnere mich dabei gern und dankbar Ihrer hohen Verdienste um die deutsche Reiterei und um Meine kavalleristische Ausbildung. Wilhelm R. — Im Berliner Magistrat ist bekanntlich eine Reihe von Stellen vakant. Im „B. T." wird u. a. für einen un besoldeten StadtratSposten der Name des früheren Provinzial steuer-Direktors Löbning genannt. Ferner wird in Vor schlag gebracht sür diesen Posten der Bankier Sch wafs, der jedock auf dieses Amt nicht reflektiert. Eine s. Z. vielgenannte Persönlichkeit taucht in diesem Zusammenhang in der Person deö Regierungsrats Reycke auf, der sür den freien besoldeten StadtratS-Posten als Anwärter aufgesührt wird. Im Brenn punkt des kommunalen Interesses steht aber allen voran die Frage: Wer wird Bürgermeister? Sckon jetzt läßt sich mit einem halben Dutzend Namen von Kandidaten aufwarten, die mehr oder weniger Anspruch darauf haben, das Erbe des verstorbenen Brinckmann anzutreten. Die beiden Stadträte v. Friedberg und Fischbeck stehen hierbei im Vordergründe. Dann wird auch der Name deö jetzigen Syndikus Hirsekorn genannt; ebenso taucht wieder eine Kandidatur Meubrinks auf. Die Liste der Anwärter schließt vorläufig ab mit dem Genossenschastsanwalt vr. Crüger und dem Königsberger Gasanstaltsdirektor Krüger, einem Schwager BrinckmaauS. — Gegen die Fleischteuerung haben sich die ver einigten Wirteverbände in einer Eingabe an den BundeSrat und an den Reichstag gewandt. In der Petition erbitten sie schleunige Maßregeln zur Beseitigung des offenbaren Notstandes, da die Fleischteuerung nicht nur sür den Wirtestand eine Lebensfrage sei, sondern auch jeder Taz der Verzögerung dem Allgemeinwohl neue Wunden schlage. Die Petition ist unterzeichnet von dem Vorstande des Deutschen Gastwirts-Verbandes (A. Ringel-Berlin), den einzelnen Zonenvorsitzenden des Verbandes, dem Vorstände deö Bundes deutscher Gastwirte, (A. Steyer-Leipzig), dem Vorstande des Verbandes der Gast- und Schankwirte von Berlin und Umgegend (H. Nümann), der Gastwirte- Jnnung von Berlin (Obermeister Liebermann) und dem Verein der Berliner Hotelbesitzer (Vorsitzender Heinrich). — DerVerband deutscher Arbeitsnachweise tritt am nächsten Drcnstag zu einem Kongreß zusammen, der sich mit den Erfahrungen bei der letzten Krisis auf dem Arbeits markt und der Frage der Arbeitslosenversicherung befassen soll. — Der Chef Les Zivilkabinetts v. Lucanus und der deutsche Gesandte in Peking Mumm v. Schwartzenstein sind in Düssel dorf eingetrosscn. — Der Kultusminister vr. Studt ist aus Danzig hier wieder eingctrosfen. — Ter Tod des StadtratS Kaufsmann, so schreibt die „Kreuz-Ztg.", würde auch bei Denjenigen, die Gegner seiner Wohl zum Bürgermeister gewesen seien, und in dem an diele Wahl ge- knüpften Streite zwischen der Regierung und den Stadtverordneten aus der Seite der erstere» gestanden hätten, ausrichtige Teilnahme erwecken. Das konservative Blatt ineint, jedensalls seien die Stadt verordneten ihm zu Dank verpflichtet, das; er, indem er aus die aus der zweiten Wahl zum Bürgermeister ihm nach ibrer Auffassung zustehenden Rechte verzichtete, sie aus einer Sackgasse befreit bade, aus der sie aus andere Weise keinen, obnc schwere Bloßstellung für sie, gangbaren Ausweg hätten finden können. Mit diesem Ver zichte habe sein Leben auch in den Augen seiner politischen Gegner einen wohltuenden Abschluß gesunden. Die „B. N. N." fügen hinzu, daß man vor dem mannhaften und ehreuhaslen Charakter Kausfinanns, sowie vor seinem reichen Wissen und energischen Streben überall Achtung empfinden müsse. — Ter langjährige Marineattachs in Washington, Korvettenkapitän v. Rebeur-Pajchwitz, hat die Dieustgejchäste abgegeben und ist nach Abberufung nach Deutschland zurnckgekehrt, um wieder im Frontdienst verwendet zu werden. Ter neue Marine- atrachü sür Washington, Korvettenkapitän Schäfer (Erwin), ist mit dem Anfang dieses Monats zur -Verfügung des Staatssekretärs Les Reichsmarineamtes getreten, um nach Information bei den obersten Marinebchörden die Reise nach Washington in einigen Wochen anzutreten. — Ter hiesige amerikanische Botschafter White begibt sich anfangs dieser Woche als Vertreter der Aale-Universität nach Oxford, von da geht er nach Schottland, um am 22. Oktober aus den Händen des Lord Rektors Andrew Carnegie di« Ernennung zum Ehrendoktor der St. Andrews University in Empfang zu nehmen. * Hamburg, 5. Oktober. Prinz Heinrich von Preußen, welcher in^ Begleitung feines Adjutanten, des Kapitänleutnants Schmid v. Schwind, einige Tage hier Aufenthalt genommen hatte, hat sich mittels Automobils nach Kiel zurückbegeben. Der Besuch des Prinzen trug lediglich privaten Charakter. Nachdem Prinz Heinrich, der, wie auch sein Begleiter, Ctvilkleidung angelegt hatte, in Geschäften verschiedene Einkäufe besorgt und einige Besuche abgestattet halte, begab er sich in Begleitung des preußischen Gesandten v. Tschirschky und Bözendorf nach der Allgemeinen Motor wagen-Ausstellung im Velodrom, wo er einen 7 lllk.-Loko- mobil-Dampswagen käuflich erwarb; das hochelegante Fahr zeug, welches eine Geschwindigkeit von 30—40 Kilometer pro Stunde erzielen kann, gelangte sofort zur Ablieferung, da es der Prinz unmittelbar nach seiner Ankunft in Kiel in Be nutzung zu nehmen beabsichtigt. Ein Angestellter der be treffenden Firma wird den Prinzen im Gebrauch der Ma schine unterrichten. (Post.) * Aus Jnowrazlatv berichtet die „Preuß. Lehrerztg.", der Lehrer Willich in Cieslin habe seine unzureichende Dienst wohnung durch einen auSrangierten Eisenbahnwagen ver größert. Die königliche Regierung zu Blomberg soll ihm nach der Mitteilung zu den Unkosten eine Beihülfe von 50 gewährt haben. * Aus der Ostmark. Der dritte Wreschener Prozeß wird im November d. I. vor der Gncsener Straskammer stattfinden. Im ersten Prozeß wurde ein gewisser Balcer- kiewicz zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er, in der Nähe der Schule stehend, beleidigende Ausrufe gegen die Lehrer auögestoßen haben sollte. Balcerkiewicz will jetzt be weisen, daß der Zeuge sich in der Person geirrt und einen gewissen KaliezkowSki mit ihm verwechselt habe. * Kattowitz, 5. Oktober. Zu drei Tage» Haft wurde ein Arbeiter von der Eisenwalzhütte in Kattowitz verurteilt, weil er, wie der „Dziennik Szlonski" berichtet, sich geweigert bat, vor Gericht deutsch zu sprechen, obwohl er dieser Sprache mächtig ist. * Karlsruhe, 5. Oktober. Die Frage der Einführung einer Warenhaus steuer durch die Gemeinden dürfte, schreibt die „Franks. Ztg.", zu einer verneinenden Ant wort führen, nachdem auf dem letzten Landtag Finanzminister Buchenberger sich entschieden gegen eine staatliche Warenhaus steuer ausgesprochen hatte. Auf dem kürzlich in Baden ab gehaltenen Städtetag hat man sich im Prinzip gegen die Einführung einer solchen Steuer ausgesprochen, und jetzt wird aus Freiburg mitgeteilt, daß der dortige Stadtrath beschlossen hat, die Einführung einer Gemeinde-Warenhaussteuer beim Ministerium nicht zu empfehlen. Da bei einer solchen nur wenige große Städte in Betracht kommen, so dürfte das Ministerium deö Innern kaum Veranlassung nehmen, sich weiter mit dieser Frage zu beschäftigen, die ja schon vom Finanzministerium als kaum diskutabel bezeichnet worden war. >V. Stuttgart, 5. Oktober. Gestern und beute ver bandelte die zur Vorberatung der Volksschulnovelle eingesetzte Kammerkommission unter Mitwirkung des Kultusministers über die wichtige Frage der Schül erzähl. Die Debatte ist noch nicht zum Abschluß gelangt. Der Berichterstatter Abg. Professor vr. Hieb er beantragt eine durchgehende Herabsetzung der in der Regierungsvorlage vorgesehenen Maximalschülerzahl in folgender Weise: „Bei einer Zahl von mehr als 60 Schülern (Vorlage 70) sind 2 Lehrer, bei mehr als 130 Schülern (Vorlage 160) 3 Lehrer und bei mehr als 200 Schülern (Vorlage 240) 4 Lehrer anzustellen; wenn der Unterricht in getrennten Abteilungen gegeben wird, kann, wo nur eine Lehrstelle ist, die Schülerzabl auf 70 (Vorlage 90), bei zwei und mehr Lehrstellen auf 80 (Vorlage 100) steigen." DerAntrag setzt voraus, daß derMehraus- wand sürPersonalkosten von der Staatskasse getragen wird. Der MitberichterstattcrFrhr. v.S eckendorsf beantragtZustimmung zum Entwurf; wegen der hohen Kosten warnt er vor einem Überschreiten LeS Entwurfs. Minister vr. v. Weizsäcker ersucht die Kommission, die realen Verhältnisse nicht aus dem Auge zu lasten, die Regierung zeige daS weiteste Entgegen kommen, ihr Vorschlag biete, was unter den obwaltenden Um ständen überhaupt erreichbar sei. Der Antrag Hieber würde etwa 870 000 bezw. 630 000 Mehrkosten nur sür Personalaufwand erfordern, die noch viel weitergehenden Wünsche der Sozialdemokratie würden sogar 1 600 000 bezw. 950 000 erfordern. Zu bedenken sei auch, daß der Staat weder die nötigen Lehrer noch die erforderlichen Schulräume zur Durchführung der neuen Vorschläge ans dem Boden stampfen könne. Schon bei Annahme der Regierungs vorschläge stehe Württemberg hinsichtlich der Schülerzahl an der Spitze der deutschen Schulverwaltungen. Der von mehreren Seiten angeregten Vermehrung weiblicher Lehrkräfte könne vorerst praktisch nicht näher getreten werden. In der nächsten Sitzung (Dienstag) wird die Frage weiter behandelt werden. * Straßburg, 5. Oktober. Eine klerikale Vertrauens- männerversammlung hat Hierselbst einstimmig folgendes be schlossen: ES wird eine politische Organisation der Katholiken Elsaß-Lot bringe ns geschaffen. Zn diesem Zwecke wird ein vorläufiger Ausschuß gewählt, der das Programm dieser Organisation sestzustellen hat auf der Grundlage eines Entwurfs, der besteht aus dem offiziellen Programme des Zentrums als Grundlage und dem Pro gramm der ehemaligen Landespartei, enthaltend die besonderen elsässischen Forderungen, als Ausführung. Der Entwurf stammt vom NeichStazsabgeordneten Delsor. Den Namen wird die Organisation später erhalten. Der vorläufige Aus schuß setzt sich zusammen aus den neun katholischen Reichs tagsabgeordneten der Gruppe der Elsässer, je einem Ver treter der leichsländischen politischen Blätter und einer be stimmten Anzahl von Vertrauensmännern aus den einzelnen Wahlkreisen. Die Versammlung war von etwa 150 Per sonen aus allen Ständen und allen Gegenden des Landes besucht. Oesterreich - Ungarn. Ausgleich. * Pest, 5. Oktober. Die Konferenzen der ungarischen und österreichischen Minister fanden den ganzen heutigen Tag über statt. Bezüglich zahlreicher schwebender Meinungs verschiedenheiten gelang cs, zu einer Einigung zu kommen; bei verschiedenen Fragen konnte die Konferenz jedoch zu keinem Abschluß gelangen. Die Mitglieder der öster reichischen Regierung reisen heute Abend nach Wien ab. Ministerpräsident v. Szell begibt sich morgen nach Wien, um dem Kaiser Bericht zu erstatten. Frankreich. Grubcnarbcitcrbewcgung. * Ltevin, 6. Oktober. (Telegramm.) Eine Versamm lung von 2500 Bergarbeitern nahm einstimmig eine Tagesordnung an, in der der Ausstand gutgeheißen wird. * ValcncicnncS, 6. Oktober. (Telegramm.) 55 Dele gierte von Syndikaten verschiedener Gruben, 5000 Mitglieder vertretend, haben einmütig beschlossen, die Arbeit fort- zu setzen und einen Ausruf zu veröffentlichen, in dem sie die Bergarbeiter aufsordern, den Ausständigen, wenn notig, mit bewaffnetem Arm Widerstand zu leisten. Italien. „Potemktnschc Dörfer". Unter dieser Spitzmarke unterzieht die Münchener „Allg. Ztg." die Reise des Ministerpräsidenten Zanardelli nach den Südprovinzen einer scharfen, aber zutreffenden Kritik. DaS Blatt schreibt: Es ist ein hartes Wort, Las anläßlich der Reise Zanardellis durch die Basilicata in der italie nischen Presse gefallen ist. Der Vergleich mit jener be rüchtigten Reise, auf der Potemkin seiner Gebieterin, der Zarin, ein aufblühendes, zufriedenes Rußland verzauberte, ist nicht ganz gerechtfertigt, denn Zanardelli bat von fern wohl sehen können, daß die Bevölkerung der Basilirata weder zufrieden ist, noch besonderer Blüte sich erfreut. Es war aber ein unverzeihlicher Fehler der ganzen Neisedurchführung, daß er nicht in die Lage kam, das Elend wirklich kennen zu lernen. Vom Extrazug ging eö in die Karossen der Depu tierten, Bürgermeister nnd Großgrundbesitzer und von da zum Frühstück, zu Empfängen und Diners, zu Besichtigungen der Altertümer und zu Reden und Gegenreden. Nur zwischen- ein kam cS einmal zu ein paar ernsten Audienzen oder zum Gang zu einigen Hütten, in denen das Elend herrscht. ZanardelliS Reise endet zwar viel geräuschvoller als das Hornberger Schießen, denn in Hunderten von Telegrammen der offiziösen „Agenzia Stefani" wurde über sie berichtet; aber das praktische Resultat ist dasselbe. Daß die Basilicata Hülse braucht, wußte man; daß diese Hülfe Millionen kostet, wußte man auch; und daß diese Millionen heute Weber vorhanden sind, noch von Zanardelli beschafft werden können, wußte man wieder — und diese unerfreu lichen Tatsachen werden den Interessenten dadurch nicht erfreu licher, daß der Cbef der Regierung in eigener Person und in ihrer eigenen Provinz sie konstatierte. Also ist die Moral der ganzen Sache, daß einerseits die Reise nicht in diesem Augenblick hätte unternommen werden dürfen, und andrer seits nicht so wie eS geschehen. Wäre Zanardelli allein gereist, nur begleitet vom Präfekten und vom jeweiligen Bürgermeister, hätte er das Geräusch und die Feste beiseite gelassen, so würde er keine Hülfe gebracht, aber doch Gelegen heit gesunden haben, den Dingen auf den Grund zu gehen und mit eigenen Augen Umschau zu halten. So hat er alles nur durch die Brillen der lokalen Machthaber gesehen, die bis her nicht als die unparteiischsten Beurteiler des heimischen Elends galten. Und wenn sogar entschiedene konservative Gegner der Regierung wie die Deputierten Torracca, und Lovito oder unsichere Kantonisten wie Lacava Gelegenheit nahmen, der Person Zanardellis Weihrauch zu streuen, so lag wobt die Vermutung nahe, daß sie dabei durch lokale Interessen ober persönliche Sonderwünsche geleitet würben. Leer sollen sie denn auch nicht auögegangen sein. So ist der Ministerpräsident schwerlich weiser und hoffnungsvoller nach Rom zurückgekehrt, als er cs zehn Tage zuvor verlassen hatte. Rußland. * Tcbastapol, 5. Oktober. Der Kaiser und die Kaiserin sind heule von hier nach L)alta abgereist. Afrika. Transvaal. * Johannesburg, 5. Oktober. Gestern abend fand eine Versammlung statt, welcher 2000 Einwohner beiwohnten. Es wurde beschlossen, eine politische Vereinigung zu gründen zu dem Zwecke, die Ansichten der Bewohner von Johannesburg zur Sprache zu bringen. Justiz im Kongostaat. * Brüssel, 4. Oktober. Der Obere Rat des KongostaatcS trat letzter Tage zusammen, um als Oberinstanz über ein Urteil des Obergerichts in Boma zu befinden. Am 4. Januar 1902 wurden zwei Neger von dem Bezirksgericht Nouvelle- Anverü in Bangala wegen Giftmordes zum Tode verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der stell vertretende Staatsanwalt Schmitz Berufung bei dem Obergericht in Boma ein, wie es nach dem Gesetz bei Strafen, die fünf Jahre Zwangsarbeit über- „Ja, ich habe den jungen Herrn vorhin mit der Pferde bahn fortfahrcn sehen." „Mit der Pferdebahn", erwiderte Habicht I verblüfft, „und wohin?" „Er fuhr in der Richtung nach dem Pferdemarkt, wo jetzt die Schaubuden stehen nnd die Jahrmarktsleutc ihre Allotria treiben." „Die Jahrmarktsleutc!" wiederholte Habicht I mecha nisch und ganz starr vor Staunen. „Und was hat er dort zu tun?" „Das weiß ich nicht, gnädiger Herr." Blitzartig fuhr dem Rechtsanwalt die Idee durch den Kopf, sein Sohn könnte wegen des jungen Mädchens, der Tochter des alten Jäger, fortgefahren sein. Er hatte Isabel an dem Tage, als ihre Mutter in der Kutschcrstnbc starb, gesehen, ganz flüchtig. Gleichwohl stand ihr Bild in diesem Augenblick scharf und deutlich vor ihm. Und das jetzt, wo sein Sohn wußte, daß ein wichtiger Besuch kommen würde! „Fahren Sie sofort hinterher, Selbmann, fuhr er zum Gärtner gewendet fort, „suchen Sic ihn und bringen Sie ihn so rasch wie möglich hierher zurück." „Zu Befehl, gnädiger Herr", antwortete der Gärtner und ging fort. Habicht I ging wieder zu seiner Gesellschaft zurück und versicherte, daß Lorenz binnen einiger Minuten wieder da sein würde, er sei nur wegen einer wichtigen Konferenz, zu der man ihn telephonisch berufen, nach der Stadt ge fahren. Das war an sich sehr wahrscheinlich, aber der Rechtsanwalt war dabei so ärgerlich nnd verstimmt und konnte das so wenig verbergen, daß besonders Frau von Thcssen sich von der wichtigen Konferenz eine sehr merkwürdige Vorstellung machte. Die wichtigste Kon ferenz war nach ihr jetzt hier nnd nicht anderwärts. Endlich nach weiterer drcivicrtel Stunde traf der so sehr Vermißte wieder ein. Das Essen war schon fast vorüber. Der junge Herr war auch jetzt noch zerstreut, aufgeregt und nervös nnd brachte kaum die üblichen Ent schuldigungen vor. „Aber wo warst du denn nur, Lorenz?" fragte seine Matter in vorwurfsvollem Ton. Ich ich war im Bureau. Nun ja, es waren Depeschen eingcgangcn, die sofort beantwortet werden mußten. Ich bitte sehr um Entschuldigung", stieß der junge Mann in einzelnen Sätzen abgebrochen hervor. Sei» Vater sagte nichts. Er kannte doch seinen Sohn. Er brauchte ihn nur anzuschen, nm zu wissen, daß er log und daß bei dieser Angelegenheit von keinem Bureau uud keinen Depeschen die Rede war. Außerdem lag seilt Bureau nicht in der Gegend des Pfcrdcmarktcs. Aber nicht das brachte ihn auf. Eine schlagfertige Phantasie ist für einen Rechtsanwalt ebenso nützlich als für einen Romanschrcibcv. Aber daß sich sein Sohn auch jetzt noch nur sehr wenig und in sehr oberflächlicher Weise um seine Gäste kümmerte, daß er gar nichts tat, um den bewußten Zweck zu fördern und in fast demonstrativer Weise Fräulein Eleonore seine absolute Wurschtigkeit merken ließ, das ärgerte seinen Vater so sehr, daß er wie auf Kohlen saß und die Gelegenheit kaum erwarten konnte, mit seinem Sohn allein zu sprechen. Habicht I war nicht der Mann, der sich seine Pläne durch eine sentimentale Schlamperei durchkreuzen ließ. Was wäre aus ihm geworden, wenn er vor jedem Hindernis Halt gemacht hätte? Er nahm sich vor, seinem Sohn einmal den Text gehörig zu lesen, damit diesem kein Zweifel über seine Stellung übrig blieb. Diese Gelegenheit sollte sich nur zu bald bieten. Nach dem Essen standen die Herrschaften auf, um im anstoßenden Salon den Kaffee zu nehmen und der junge Habicht ging nach seinem Zimmer, angeblich, nm einige Cigaretten zu holen. Sein Vater ging ihn, nach. „Wo warst du denn nun eigentlich so lange?" fragte er lauernd, als sie allein waren. „Auf der Messe", antwortete sein Sohn ruhig, aber doch mit einer bestimmten Betonung, als ob auch ihm daran gelegen sei, jede Ungewißheit zu beseitigen. „Und das war dir nötiger, als hier deine Gäste zu er warten?" fuhr Habicht I mit aufsteigcndem Groll fort. „Ich habe sie nicht eingcladen." „Deshalb brauchst du dich noch immer nicht vor Fräulein von Thcssen zu betragen wie ein Fatzke." „Das ist auch nicht meine Absicht, Papa. Ich wünsche nur, daß Fräulein von Thcssen vollständig klar über die Sachlage ist nnd sich nicht in bezug a»f mich Ernmrtuiigen hingibt, die ich nicht zu erfüllen gesonnen bin." Sein Vater sah ihn scharf nnd prüfend einen Augen blick lang an. „So!" sagte er dann mit erzwungener Ruhe. „Dieser Entschluß hängt wohl auch nttt deinen Exkursionen unter die Schaubuden zusammen?" „Das ist wohl möglich", erwiderte der Sohn sehr ruhig. „Lorenz!" fuhr der Rechtsanwalt mit erhobener Stimme und in drohendem Tone fort, „nimm dich in acht! Du weißt, daß ich nicht mit mir spaßen lasse." „ES liegt mir nichts ferner, als mit dir zu spaßen, Papa." „Du weißt, ich habe nichts dagegen, wenn du deine eigenen Wege gehst, und drücke wohl auch ein Auge zu bei gewissen Geschichten, solange du jung und unverheiratet bist. Das sind Sachen ohne Bedeutung. Um so strenger bestehe ich aber darauf, daß du dich meinen Wünschen fügst, wo cs sich um ernste Angelegenheiten von weittragender Bedeutung handelt, um dein Glück und deine Zukunft." „Dafür wünsche ich selbst zu sorgen." „Wie?" fragte sein Vater, erstaunt aufhorchend. „Es gibt Sachen iu der Welt, die man mit den eigenen Augen am besten sieht, Papa. Dazu gehört die Ver heiratung eines jungen Mannes. In solche Angelegen heiten wünsche ich keine Einmischung anderer Leute — auch deine nicht." „Ich will nur dein Bestes." „Nein, du willst nur das, was du für mein Bestes hältst, und wenn ich finde, daß das nicht mein Bestes ist, so weise ich eben deine Einmischung zurück und gehe meinen Weg." Das war für den alten Herrn, der gewohnt war, in seinem Hause als absoluter Herr aufzutreten, eine neue Tonart. Niemals war sein Sohn bisher in dieser be stimmten Weise gegen ihn ausgetreten. Das Verhältnis war bisher wirklich ein ungetrübtes, mehr freundschaftlich vertrauliches gewesen. Die beiden Habichts waren viel zu gute und genau rechnende Geschäftsleute, als daß sic in einem vollen Einverständnis nicht hätten ihren Nutzen sehen sollen. Nun sollte das auf einmal anders sein. Neben dem Ich, dem allcinhcrrschenden, unbeschränkten Willen des alten Habicht, breitete sich in seinem eigenen Hause ein neues Ich aus, das von ihm nichts mehr wissen wellte. Nun war es nicht die Art des älteren Herrn Habicht, in hitzige, leidenschaftliche Worte auszubrcchcn, selbst wen» er dazu Anlaß zu haben glaubte. Das Wort ivar ilnn nur ein Spielwcrk, gut, andere Leute zu beschwatzen und zu betören und die leidenschaftlichen Aufregungen hielt er mehr für eine Schwäche der Menschen, die sie in Un gelegenheiten brachte, statt für eine Stärke, mit der man andere überzeugt und besiegt. Habicht 1 war ein Manu der Tatsachen. „Was ist denn dein Bestes nach deiner Ansicht?" fragte er nach einer kurzen Pause lauernd und seinen Sohn forschend und mißtrauisch ansehend. Er dachte seinen Sohn zu einer Dnimuheit zu verleiten. Er hatte immer die Idee, daß der plötzliche und unerwartete Widerstand seines Sohnes in letzter Linie seinen Grund in den hübschen Angen der tollen Spanierin, der Jahrmarkts- bndcn-Künstlerin, hatte. Er wartete darauf, daß sein Sohn damit hcrausrücken sollte, um ihn dann lächerlich zu machen nnd ihn energisch zurechtschütteln zu können. Aber sein Sohn war eben sein Lohn. Er ließ sich nicht ausfragen. „Jedenfalls nicht die Heirat mit Fräulein von Thcssen", erwiderte er kurz nnd wandte sich langsam zur Tür. „Nun, warte nur noch ein Weilchen, mein Junge, ich will dir noch etwas sagen", rief ihm sein Vater fest und energisch nach. „Solche Kunststückchen, wie du sie jetzt hier vor mir versuchst, verfangen bei mir nicht. Frage nur deine Mutter. Sie hat das auch versucht, wie sic noch jung war und wollte mit dem Kopf durch die Wand. Du weißt ja und siehst noch alle Tage, mit welchem Erfolg. In meinem Hause geschieht nichts gegen meinen Willen. Hier bin ich Herr, und das sollst du ebenso gut erfahren, wie cs deine Mutter seinerzeit erfahren hat." Er wollte noch etwas hinzusetzen, was seine Herrschaft wahrscheinlich sofort ersichtlich machen sollte, aber sein Sohn wandte sich ihm in diesem Augenblick ruhig und mit einer eisigen Gelassenheit zu und sagte leichthin: „Gut. So werde ich ausziehcn." Damit ging er zur Tür hinaus. Mit offenem Munde blieb sein Vater einen Augenblick stehen und sah ihm ver wundert nach. Was hatte der tolle Junge gesagt? Aus ziehen? Hatte er richtig gehört? Sein Sohu war schon längst von der Bildfläche verschwunden, als sich Habicht I von seinem Staunen erholte und hinter ihm hcrlicf. iFr'.tsetznug ff l,'.!)
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