Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030901020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903090102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903090102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-01
- Monat1903-09
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs. Preis di der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 8.—. bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus ^l 3.7k. Durch die Post bezogen für Deutsch- land «. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeüungSpreiSüste. Nedaktiou und Expedition: JohanntSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. FUialeupeditioner, r Alfred Hahn, Buchhandlg., Uutversitätsstr.3, L. Lösche, Sathartuenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt Filiale Dresden: Marienstraße 34. Ferusprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: Earl vuncker, Herzgl. Bahr. Hosbuchhandlg., Lützowftraße 10. Ferusprecher Amt VI Nr. 4803. Abend-Ausgabe. Mjpngcr TagtblaN Anzeiger. Amtsblatt des Äönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktion-strich (4 gespalten) 7b H, vor den Familirnnach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 L, (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 80.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. Nr. Dienötag den 1. September 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. September. Ausgaben der nationalliberalen Partei und der nationalliberale» Jugend. Zu den erfreulichsten Erscheinungen der Rührigkeit inner halb der nationallibera'.en Partei gehört der zu WormS ins Leben getretene uationalUberale Arbeiterverein, dem sofort gegen 1000 Mitglieder beitraten. Dieses Bei spiel und dieser Versuch spornt zur Nacheiferung an; auf unfruchtbaren Boden würde beides nicht fallen, wie die Darrungen deS Eisendrehers Uebelhör - Augsburg auf dem Eisenacher Delegiertentage zu versprechen scheinen. Nur dürfen sich unsere Parteifreunde die Werbung in Arbeiter kreisen nicht verdrießen lasten und auch vor den unausbleib lichen Kämpfen mit den sozialdemokratischen festgeschloffenen Arbeiterorganisationen und vor der höhnischen Ueberbebung der letzteren und dem Achselzucken der anderen Parteien nicht zurück schrecken. Germgschätzcndes Urteil müßten auch die national liberalen Iugendvereine überwinden und haben da gegen zu kämpfen bis auf den Mutigen Tag. Sie ließen sich aber nicht irre machen: jetzt zählt die „Nationalliberale Jugend* bereits Kl Vereine, von denen 37 enger im Reichs verband organisiert sii.d; 22 Neugründungen von Vereinen stehen bevor. Diese im Verlause weniger Jahre entstandenen Organisationen haben sich als treue Kampfgenossen der nationalliberalen Partei bewiesen. In dem erklärlichen und von den älteren Parleiangebörizen durchaus als berechtigt und wünschenswert anerkannten VorwärtSbrängen der nationalliberalen Jugend glauben unsere Gegner, vor allem das Zentrum, die todbringenden Keime der Zwietracht und Spaltung zu erblicken völlig eitle Täuschung! Jenen Kadaver-Gehorsam und den blinden Autoritäts- Glauben freilich, den die Zentrumspartel und im Grunde genommen durch ihren Terrorismus auch die Sozial demokratie ihren Parleiangehörigen auferlegt, kann und will die nationalliberale Partei von ihren Mitgliedern nicht verlangen, erst recht nicht von den Jugenbvereinen. Sehr treffend führte dies in einem warmherzigen Be- grüßungSartikel an dem in Mannheim beratenden Ver tretertage der nationalliberalen Iugendvereine der „Mann heimer General-Anzeiger* aus, der der Unabhängigkeit und dem Talendrange der Iugendvereine gegenüber das Pflicht gefühl gegen die Partei betonte: „Einen Nachwuchs, der blindlings äuf überlieferte Worte schwört, könnte der Liberalismus nicht brauchen; er braucht Männer, die eine aus Stürmen geborene, in Kämpfen gehärtete Ueber- zeugung im Leben zur Geltung zu bringen wissen. Es kommt nicht so sehr darauf an, daß alle Mitglieder einer liberalen Partei stets einer Meinung sind, als viel mehr darauf, daß sie als Richtschnur für ihr Tun und Streben bei sich und ihren Gesinnungsgenossen jenes Gemeingefühl entwickeln, das der Kaiser einmal in das stolze Wort gekleidet hat: civis xornmnus «um! Ich bin ein Bürger des Deutschen Reiches, das heißt, auch ich bin ein Teil von jener unabhängigen Kraft, die neben Kaiser und Bundessürsten die Geschicke des Reiches bewegt! Dies gehobene Bewußtsein erzeugt, richtig verstanden, nicht nur ein Gefühl des Stolzes, sondern vor allem auch der Verantwortlichkeit. Und daß es stets und von jedem so und nicht anders verstanden werde, dazu ihre Mitglieder und Freunde zu erziehen, muß die vornehmste Aufgabe der nationalliberalen Iugendvereine sein. Mögen dann die Meinungen, befeuert vom berechtigten Unabhängig- kettssinne des freien Bürgers, noch so scharf aufeinander platzen: das Gefühl der Verantwortlichkeit wird die Kämpfer des Wortes im gegebenen Augenblick zusammenführen zu gemeinsamer Tat. Denn ohne Unterordnung, ohne Zugeständnisse, ohne Selbstbeschränkung und Selbstzucht kann keine politische Arbeit gedeihen. Innerhalb einer Partei kann die Freiheit der Meinungen um so größer sein, je geschlossener ihr Auftreten nach außen ist. Wer immer einer nach außen wirkenden Körperschaft beitritt, weil er sich in ihren Wegen, ihren Zielen im großen Ganzen mit ihr eins weiß, der darf dennoch nicht vergessen, daß jedes Zusammenwirken vom Einzelnen ein Opfer an seiner Persönlichkeit fordert, größer beim einen, geringer beim andern. Daß er seine ganze Persönlichkeit opfere, kann von niemand verlangt werden; aber daß er seine und nur seine Persön lichkeit rücksichtslos durchsetzen könne, muß auch niemand erwarten, der einer Partei beitritt." Dieses talensrohen Unabhängigkeitsgefühles sowohl, wie der Pflichtigen die Partei ist sich renn auch der Mannheimer Ver- lrelertag nach den vorliegenden Beuchten bemübt gewesen. Einmütig wirb denn auch die Partei der einmütigen Er klärung der Jungliberalen beipflichlen, daß die Bekämpfung der bisherigen ultramontan-reaklionären Mehrheit im preu ßischen Abgeordnetenhause energischer als bisher betrieben werden müsse, und ebenso einmütig der weiteren Erklärung, daß das bestehende NeichStagswablrecht zu erhalten sei. Mit seiner Ausdehnung auf die Bundesstaaten werden sich freilich die älteren Parteigenossen nur da einverstanden erklären können, wo die Verhältnisse eine solche Reform ohne Gefahr für den Staat zulasten. Aber darüber werden sich auch die nationalliberalen Iugendvereine nicht täuschen, ivndern da, wo die Einführung des Reichstagswahlrechts zur Zeit un tunlich ist, ihr Bestreben darauf richten, in der Jugend eine Einsicht und eine Gesinnung großziehen zu helfen, die eine patriotische Anwendung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts verbürgt, und in diesem Bestreben dürfen sie auf die kräftige Beihülse der älteren Parteifreunde zählen. Tie Nationalsoztalen haben am Sonnabend und Sonntag in Göttingen ihren letzten Parteitag abgebalten. Die Versammlung, an der über 200 Delegierte ^lc,(nahmen, beschloß bekanntlich ein stimmig, die bisherige Organisation des Hauptvereins aus zulösen. Dieser einstimmige Beschluß war der beste von allen, die hätten gefaßt werden können, denn kaum je hat es ein Parieigebilde gegeben, in dem so schroffe Gegensätze nebeneinander wohnten. Das trat so recht auf dem letzten Delegiertentage hervor. Professor Sobm hatte die monarchische Tendenz des Nationalsozialismus betont. Dagegen wendeten sich Or. Maurenbrecher und vr. Stein. Der erstere sagte: „Es ist falsch, daß w>r programmmäßig monarchisch sind. Wir sind in der Theorie antimonarchisch.* Er verstehe es nicht, wie man sich gerade einer der schwächlichsten und verfallendsten Partei, der Freisinnigen Vereinigung, anschließen könne. Er empfehle den Anschluß an die Sozial demokratie. Aehnlich sprach I)r. Stein; die nationalsoziale Partei sei keine grundsätzlich monarchische Partei und halte das Königtum nicht für unentbehrlich. Daß ein Parteigebilde zerfallen mußte, in dem solche Gegensätze be standen, ist eigentlich selbstverständlich. So konnte es auch nicht befremden, daß eS zu einer Einigung über die weitere politische Tätigkeit der Mitglieder nicht kam. vr. Naumann halte das vorausgesehen, denn während er früher einfach den Uebertritt zur Freisinnigen Vereinigung empfohlen hatte, trat er auf dem Delegiertentage mit dem überraschenden Anträge hervor, daß der politische An schluß von der eigenen Entschließung der OrtSvereine und Landesorganisationen abhängen sollte. Wie viele dieser Vereine und Landesorganisationen sich für den Uebertritt zur Frei sinnigen Vereinigung entschließen werden, läßt sich nur ver muten, da bei der Abstimmung über den betreffenden Vor schlag ein Teil der Delegierten die Heimreile bereits angetreten hatte. Die große Mehrheit fcheint aller dings für den Vorschlag gewesen zu sein, den u. a. Naumann, Sohm und Gerlach befürworteten. Ein kleiner Teil gebt zu den Sozialdemokraten in der Hoff nung, Bebel und Singer entthronen und den übrigen Ge noffen nationale Gesinnung einpflanzen zu können. Im besten Falle werden diese Herren zersetzende Elemente in der sozialdemokratischen Partei bilden — vorausgesetzt, daß sie ausgenommen und nicht selbst umgewandelt werden. Der Rest bleibt vorläufig parteilos. Ob die Freisinnige Vereinigung wirklichen Gewinn von dem Zuwächse haben wird, ist nach der Erklärung Sohms: „Indem wir uns der Freisinnigen Vereinigung anschließen, denken wir nicht daran, irgend etwas von unseren Grund sätzen auszugeben; wir bleiben, was wir sind, wir werden die Fahne des Nationalsozialismus stets hoch halten", zweifel haft. So steht auch die „Voss.-Ztg." der Fusion sehr kühl gegenüber und nur das „Berl. Tagebl." baut auf sie große Hoffnungen. Jedenfalls verschwindet ein Parieigebilde, das rrvtz rer redlichsten Absicht seiner Führer nur Verwirrung in den Reiben des liberalen Bürgertums anrrchtele und in ent scheidenden Stunden seine Kraft zersplitterte. Der „magyarische Nationalstaat". Man hat in den letzten 35 Jahren mit dem „magyarischen Nationalstaat" iin liberalen Lager Oester reich genug kokettiert, man hat die magyarischen Staats männer offen genug ermutigt, diesen Nationalstaat, auch auf Kosten der nichtmagyarischen Bevölkerung, getrost auszubauen, und meinte dadurch die Freundschaft der Magyaren für das liberale Regime in Oesterreich zu ge winnen. Das hat so lange gedauert, bis schließlich die „nationalen Forderungen" der ungarischen Liberalen von denen der Kossuthisten gar nicht mehr zu unter scheiden waren; nur gerade in der Bestimmung des Zeit punktes, wann man mit den „nationalen Forderungen" ganz heraustreten solle, ist man heute verschiedener Meinung. Diese Forderungen aber, die sich nur im Augenblick vornehmlich auf die Magyarisierung des „ungarischen Teiles der gemeinsamen Armee" richten, sie stellen sich als natürliche Konsequenz -er von Oester reich Jahrzehnte lang protegierten Bestrebungen im Dienste des Ausbaues des magyarischen Nationalstaates dar. Und nun ist man plötzlich in Oesterreich ganz ver blüfft, nun, nach dem die „Neue Freie Presse" die ganze Zeit seit dem Ausgleiche des Jahres 1867 her als Wiener Organ der ungarischen Regierungen mit Be geisterung das Lob dieser Regierungen gesungen, die allesamt am „Ausbau des Nationalstaates" arbeiten zu wollen erklärten und es auch redlich taten, nun findet ganz diefslbe „Neue Freie Presse", -atz „Oester - reich wie Ungarn Nationalitätenstaaten sind" und ruft Herrn Kossuth zu, er „könnte sich sagen, datz für Zweideutigkeiten im Ge brauche des Wortes national selbst in Ungarn die Zeit vorüber i st". Das ist ein Er eignis, das ist ein so gewaltiger und plötzlicher Um schwung politischer Grundanschauungen, -er nicht über sehen werden kann. Ja freilich geht es jetzt dem gemüt lichen Oesterreich gar stark an den Kragen, denn plötzlich hat das Wort „national", das die Magyaren in Ungarn nur in! der Bedeutung magyarisch-national ver stehen und dulden wollen, drüben im Nachbarhause Schule gemacht; Tschechen und Polen begrlitzen schon die kossuthistischen „Forderungen" mit Sympathie, denn diese Forderungen treiben Wasser auf ihre Mühle, Tschechen und Polen wollen tschechische und polnische Kommandosprache, bald werden wohl auch die Winden und die Italiener und die restlichen Nationsfragmente und Miniaturnatiönchen kommen, und wie lange wird es noch dauern, daß der Wellenschlag der Idee der „nationalen" Forderungen wieder zurückkehrt, daß die Rumänen, Slowaken und Serben folge richtig ihre Forderungen aufstellen, wenn der Prozeß nicht gewaltsam zum Stehen gebracht wird? Habs burg werde hart!" möchte man der Dynastie und dem Träger der Krone zurufen, und es scheint wirklich, als ob bei Hofe endlich die Erkenntnis durchdringe, daß der gehätschelte Kossuthismus, wenn er zur Herrschaft ge langt, für die Monarchie den Keim der Zersetzung in sich trägt, und es wird dem Kaiser, wenn er mit fester Hand zufassen und den ungarischen Chauvinismus zur Raison bringen will, an kraftvollen Stützen nicht fehlen. So hat sich dieser Tage erst der Landeshauptmann von Ober österreich, Abgeordneter vr. Ebenhoch, zur ungarischen Krise geäußert: „Wenn Ungarn den sehr gefährlichen Schritt in die wirtschaftliche Selbständigkeit wagen will, so muß es auch selbst die Verantwortung tragen. Aber es ist dann vielleicht um so bester, je schneller der Schritt erfolgt, um der ewigen Unsicherheit und den weiteren Opfern Oesterreichs ein Ende zu machen. Ungarn will aber noch mehr; es will die Zerreißung -er Armee in einen österreichischen und einen ungarischen Teil, eS will die völlige Trennung beider Staaten, eS will auch dem Auslande gegenüber selbständiger Staat neben Oesterreich sein, es soll der Begriff österreichisch ungarische Monarchie aus der Weltgeschichte ver schwinden. Diesen Forderungen wüsten wir im Lebens intereste alles dessen, was uns lieb und teuer ist am Be griffe und Wesen Oesterreichs, auf das schärfste entgegen treten. An der Einheit der Armee, an der Gemeinsam keit beider Staaten nach außen darf nicht gerüttelt werden. Oesterreich ist im Falle der Aufrechterhaltung dieser Forderungen Ungarns zu den schärfsten Repressalien gegen Ungarn geradezu ver pflichtet und hat Mittel genug, diese auch durchzu führen. Unter dem Eindrücke all dieser Tatsachen dürfte, wenn in Ungarn die Dinge nicht gründlich sich ändern, der Ausgleich mit Ungarn, die Quote ufw. wohl nur sehr schwer eine Majorität im Parlament finden." Die militärisch-politische Lage i« Nigeria. Mit Rücksicht auf die letzthin stattgefundenen erfolg reichen Gefechte der Enaländer in Nord-Mgeria, sowie auf die gegenwärtig schwebende Grenzregulierung zwischen dem deutschen und dem englischen Schutzgebiete dürfte di« nachstehende, uns aus Old-Calabar (Süd-Nigeria) zu gehende Mitteilung über die militärisch-politische Gitua- tion dieser englischen Kolonie von Interesse sein: Di« Streitkräfte Süd-Nigerias bestehen zur Zelt aus S Kom pagnien Infanterie in Stärke von 1200 Mann. DiHe bilden das Southern-Nigeria-Regiment, welches in näch ster Zeit um 300 Mann verstärkt werden soll. Ferner sind 2 Batterien Artillerie in Old-Calabar garnisoniert. Die Soldaten sind Eingeborene, meist Hausias, die Offiziere und ein Teil der Unteroffiziere Weiße. Jede Kompagnie hat etatsmäßig einen Hauptmann und 3 Leutnants, doch wird hierbei damit gerechnet, daß ein Offizier beurlaubt und einer krank sein kann. Die Bedingungen für das Kommando sind wie bei den Beamten sehr günstig: ein Jahr Dienstleistung, darauf 6 Monate Urlaub. Das Re giment ist zum Teil im Hinterlande auf Mtlitärstationen verteilt, in Old-Calabar, wo jetzt sehr schöne Kasernen auS Ziegelsteinen für die Soldaten aufgeführt werden, sollen sich dauernd vier Kompagnien befinden, Offiziere und Mannschaften, welche letztere dieselbe Uniform tragen, wie unsere Kamerun^Schutztruppe, machen einen sehr guten Eindruck. Ein Teil des Southern--Nigeria-Regi- Feuilletsn. 22j Nenate von Grieben. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck verboten. „Sie sind sehr gütig, Herr Pastor!" Der Pastor stößt mit seiner Pfeife auf den Fußboden. „Gütig — Unsinn — eh, wollte sagen, einfach meine Pflicht! Und nun nehmen Sie's nicht übel, meine Predigt — er zeigt auf das tannene Stehpult zwischen den Fenstern — „da liegt sie und harrt der Vollendung. Und meine Frau, ja die müßten Sie gleichfalls entschuldigen; denn was ich an Predigtstudium, das leistet sie in dieser gesegneten Jahreszeit im Knchenbacken, und dabei möchte ich selbst sie lieber nicht stören." „So wird auch Justine beschäftigt sein. O, bitte —" wehrt Renate, als der kleine Mann mit tatkräftigem Heben seiner hackenlosen Pantoffeln türwärts strebt — „ich sehe sie ein andermal." Er zieht seine Schultern so hoch, daß sein weißhaariger Kopf fast zwischen ihnen untertaucht. „Kinder sind Kinder, aber ein schnurriges Mädel ist sie. Eben noch hier im Zimmer und gerade, als ich so einen Blick zum Fenster htnauswerfe und sage: da kommt ja Renate — ist sie auf und davon. Ich meinte natürlich, Ihnen entgegen. Na, wer weiß, wie das zusammenhängt! Um diese Christfestzeit hat eben jedes Frauenzimmer seine Geheimnisse. Indessen", lacht er, „kommen soll sie doch! Und er steckt den Kopf aus der Tür: Justine!" vielleicht spricht sie einmal bei mir vor", wirft Renate ein. ,„J wo!" brummt der Pfarrer. „Solch' Mädel muß immer Zett haben; bei uns alten Menschen ist das etwas anderes. — Justine! — Ei, da soll doch —" Und hinaus ist er, um nach zwei Minuten schlürfend und ein bißchen schnaubend zurückzukehren. „Man sollt's kaum glauben: Sitzt im Wohnstübchen meiner Krau und studiert über Ehamiffos tzrauenltebe und -Leben, daß ihr der Atem ausgeht! Na, hier kann ich beide doch nicht brauchen, so kommen Sie nur mit! Ein Mädel, das zwei Tage vor Weihnachten nichts Besseres zu tun hat, als Liebeslyrik zu lesen, wird doch wohl für eine Freundin zu sprechen sein. Meinen Gruß an Herrn Bollhard!" Diesen Gruß erhält Renate unter einer halben Ver beugung und einer ganzen Oualmladung von des Pastors feinem leichten Varinas Nr. 2 (das Pfand zu einer Mark vierzig, höher ging er nicht) ins Gesicht geblasen und steht im nächsten Augenblick Justinchen Frydag gegenüber. Für Letztere ist es ganz gut, daß ihr Vater sich ent fernte; die nonncnbafte Kälte, mit der sie Renate be grüßte, dürfte ihn schwerlich befriedigt haben. Nicht einmal die Hand der Besucherin nimmt sie an. „Aber, Justine! Fehlt dir etwas? Oder — bist du mir meines Schweigens wegen gram?" Renate hat allerdings einen «Brief, den sie in Berlin wenige Tage nach ihrer Mreise aus Riedstädt von der Freun-in erhielt, im Gewirre der 'sich drängenden Er eignisse und Eindrücke unerwidert gelassen. Aber ihr des- wegen jetzt zu zürnen, wäre doch kindisch,. Halb Schrecken, halb Trotz strahlen Justinens Kinder augen. „Ich habe mich nicht nach einem Briefe von dir ge sehnt." Dies klingt allerdings nicht wie Schreck, nur blanker Trotz. Da Renate der Kleinen beschwichtigend den Arm um die Taille legen, sie an sich ziehen will, flicht sie förmlich vor ihr in die fernste Ecke des Zimmers. Und wieder leuchten die beiden blauen Sterne sie angstvoll an. ,^Jch bin wenig zu Kindereien gestimmt, Justinchen", kann Renate sich nicht enthalten, zu sagen. „O du!" flüstert die Kleine. „Du!" Und die offenen Augen füllten sich mit Tränen. „Daß du es 'über dich vermochtest, mich zu besuchen — nach dem Schrecklichen, was vorgefallen — das hätte ich nicht von dir erwartet. Warum gehst du nicht lieber gleich zu Frau Doktor Buschkorn, die dir so viel verdankt? . . . eine trostlose Weihnacht! Du, um derentwillen ihr Sohn jetzt ." Sie stockt. Still weinend schlägt sie die Hände vor die Augen. ,-Justine! Was ich zu tragen hatte, «war wahrlich hart genug. Das Wiederfiüden meines unglücklichen Bruders, sein Tod und dann —" Justine hebt den Koos. „Deines Bruders, ta! Warum mußte er sich mit ihm oinlaflen? Um «dich zu beschützen, nicht wahr? Das leugnest du doch nicht, wie alle Welt es sich in Riedstädt er- zählt?" „Ich hatte ihn um — solchen Schutz nicht gebeten." ,^O nein. Nicht mit Worten, gewiß nicht! Aber es gibt dringendere Forderungen, ungefprochene Rechte, welche sich aus gewissen Verhältnissen von selbst ergeben." „Ich verstehe dich nicht." „Soll ich noch deutlicher werden?" fragt Justine. „Dir sagen, daß «du ihn durch deine Koketterie an dich gefesselt hast, daß er nichts mehr nach seiner Mutter, nach — nach keinem Menschen auf der Welt fragt, als nach dir? Du weißt das gewiß nicht, willst ihn gar nicht als dein eigen, hast ihn auch wohl nie aeliebt und nur dein Spiel mit ihm getrieben? Denn zum Ernst war er dir doch viel zu — zu — bürgerlich!" »o, nun ist das Schreckliche heraus, und das Pfarrers töchterlein birgt das schamglühende Antlitz wieder in ihrem Tu«che. ,-Aber, liebst« Justine, ich schwöre dir, «daß ich nie daran gedacht habe — nie. nie!" Mit ungehemmter Heftigkeit entsprüht das Renatens Lippen. Justine antwortet nur mit einem Kopffchütteln. Und dann ein kategorisches: „Geh, lab mich!" Renate geht. Aber während sie durch den «Schnee der mittäglich belebten Straßen stapft, -hält sie den Blick ge senkt wie eine Sünderin. Die Leute mußten ihr ja nach- sehen. Alle, in deren philiströser Phantasie sie sich zweifels ohne längst zu etwas Ungeheuerlichem ausgewachsen hatte. Denn was Justine behauptete, würde in «.Riedstädt Gemein gut sämtlicher Klatschbasen sein. Um Gott, traf sie denn außer -erschweren Schuld gegen sich selbst wirklich noch eine schwere gegen an-dere? Wenn es Wahrheit, was Justine von Biffchkorns Meinung zu ihr verriet, hatte sie solche Neigung durch irgend eine Hand lung zu wecken, zu nähren gesucht? Und deshalb — aus Liebe zu ihr, nicht aus schlicht kameradschaftlicher Ritter lichkeit sein verhängnisvolles Handeln in Berlin! Des halb sie die Schuldige am Schmerz einer Mutter um die Trennung vom einzigen Sohne. Ihr wird ganz wirr. Plötzlich bleibt sie stehen und sieht nach der Uhr. Gerade noch Zeit zu einem Gange. „Bin ich «wirklich schuld an Ihres SohneS Un glück und Ihrer Einsamkeit?" Diese Frage an Frau Doktor Bulschkorn ist mit leiden schaftlicher Raschheit hervorgestoßen, ohne alle Prälimi- narien, ja kaum nach einem kurzen Gruße, daß die ein wenig starke kleine Frau Doktor erst ein paarmal nach Atem schnappt, ehe sie — nicht gerade unfreundlich, aber doch ohne die Herzlichkeit, der«n Renate sich nach früheren Begegnungen hätte versehen können« — erwidert: ,Hch «verstehe nicht ganz, was «Sie damit sagen wollen,' Fräulein von «Grieben. Aber, bitte — setzen wir un- dock!" Renate aber bleibt neben «dem Stuhl, den sie ihr htm» schiebt, stehen mid fragt mit innigem Flehen: „Ob auch Sie glauben, daß ich Ihren Herrn Sohn« ver anlaßt hätte, mir" — sie stockt — „den Hof zu machen", schließt sie dann errötend und fährt nach einem tiefen Atemzuge fort: „Und daß er gewissermaßen in meinem Banne jene Tat auf sich geladen hätte, deren Folgen ihn jetzt von Ihnen fern halten?" Frau vr. Buschkorn hustete. „Warum fragen Sie?" „Justine Frydag redete etwas der Art.7 ,Mch so!" Wieder ein leises Hüsteln. „Es gibt Dinge, mein licbeS Fräulein, die ein junger Mann auch der eigenen Mutter ungern eingesteht, am wenigsten, wenn sie ihn danach befragt. Und das — ich will es nur zugeben — habe ich nicht gewagt. Er ist noch so sehr jung, daß mir der Gedanke, mich mit jemand ander»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite