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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021011026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Heute liegt uns diese Zuschrift im Wortlaute vor, der allgemein bekannt zu werden verdient. Er lautet: „Am Schluß eine- Artikels über den Empfang der Borrenfübrer bemerkt die „Freisinnige Zeitung": „Nur ein Punkt in der Sache ist etwas dunkel, die Frage nämlich, ob beim Empfang fremder, speziell englischer Unterthanen, am Berliner Hofe stets die Ber-- mittelung des englischen Botschafters als erforderlich be trachtet worden ist. Bei der Erörterung dieser rein formell diplomatischen Frage ist schon verschiedentlich daran erinnert worden, daß seinerzeit der Empfang von Cecil Rhodes ohne solche vorhergegangene Förmlichkeiten erfolgte." Die Frage ist im all gemeinen dahin zu entscheiden, daß, wenn ein dem Monarchen persönlich unbekannter Ausländer den Wunsch hat, vom Kaiser empfangen zu werden, eS zur Erlangung der Audienz stets der Vermittelung deS betreffenden diplomatischen Ver- treters bedarf. Ueber den Fall Cecil Rhodes sei Folgendes mit- geteilt: Am 10. März 1899 überreichte ein Sekretär der hiesige» britischen Botschaft an zuständiger Stelle ein Schreiben des Bot schafters, das die Bitte um Gewährung einer Audienz für Cecil Rhodes enthielt. Das Gesuch ist dann im ordnungsmäßigen Geschäftsgang weiter behandelt worden. Mit dieser Feststellung entfällt jeder Anhalt sür die Behauptung, es seien seiner Zeit Herrn Cecil RhodeS für die Erwirkung eines Empfanges beim Kaiser Erleichterungen gewährt worden, die man Len Boeren- generalen vorenthalten habe. Was die Zulassung des Sacco« Anzuges von Cecil Rhodes betrifft, — denn auch davon wird ja in deutschen politischen Zeitungen noch immer geredet — so hat Kaiser Wilhelm damit nur ein nachahmenswertheS Beispiel seines von jeder Kleinlichkeit freien Sinnes gegeben. Erwürbe gewiß keinen Anstoß daran genommen haben, wenn De Wet, Delarey und Botha sich ihm im schlichten Reiseanzuge hätten nähern wollen." Die Berliner Quelle, aus der diese Erkärung stammt, schließt jeden Verdacht eines Irrtums auS. Um so be dauerlicher ist es, daß die Erklärung erst jetzt erfolgt und nicht schon damals abgegeben wurde, als der Londoner „Standard" durch seine Forderung, daß der Empfang der Boerengenerale vurch die englische Botschaft in Berlin ver mittelt werden müsse, den Unwillen deS größten Teiles der deutschen Presse umsomehr erregte, je allgemeiner — auch in England — die Annahme war, Cecil RhodeS sei seiner Zeit ohne Vermittelung der englischen Botschaft zur Audienz beim Kaiser zugelassen worden. Wir wissen aus eigenster Erfahrung, daß diese Annahme selbst in solchen Berliner Kreisen herrschte, die sich sonst zumeist als sehr genau injormiert erweisen. ES ist also auch nicht ganz undenkbar, daß die Boerengenerale, als sie am 18. September aus Befehl des Kaisers von den Bedingungen verständigt wurden, unter denen sie auf einen Empfang zu rechnen hätten, im Unklaren über die Umstände geblieben wären, unter denen s. Z. die Audienz von Cecil Rhodes erfolgte. Dann wäre der Verzicht der Generale auf einen Empfang auch ohne die Annahme von Treibereien der „holländischen Unversöhnlichen" erklärlich. Zugleich würde sich durch die jetzt erfolgte Erklärung für die Generale die Möglichkeit eröffnen, nun doch noch um einen Empfang durch den Kaiser zu bitten. Das sind freilich nur Vermutungen, denen man sich aber um so lieber lnngibt, je peinlicher über all in Deutschland der Eindruck der Tatsache sein muß, daß die englische Presse über den Richtempfang der Generale triumphiert. Aus konservativen Kreisen geht der „Köln. Ztg." eine Zuschrift zu, die das rheinische Blatt unter der Ueberschrift „Wohin stcncrn wir?" veröffentlicht. Sie lautet: „Die „Grcnzboten" brachten gegen das Ende des Jahres 1900 einen offenbar aus sachkundiger Feder herrührenden Artikel mit der Ueberschrift: „Wie es heute bei den Regierungen in Preußen zu geht". In dem Artikel ist unter anderm auch von der Bevor zugung des Adels bei der Verwaltung die Rede. In dieser Beziehung heißt es dort: „Es liegt uns jede Voreingenommenheit gegen den Adel fern, auch möchten wir von unjerm durchaus konservativen Standpunkt aus einen begüterten, unabhängigen und deshalb mit starkem Rückgrat versehenen Adel nicht missen, aber die Bevorzugung des kleinen, durchschnittlich vermögenslosen Adels, wie er sich bei den Negierungen und überhaupt in der Berwaltung vorzugsweise findet, halten wir sür un billig. Einstweilen aber werden wir uns mit dem be stehenden Zustand absinden müssen. Tenn wenn man 'be denkt, daß die Beförderungsvorschläge sür die höheren Ver waltungsstellen von dem adeligen Regierungspräsidenten aus gehen, von diesem durch den adeligen Oberpräsidenten an den adeligen Personalreferenten im Ministerium und schließlich au den adeligen Minister gelange», so ist cS menschlich natürlich, daß da verhältnismäßig nur selten ein bürgerliches Destillat herauskommt." Hiernach dürfen wir uns nicht wundern, daß die einflußreichste Stelle im Ministerium des Innern, die des Personalreserenten. wieder ein Adeliger als Nachfolger Les zum Ministerialdirektor beförderten Herrn v. Kitz ing erhalten hat. Aber daß sie gerade Herrn v. Dallwitz zugefallen, ist im höchsten Grade ver wunderlich. Während Herr v. Kitzing politisch nie hervor- getreten ist, gehört Herr v. Dallwitz zu den — in Ver waltungskreisen sogenannten — kanalisierten und nachher die Treppe hinausgefallenen Landräten, hat also im Abgeord netenhaus« unter den agrarisch Konservativen, den intimsten Gegnern des Reichskanzlers und Ministerpräsidenten Grafen Bülow, gesessen. Es ist nicht anzunehmen, daß er seine politische Ueber- zeugung seitdem geändert hat. Wenn man nun bedenkt, wie wenig liebenswürdig Graf Bülow erst vor einigen Monaten von diesen Konservativen wieder im Abgeordnetenhause behandelt worden ist, so ist die Berufung de-Z Herrn v. Dallwitz gerade aus den auch politisch so außerordentlich wichtigen Posten des Personalreserenten im Ministerium des Innern in der Tat jo ausfallend, Laß man da rüber nicht erstaunt genug sein kann. Zweifellos hat ihr aber doch Gras Bülow in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident zuge stimmt. Hier stehen wir vor einem Rätsel. Eine Lösung wäre die, an welche wir aber nicht glauben können und wollen, daß sich nämlich eine Behauptung der Agrarier bewahrheiten sollte, wonach der Reichskanzler im Herzen ganz mit ihnen einig sei und schließlich doch noch die höher» Getreidezölle acceptiereu werde, was er bisher lediglich dem Ausland gegenüber nicht gekonnt habe, wozu er aber im stände sei, nachdem dort die Ueberzeugung von seiner Notlage erst durchgedrungen wäre. Wir halten den Grafen Bülow solch unwürdiger Spiegelfechterei nicht für fähig. Aber ausfallend, sehr auffallend bleibt rS doch, daß unter ihm als Ministerpräsident im Ministerium des Innern demonstrativ eine Richtung begünstigt wird, die ihm selbst politisch schroff gegen übersteht." Der Verfasser dieser Zuschrift geht offenbar von der irrigen Annahme aus, der Reichskanzler brauche nur seiner seits höhere Gctreidezölle zu wollen, um sofort den ganzen BundeSrath oder doch dessen Mehrheit seinem Willen unter werfen zu können. Wir haben schon kürzlich darauf aufmerksam gemacht, wie unhaltbar diese Annahme ist. Nicht einmal Fürst Bismarck hätte diese Macht besessen. Seinen Nachfolgern fehlt aber noch weit mehr, als ihm: sogar der Einfluß, den sie als Reichskanzler uns preußische Ministerpräsidenten auf die Besetzung wichtiger Vcrwaltungsämter haben müßten, wenn sie im stände sein sollten, die Politik durcbzuführen, für die sie die Ver antwortung tragen. Sie müssen sich, da der Kaiser sein eigener Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident ist, ab und zu wohl oder übel in Personalentscheidunzen fügen, die ihnen äußerst unbequem sind. So wird es Wohl auch bei der Be förderung des Herrn v. Dallwitz gewesen sein und so wird es vielleicht auch bei der Wiederbcsetzung des ledig werdenden Obcrpräsidiums in Hannover werden. Um so ge spannter darf man auf den Nachfolger des Grafen Stolberg sein. Dann wird man ja noch genauer erkennen, „wohin wir steuern". Eine beinerkcnöwerte Denkschrift ist in diesen Tagen von einem einfachen russischen Bauern dem KreiScomitö in Kowrow (Gouvernement Wladimir), welches die Ursache des Rückganges der Landwirtschaft in seinem Bezirke erforschen soll, übergeben worden. In diesem Schreiben wirv als Grund des Rückganges des Bauernstandes dessen politische Rechtslosigkeit hingestellt. Bevor man wirtschaftliche und kulturelle Maßnahmen ergreife, heißt es in der Denk schrift, muffe man vor allem die rechtliche Stellung des Bauern bessern. Alle Stände vom Erelmann bis zum Klein bürger hätten Rechte, nur der Bauer nicht. Mau könne ihn sogar noch der körperlichen Strafe unterwerfen. Unter diesen Umständen sei es natürlich, wenn sowohl der reiche, wie der arme Land- und Dorfbewohner auS ihrem Kreise berausstreben und Bürger werden wollen. Würden die Bauern dagegen die staatlichen Rechte erhalten, welche ihnen als Angehörige einer so wichtigen Klaffe gebühren, so würde man bei ihnen in kurzer Zeit die nötigen Fähigkeiten, Geld, Maschinen u. s. w. vorfinden. Dann werde alles besser werden. Manches, was hier angeführt wird, ist jedenfalls übertrieben; auch liegt die Ursache des landwirtschaftlichen Rückganges doch wohl noch in anderen Ursachen. Aber die Darstellung enthält ungeachtet dessen viel Wahres nnd gibt die Empfindungen vieler Bauern gut wieder. Vor allem verdient die offene Sprache, mit der riese Ansichlen vorgetragen werden, Beachtung. Noch vor wenigen Jahren wäre das nicht möglich gewesen. Das Geschäft in südafrikanischen MtneushareS an der Londoner Börie, an welchem auch deutsches Kapital in hervor ragendem Maße beteiligt ist, dürfte bald wieder in lebhaftere Bahnen einlenken, wenn erst nach Wiedereröffnung des eng lischen Parlaments die Regierung mit ihren Vorschlägen über die Beitragsleistung der neuerworbenen Kolonien zu den Kriegskosten hervortritt. Die bisherigen Mitteilungen welche die voraussichtliche Höhe dieses Beitrages zunächst mit lOO Millionen Pfd. Slerl., zuletzt aber mit 50 Millionen Pfv. Sterl. angaben, haben in interessierten Kreisen Englands lebhafte Beunruhigung bervorgerufen. Man sprach dort der englischen Regierung überhaupt das Recht ab, von de» eroberten Gebieten eine Kriegskontribution einzuziehen und auS denselben Kreisen, die sich vordem damit brüsteten, eö durchgesetzt zu haben, daß Transvaal in den Krieg mit Eng land getrieben wurde, scheute man sich sogar nicht zur War nung, den Bogen nicht allzu straff zu spannen, auf den Ab fall der amerikanischen Kolonien vom Mutterland- zu Ende deS 18. Jahrhunderts hinzuweisen. Die englische Negierung dürfte sich indeß durch solche Drohungen nicht einschüchtern lassenden neuen Kolonien einenTeilder Kriegslasten auf;ubürden. Daß sie bisher mit exakten Vorschlägen noch nicht hervorgetrelen ist, erklärt sich auS der Schwierigkeit, die Grenzen festzusetzen, innerhalb welcher Transvaal zu diesen Lasten herangezogen werden kann. Denn für die zukünftige Gestaltung des Trans- vaal-BudgetS lassen sich aus den Erfahrungen der früheren unvollkommenen Staatsverwaltung der südafrikanischen Republiken keine zuverlässigen Anhaltspunkte gewinnen, ganz abgesehen davon, daß die Ablösung der verschiedenen fiskali schen und privaten Privilegien in Erwägung zu ziehen ist. Immerhin erscheint sicher, daß sich unter einem sorgfältigen finanziellen Regime die Staatseinnahmen, welche im letzten Jahre vor dem Kriege rund 4 Millionen Pfd. Sterl. be trugen, ansehnlich vermehren lassen, ohne dem Lande drückende Steuern auferlegen zu müssen. Ueber die Höhe der künftigen Ausgaben läßt sich noch weniger etwas Be stimmtes sagen, da diese wesentlich davon abhängen wird, ob die Pazifizierung des Landes so gesichert ist, daß ein dauernd größeres Aufgebot militärischer oder polizei licher Machtmittel sich als unnötig erweisen wird. Ist aber erst einmal die neue Staatsordnung in Südafrika fest ein gerichtet, so wird sicherlich die Goldmincnindustrie einen leb haften Aufschwung nehmen, mit diesem Hand in Hand aber auch die Spekulation auf dem Londoner Minenmarkt wieder aufleben. Auch bisher war die Emission südafrikani scher Shares in London eine ziemlich beträchtliche; sie betrug in Len ersten neun Monaten d. I. 6 488 000 Pfd. Sterl. Sie wird aber mit dem Augenblick, in welchem Klarheit über die Zukunft Südafrikas geschaffen ist, zweifellos einen gewaltigen Anreiz erhalten und nicht nur das englische Publikum, sondern auch das kontinentale Kapital trotz der bisher vielfach gemachten trüben Erfahrungen zu erneuter Beteiligung herausforderu. Auf das mit dem Erwerb von GoldshareS verbundene große Risiko kann aber gar nicht genug aufmerksam gemacht werden. Deutsches Reich. * Leipzig, 11. Oktober. In Sacken der angeblichen Audien z Bennigsens beim Kaiser wegen des Zedlitz- schen Vo lkssckulg ese tz eS sieht sich der „Kladderadatsch" genötigt, folgende Zuschrift des Generalsekretärs der nationalliberaleu Partei der Provinz Hannover, Herrn Flathmann, abzudrucken: „In Nummer 40 des „Kladderadatsch" ist die Behauptung auf- gestellt worden, die gegenwärtigen nationalliberalen Parteiführer in Hannover hätten Kenntnis davon haben müssen, daß Rudolf v. Bennigsen vor dem Scheitern deS Zedlitzschen Schulgesetzeutwurss beim Kaiser eine Audienz nachgesucht und bewilligt erhalten habe Fcrrilletsn. Lompania Cazador. los Noman von Wolde mar Urban. verbot«:. So wohnten sic nun schon fast vier Monate in ruhiger Zurückgezogenheit in ihrem Häuschen. Isa studierte mit wahrem Feuereifer. Professor Hennig erwies sich für sie ivie ein zweiter Vater, war aber in gewissen Punkten un erbittlich streng. Isa hatte nicht nnr Gesang und Musik stunden, sondern auch dramatischen Unterricht, Vortrag, Kvstümkunde, sogar deutsche Sprache, weil ihre Aussprache manche Härten zeigte, die beim Gesang störten. Isa war erstaunt nnd zugleich freudig überrascht über die Freund lichkeit, mit der man sich ihrer Persönlichkeit annahm. In Spanien wäre so etwas niemandem eingefallen, und sie merkte nun wohl, warum ihr Vater alles daran gesetzt hatte nnd daransctzcn wollte, um ihre Ausbildung in Deutschland zu ermöglichen. Mit einer unüberwindlichen Energie kämpfte sic alle Hindernisse nieder. Sie wollte und mußte sich bnrchringcn. Sie durfte nicht, wie ihr Vater, an der künstlerischen Halbbildung zu Grunde gehen, wenn sie einst das sein wollte, was sie stets geträumt. Da kam plötzlich ein Tag, der die ganze Idylle zu ver nichte», ihren Zukunftstraum und ihre Existenz zn zer- stören drohte. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf vom Polizeiamt der Stadt beim Direktor Cazador ein Aus weisungsbefehl für Isa und Mozzv ein. Fräulein Isabel Jäger, genannt Cazador, und Alonso, genannt Mozzo, hätten diesem Schreiben zufolge wegen Erwerbslosigkeit und Mangel an Subsistenzmitteln binnen drei Tagen dav Stadtgebiet zu verlassen. Direktor Cazador war darüber zunächst ganz ver zweifelt nnd glaubte, diesen neuen SchtcksalSschlag nicht überleben zu können. Er wagte eS nicht, Isa davon zu sagen, wußte aber auch keine Ausflucht, keine Hülfe. Es waren ja schon so manche Stürme über seinen graue» Scheitel hinweggebraust, und wenn er auch äußerlich noch immer eine gewisse Stattlichkeit, eine wehmütige Gleich, gttltigkeit affektierte, so schien «S ihm doch immer mehr und mehr, daß er nicht der Mann sei, der im Leben reüssieren konnte. Gott mochte wissen, woran das lag, aber er war und blieb ein Kind in seiner Zeit, mit dem die andern spielten. Was sollte er nun tun? Sich aufhängen? Er verlegte sich zunächst curfs Bitten und ging zu dem betreffenden Beamten, dem er die ganze Situation zu erklären suchte. „Aber, mein lieber Herr", erwiderte dieser, „das geht mich alles nichts an. Ich habe meine Instruktion, nach der ich mich richten muß. Seien Sie übrigens ganz zu frieden, daß man diese Maßregel nicht auch auf Sie selbst ausgedehnt hat. Man hat davon Abstand genommen, weil Sie doch hier geboren sind, und wenn auch Ihr Heimats recht verfallen ist, so hat man Sie doch in Ihren alten Tagen nicht ausweisen wollen. Vor allen anderen zweifel haften Elementen müssen wir unsere ohnehin schon über lastete Armenkasse zu bewahren suchen. Dagegen ist nichts zu machen. Erst kommen unsere Armen." Isa sah ihrem Vater sofort an, daß ein neues Unglück für sie keraufgczvgen war, und auf ihr Dränge» erzählte ihr endlich der Direktor alles. Das junge, stolze Mädchen war davon im Innersten empört. Niemals in ihrem Leben war sie fremden Leuten zur Last gefallen, nnd wäre wohl lieber verhungert, als cS jemals zu tun. Sie wollte ja nur lernen, sonst nichts. Aber die hvchwetse Polizei kümmerte sich um die Näsonne- ments eines jungen, unerfahrenen Mädchens nicht, und so blieb eS bei der Ausweisung. Am vergnügtesten war der Mozzo bei der Sache. Kaum wußte er, um was cS sich handelte, so machte er sich auch schon mit einer aufgeräumten, lauten Aufregung über den Wohnwagen her, den er zur sofortigen Abreise hcrrichtete. Gegen Abend desselben Tages, al» Isa wie gewöhnlich mit einigen frischen Blumen an das Grab ihrer Mutter ging, begleitete sie Fräulein Ewald ein Stück des WcgeS, weil sic wohl sah, daß ihrer schönen Freundin etwas Kummervolles zugcstoßen sein mußte. Isa machte auch gar kein Hehl aus dem Grunde ihrer Entrüstung. „Aber, bas ist ja alles ganz ungewöhnlich, Fräulein Isa", rief Fräulein Ewald hitzig. „Das dürfen Sie sich auf keinen Fall gefallen lassen. Irgend ein Gauner, der I Ihnen nicht wohl will, hat Sie denunziert. Sie müssen die I Sache einem Advokaten übertragen." I „Prozesse machen? Lieber sterbe ich. Nein, nein, Papa hat zu viel davon gelitten, als -aß ich dulden könnte, daß er neue Prozesse anfängt." „Aber Sic müssen doch Ihr Recht suchen, sich ver teidigen, wenn Ihnen Unrecht geschieht. Wir leben doch nicht in der Türkei. In unserem Lande geht es doch ordentlich und redlich her, und wenn auch einmal ein schlecht unterrichteter oder aufgehctzter Beamter einen Fehlgriff macht, so hat er doch einen Vorgesetzten, der die Sache untersucht und wieder richtig stellt. Hätte ich das nur gestern gewußt. Gestern war der junge Rechtsanwalt Habicht bei Papa, ich weiß nicht weshalb, ich hätte ihm alles erzählt und bin sicher, daß er „Nein, nein, ich will das nicht, Fräulein Ewald. Sie wissen ja, daß ick " Sie brach plötzlich ab, weil hinter einer Cypresse ein junger Mann erschien, der sehr respektvoll und höflich grüpte. Auch Fräulein Ewald war etwas verwirrt, be zwang sick aber und fuhr ungewöhnlich aufgeregt auf: „Mein Gott, Herr Rechtsanwalt, das nenne ick einen Zufall! In diesem Augenblick sprachen wir von Ihnen." „Ich hörte eS und trat deshalb näher, gnädiges Fräulein", erwiderte Herr Habicht II lächelnd. „Sie müssen meiner Freundin helfen", rief Fräulein Ewald hitzig. „Denken Sie, Herr Doktor, man hat sie auSgewicien." Uebcrrascht hob der Rechtsanwalt den Kopf und sah Isa voll an. „Ist das wahr, Fräulein Cazador?" fragte er be troffen. Isa wurde etwas rot und sah weg. Ueber ihre Züge flog ein erregte», unwillige- Zucken, so daß cS fast auSsah, al- ob sic die direkte Ansprache wie eine Beleidigung em- pfände. Sic fühlte sehr wohl, daß der junge Rechts anwalt ihr gegenüber ein andere» Benehmen hatte, als ctwa Fräulein Ewald gegenüber. Fräulein Ewald be handelte er al» Dame, mit einer gewissen Gleichberechti gung rücksichtsvoller Höflichkeit, während Isa für ihn ein — Mädchen war vom Jahrmarkt, die im kurzen Röckchen die Nickel einsammelt und mit der man seinen Spaß machen konnte, ohne daß da» irgendwelche Konsequenzen hatte. Sie konnte diesen übermütigen, lächelnden Ausdruck in seinem Gesicht nicht ertragen, „Schlitzwasig" hatte ihn Monsieur August genannt. Die Narbe im Gesicht gab ihm entschieden etwas Burschikose-, Herausfordernde-, was sie empört,. „Natürlich ist cs wahr", antwortete an ihrer Statt Fräulein Ewald. „In drei Lagen soll sic die Stadt ver lassen." „Und Sie wollen das?" fragte Herr Habicht, wieder direkt an Isa gewandt. „Nein, sie will das eben nicht", fuhr Fräulein Ewald fort, „und Sic sollen ihr helfen, daß sie eS nicht muß. Sie werden doch begreifen, daß sie ihre Studien nicht unterbrechen darf und überhaupt einer solchen unglaub lichen Maßregelung nickt weichen kann." „Sic müssen richterliche Entscheidung beantragen, Fräu lein Cazador", sagte Herr Habicht wieder direkt zu Isa gewandt, „ich will daS selbstverständlich gern thun, wenn Sie mir mittels vvrgeschricbener Vollmacht Ihre Ver tretung übertragen. Sie brauchen sich dann um nichts weiter zu kümmern." Es war eine sonderbare Unterhaltung. Er versuchte sie durch alle möglichen Mittel zum Sprechen zu bringen. Er verschlang sie sozusagen mit seinen Blicken und sie konnte vor innerer Erregung, vor Entrüstung über seine formlose Zudringlichkeit — wie sic co ansah — kein Wort sagen. Er tonnte sagen, was er wollte, sie hörte immer nur die Worte, die er bei ihrer ersten Begegnung im Garten seines Vaters ihr zugerufen: „Was, zum Teufel, ist denn das?" „Wenn Sie mir gestatten, Fräulein Cazador", fuhr er nach einer weiteren vergeblichen Pause fort, „werde ich alles weitere mit Ihrem Vater abmachen." „Nein, nein", fuhr sie hastig aus, lassen sie nm GvtteS willen Papa damit in Ruhe. Er wird krank, wenn er nur einen Advokaten licht und von Prozeßen hört." Habicht II lackte, weil sic so erschreckt tat. „Aber, mein liebes Fräulein", sagte er, „in der Welt muß man die Ellbogen brauchen, wenn andere den Weg versperren, und dazu ist ein Advokat reckt gut geeignet. Das ganze Lcbcn ist ein Prozeß, ein Kampf, besonders für den, der von unten herauf kommt und sich seinen Platz in der Welt erobern will. Also nur Mut. Geben Sie mir Ihre Vollmacht und das klebrige besorge ich. Tie brauchen sich auch vor meiner Rechnung nicht zu fürchten " „Das bezahle ich", warf Fräulein Ewald dazwischen. „Ich will nichts geschenkt, ebensowenig wie ich irgend jemand lästig fallen will", erklärte Isa fest. „Mein Gott, nein'^, fuhr er fort, „Tie sollen sich über mich nicht beklagen. Sie sollen ein« glorreiche Ausnahme
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