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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021015021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
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- Monat1902-10
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Die Debatten, die von den Sozialdemokraten über Maßregeln gegen die Arbeitslosigkeit angeregt wurden, als m diesem Jahre die ersten Knospen sprangen, werden heute beim Fallen deS welken Herbstlaubes ihren Fortgang nehmen, und den gestrigen Auseinandersetzungen über dieLerein s- un d Versammlungsgesetzgebung und deren Handhabung be sonders in Preußen fehlte der Reiz der Neuheit ebenso, wie einer Polenrede. Leider läßt sich auch noch nicht bestimmt Voraussagen, wann die wichtige Entscheidung fallen kann, auf die alle Welt gespannt ist: die Entscheidung über die in tz 1 des Z o l l - tarifgesetzeS enthaltenen M i n d e st z ö l l e. Zwar ist im Seniorenkonvent, der sich gestern vor der Plenar beratung um den Grasen Ballestrem versammelte, die Rich tung durchgedrungen, welche die zweite Plenarberaluug der Zollvorlagen mit diesem tz 1 des Zolltarifgesetzes beginnen will, und da die für morgen auf die Tagesordnung gesetzte Interpellation über die Fleisch not voraussichtlich vom Re gierungstische keine Beantwortung finden wird, weil die an geordneten amtlichen Erhebungen noch nicht abgeschlossen sind, so kann am Freitag mit der Beratung deS wichtigen ersten Paragraphen des Zolltarifgesetzes begonnen werden. Da aber die Sozialdemokraten alles versuchen wollen, um die Inangriffnahme der zweiten Lesung der Zollvorlagen hinauszuschiebeu, so sind die Beschlüsse des Seniorenkonvents bei der noch etwas spärlichen Besetzung deS HauseS für dieses nicht bindend. Erfreulich ist es wenigstens und eröffnet zugleich eine nicht ungünstige Aussicht aus das endliche Schicksal der Zollvor- daß d:? 1'—.Köln. VoUszlg." ihre Parteigenossen dringend mahnt, durch zahlreiches Erscheinen und geschult Benutzung der geschäftsordnungsmäßigen Mittel die Ob struktion zu überwinden. Wörtlich heißt eS in dem rheinischen Zentrumsblatte: „Vor allein aber, das kann nicht ost genug betont werden, kommt cs darauf an, daß in keinem einzigen Augenblick Beschluß unfähigkeit eintritt, so daß die Verhandlungen stetig gefördert werden können. Es läßt sich nicht verkennen, daß diese Lage, nachdem die Diätenvorlage im BundeSrat noch immer unerledigt liegen geblieben ist, an die Mitglieder Les Reichstages große Anforderungen stell! und von ihnen erhebliche Opfer verlangt. Aber diese Opfer müssen nun einmal gebracht werden, wenn der ernst- liche Versuch gemacht werden soll, das große Werk, das für Landwirtschaft und Industrie gleich wichtig ist, zum Abschluß zu bringen." WaS die gestrige Sitzung betrifft, so ist eS ausgefallen, daß der Präsident, nachdem er dem Hause den Dank König Georgs von Sachsen für die seinem allbeliebten großen Bruder und Vorgänger gewidmete Trauerkuudgcbung mitgeteilt, von den während der Vertagung des Hauses aus dieser Zeitlichkeit abbcrufenen früheren Mitgliedern nur den Abg. Kau ff mann und den Oberpräsidenten v. Goßler, nicht aber Rudolf v. Bennigsen nannte. Zur Auf klärung wird dem „Hann. Kur." aus Berlin telegraphisch gemeldet: „Herr v. Goßler war bekanntlich, ehe er zum Kultusminister ernannt wurde, einige Monate Präsident des Reichstags und offenbar, weil er dieses Ebrenamt bekleidet hat, nicht aber, weil er Minister oder Oberpräsident gewesen ist, widmete Graf Ballestrem ibm Worte deS Gedenkens, denn im Reichstage werden Oberpräsidenten und gewesene Minister bei ihrem Ableben nicht mit einem Nachruf bedacht. So will es die Tradition, dir wohl auch schuld daran ist, daß Graf Ballestrem den Tod Rudolf v. Bennigsens, der längere Zeit Vizepräsident des Reichstags gewesen ist, nicht erwähnte. Nack dem ReichStagSbrauch ist ein Präsident alles, ein Vize präsident nichts. Wer sich des sehr warmherzigen Tele gramms erinnert, durch welches Graf Ballcstrem persön lich der Familie Bennigsen sein Beileid auSdrückle, wird gleich uns der Ansicht sein, daß der ausgezeichnete Reichs tagspräsident, den wir zur Zeit haben, sich der allmächtigen Tradition, die ibm nickt gestaltete, neben Herrn v. Goßler auch Rudolf v. Bennigsens zu gedenken, gewiß nur ungern gefügt Hal." Unter der Ueberschrift „Nochmals die Bocrengencrale" veröffentlicht die „Südd. Neichs-Eorresp." die folgende, ihr von bekannter Stelle aus Berlin zugegangene Darlegung, die zwar nickt gerade Neues enthält, aber bedeutsam ist durch den direkten Hinweis auf die Furcht vor England, welche die Generale zu ihrem seltsamen Verhalten veranlaßt habe. Die Darlegung lautet: „Die Vorgeschichte des Audienzgefuches, das die Boeren- generale mit sicherer Aussicht auf Gewährung an den Kaiser richten konnten, wenn sie den ihnen durch das Ent gegenkommen des Monarchen vorgezeichneten Weg ohne Schwanken und Zaudern betreten hätten, wird fortgesetzt durch vielfache, sich auch untereinander widersprechende Meldungen aus dem Haag, Brüssel, Amsterdam u. s. w. verdunkelt. Nie mand mag trotz aller in den betreffenden Depeschen enthaltenen Bc.ufungcu auf angebliche e^ene Aeußerungen De Weis, Telarcys und Bothas diese selbst für den Wust von ungenauen oder geraoezu falschen Angaben verantwortlich machen. Die Tatsache aber. Laß die Generale von Kaiser Wilhelm nicht unter seiner, sondern unter ihrer Bedingung empfange» sein wollen, steht fest, und dies macht den Empfang unmöglich. Die Bedingung der Generale ist, daß der Kaiser den Wunsch ausdrücke, sie zu sehen. Diese Forderung ist erst nachträglich aufgestellt worden. Aus der an sie ge- langten Mitteilung über die deutschen Empfangsbedingungen konnten die Generale einen solchen Wunsch Les Kaisers schlechter dings nicht entnehmen und haben ihn daraus auch nicht entnommen. Gerade weil sie in der ihnen gewordenen Eröffnung jeden Hinweis auf eine Einladung durch Len Kaiser vermißten, machen sie jetzt diese zur conäitio 8ioo gun von sür die Abgabe eines Empfangs gesuches an den britischen Botschafter. „Falls der Kaiser cs wünscht" — diese Klausel kehrt in Len von bocrischer Seite kommenden Preß- Meldungen immer wieder. Die Generale können nicht ex pack in Abrede stellen, daß sie Lurch den lediglich aus Bezeichnung Les richtigen Weges sür die Audienz gerichteten deutschen Jnitiativschrilt sehr befriedigt waren und sich bereit erklärten, diesen Weg zu be treten. Die amtlichen deutschen Stellen waren hiernach zu der Er wartung berechtigt, daß ihnen die Abgabe des boerischen Gesuchs an Len britischen Botschafter angezeigt werden würde. Statt dessen wurden sie durch eine Mitteilung überrascht, welche die Erfüllung der durch den Kaiser vorgeschriebenen und durch die Boerenführer schon an genommenen Empfangsbedingungen von einer weiteren Kaiser lichen Willensäußerung abhängig macht, d. h. die Generale suchen England gegenüber Deckung hinter dem Kaiser und wolleu an die britischeBer mitte- lungsstelle nicht ohne gleichsam entschuldigenden Hin weis auf einen von deutscher Seite ausgeübten Druck herantreten. Ein solches Drängen aber lag von vornherein außerhalb der deutschen Absichten. Der Kaiser und seine Regie rung haben sich in dieser Sache von Anfang an auf den Stand punkt des deoeüoia von odtruäuntur gestellt." Für uns ist das Erfreulichste an dieser Ausführung, daß sie die Vermutung hinfällig macht, unvorsichtige deutsche Bocrensreunde hätten das schwankende Verhalten der Generale beeinflußt und diesen damit einen schleckten Dienst erwiesen. Aber auch insofern ist die Ausführung beachtenswert, als sie eine wüste Mahnung bedeutet, die Stellung der bedauerns werten Männer nicht durch Ungeschicklichkeiten noch mehr zu erschweren. Die Pcniser Privatmeldungen der „Vossischen Zeitung" über den Verlauf des Aufenthaltes der Bocrengencrale in Frankreich verdienen volle Beachtung. Ueberraicken kann es zwar nickt, daß die französischen Behörden dem Besuche der Boerenführer den unpolitischen Ebarakter zu wahren bestrebt gewesen sind. Aber die Peinlichkeit, mit ter hierbei verfahren wurde, ist doch sehr bemerkenswert. Ministerpräsident Eombes hat sein hierauf gericktetes Bemühen naturgemäß in ein diplomatisches Gewand gekleidet, während die Pariser Polizei durch die Verhaftung enzlandseindlicher Demonstranten bewies, daß sie energische Vorkehrungen gegen die Bekundung englandseindlicher Stimmungen für notwendig hielt. Wenn im Gegensätze zum amtlichen Frankreich boeren- freundliche Privatmänner cs an Anspielungen auf eine künftige Unabbängigleit der Boeren nickt fehlen ließen, so lehrt die unumwundene Zurückweisung solcher Gedanken durch die Bocrengencrale leihst, wie unerwünscht den letzteren derartige Betrachtungen sind. Mit nicht geringem Interesse wirb man in Deulickland seslstellen, ob General De Wet auf dem Fest mahle wirklich gesagt hat: „Wenn wir die Ihnen bekannten Leiden ertragen konnten, so ist es dank dem französischen Blute geschehen, das in unser n Adern fließt. Der Mut, die Hingabe und Zähigkeit unserer Frauen und Kinder beweisen, daß wir würdige Abkömmlinge des fran zösischen Voltes sind." — Da die Bocrengencrale aus Rücksicht auf Frankreich Len Besuch des Schlachtfeldes von Belle-Alliance aufgcgcbcn haben, ist es nicht unwahrscheinlich, daß General De Wet die Franzosen mit jener Schmeichelei bedacht bat. Von ihr sollten in Deutschland, unbeschadet aller vollbegründeteu Sympathien für die Boeren, namentlich jene Kreise Notiz nehmen, welche die Boeren nicht nur als ein Heldenoolk ichleckthin, sondern als ein „niederdeutsches" Heldenvolk im besonderen zu feiern pflegen. lieber die Hissung einer englischen Flagge in amerika nischen Gewässern wird den „Berl. N. N." aus London, 13. Oktober, geschrieben: Ein Reuterbeiicht aus Port vs Spaiu (Trinidad) weiß von dem Hissen einer englischen Flagge auf PatoS zu berichten, ohne daß man, ob gleich der Bericht vom 26. September datiert ist, etwas über das Gcltendmackcn der Monroedoktrin hörte. Die Tatsache ist die folgende: Tie Insel Patos ist die westlichste einer Anzahl Inseln am nörd lichen Eingänge des Golfes von Baris. Sie liegt der Oslküste am nächsten. Es ist ein kleines Inselchen von etwa einer englischen Meile Länge und einer halben Meile Breite. Früher gehörte die Insel dem spanischen Stadtrat von Port of Spain, als dessen Erbe sie in den Besitz der Sladlveiwaltung von Port of Spain über ging. Nur vorübergehend' wird die Insel von Fischern Trinidads und Venezuelas besucht, aber auch von venezo lanischen Sckmugglerschiffen. Venezuela hätte deshalb gern diese Schmugglerinsel an sich gebracht. Im Jahre 1884 dachte die englische Regierung daran, diesem Wunsch zu will fahren, unterließ es aber auf Len heftigen Protest der Handels kammer von Trinidad. Von 1881 bis 1890 fand man einen Engländer, der vom Stadtrat von Port of Spain die Insel pachtete und dort ein einsames Leben führte, indem er sein Ver mögen in verfehlten Versuchen, Tabak zu bauen und Ziegen zu zückten, verschwendete. Man gab ibm denSpitznamen „Robinson Erusoe". Als dieser Abenteurer aber beinahe von Schmugglern to'gescklagen worben war und eS ihm nicht gelang, Schutz für jein Eigentum zu erlangen, räumte er die ungastliche Insel. Während ter augenblicklichen Revolution hat nun die Marine von Venezuela häufig von der Insel Gebrauch gemacht, und Lies veranlaßte die Verwaltung von Trinidad, eine Fabnenstange, eine englische Fahne und einen Lächler hin- zuschicken, während der stellvertretende Gouverneur von Trinidad im Staatsrat bekannt gab, daß derjenige, der die englische Flagge von PatoS entfernen würde, mit England zu rechnen haben werde. Deutsches Reich. tt Bcrliu, 14. Oktober. Die bisherige Tätigkeit der Beauftragten von Handwerkskammern, in denen Beauftragte angestellt sind, hat ergeben, daß im allge meinen die Handwerksmeister Vorstellungen über Ab änderungen von mit den gesetzlichen Bestimmungen nickt übereinstimmenden BetriebScinrichtungen zu entsprechen geneigt sind. Jedoch hat es auch au Widersetzlichkeiten nicht gefehlt. Diese sind Wohl hauptsächlich aus der Neuheit der Institution der Beauftragten der Handwerkskammern zu er klären. Tie Handwerksmeister werden sich ebenso, wie cs die Industriellen gegenüber der Revision ihrer Betriebe durch die GewcrbeaufsichlSbeamten, die Beauftragten der Berufsgenossen- schastcn u. s. w. getan haben, daran gewöhnen müssen, daß nicht bloß ihre Werkstätten revidiert, sondern daß ihnen auch betreffs ihrer BetriebSeinrichlungen Vorschriften gemacht werden, die ihre Grundlage im Gesetze haben. Namentlich wird darauf geachtet werden müssen, daß die Vorschriften über die Ausbildung der Lehr linge streng innegehaiten werden. Eine der wich tigsten Aufgaben des Handwerksorganisationsgesetzes ist die Besserung in der Durchbildung des Handwerkernack- wuchses. Ee ist deshalb selbstverständlich, daß die Beauftragten der Handwerlskammern hierauf vornehmlich ihr Augenmerk richten. Die Handwerksmeister werden gut tun, wie allen übrigen, so auch den Vorschriften auf diesem Gebiete nach- Feuilleton. Compania Cazador. 13j Roman von Waldemar Urban. S!-<drr> ck verboter. Es sollte sich denn eine solche auch bald bieten. Der neue Präsident wollte natürlich in seiner Würde auch mög lichst ausgiebig glänzen und plante teils deshalb, teils auch, um Isa Eazador in besonderer Weise nähern zu können, ein großes Wohlthätigkcitskonzcrt in der Kon tordia, bei dem Isa zum erstenmal vor einem größeren nnd vornehmeren Publikum auftretcn sollte. Er war dafür ganz begeistert und da er wohl wußte, daß die Schülerinnen des Konservatoriums nicht ohne weiteres Erlaubnis haben, öffentlich aufzntretcn, so setzte er sich mit Professor Hennig in Verbindung, nm diese Erlaubnis für Isa zn erwirken. Professor Hennig machte ganz unerwartet Schwierigkeiten. Er wollte wissen, zn wessen Gunsten denn das Wohltätigkeitskvnzert abgchaltcn werden sollte. Daran hatte der nenc Präsident in seiner Begeisterung noch gar nicht gedacht. „Ich kann nnr ganz ausnahmsweise eine Erlaubnis, wie Sic sic wünschen, geben, Herr Rechtsanwalt, und die erste Bedingung einer solchen ist, daß der Zweck ein wirklich guter und in keiner Hinsicht anfechtbarer ist." „Ich rechne ans mindestens fünftausend Mark Rein einnahme, Herr Professor", cngcgncte Habicht II rasch. „Das ist Nebensache. Die Hauptsache ist, was Sic damit machen wollen." Nun war guter Rat teuer. Habicht kk schlug die Boeren vor, oder die Ehinakämpfcr, die neue Flotte, das neue Armenhaus oder die Armen selbst. Alles hatte seine Be denken. Politisch sollte der Zweck nicht sein, und große Umstände mit den städtischen Behörden mochte man auch nicht. Aber ein nener Präsident muß Glück haben und Habicht II hatte Glück. Ein armer Briefträger mit Fran nnd nenn Kindern war im Dienst eine Treppe herunter ge fallen nnd hatte das Bein gebrochen. Das allgemeine Mit leid wandte sich -er bedauernswerten Familie zu. Man rechnete aus, daß von der Pension, die der Mann bekommen würde, noch nicht ganz elf Pfennige ans den Kops pro Tag kommen würden, wobei der Vater noch nickt mitgerccknel war. Habicht II war entzückt. Diese Familie würde an den fünftausend Mark wohl nicht ersticken. Der kleine Professor war ganz gerührt von dem liebevollen Mitleid des neuen Präsidenten und erhob keine weiteren Bedenken gegen daD Auftreten Isas, gab sogar das Versprechen, diese in besonderer Weise darauf vorznbcreitcn. Nun gab es für den neuen Präsidenten eine Menge Lauferei. Niemals hätte Habicht II geglaubt, daß mit dem Vergnügen anderer Leute soviel Arbeit verbunden sei, wie jetzt seiner harrte, um das Konzert so zu inscenicrcn, wie er cs zu seinem größeren Ruhme wünsche. Auf sein Bureau kam er tagelang nicht. Er hatte dazu keine Zeit und nur zufällig ließ er sich einmal auf dem Amtsgericht sehen, um ein Urteil in Sachen Isa Eazadors gegen die Polizei ent gegen zu nehmen. IsaS Ausweisung war dadurch ausge hoben nnd Habicht II wollte cs sich nicht nehmen lassen, ihr das Urteil zugleich mit der Einladung sür die Konkordia persönlich zg überreichen. Als er die Treppe -cs Amts gerichts wieder herunterging, den Kopf voller Ideen für sein Bricfträgerkonzcrt und Isa, die natürlich dafür eine durchaus neue Gcscllschaftstoilcttc haben mußte, stand er plötzlich nnd unvermutet vor scinemVater, der eben aus dem Wagen stieg. Dieses Zusammentreffen war ihm gerade jetzt peinlich. Im Nu sah er, wie sein Vater müde und hinfällig wie nie ans dem Wagen stieg, wie er bleich und kränklich aussah. Seine erste Idee — zu seiner Ehre sei cs gesagt — war, hinzuzuspringcn, um ihm beim Ans- steigen zu Helse«. Dann aber kamen wieder die Ideen an das Briefträgcrkonzert, an Isa und tausend andere Dinge und er versuchte sich rasch beiseite zu schieben, als ob er seinen Vater nicht sähe. „Lorenz!" rief ihn sein Vater streng an. Nun erst grüßte er und trat, den Hut in der Hand, näher. „Ah, du bist's, Vater", sagte der neue Präsident flott und leicht, „verzeih'! Ick hatte dich wirklich nicht gesehen." „Das mag sein", erwiderte sein Vater, „da uns der Zu fall aber doch einmal zusammen geführt hat, so wollte ick es nicht versäumen, dich über einiges anfzuklärcn, was dir unklar zu sein scheint." Habicht II hob den Kopf etwas, nicht gerade hochmütig, aber trotzig. „Was beliebt, Vater?" fragte er kalt und höflich. „Du hast zehntausend Mark zn acht Prozent Zinsen ausgenommen?" fuhr sein Vater klar und bestimmt, aber mit verhaltenem Groll fort. „Stimmt, Vater! Es war nickt billiger zn bekommen", erwiderte Habicht II in seiner leicht übermütigen Art. „Und deine Praxis ist vielleicht schon jetzt, jedenfalls aber in absehbarer Zeit nichts mehr wert " „Das ist deine Sache, du weißt ja am allerbesten, wer mir meine Klienten abspenstig macht", unterbrach ihn sein Sohn scharf. „Wir wollen davon nicht reden. Aber ich wünsche zu wissen, wer deine Schulden bezahlen soll?" „Das möchte ich auch wissen, Vater", lachte Habicht II leichtfertig. „Du hast hoffentlich nicht die Idee, daß ich das tun werde?" fuhr sein Vater streng, aber doch mit einem leichten Zittern in der Stimme fort, als ob ihm die Sache unsäglich weh und bitter sei. „Nein, Vater", erwiderte Habicht II flott, „ich mache mir darüber überhaupt keine Ideen. Es genügt, wenn meine Gläubiger sich darüber Ideen machen. Wenn meine Gläubiger denken, daß -n bezahlst,und das beunruhigt dich, so kannst du dich ja mit ihnen auseinander setzen. Ich habe dagegen nichts." „Lorenz!" rief sein Vater halb erstaunt, halb kummer voll, und legte die Hand auf seine Schulter, „denkst du nicht daran, was aus dir werden soll und aus mir ?" Die letzten Worte hallten ganz leise und zitternd nach. „Nein! Wozu auch ? Wir werden s ja sehen, Vater!" „Es ist vielleicht das letzte Mal, Lorenz, daß wir mit einander sprechen " „Warum nicht gar, Vater", entgegnete sein Sohn und sah ihn fest, säst drohend an, wir werden uns schon Wieder sehen, im Gcrichtssaal oder du wirst mich doch auch einmal als Präsident der Konkordia bewundern ? Also ans Wiedersehen." Damit lüftete Habicht II den Hut und sprang flott die Treppe hinunter, die Straße entlang. Sein Vater sah ihm nach. Das war ganz er selbst, sein anderes Ich, wie er vor dreißig oder vierzig Jahren ge wesen, seine Stimme, seine Gestalt, seine Gesichtszüge — seine Denkweise. Genau so würde er gebandelt und ge sprochen haben, wenn er in derselben Situation gewesen wäre. Sein Sohn! Nicht nur sein Schatten oder sein Bild. Nein. Das war er selbst, wie er gewesen war und wie er ihn gebildet nnd erzogen hatte. Der ganze Unterschieb war, daß er alt und jener jung war. Er schied ans dem Leben und jener trat ein. Wen also mußte er anklagcn, wenn ihn in seinem Alter Kummer und Sorge, Einsamkeit und Furcht zu Boden warfen? Wenn die Leute schadenfroh spöttelten über den Sohn, der leichtfertig durchbrachte, was der Alte zu- sammcngescharrt? Wo lag der Fehler? Die Ursache an den trostlosen Aussichten? „Ich, ich und wieder ich!" Immer tiefer und kräftiger hallten die Worte in ihm wieder, die ihm Frau Gertrud in höchster Erregung zugeworfen. Zu solchen schwerfälligen Betrachtungen hatte der junge Herr Habicht gerade zu dieser Zeit weder Lust noch Mutze. Er war viel zu viel beschäftigt, teils mit seiner neuen Würde, teils mit Isa, die aber doch schon seit einer ge raumen Weile den Löwenanteil an seinem Interesse bean spruchte, ja man hätte sagen können, daß auch die neue Präsidcntenwürde nur ein Mittel zum höheren Zweck, nämlich der Eroberung Isas war. Habicht II war über sich selbst erstaunt, wie er, durch die Sprödigkeit und eisige Zurückhaltung Isas, immer heftiger nach ihr verlangte, wie seine — nicht mehr ganz tadellose Phantasie sich immer ausschließlicher und anhaltender mit der hübschen Spanierin beschäftigte. Fortwährend sah er sic vor sich, bald so, bald so, nnd wenn er früher in ihr nur eine vor übergehende Zerstreuung — wie schon in anderen Fällen, sah, so war er jetzt fest entschlossen, sie zu heiraten. Schließ lich mußte er ja doch einmal heiraten und da war ihm Isa jetzt gerade recht. Hindernisse gab es dabei nicht, wie cr glaubte. Es hatte ihm in dieser Hinsicht niemand etwas zn befehlen und Isa würde cs sich wohl zweimal überlegen, ihn zurückzuwciscn, wenn sie auch noch so zimperlich tat. Um rascher vorwärts zu kommen, nahm er auf der nächsten Haltestelle eine Droschke, die er aber in der Nähe von Isas Wohnung wieder entließ, um den Rest deS Weges zu Fuß zurückzulcgen. Als cr näher kam, sah er Isa in dem kleinen Vorgarten vor dem Häuschen sitzen, halb ver borgen von einem großen Rosenstrauch. Sie hatte sich über eine Näharbeit gebeugt und bemerkte sein Kommen nicht. Enthusiastisch bewunderte er einen Augenblick ihre feine, graziöse Gestalt, den sammetzarte^ etwas bräun lichen -Vals, auf dem sich die schwarzen Riugellöckchen ihres Haares scharf abzeicknetcn, die zierlichen Füßchen, die aus dem einfachen kurzen HauSrock ungeniert übereinander geschlagen hcranssahen. In dem prächtigen dunklen Haar glühte wieder ein ganzer Busch feuerroter Nelken. Eine wunderbare Frische, ein prickelnder Reiz lag über ihrer ganzen Erscheinung, dem cL nicht widerstehen konnte. Rasch schlich er sich näher und ehe sie nur ahnte, um was es sich handelte, hob cr mit kühnem Griff ihren Kopf nnd küßte sie ans den Mund. Zornrot nnd zitternd sprang sie auf. Sic war wunder schön in ihrer Entrüstung, aber Herr Habicht trat doch vorsichtig nnd betroffen etwas zurück. „Verzeihen Sie mir, Isa, ich konnte nickt anders", bat cr schmeichelnd und «demütig, nnd eS hat'- nieman gesehen."
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