Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021007016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902100701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-07
- Monat1902-10
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis i» der HauptexpediÜou oder de» im Stadt- bezirk und de» Vororten errichtete» Aus gabestelle» abgeholt: vierteljLhrlich ^l 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland « Oesterreich vierteljährlich ^l 6, für dir übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. LedaUion und Lrveditio«: Johannt-gaffe 8. Fernsprecher 1LS und L2L FUtalo-vedtti»«-«» Alfred Hahn, Buchhandlg., UntvrrsitätSstr.S, L. Uische, Katharineustr. 14» ». KäutgSpl- 7, Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Straße S. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlln: KöniggrStzer Straße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3S3. Morgen-Ausgabe. UclpMcr TaMM Anzeiger. ÄmtsUatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 L,, vor den Famtliennack- richten (6 gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme LS (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abrod-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sir. 5W. Dienstag den 7. Oktober 1902. 98. Jahrgang. Jeitungssturm in Angarn. ./- Wie man in den Wald bineinruft, pflegt man zu sagen, so ballt «S zurück. Die letzten Preßprozesse in Ungarn baten ein vielfaches, laute- Echo erweckt und die ungarnche Presse batte eigentlich garnicht Ursache, sich zu verwundern, wenn dieses Echo wenigstens in Deutschland nicht nach ihrem Ge- schmacke ist. Wlr baden hier Gelegenheit gehabt, die Prozeß- veiHandlungen in Pester Berichten genau zu studieren und wir sind mündig genug, un- ein Urteil zu bilden und frei genug, dies auch offen auSzusprechen, mag'- der „Pester Lloyd" auch als eine „Küdnheil" bezeichnen. So ist eS denn gekommen, daß die „Berliner Neuesten Nachrichten" und die „Vossische Zeitung" eS unternahmen, in einer ihrer jüngsten Nummern eine Kritik über das gegen über dem ungarländischen Deutschtum« gehandhabte Gerichts verfahren zu fällen und dabei stark und kräftig zu erklären, baß es, wenn'- in Ungarn so fort gebt, wie zuletzt eben, mit der Sympathie für die als freiheitlich geachtet gewesenen Magyaren dahin sei. Das Deutschtum in Ungarn befinde sich gegenwärtig in einem Zustande hoher Erregung, der sich, weil eS einer rücksichtslosen Staatsgewalt gcgenüberstehe und nicht mehr den genügenden Rechtsschutz zu genießen meine, zur Verzweiflung steigere. Die ungarische GerichiSrfl ge offenbare deutschfeindliche Tendenzen und die Regierung leiste diesem Chauvinismus, indem sie ihm nicht Eiubalt gebiete, Vorschub. Diese reichsdeutschen Prrßstimmen haben in Ungarn einen tiefen Eindruck gemacht. Die Nationalitätenblätter drücken ihre lebdaste Freude über eine solche, wenn auch nur ideale Teilnahme au«, indem sie die Artikel nachdrucken; die magyarische Presse dagegen ist in Heller Wut. Ein ZeitungS» sturm lobt in Ungarn. Die radikalen magyarisch-geichliebenen Blätter verlangen von der Regierung, sie solle bei rbrer aus wärtigen Vertretung Sckrilie tun nach der Richtung hin, daß die reichSdeulsche Presse ihre „Beschimpfungen und Verleumdungen" einstelle. Die deutsch geschriebenen Blätter in Pest aber, voran der „Pester Lloyd", führen die schärfste Sprache. In diesen Tagen bat in Pest ein Kongreß der Hotelbesitzer stattgefunden; an diesem sollen al« größter Teil Gastwirte au- Deutschland teilgenommen baden. Aus dem Umstande, daß man ungarischerseils sich bemühte, gerade diesen gegen über höflich zu sein, indem man sich, soweit tunlich, auch in deutscher Sprache mit ihnen verständigte (eö wäre anders ja auch schwer möglich gewesen), folgert der „Pester LloNd", könne Deutschland die Gewißueit entnehmen, daß eS in Un garn kein bedrängtes Deutschtum gebe. „WaS ist geschehen?" ruft er aus, „Aufwiegler, rechtlich geklagt, seien rechtlich verurteilt worden, wie eS doch nur sein müsse, wo eS sich um die Geiährdung der staatlichen Sou veränität in Ungarn handle, um die Bekämpfung der Wühl arbeit gegen die Einheitlichkeit und Unteilbaikeit des Sankt SiefanöreicheS. Wer könne eS wagen, die Reinheit und Un befangenheit der magyarischen Geriete in den Kreis gehässiger Betrachtung zu zieben? Das Unterfangen der beiden ge nannten Berliner Blätter sei eine Kühnheit, der gegenüber nur noch die „Ignor anz" größer sei, die ihr zu Grunde liege, die „krasse Unkenntnis ungarischer Verhältnisse, die der Auf klärung bedürfe". Und nun gar zu behaupten, die Deutschen in Ungarn seien so erregt, daß diese Erregung sich zur Ver zweiflung steigere, sei nicht nur eine Unwahrbeit, sondein — eine Albernheit! Die Nationalitäten in Uugarn befänden sich, so lange sie ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllten und die Gesetze deS Landes respektierten, Wohl; sie bedürften nicht des Beileid- ihrer unberufenen Anwälte an der Spree. Nun setzen wir keinen Zweifel darein, daß eS in Ungarn auch beute nicht nur bedrängtes Deutschtum gibt, daß sich unter diesem ein beträchtlicher, sebr zufriedener Teil befindet, der „Pester-Lloyd"-Ariikler, der doch deutsch schreibt, ist der beste Beleg dafür. Wir wissen ja auch, wie viele segensreiche Institutionen in dem Slefansreiche allen StaalS- biirgein, und auch den deutschen, das Leben rn Ungarn lebeu-wert machen; aber diese Bedrängnis liegt nicht nach dieser Richtung hin, sondern dann, daß die chauvi nistische Gleichmachungspartei, die nur ein magyarisch sprechendes Ungarn Haven möchte, auch die Regierung mehr dahin drängt, ein Deutschtum iu Ungarn zu wünschen, das sich, ohne zu mucken, allen Magyari- sterungsbcstrebungen unterwirft und jede- freie Wort gegen dieselben unterdrückt oder selbst verfolgt. Die magy arischen Verteidiger in diesen sensationellen Prozessen selbst baden dazu noch darauf hingewiesen, daß die einschlägigen Strasparagrapben aus dem Jahre 1878 einen ganz anderen Sinn haben, als ihnen die beiden, dem Namen nach ur sprünglich deutschen Staatsanwälte vr. Götb und vr. Winkler, beilegten, daß diese Paragraphen nur anwendbar sein dürsten, gegen eine Aufreizung, bei der der Aufruhr auf die Straße binausgetragen und so das Wort zur Tat wird. Eine solche Aufreizung haben gerade auch die magyarischen Ver teidiger vr. Kornisch und vr. Fulöpp, wever bei C>amer noch bei Korn ausfindig machen können. Andrerseits ist insbesondere der letztere von einer weiteren Verteidigung KornS zurückgetreten, als er gewahr wurde, daß der Herr Staatsanwalt durch Geltendmachung des AbweisungSrechies eine willkommene Auswahl der Geschworenen beisammen batte, vr. Fulöpp trat zurück mit der ausdrücklichen Be merkung: „Mil diesem Schwurgericht ist nichts zu machen; Sie werden bestimm« verurteilt!" Wer würde sich endlich vom „Pester Lloyd" in Deutschland imponieren lassen, wenn er wahrnebmen muß, daß man eS bei der heutigen Strömung in Ungarn nickt genug sein läßt mit einer Strafe, sondein dazu noch entehrende andere durch untergeordnete Organe wie dre Stadtbauptleute in TemeSvar und Großkikinda hinzu- zufügen gestattet? Cramer und Korn sind aus TemeSvar und Großkikinda von ter Slartbauptmannichasl auS- g «wiesen worden, und Cramer sitzt heute gefangen, weil es hieß, es liege der Verdacht vor, er wolle fliehen. Nun bat weder der Staktbauptmann in TemeSvar noch der in Großkikinda sein Vorgehen gesetzlich begründen können. Weder bas Ucbertrctungsgesetz aus 1879 noch das Schüb lingstatut au« 1885, bas sich nur nm Bettlern und Land streichern beschäftigt, gaben hierzu die genügende Grundlage, ja, Korn ist, da er leit 1. August in Großkikinda wohnt, nach K 10 des 22. Gesetzartikets aus 1886 nach dieser Stadt zuständig. Wenn ivlche Dinge Vorkommen und geduldet werden, ist cs ein Wunder, daß die Deutschen Ungarns, ihre Sicherheit gefährdet sehend, den Sckutz ihrerseits durch die Gesetze vermissend, mehr und mehr sich erregen und wirklich ver zweifeln? Auch wir in Deutschland stellen uns nicht aus Seite von Aufwieglern, die wirklich den Bestand eine- Slaatsganzen gefährden; da wir aber wissen, daß hier nur das freie deutsche gegen die Magyarisierung gerichtete Schrift wort verurteilt worden ist, so ändert der Zeilungssturm in Ungarn unser Urteil nicht. Deutsches Reich. Berlin, 5. Oktober. <Die „N a t i o n a l z c i t u n g" unüdieKriegsanleihevon 1870.) Bckann.lich hat die „Nationalzeitung" das Ergebnis der Kriegs anleihe von 1870 mit Rücksicht auf die „bescheidenen deutschen Wohlstandsverhältnisse jener Zeit" als „aller Ehren wert" bezeichnet. Die Haltlosigkeit dieser Auffassung ist von uns u. a. durch zahlenmäßige Angaben über den Boltowohlstand des ausschlaggebenden Staates, des preu ßischen, dargetan worden. Den aussichtslosen Versuch, die Bedeutung der von uns in Erinnerung gebrachten Zahlen abzuschwächen, macht die „Nationalztg." einstweilen nicht. Dafür entschädigt sie sich durch zweierlei. Zunächst durch eine Anzapfung persönlicher Natur, die uns nur belustigt, die wir aber doch bedauern, weil solche Anzapfungen in der Regel Organen vom Range der „Nationalztg." fern liegen. Zmn zweiten entschädigt sich die „Nationalztg." dadurch, daß sie unter Ausnützung eines ungenauen Aus druckes unserer Darlegungen uns die Meinung nnter- schiebt, die Kriegsanleihe von 1870 für eine preußische anstatt für eine Anleihe desNordd e u t s ch enBundes gehalten zu haben. Wären wir hierüber in Unkenntnis gewesen, so hätte uns notwendigerweise derjenige Abschnitt kn der Denkschrift der Diskonto-Gesellschaft, an den wir in dem fraglichen Artikel anknüpften, ausklären müssen: eS ist dort wiederholt von der Kriegsanleihe als einer solchen -es Norddeutschen Bundes die Rede. Aber man denkt bei der Beurteilung des Ergebnisses der Kriegs anleihe ganz naturgemäß so überwiegend an die führende Macht des Norddeutschen Bundes, daß sehr leicht von einem Mißerfolge der Kriegsanleihe „in Preußen" anstatt von einem Mißerfolge der Kriegsanleihe „im Norddeutschen Bunde" gesprochen wird. Aus einer derartigen Uugenauig- kett des Ausdruckes lan ein er Stelle!) den Schluß zu ziehen, den die „Nationalztg." gezogen hat, dazu hat gerade die „Nationalztg." herzlich wenig Berechtigung. Denn -er „Nationalzeitung" selbst ist der Sache nach genau die gleiche Ungenauigkeit des Ausdrucks in die Feder gekommen wie uns. Hat -och das genannte Blatt wörtlich geschrieben: „Nach der Gewohnheit jener Zeit war lediglich bekannt gemacht worden, daß die damalige preußische Bank bei allen ihren Geschäftsstellen, sowie die Regierungs- und Steuerkassen Zeichnungen annahmen. Wenn bei dieser primitiven Veranstaltung 200 Millionen Mark gezeichnet wur den, so war dies unter den bescheidenen deutschen Wohlstands verhältnissen jener Zeit aller Ehren wert." Hier ist dem Sinne nach zweifellos daS Anleiheergebnis von 200 Millionen Mark den in Preußen getroffenen Veranstaltungen zugeschrieben. Als die „Nationalztg." am 29. September d. I. sich so ausgedrückt hatte, ist es uns nicht eingefallen, ihr hieraus einen Strick zu drehen. Mit nm so besserem Rechte weisen wir es zurück, wenn die „Nationalztg." unter großer Wichtigtuerei uns am 4. Ok tober „darauf aufmerksam macht", baß die Kriegsanleihe von 1870 keine preußische, sondern eine des Norddeutschen Bundes gewesen ist. Berlin, 6. Oktober. (Ein neuer Vorschlag.) So lange die KommissionSoerbandlungen über den Tarif gepflogen wurden, hieß es stet« von neuem, eS sei undenkbar, daß die Kommi'sion bis zum Wiederbeginn der Plenarverhanklunqen fertig werden könnte. Seitdem die Pessimisten in dieser Be ziehung sich baben eines Besseren belehren lassen müssen, ver fallen sie darauf, die Duichbrmgung deS Zolliarifenlwurfs schon aus rein mechanischen Gründen für unmöglich zu er klären. Sie sagen, die Zeit sei zu knapp, und berechnen beinahe auf Stunde und Minute, daß bis zu Neujahr die sozialdemokratiichen Dauerredner noch nickt fertig ge bracht haben könnten, was sie alles bis dahin vorhaben. Dann heißt eS allerdings, den Zolltarifcniwurf zur Parole deS nächsten Wahlkampfes weiden zu lassen, habe anderseits die allergrößten Bedenken. Es wäre daher viel- letcht daS Geeignetste, ibn je eher je lieber fallen zu lassen und den alten Tarif verbessert und verstärkt durch eine Novelle zur Basis der Handelsverträge zu malen. Interessant an diesem „Fühler" — denn als einen solchen möchten wir den Vorschlag ansehen — ist daS Zugeständnis, daß er enthält, eS sei besser, etwas Neues zu schaffen, um zu besseren Handelsverträgen zu gelangen. Nun gebt der Rai dabin, die jetzige Voilage in der Veisenkung ver schwinden zu lassen und bis zum Jahresschlüsse eine Novelle auszuardeilen, welche die wichtigsten Positionen de- bisherigen Entwurfes umfaßt und auch daS finanzielle Interesse des Reiches ausreichend berücksichtigt. Man lönnte eS versieben, wenn weise Leute sich den Kopf der Regierung zerbrochen hätten, als noch gar nicht abzuschen war, ob die Kommiision noch in diesem Jahre zu Ende kommen werde. Nachdem dies Ziel aber gegen Erwarten frühzeitig erreicht worden ist, liegt gar kein Grund vor, die etlichen dreißig KvmmissionSreferate an das Plenum des Reichstages nicht zu bringen. Die Regierung bat in langen mühsamen Beratungen ihre Vorlage mit einer Tapferkeit verteidig», rie auch auf gegnerischer Seite mit Aneikcnnung bevackt worden ist; wie soll sie nun mit einem Male Ver anlassung füblen, ihren Entwurf preiSzugeden, bloß weil die Sozialdemokraten Obstruktion machen und Dauerredner stellen wollen. Auch wenn sie nur halb so fleißig gearbeitet hätten, als eS tatsächlich der Fall gewesen ist, könnien die Regierungsvertreter, insbesondere aber auch die Reichstags abgeordneten, welche Mitglieder der Kommiision gewesen sind, gegen einen Vorschlag, wie den erwähnten geltend macken: Ja, wozu ist dann die ganze schwere Arbeit gewe'en?! Auch die Parteien, soweit sie zu den Kemmitsivnsyejchlässen Stellung genommen baben, würden in keiner Wecke init einer solchen Wendung zufrieden sein lönnen. Sie haben jetzt ein Recht darauf — genau so wie die Regierung —, die Kraft probe im Plenum auch wirklich angestellt zu leben, von der so lange die Rede gewesen ist. Sobald dies vor sich gegangen ist und Regierung wie Parteien ihre Ouiltung ei backen Haden, ist noch immer Zeit genug, elwaS Neues vor.uichlagen und zu unternehmen. Ob aber dann der Vorichlag, den allen Tarif, verbessert und verstäikt durch eine Novelle, zur Basis der Handelsverträge zu macken, den Preis tavontragsn dürfte, scheint uns schon jetzt einigermaßen zweifelhaft. Die Gegensätze, welche im ganzen Verlaufe der Beratungen zu Tage getreten sinv, würden auck bei der Beratung einer solchen Novelle iosort wieder zum Vorschein kommen und — um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen — die Sozial demokraten könnten, wenn sie wollten und wenn es ihnen namentlich von anderer Seile statt erschwert erleichtert würde, auch bei Beratung einer solchen Novelle so viele LbstrultionSanträge stellen und Dauerredner sprechen lassen, daß der Reichstag auch mit der Beratung der Novelle nicht zu Ende käme. * Berlin, 6. Oktober. (Chemische Industrie und Patentwesen.) Der Verein Deutscher Chemiker bat seine diesjährige Hauptversammlung in Düsfeloorf ab gehalten. Bei den Erörterungen über die Beziehungen der chemischen Industrie zum Patentwesen bat der als Gast anwesende Präsident des kaiserlichen Patent amts nach dem stenographischen Bericht folgende Erklärungen von allgemeinerem Interesse abgegeben: „Aus dem Kongreß für gewerblichen Rechtsschutz, der vor zwei Jahren in Frankfurt a. M. getagt hat, wurde ziemlich allgemein die Ansicht vertreten, daß das Patentamt bet Prüfung der Anmeldungen zu strenge vorgehe und daß der Prozentsatz der Patenterteilungen gegenüber den Versagungen, der allmählich aus 30 Prozent geiunken fei, „weder der Entwicklung des erfinderiichen Geistes, noch den Wünschen der deutschen Industrie' entspreche. Ich habe damals nachgew esen, daß die 30 Proz. auf einer irrigen Ausfassung unserer amtlichen Statistik beruhen, daß vielmehr nach Ausscheidung derjenigen An meldungen, die durch Entschließung der Anmelder selbst hinfällig ge worden sind, für 1899 sich etwa 50 Proz. Erteilungen ergebe». Heute wird dem Patentamt in den zur Verteilung gebrachten Druck achen der umgekehrte Vorwurf gemacht. Tas Patentamt soll „eine gauz unzulässige Milde walten lassen" — es soll „eine Unzahl Schein patente" erteilt werden — der Prozentsatz der Erteilungen soll in einzelnen Klassen bereits „bis aus 90 Proz. der Anmeldungen" ge- stiegen sein—, „das Jahr 1 SOI bringe un-vielleicht 70 ober 80 Proz. oder gar 100 Proz. Erteilungen"! — Diesen Äußerungen gegenüber möchte ich Ihnen das Studium unserer sehr eingehenden amtlichen Statistik, welche jährlich in unserm Amtsblatt veröffentlicht wird, empfehlen. Sie werden daraus entnehmen, daß die erwähnten Be hauptungen und Befürchtungen nicht zutreffend sind. Bonden durchBe- Ichluß des Patentamt- erledigten Anmeldungen sind zur Patenterteilung gelangt: 1899 55 4 Proz, 1900 60,8 Pro,.. 1901 61,5 Proz. ,Zür die einzelnen Patentklasien sind die Prozentsätze in ter veröffenllichten Statistik allerdings nicht besonders berechnet worden. Ich kann Ihnen aber heute auch für die chemischen Klassen die betreffenden Prozent sätze mitteilen. Das Ergebnis ist folgendes: Tie Anmeldungen aus dem Gebiete der Chemie fallen im wesentlichen in die Klasse 12 chemische Apparate und Verfahren, Klasse 22 Farbstoffe, Klasse 53 Nahrungsmittel, Klasse 89 Zucker- und Stärkcfabrikation. Bei diesen 4 Klassen zusammen kommen nach Abzug derjenigen Anmeldungen, die durch die Entschließung der Anmelder selbst hinfällig geworden sind» auf 100 Anmeldungen 1897 51,7 Proz., 1898 45.4 Proz., 1899 55,9 Proz., 1900 64,5 Proz., 190l 64,5 Proz. Diese Z ssern sind etwas höher, als diejenigen des Geiamidurch'chnitts für alle Klassen. ES ist dies nicht ausfallend, denn die Anmeldungen ans dem Gebiete -er Chemie stammen ganz überwiegend von praktisch Feuilleton. Die Knaben. Skizze von Anton Tschechow. Nawdruck 0erbeten. „Woloüja ist gekommen!" rief jemand im Hofe. „Woloditschka ist da!" wiederholte Natalja mit weiner licher Stimme und lief tnö Eßzimmer. „Ach, du mein Gott!" Die ganze Familie Korolew, die Wolodja seit mehreren Stunden erwartete, stürzte an die Fenster. Bor der Haus tür stand ein großer Schlitten, der mit drei stark dampfen den Schimmeln bespannt war. Der Schlitten war leer, Wolodja stand bereits im Flur und nestelte mit roten, er frorenen Fingern an seiner Kapuze. Sein Mantel, die Mütze, die Gummischuhe und das Haar an den Schläfen waren mit Reif bedeckt, und eS wehte von seiner ganzen Gestalt ein so eisiger Hauch, daß man bei seiner Berührung zusammenschancrtc. Die Mutter und die Tanten stürzten ans ihn zu, umarmten und küßte« ihn. Natalja kniete vor ihm nieder und begann, ihm die Filzstiefel von den Füßen zu ziehen, und die Schwestern singen an zu fragen und auf den Knaben etnznrcden; plötzlich öffnete sich geräusch voll die Tür, und Wolodjas Papa kam in Hemdsärmeln, mit der Schere in der Hand ins Vorzimmer und rief in seiner geräuschvollen Art: „Na, Junge, bist du da? Wir dachten, du würbest schon gestern kommen. WaS? Ja, 'ne verdammte Kälte . . . . Na, nu bist du ja glücklich da. Herrgott, Kinder, laßt ibn doch bloß mal 'n Augenblick los, damit er seinem Barer wenigstens einen Kuß geben kann. Na, 's ist hübsch, Junge, daß du da bist!" „Hau! Hau!" bellte Mylord, der große, schwarze Hund, mit tiefer Stimme und schlug mit dem Schwanz an die Wand und auf die Möbel. Alles verschmolz zu einem lauten Frcudenruf, der etwa zwei Minuten anhielt. Nachdem der erste Freudeausbruch vorüber war, bemerkten die Korolews, daß außer Wolodja noch ein anderer, in Tücher, Shawls und Kapuze ver packter mit Eis bedeckter kleiner Mann sich im Vorzimmer befand; er stand unbeweglich im Hintergründe auf einem großen Fuchspelz. „Woloditschka, wer ist denn das?" fragte die Mutter flüsternd. „Ach!" rief Wolodja wichtig. „Das ist mein Schul kollege Quartaner Tschetschewizin ... Ich habe ihn als Besuch mitgebracht." „Seien Sie uns willkommen", rief der Vater, indem er dem fremden Knaben die Hand schüttelte. „Aber wie sehe ich denn aus! Entschuldigen Tie nur, ich habe in dem Trubel ganz vergessen einen Rock überzuziehen. Na, mm machen Sic iick'S aber bequem! Natalja, hilf doch mal den Mantel a-blcgen." Nach wenigen Minuten saßen Wolodja und sein Freund Tschetschewizin, noch ganz benommen von der geräusch vollen Begrüßung und von der Kälte gerötet, am Tisch nnd tranken Thce. Die Sonne drang durch den Schnee und die Eisblumen an den Scheiben herein, erzitterte auf dem Samowar und ließ ihre Strahlen über die glitzernden Tassen gleiten. ES war warm im Zimmer, und die Knaben fühlten, wie Wärme und Kälte in ihren erfrorenen Körpern mit einander rangen und von einander nicht weichen wollten. „Nun ist ja auch bald Weihnachten!" sagte der Vater unvermittelt und machte damit einer kleinen Verlegenheits pause ein Ende. „Wie lange cki's her, daß die Mutter dich sortbrachte? Nun bist du schon wieder hier. . . Ja, ja, wie die Zeit vergeht! Aber bitte^ Herr Tschibissow, essen Sie doch, tun Sie, als ob Sie zu Haufe wären!" Wolodjas drei Schwestern, Katja, Sonja und Mascha, von denen die älteste elf Jahre alt war, saßen gleichfalls am Tisch und ließen kein Auge von dem neuen Bekannten. Tschetschewizin war ebenso groß und breit, wie Wolodjq, aber nicht so dick und weiß, sondern mager, brünett und hatte Sommersprossen im Gesicht. Er hatte borstiges Haar, schmale Augen, dicke Lippen und war überhaupt sehr häßlich; wenn er nicht die Schuluniform getragen hätte, hätte man ihn für den Sohn einer Köchin halten können. Er schien verstimmt zu sein; denn er sprach kein Wort und lächelte kaum, wenn Herr Korolew einen Witz machte. Die Mädchen hielten ihn deshalb für furchtbar klug und ge lehrt. Seine Gedanken schienen von irgend etwas voll ständig in Anspruch genommen zu sein, und wenn man ihn etwas fragte, fuhr er zusammen, zuckte die Achse.n uns bat um Wiederholung der Krage. Auch Wolodja, der sonst immer lustig und gesprächig war, sprach nicht viel, lächle nickst und schien sich überyauvt nicht zu freuen, daß er zu Hause war. Während sic beim Thee saßen, hatte er sich nur einmal an die Schwestern ge wandt, und zwar mit den seltsamen Worten: „In Kalt- svrnien trinkt man keinen Thee, da trinkt man Wach- holderbranntwein." Nack, dem Thee gingen alle ins Kinderzimmer. Der Vater und die Mädchen setzten sich an den Tisch nnd machten sich wieder an die Arbeit, die durch die Ankunft der Knaben unterbrochen worden war. Sie verfertigten aus buntem Papier Blumen nnd Ketten für den Weihnacht«- bäum. Das war eine amüsante und lebhafte Beschäftigung. I Jede neue Blume wurde von den Mädchen mit begeisterten I Rufen begrüßt, als ob sie vom Himmel hceabfie^c. Auch I der Papa war ganz begeistert und ärgerte sich nur manch mal darüber, daß die Schere stumpf war, und warf sie dann wütend ans die Erde. Plötzlich kam die Mama mit re sorgtem Gesicht in die Kinderstube und fragte: „Wer hat denn meine Schere genommen? Iwan Niko lajewitsch, hast du sie wieder?" „Herr des Himmels, nicht einmal eine Schere lassen sie mir!" antwortete Iwan Nikolajewitsch mit weinerlicher Stimme, lehnte sich im Stuhl zurück und spielte den Ee kränkten; bald aber war er wieder ganz bei der Sache. In früheren Jahren hatte sich Wolodja ebenfailo mit den Vorbereitungen für den Weihnachtsbaum beschäftigt, oder er lief auf den Hof hinaus, um zuzusehen, wie der Kutscher und der Schafhirt einen Schneeberg schaufelten, diesmal aber schenkte weder er noch Tschetscheiv z n dem bunten Papier die geringste Aufmerksamkeit, sie schauten auch nicht ein einziges Mal in dey Pferdcstall hinein, sondern setzten sich ans Fenster und flüsterten mit «.in ander. Dann schlugen sie zusammen den Allas auf und be trachteten eine Karte. „Zuerst also nach Perm! . . ." sagte Tschetschewizin leise. . . „Äon da nach Tjnmcn . . . dann nach Tomsk . . . und dann . . . dann nach Kamtschatka . . . von dort ans werden wir von den Samojeden in Booten nach d tzn Beringower Meerbusen gebracht.... Und dann sind wir in Amerika." „Und Kalifornien?" fragte Wolodja. „Kalifornien ist tiefer . . . Wenn wir erst in Amerika sind dann ist Kalifornien leicht zu erreichen." Tschetschewizin mied den ganzen Tag die Mädchen nnd schielte nur verstohlen zu ihnen hinüber. Nach dem Abend- brot geschah es zufällig, daß er mit den Mädchen füns Mi«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite