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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021013010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-13
- Monat1902-10
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Daß sich unser Vaterland Lachsen seit dem Schluffe des Siebenjährigen Krieges bis in den Anfang des neun zehnten Jahrhunderts hinein eines säst vierzigjährigen Friedens erfreut hatte, das hielt der schlichte Mann im Volke für das besondere Verdienst des Kurfürsten Fried rich August, für einen Erfolg der großen Lelbständigkeit in seinen Entschließungen, seines unbestechlichen Rechts sinnes und seines ehrlichen Wohlwollens. Die Dankbar keit gegen den damaligen sächsischen Landesherrn kannte darum auch kaum Grenzen: man redete von ihm als einem verehrungöwürdigen, vortrefflichen und gerechten, von der landeevüterlichen Milde des teuersten Kurfürsten, von der weisen Staatsverwaltung Sachsens u. s. w. Daß sich mit dem Beginne des neuen Jahrhunderts Kriegsgewölk am Himmel Sachsens zeigte, das schrieb man nicht irgend einem Verschulden des kursürsten zu, sondern der allge meinen politischen Lage. Das böse Vorbild der französi schen Revolution hatte dem Unkrautsamen derselben in Sachsen keinen Boden bereitet, die sächsische Gemütlichkeit hatte keine Erschütterung erfahren. War die Lage der Landwirtschaft ungünstig, so daß, wie in den Jahren 1803 und 1804, Trcspensrucht die Schesfelzahl geben mutzte, so sah man den Hauptgrund wohl in der schlechten Boden art oder in mehr als nötiger Nüsse, niemals aber in irgend welchem Mißgriff der Landesregierung: mußte man in folge von „Oosti-uik-run^" um Hülfe bitten, so gab man „ckc-vot" die näheren Veranlassungen an und verharrte „in tiefster Submission". Daß so manche Stadt, wie z. B. Zörbig, manches Dorf, wie Seegeritz bei Taucha, arm war, galt für unabänderliche Tatsache, in welche sich gutwillig zu fügen, für das einzig Vernünftige angesehen wurde. Dieser ergebiingsvollen Treue war sich der Sachse gar wohl bewußt: er sah in ihr einen Wert, für den der Landesherr Vergeltung üben, ein Opfer, dos die Gegen liebe des Kurfürsten finden müsse. Und auch das Jahr 1805 änderte in diesem kindschastsverhältnisse der Sachsen zn ihrem Kurfürsten nichts, wenngleich jetzt Sachsen im Bunde mit Preußen gegen Napoleon 1. die Grenzen sichern mußte. Brachten diese Vorlichtsmaßregeln auch für die Bewohner Sachsens mancherlei Drangsale mit sich, so „war es doch erträglich und ließ Zeit und Mittel übrig, alles leisten zu können". In dem Kurfürsten sah man ein ebenso bedauernswertes Opfer der politischen Verhältnisse, wie in sich selbst. Aber einem Stande der Bevölkerung gegen über fing man doch an, sich durch die herrschenden Gewohn heiten und Sitten benachteiligt zu fühlen und gleiches Recht zn fordern. Eintretcndc Not führte jetzt den schlichten Sachsen zn derselben Erkenntnis, zu welcher Rousseaus Gcscllschaftövcrtrag Frankreich seit 1702 erzogen hatte, wofür Johann Heinrich Boß in seinen in ihrer politischen Bedeutung viel zu wenig gewürdigten Liedern und Idyllen dem norddeutschen Bauer das Verständnis öffnen wollte. Und nun brachte das Jahr 1800 gar den Krieg ins eigene Land! Es begann unter nicht gerade glückver heißenden Umständen. Bei dem unerwarteten Körncrvcr- brauche durch zahlreiche Eingnartiernng im Herbste des Jahres 1805 war an Aussaat des Wintergetreidcs nicht zu denken gewesen, nnd als sie für vieles Geld im Früh ling des Jahres 1800 nachgcholt worden war, brachte sie nur so geringen Ertrag, daß das Sommergetreide dieses Jahres, mochte cs auch noch so gnt ausgefallen fein, unter den cintrelcnden Umständen dennoch nicht hinreichtc. Die kurfürstliche Regierung sand daher mit ihrer Verfügung, von jeder Hufe 42ZH Pfund Mehl in das nächstgelegene Magazin abznlicfern, wenig Beifall, ja cs blieb ihr einigen Gemeinden gegenüber, wie Brösen bei Leisnig, das am 8. Juli des Jahres 1806 von einem großen Brandunglück Feuilleton. Dom Regen in die Traufe. Eine Schmugglerhumorcske von Josef Maertl. '^alyviua verboten. Es ist ein altes Sprüchwort: Nichts kann der Mensch weniger vertragen, als eine Reihe guter Tage. Beim alten Grenzerlvisl, einem Beamten der Stations wache zu Ramsau, hatte sich dieses auch bewahrheitet! Künfundfünfzig Jahre war er als ehrbarer Jung geselle durch s Leben gegangen, da packte ihn eines Tages auf einsamer Wacht der Versucher und sagte: „Loisl, du muaßt a Häuserin haben, jatzt wo deine Schwester ab- g'himmclt iS. I gib dir an Rat. Heirat' die schwarze Damcrlkathl! Sie is a ehrsame Wittib und waar grad recht für dein Häusel und di! Nachher braucherst wenigstens dein Schweinderl und die Goas und t Henner nit selber zu fuottcrn und hältst a Leut' um di, daß di pflcg'n tüt, wennst wieder a mal Bauchweh kriagst vom heurigen Most." Anfänglich hatte der alte Grenzer bei diesem Gedanken lachend den Kopf geschüttelt. Er wußte selbst nicht, wie er auf einmal auf diese „furchtbare" Idee, die schwarze Damcrlkathl zu heiraten, gekommen war, aber da er sie nun einmal hatte, spann er sie weiter aus und das Resultat war, daß ihn der Teufel am nächsten Tage zum Häusel der ehrbaren Wittib führte, der er sofort ohne Umschweife einen „bindenden" Antrag machte. Die schwarze Kathl, die Leute nannten sie wegen ihrer löblichen Charaktereigenschaften die „Giftnudel", sagte nicht nein. Es mar ihr eine Ehre, einen königlichen „Beamten" zu kriegen, und vier Wochen später zog sie als Frau Grenz aufseher in das schmucke Häuschen des Loisl. Von jenem Tage an war es aber mit seiner Ruhe und seinem Frieden zu Ende. Die schwarze Kathl bemächtigte sich sofort der Herrschaft, setzte ihren jungen Gemahl auf halbe Rationen in seinen Getränken, entzog ihm den Hausschlüssel und traf sonst noch mancherlei Verordnungen, welche dem Grenzerlvisl mit einem Male seine ganze Freiheit raubten. hcimgesucht worden war, und Werlitzsch bei Landsberg, welches am 8. September desselben Jahres ähnliche Heim suchungen zu erdulden gehabt, nichts weiter übrig, als sie zurückzunehmen. Der 0. Oktober brachte die Kriegs erklärung -es mit Sachsen verbündeten preußischen Staates an den Franzosenkaiser und mit ihr über einen großen Teil der Bewohner unseres Vaterlandes im Laufe von Jahrzehnten unbekannt gewordene Nöte. Uber die ersten Unannehmlichkeiten, welche dieser Krieg mit sich brachte, heißt cs in einem Schreiben von „des Amtes Rochlitz sämtlichen unmittelbaren Dorfschaften": „Wir hatten ebenfalls wieder, gegen andere Gegenden, die stärksten Einquartierungen vom König!. Preutz. und Kur fürst!. Sächs. Militär bei dem Ausmarsche: die Verpflegung der vielen Pferde neben den Lieferungen, die Strapazen unseres eigenen Viehes, wobei wir es nach Möglichkeit mit Futter unterstützen mußten, machten unsere Vorräte bald alle." Kvrtfetzt die Belehrung über die damaligen kriegerischen Bewegungen ein Bericht aus Gera in fol genden Worten: „Zur Zeit der Wintersaat rückte den 80. September das Preuß. Füsilier-Bataillon von Rühle in Licbschwitz nebst übrigen Dörfern ein und ging^ den 2. Oktober wieder ab, an dessen Stelle ein Teil des Sächs. Regiments von Thümmel antam und den 8. Oktober wieder aufbrach. Da nun durch die dieserüalb zu prästierende Spannung, auch mitunter eintrctende Magazin-Fuhren die Fröner an Beschickung derer Ritterguts-Felder gehin dert wurden" u. s. w. Während die bekannten Niederlagen der verbündeten Preußen und Sachsen am 10. Oktober bei Saatfeld und am 14. Oktober bei Jena und Auerstädt in die den Schlachtenorten zunächst liegenden Gegenden, z. B. nach Gera, völliges Kriegslcben brachten, vermutete man hier in Leipzig noch so wenig die ganze Wucht der drohen den Heimsuchung, daß ein hiesiger Pferdehändler sogar noch einen größeren Transport von Pferden zum Verkauf nach Zerbst bringen lassen wollte. Doch, wie mau nm Gera nur zu bald den ganzen schweren Ernst des begon nenen Krieges zu fühlen bekam, so auch in der Umgebung Leipzigs. Die Vortrabe der französischen Truppen *ame" schon am 11. und 12. Oktober in den Ortschaften südlich von Gera an und betrugen sich, abgesehen von einer Ausplünderung des Rittergutsbesitzers von Zicgenhierd auf Liebschwitz, der sich unterwegs befand, gut. Als aber am 13. Oktober das Gros der französischen Infanterie daselbst ankam, wurde mit Mißhandlung nnd Plünderung der Bewohner, Ver nichtung von Türen, Kisten und Küsten, „auch Abbrennung der Pfarre und Schmiede viel Unfug getrieben". Daß dort bei den Tumulten dieses Tages vier Franzosen das Leben einbüßten, mußten die Bewohner jener Dorfschaften schwer büßen. Schon am 14. Oktober erschienen französische Kom missare zur Untersuchung des Geschehenen in Liebschwitz nnd am 15. dieses Monats neben dem 11. französischen Dra- gvncr-Negimcnte ein Strafkvmmando von 400 Mann. Was die vorher dagemesenc Infanterie etwa noch übrig gelassen, das hat dieses vollends geplündert und ruiniert, ja auch das Rittergut erfuhr jetzt dasselbe Schicksal. Glück lich daher, wer sich rechtzeitig auf und davon gemacht, wer sein Vieh in Wälder gerettet und dort verborgen gehalten batte. Was an Preußen und Sachsen nicht von den siegreichen Franzosen gefangen genommen worden war, sondern die Flucht in das Innere des Landes hatte antrcten können, das war für die Bewohner des platten Landes in vielen Beziehungen eine neue Last, denn nicht nur, daß es jetzt galt, neue Einquartierung zu befriedigen und Fuhren in reicher Menge zu leisten, man verbrannte auch, um den Franzosen das weitere Vordringen unmöglich zu machen, an den Flußübergängen die Brücken, z. B. die zu Dessau am 13. Oktober, nnd erschwerte damit den Verkehr der ein heimischen Bevölkerung miteinander auf das schlimmste. Die weniger bekannte dritte Niederlage der Preußen in jener Zeit am 17. Oktober bei Halle erlaubte den Kriegs Anfänglich hielt er alles für Spaß, aber gar bald zeigte die kathl, daß es ihr mörderlich Ernst war, und schon nach acht Tagen bekam der Grenzerloisl die ersten „schlagen den" Beweise ihrer Willenskraft zu kosten. Das hätte er seiner „Giftnudel" nicht zugetraut und ihre „Courage" imponierte ihm derart, daß er jeden Widerstand aufgab und sich geduldig in das Joch fügte, das er sich in einer unglaublichen Eselei selbst anfgcladcn hatte. Von nun an ward er der pflichtgetreueste und dienst eifrigste Beamte, den die Namsauer Grenzwache seit ihrem Bestehen besessen hatte. Tag und Nacht war er auf den Beinen, um den Schmugglern nachzustellen, und ein glück licher Zufall fügte cs, daß das Grcnzkommando in München die Wache verstärken ließ, weil in der Tat seit Monaten eine bis dalnn unerhörte Schmugglcrwirtschaft an den Tag gekommen war. Der Grenzerloisl war jetzt nur noch zu Hause, um „ein Auge voll Schlaf zu nehmen" — dann aber brachte er sich wieder vor seinem zarten Ebcgemahl in Sicherheit, denn die schwarze kathl war eifrigst bemüht, sich in der schlagen den Handhabung von Besen- und Lchrupperstielen künst lerisch auszubildcn, wobei Loisl stets zum leidenden Teil auserwählt wurde. Die Leute lachten über das dem früher so übermütigen Grenzerloisl widerfahrene Malheur, besonders die Dorf schönen gönnten ihm die tägliche „Reinigung" von ganzem Herzen, denn gar manche reifere Jungfrau war unter ihnen, die ebenfalls gern in das Häuschen des Grcnzer- loisl als Ehcwirtin gezogen wäre. Nun hgttc cr's. Nur seine Zechkumpane bedauerten ihn aufrichtig, denn der Loisl war noch immer ein gemütlicher Kerl gewesen, der wahrhaftig seine „Giftnudel" nicht verdient hatte. So stieg er denn eines Tages nach einer etwas „empfindlichen" Auseinandersetzung mit der Giftnudel wieder beklommenen Herzens hinauf ins Gebirge, um an der Grenzscheide seinen Posten zu beziehen. „Wenn i bloß nimmer hoam brauchert!" seufzte er ein nmS andere Mal. „Wenn nri bloß oaner derschiaßen möcht', nachher waarS aus mit mir!" Unter solchen pessimistischen Gedanken er reichte er bas Grcnzwirtshaus: „Zur Waflerscheidc". Dort hatte er noch immer ausgerüstet, denn der Wirt, der wogen, nun auch die Umgebung Leipzigs zu überfluten. Ur. Christof Heinrich Brenz auf Queis redet in einem Berichte vom 29. November von sehr harten Preßuren, von Plünderungen unter lebensgefährlichen Bedrohungen und Behandlungen, von gewaltsamer Eröffnung der Türen, Zertrümmerung mehrerer Behältnisse und Schränke, so daß der Verlust seines Pächters Küster 1147 Rtlr. 2 Gr. betrug, sein eigener 287 Rtlr. 16 Gr., der des Justitiars Schulze zu Klepzig 308 Rtlr. 18 Gr. und der der Kirche daselbst auch einige zwanzig Taler. An lebensgefährlichen Verletzungen wurden dem friedlichen Bewohner des platten Landes die unerhörtesten zugefügt: Pfarrer Muhlert zu Klepzig wurde schwer verwundet, dem Ritter gutspächter Johann Georg Schnell durch einen Schuß das Brustbein zerschmettert! Und je mehr es den Franzosen gelang, den Preußen in das Innere ihres Landes zu folgen, desto mehr verbreiteten sich Not und Elend. Er greifende Berichte darüber enthält das Archiv der Leip ziger kreisstünde, u. a. auch aus dem damals noch zu Sachsen gehörigen Orte Zörbig. Dicht an der Straße von Halle nach Dessau und Magde burg gelegen, litt Zörbig seit kurzem unter starken For derungen von Hafer, Heu nnd Stroh, Bier, Brannt wein, Brot, Butter und Wein für starke Armeen und ein zelne Trupps. Am schlimmsten aber gestaltete sich die Lage dieser Stadt in der Zeit vom 18. bis 21. Oktober 1806. Am 18. Oktober kam ein Kommando französischer Husaren vor das Rathaus geritten nnd forderte auf Befehl des Reichs marschalls Bernadotte unter den fürchterlichsten Drohun gen entweder eine Brandschatzung von 201 Rtlr. 8 Gr. oder die Einlieferung zweier Magistratspersonen in das französische Hauptquartier. Am 19. Oktober wurde die Bürgerschaft der ganzen Stadt das Opfer einer all gemeinen Plünderung und am 21. Oktober das Rathaus der Schauplatz wüstester Greuel. Der hinter eisernen Türen im Stadtarchiv befindliche eiserne, mit tüchtigen Schlössern versehene Depositcnkasten wurde an diesem Tage mit Beilen zerhanen und seines Inhaltes von 1400 Ntlrn. entleert, kein Wunder, daß vr. Schnorr am T R^wember ickireibt, noch ganz betäubt zu sein von dielen Vorfällen, noch immer diese Schrcckensscenen vor den Augen herumschweben zu sehen. Und auch sechs bis acht Wegstunden östlich von Zörbig ging es in jener Zeit nicht viel besser zu. Die Nachbarn der Hammermühle bei Düben wurden in so gewaltsamer Weise um Geld und Wirtschaftsgegenstände gebracht, daß ein einziger Häusler allein nicht nur einen Verlust von 329 Rtlr. 19 Gr. erlitt, sondern auch „von der dadurch er littenen Alteration über zugefügte Mißhandlungen" das Leben ciubüßte. lind in Authanscn bei Düben wurde ein greiser Schänkwirt von Marodeurs beinahe an den Bettel stab gebracht. Von der bekannten Blitzesschnelle, mit welcher sich damals das Kriegsunglück über die ostclbischcn Gebiete Preußens verbreitete, erhält man einen neuen überraschenden Begriff aus der Klage des schon erwähnten Leipziger Gastwirts und Pferdehändlers darüber, daß ihm schon vor dein 14. November 1806 zn Prenzlin in Mecklen burg durch einen Hnsaren-Rittmeister der Avantgarde Bernadottes zehn Pferde mit Gewalt aus dem Stalle ge nommen worden seien. Mit der Bekanntgabe dieser offensichtlichen Kriegsleiden der Bewohner der weiteren Umgebung Leipzigs im Jahre 1806 ist noch keineswegs alles Wissen von den großen Noten in jenen Zeiten vollständig ansbcreitet. Sicherlich, sie waren die augenfälligsten: aber nicht minder drückend waren die von der einheimischen Obrigkeit geforderten ^efenlngcn, die von den feindlichen Truppen eigenmächtig gestellten Ansprüche, die Verluste durch Raub, Gewalt und Drohung, die Opfer, welche die Einquartierungen heischten, und endlich die Sorgen nm die Zukunft, da die Einsaat des Wintergetreides unterblieben war. Schon während der Verhandlungen zwischen Preußen und Sachsen zu gemeinschaftlichen Schritten gegen Frank Kaltenbrunnertoni, war nicht nur sein Jugendfreund, sondern auch sein „LeidcnSkollege", weil er „auch so eine" aus dem Buckel hatte, vor der die Leute das Kreuz machten, wenn sic ihnen in den Weg kam. Heute lam er gerade recht. Der Kaltenbruunertoni hatte einen frischen „Lantzcn" angesteckt und im Herrenstübl saß bereits eine Corona von Förstern und Grenzern aus Oesterreich und Bayern zu sammen, nm dem edlen Tarvkspicl zu huldigen. Loisl zog seinen Mantel aus, hing ihn mitsamt der Mütze im Schankzimmcr an einen Nagel und ging dann hinein zu dcu Freunden und Kameraden, um sich zu einem Spielchen niederzulasscn. Aus einer Viertelstunde wurden aber mehrere und fast schien es, als ob die edlen Stammgäste gänzlich ihren Dienst vergessen hätten. Mittlerweile, während draußen ein dichter Regen her- nicderprasseltc, kam ein durchnäßter Mann von etwas ver wildertem Aussehen in die Gaststube, der sich bei der Wirtin ein Glas Bier bestellte. Die Kaltenbrunner Nandl, eine schielende, kleine, ver wachsene Person, die nur ihres Geldes halber einen Mann bekommen hatte, legte bei seinem Eintritt warnend den Finger auf den Mund. „Lauert schau', daß du weiter kimmst", flüsterte sic ihm zn, „dös ganzeHerrenstübl ist voll von Grenzern undAorst- leut'n. Heut' nacht gibt's a Kesscltreib'n auf Enk. Bloß die Bertelsgadner wollcn's noch verwarten, nachher geht'v los auf zwoa Seiten. Alle Augenblick' müaflcn s' da sein." „Hinnnelsakra, was mach i nu?" rief der Ankömmling verlegen aufspringend. „Auf die Weis' bin i ja richtig in 'ra Sackgassen einig'rennt. Mit knapper Not bin i von 'ner Viertelstnnd' den St. Johanner Grenzern auskomma." Die verwachsene Wirtin „Zur Wasserscheide" — zuckte ratlos die schmalen Schultern. Sic war von jeher gegen den Willen ihres Mannes eine verschwiegene, treue Ge- hülfin und Warncrin der Wildschützen und Schmuggler gewesen, und cs tat ihr jetzt aufrichtig leid, den Hauptmann der so energisch verfolgten Schmuggler ohne Hülfe lasten zu müssen, denn ein Versteck tn ihrem Hause war so gut wie ausgeschlossen. Mit einem Male aber richtete er sich, wie von einem rettenden Gedanken erfaßt, hoch auf. reich wurde, wie schon angeführt, von den sächsischen Kreis- konrmifsariaten eine Lieferung von Getreide und Futter an die Kurfürstlich Sächsischen Magazine in Aussicht ge stellt, und zwar 42Z4 Pfund von jeder Hufe. Das Unglück der Verbündeten und der Einbruch des Feindes in unser Land machten der schonenden Rücksichtnahme unserer Re gierung bald ein Ende und zwangen zur Einforderung von verschiedenen Ausschreibungen, z. B. von 1 Scheffel 2^- Metze Weizens auf lHufe Landes. Da diese Lieferungen be zahlt wurden, so könnte man meinen, hätte der sächsische Landwirt durch diesen Krieg ein unerwartet bequemes Absatzgebiet für seine Erzeugnisse erhalten gehabt. Dem mar leider nicht so, „denn", so schreibt z. B. Justizamtmann Friedrich Cuno in Colditz am 10. Dezember 1806, „bei der letzten Mehl-, Hafer-, Heu- und Strohlieserung haben De courte stattgefunden, welche den Ortschaften zusammen gerechnet an die 600 Rtlr. gekostet haben, obschon dieselben reichlich gemessen nnd gewogen und in guter Qua- litäi, das heißt, so gut sie cs selber haben, abgeliefert." Und wie hier, so ist cs sicherlich auch anderwärts gewesen: aber cs sollte noch viel schlimmer kommen. Tat der Land mann auch „alles Ersinnliche in Ansehung der Güte, des Maßes und Gewichtes" zur Erfüllung der an ihn gestellten Forderungen, ja lieferte er, wie man uuterm 12. Dezember 1806 aus Rochlitz schrieb, den Kern des Mehle und aß da« Schwarze selbst, so konnte er doch nicht die Zufriedenheit des eingebrocheneu Feindes erlangen. Anstatt die Liefe rungen in natura anzunehmcn, forderte man sie schließlich in Geld, nnd davon war der Bauer durch mancherlei Um stände „fast gänzlich entblößt". Das Unvermögen, den ausgeschriebenen Lieferungen in dieser Form zu genügen, wurde nicht bloß von einzelnen Bauern, die Brandnuglück heimgesucht, und daher weder Brot für sich, noch Futter für die Ihrigen hatten, bestätigt, sondern auch von ganzen Ge meinden, z. B. Seegeritz bei Taucha. Wie mitunter auch — dem Kreiskommissar ganz unerwartet — Lieferungen ausgeschrieben werden mußten, möge durch die Mitteilung bewiesen sein, daß am 3. November in Leipzig für das Biwak von 16 000 gefangenen Preußen und 4000 Mann französischer Bedeckung 8l)00 Bund Stroh gefordert wurden. Wohl'streckte sie augenblicklich der Kriegskommissar Andree vor, aber der Rat unserer Stadt ließ sie wieder durch die Krcisdcputation vom platten Lande einfordcrn. Sv wenig der eingefallene Feind in der Ernährung seiner Truppen dem unschuldigen Landbewohner gegen über den Ruf einer ritterlichen Kriegsführung wahrte, so wenig auch bezüglich der Beförderung derselben und der des Kriegsmaterials. Nicht in mitgebrachten französischen Geschirren ließ der französische Kaiser nötig werdende Transporte vollführcn, sondern der Deutsche mußte zur rascheren Unterjochung und Verwüstung seines Landes die eigenen Pferde nnd Geschirre hergebcn, in Lützen z. B. am 31. Oktober 56, am 2. November 30 und am 3. No vember wieder 56. Wohl wurde der Bauer für diese Fuhren entschädigt, und zwar am 10. Dezember 1806 in Colditz noch für ein Viergespann pro Tag mit 5 bis 6 Talern, am 12. Dezember in Rochlitz bereits mit 8 bis 12 Talern, so daß auch diese Verhältnisse hätten zn einer reichen Einnahmequelle werden können. Leider aber hatte diese scheinbare Rechtlichkeit ihre bedauerliche Kehrseite. Die Ucbernahme von Fuhren war keineswegs dem persön lichen guten Willen des Einzelnen überlasten, sondern die Behörden zwangen zur Ausführung solcher Dienste. Sie konnte natürlich nur der Pferdncr leisten, aber die Ge samtheit der Einwohnerschaft eines Ortes hatte die Kosten dafür anfzubringen. Oft geschah es, daß die Pferdncr kaum wieder in ihr Heimaisdvrfchcn zurück, nnd schon wieder behördliche Aufforderungen zu neuen Spann diensten cingetroffcn waren: anfänglich geschah dies aller elf Tage, später aller neun, ja im Dezember so häufig, daß man, z. B. in Gaudlstz bei Döbeln, schließlich binnen 24 Stunden drei Militärsnhrcn nach Hubertusburg tun und „zugleich darneben auch die Leipziger Fuhren „I hab's Nandl! Stell' di a bissel vor die Tür hin und laß kvan außa", flüsterte er. Die Wirtin tat, wie ihr geheißen, und blitzschnell sprang er zur Wand, wo Loisls Mantel und Mütze hing, bekleidete sich mit denselben und war zur Tür hinaus. Neben dem Stallgebäude war ein Hvlzhaufcn. Aus diesen: zog er ein Gewehr hervor und schritt dann ruhig den Weg entlang, der nach Ramsau hinabführt, konnte er den Marktflecken noch vor Tagesanbruch erreichen, war er gerettet — es war ihm dann ein leichtes, nach ReichcnhaU zu gelangen und mit dem ersten Frühzuge wieder nach Salzburg zu entkommen. Er war noch nicht eine Viertelstunde gegangen, als ihm bergauf einige Männer entgcgenkamen, welche sein scharfes Auge trotz der herrschenden Dunkelheit als Greuzbcamte erkannte. Es war das Kommando aus österreichisch Saalfelden, die sich an dem heutigen und morgigen Treiben beteiligen sollten. „Himmelsakra, nu iS g'fchlt, wenn mi mei Courage verläßt", dachte er sich, aber er war bereit, bis auf die letzte Minute sich durchzuichlagen. Kühn trat er den vier Beamten entgegen und ries ihnen ein gebieterisches „Halt!" entgegen. „Gut Freund. Grenzer aus Saalfelden!" lautete die Antwort. „Grenzer aus Ramsau", entgegnete der Schmuggler mit Seelenruhe, dann reichten sich der Verfolgte und seine Häscher zum Gruße die Hand. „Wohl auch neu, Kamerad?" sagte der Führer des österreichischen Kommandos. „Ja, seit gestern bin i da zur AuShülf'. Brunner hoaß i, Jäckel Brunner." „Sö, so — na, dann werd'n wir uns schon näher kenna lerna", meinte der Führer gemütlich. Aber wo wollen L' dann jetzt hin, Kamerad. Es iS ja no viel zu früah." Den Bcrtelsgadnern will i entgegen", sagte der Schmuggler trocken. „Sie sollen an andern Gangsteig einschlag'n." „Dös is schön. Wir geh'n jetzt auksi in die „Wegscheid'", versetzte der Führer arglos, „is was los ob'n?" „Na, dvs möcht' i moana!" sagte -er Pascher mit der
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