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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021017018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-17
- Monat1902-10
- Jahr1902
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I. MW M ÄisWl TURM und AnMl Nl. WS, FmtU 1?. Mbn lßitL WM-AiisM Amtlicher Teil. Produktenbörse zu Leipzig. Die den mit HalbjahrSkarten versehenen Besuchern der PruVukteubörse zustehende Wahl von 2 Mitgliedern des Schätzungs-Ausschusses zur Umlegung der Jahresbeiträge für 1902 wird hiermit aus Dienstag, 28. Oktober d. I., »«mittelbar nach Beendigung der Preisnotierungen im Borstands- und Noticrnngszimmer (Kleiner Saal) anberaumt. Alles nähere ergiebt die in der Produktenhallc aus hängende Bekanntmachung. Leipzig, den 16. Oktober 1902. Die Abgeordneten der II. Abteilung des BörsenvorftaudeS. Paul Schroeder. Oskar Lenke. Mar Zickmantel. vr. Kiefer, Börsensekretär. Bekanntmachung. DegenPflasierarbeiten wird dicFrommaunstratzeinL.-Ncudnitz, von der Göschen- bis zur Breitkopfstraße, vom 20. dieses Monats Rd auf di« Dauer der Arbeiten sür den durchgehenden Fährverkehr gesperrt. Leipzig, den 10. Oktober 1902. H 3959. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndliu. Stahl. Bekanntmachung. Die Sch»eeadfuhr aus dem Stadtgebiet soll für das Winter- Halbjahr 1902/03 au Uuternehmer verdungen werden. Die Brdinguugen für diese Arbeit liegen in unserer Expedition, Johannis-latz 10» aus und können dort eingesehen oder gegen Eutrichtuug von 50 die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Schner- adfudr betr." versehen in der oben bezeichneten Expedition bis zum 24. vctoder dieses Jahres, 5 Uhr Nachmittags einzu- reichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab- zulehneu. Leipzig, am 14. Oktober 1902. Des Raths der Stadt Leipzig Deputation zum Tiesbauwesen. Wegen Reinigung der Räume des Leihhauses und der Spar- kaffe Leipzig I werden diese Freitag, den 24. Oktober 1902» für den Geschäftsverkehr geschloffen sein. Leipzia, den 14. Oktober 1902. Des RatheS Deputation sür Leihhaus und Sparkaffe. Oeffentliche Zustellung. Die Anna Marie verehel. Heinisch geb. Schneider zu Groitzsch — Prozeßbrvollmächtigter: Rechtsanwalt Justizrath Rudert in Leipzig — klagt gegen ihren Ehemann, den Zuschneider Albert Heinisch auS Gröboig, früher in Groitzsch, dann vorübergehend in Weißenfels, jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen böslicher Berlassung auf Ehescheidung. Die Klägerin ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung deS Rechtsstreits vor die erste (Üvilkammer des Königlichen Land gerichts zu Leipzig auf Freitag, de« LS. Lecember 1902, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei diesem Gerichte zugelassenen Rechts anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Der GcrichtSschrcibcr des Königliche» Landgerichts Leipzig, am 10. Oktober 1902. Auf Blatt 11568 des Handelsregisters ist heute die Firma August Ouarg in Leipzig (Dufourstraße Nr. 1) und als deren In- Haber der Kaufmann Herr Bernhardt August Ouarg ebenda ein getragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb eines Colonialwaaren», Wein-, Delikatessen- und Cigarren-HandelsgeschäftS. Leipzig, den 15. Oktober 1902. — Königliches Amtsgericht, Abtb. II8. Auf Blatt 11569 des Handelsregisters ist heute die Firma Josef Leiserowitsch in Leipzig (Halleschestraße Nr. 1) und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Josef Leiserowitsch ebenda ein getragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb eines Schwamm-, Putzieder- und Loofahwaaren-Handelsgeschäfts. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. IIS. Auf Blatt 11570 des Handelsregisters ist heute die Firma Minna Hunger in Leipzig (Markthalle) und als deren Inhaberin Frau Henriette Minna verehel. Hunger geb. Keil ebenda eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb einer Gemüse- und Obst- Großhandlung. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. II8. Aus Blatt II571 des Handelsregisters ist heute die Firma Paul Müller in Leipzig (Sternwartenstrabe Nr. 25) und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Carl Paul Müller ebenda ein getragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb einer Papiergrobhandlung. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. II8. Auf Blatt 11572 des Handelsregisters sind heute die Firma Güttler L Wendt in Leipzig (Lindenau, Lütznerstrabe Nr. 28) und als deren Gesellichaster die Kaufleute Herren Otto Hermann Güttler und Ferdinand Max Wilhelm Wendt, Beide in Leipzig, eingetragen, auch ist verlautbart worden, daß die Gesellschaft am 10. Oktober 1902 errichtet worden ist und daß die Herren Güttler und Wendt die Gesellschaft nur gemeinschaftlich vertreten dürfen. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb eines Fabrikations- und Handels-GeschäftS von giftfreien Farben sür Genußzwecke. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. 118. Auf Blatt I I573 des Handelsregisters sind heute die Firma EaSglühlicht Amalin Neuer in Leipzig (Neustadt, Eisenbahn, straße Nr. 11) und als deren Inhaberin Frau Amalia verehel. Neuer geb. von Fabr daselbst, sowie als Prokurist der Kaufmann Herr Alexander Samuel Neuer in Leipzig eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb eines Beleuchtungsartikel- und Beleuchtungsanlagen-Geschäfts. ' Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. II8. Auf Blatt 4425 deS Handelsregisters ist die Firma i5. Rüger in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, daß Herr Carl Friedrich Rüger als Inhaber ausgeschiedcn ist, daß die Kaufleute Herr Carl Wilhelm Adolf Thömel in Leipzig und Herr Robert Ackermann in Morienselde Gesellschafter sind und daß die Gesell- schäft am 1. Juli 1902 errichtet worden ist. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abth 118. Auf Blatt 11 209 LeS Handelsregisters, die Firma Hoffman» L Co. in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, daß in das Handelsgeschäft ein Kommanditist eingeireten, daß die Gesellschaft am I. Oktober 1902 errichtet und daß dem Kaufmann Herrn Joseph Georg Lambert Gunkel in Leipzig Prokura erlheilt worden ist. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abtb. II8. Auf Blatt 11551 des Handelsregisters, die Firma Alexander S. Neuer in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, daß Herr Alexander Samuel Neuer als Inhaber ousgeschieden, daß der Kauf mann Herr Bruno Edmund Gröbe in Leipzig Inhaber, daß dessen Prokura erloschen ist und daß die Firma künftig Bruno Grobe lautet. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abtb. II8. Aus Blatt 4071 des Handelsregisters, die Firma C. Kloberg in Leipzig betr , ist beute eingetragen worden, daß Herr Carl August Klobrrg als Gesellschafter — in Folge Ablebens — auS- geschieden ist. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliche» Amtsgericht, Abth. 118. Auf Blatt 11169 deS Handelsregister», die Firma Jllemann LHilde- brandt in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, daß Herr OSwald Carl Hildebrandt als Gesellschafter au-grschiedea ist. Leipzig, den 15. Oktober 1902. Königliche» Amtsgericht, Abth. II8. Auf Blatt 800 de- Handelsregisters ist heute die Firma General - Agentnr der Schlesischen Feuer - BerficherungS- Gefellschaft zu Breslau für das Königreich Sachsen in Leipzig, Zweigniederlassung, gelöscht worden. Leipzig, den 14. Oktober 1902. Königliche» Amtsgericht, Abth. II8. Das unterzeichnete Amtsgericht hat heute die Verwaltung des Nachlasses des am 16. Juli l902 in Leipzig verstorbenen Glas- malers und GrabsteingeschästsinhaberS Burkhardt Heinrich Zacharias ebendaselbst angeordnet. Zum Nachlaßverwalter ist der Herr Rechtsanwalt vr. jur. Julius Caesar Wilhelm Staege in Leipzig bestellt. Leipzig, den 16. Oktober 1902. Königliches Amtsgericht, Abi. Koukuröverfahrcu In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Weinhändlers Karl Moritz Riffel, Inhabers der Weinhandlung in Leipzig, Brühl 25, ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters — sowie event. zur Beschlußfassung der Gläubiger über die Erstattung der Aus lagen und die Gewährung einer Vergütung an die Mitglieder des Gläubigerausschusses — Gläubigcrvcrsammlung auf den 24. Oktober 1902, Vormittags 11 Ilhr vor dem hiesigen Königlichen Amtsgerichte, Nebenstelle, Johannis- gaffe 5, bestimmt worden. Leipzig, den 15. October 1902. Königliches Amtsgericht, Abtb. II JohanniSgasse 5. Versteigerung. Sonnabend» den 18. Oktober 1902, Vormittags 10 Uhr sollen im Garten Nr. 87 des Gartenvereins „Goldene Höhe" in L-GohliS eine Gartenlaube, verschiedene Sträucher, Gemüsepflanzen und einige Gartengeräthe meistbietend gegen Baarzahlung per- steigert werden. Die Bieter wolle» sich daselbst im Restaurant „Goldene Höbe" einfinden. Leipzig, den 16. Oktober 1902. Der Gerichtsvollzieher deS Könipl. Amtsgerichts. Konkurs-Auktion. Heute Freitag, den 17. 10.» von früh 10 Uhr bis Nachmit tags 3 Uhr kommen in Leipzig, Zeitzer Str. 30, parterre, die zum Dünsel'jchen Konkurs gehörigen Schnittwaaren, sowie Blusen, Klei- der. Schürzen, Röcke, Jacken, Hemven, Hosen, Decken, Tücher, Cor- srtS, Hauben, Mützen, Strümpfe, wollene Westen, Handschuhe, Shlipse, Kämme, Leinwand, Bänder und viele- andere mehr, sowie sämmtliche Ladeneinrichtungen zur öffentlichen Versteigerung. Vrummlltr, Lokalrichter. Mittwoch, deu 22. Oktober 1902, werden von 9 Uhr vormittags an aus dem Reitplatz des unterzeichneten Bataillons in Leipzig circa 110 auszurangierende Ttenstpferde öffrnt- lich versteigert. S. Vrati» - LL«t»11Iai» liio. LV. Deutscher Reichstag. S Berlin, 16. Oktober. (Tclegr a mm.) Wer da ge glaubt hatte, daß der Reichstag heute, am ersten Tage der zweiten Lesung von Zolltarif und Zolltarifgcsetz, das Bild eines großen Sitzungstages bieten werde, sah sich einiger maßen enttäuscht. Der Sitzungssaal war zwar ganz gnt, aber lange nicht dicht besetzt und auch auf deu Tribüne» war reichlich Platz vorhanden. Aus der Pressetribüne herrschte dagegen drangvolle Enge. Man mußte, daß der Reichskanzler gleich bei Beginn der Erörterung erscheinen und die Stellung der verbündeten Regierung««, zu dieser alle Welt beschäftigenden Frage darlcgcu werde. Zunäsifft mußte freilich das Vorspiel erledigt werden; d. h. die Inter pellation der Sozialdemokraten und freisinnigen Volks partei, betreffend die Flcischnot. Nachdem Graf Pvsä- dowsky erklärt hatte, daß die- Regierungen erst noch weiteres Material sammeln würden, unterblieb die Be sprechung und Graf Ballestrcm konnte nunmehr verkünden, daß das Haus zum zweiten Punkte der Tagesordnung über gehe. In diesem Augenblick erschien Graf Bülow im Saale, ihm folgten die Staatssekretäre Frhr. v. Richthofen, v. Tirpitz, v.Thiclmann. Von prenßischenMinistern sah man die Herren v. Podbielsky, Möller und v. Rheinbabcn. Da gab cs zunächst lebhafte Vegrüßungen zwischen den Leitern der Regierungspolitik und Abge ordneten verschiedener Parteien. Man hatte sich so lange nicht gesehen und manches zu erzählen. Die sich bald entspinucude Gcschäftsvrdnungsdebattc je doch zerstörte dieses Idyll. Singer machte den ersten Vorstoß, ihm folgten vr. Barth und Spahn. Der Angriff des sozialdemokratischen Führers wurde indessen abgeschlagen und dieser selbst, allerdings unbewußt, durch den Präsidenten versöhnlich gestimmt, indem Graf Ballestrcm von Herrn „Doktor" Singer sprach. Das erregte vergnügliche Heiterkeit von rechts nach links und von links nach rechts hinüber. Nach diesem Vvrgcplänkel erhob sich sofort Reichskanzler Graf Bülow, nm in einer langen Rede darzutun, daß die Reichsrcgicrnng allen An fechtungen von rechts und links zum Trotz die Regierungs vorlage aufrecht erhalte. Es war die längste Rede, die Graf Bülow je vor der deutschen Volksvertretung gehalten hat. Bald zu der unter ihm sitzenden Rechten gewandt, bald nach der äußersten Linken hinüber erhob der oberste Leiter unserer Politik seine warnende Stimme. Jetzt richtete er einen warmen Appell an die Vertreter der Land wirtschaft, ihre Sonderintcressen den Interessen der All gemeinheit nnterznordncn. Darüber emittierte die Linke mit Beifall und rief: „Hört, hört!" Dann aber wieder warnte er mit erhobener Stimme die in dichten Hansen den Tisch des Hauses umdrängenden Sozialdemokraten, keine Obstruktion zu treiben, da dadurch das Ansehen der parla mentarischen Einrichtungen in jedem Falle schwer geschädigt werde. Jetzt riet man ans der Rechten und in der Mitte „Bravo!", während sich auf der Linken lebhafte Unruhe bemerkbar machte. Als Graf Bülow geendet, ertönte von verschiedenen Seiten Beifall. Die äußerste Linke rief eben falls laut „Bravo!" Das war jedoch ironisch gemeint. Die große Unruhe, welche den interessanten Ausführungen deS Kanzlers folgte, versuchte der Präsident vergeblich zu bannen. Immer wieder ertönte die Präsidentenglockc; aber vergebens. Erst als ein großer Teil der RcichSbotcn — in lebhaftem Gespräch begriffen — den Saal geräumt hatte und zur Fraktion „Schulze", d. h. in die Ncstaura- tionsräume gewandelt war, konnte sich der erste Redner, der Zcntrnmsmann Speck, welcher als Berichterstatter über das Zolltarifgcsetz sprach, verständlich machen. Als zweiter Referent folgte ihm Graf Schwerin-Löwitz. Nach dem Referenten nahm der Abgeordnete Goth ein von der freisinnigen Vereinigung'' die Rednertribüne für fast 2'/r Stunde in Anspruch. Der verehrte Herr dürfte mit dieser achtungswcrten Leistung einst weit hinter den bewährtesten Dauerrednern des Parlaments, als da sind Stadthagen n. a. m. zurückbleiben. Vergebens suchte Graf Ballcstrem Herrn Gothen, zu veranlassen, Schluß zu machen, indem er ihn ersuchte, bei -er Sache zu bleiben, der verehrte Herr wollte erst alles, was er auf dem Herzen hatte, sagen. Nur schade, daß cs allzuviel war und die ironischen „Bravos", welche ihm die Worte: „Ich komme zum Schluß" brachten, kamen von verschiedenen Seiten des Hauses. Da fand sein Nachfolger, der alte Kardorff, weit mehr Aufmerksamkeit. Seine nach verschiedenen Richtungen gerichteten spitzigen Bemerkungen erregten viel Heiterkeit. Auch der Reichskanzler bekam eine zu kosten. Dann wurde vertagt. Da Herr Spahn wohl befürchten mochte, daß morgen wieder einige Herren sehr viel zu sagen haben möchten, schlug er vor, schon um 12 Uhr zu beginnen. Der Präsident hatte nichts dagegen. Wir werden also morgen eine Stunde früher als sonst am Königsplay dem Kampf der Geister beiwohnen. 195. Sitzung am 16. Oktober. Am Tisch des Bundesrates: Reichskanzler Graf Bülow, Staatssekretär Graf Posadowsky, Frhr. v. Richthofen, Krhr. v. Nheinboben, Frhr. v. Thiel ma nn, v. Podbielski, Möller und andere. Präsident Gras Ballestrcm eröffnet die Sitzung uni I Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die beiden Anfragen der Abgg. Albrecht (Soz.) und Gen. und vr. Müller-Sagan ifreis. Bp.), vr. Barth (frcts. Vag.), vr. Müller-Meiningen sfrcis. Bp.), betreffend die Fleisch not. Auf die Frage des Präsidenten Grafen Ballestrcm, ob und wann die Negierung die Interpellation zu beant worten bereit sei, erklärt Staatssekretär Gras Posadowsky: Der Reichskanzler ist bereit, die Interpellation sofort zu beantworten, aber sowohl in Preußen, wie in anderen Bundesstaaten werden durch die Ministerien Erhebungen veranstaltet. Es durste sich deshalb empfehlen, die Inter pellation zu verhandel», sobald diese abgeschlossen sind. Präsident Gras Ballestrcm: Nach dieser Erklärung ver lassen wir diesen Gegenstand. Es folgt die zweite Beratung des Zolltarif» gesctzes nebst Zolltarif. Präsident Graf Ballestrcm schlägt dem Sause vor, zu nächst nur die Besprechung über das Zolltarifgcsetz zu er öffnen, und zwar über 8 1, Absatz 2, zunächst nur Mindest zölle für Getreide. Abg. Singer (Soz.) (zur Geschäftsordnung): Ich möchte Sie bitten, nicht mit dem Tarifgesetz zu beginnen, denn das wäre unlogisch und unmöglich, weil der 8 1 von dem Tarif spricht und wir nicht wissen, was später in diesem Tarif beschlossen wird. Es könnten zum Beispiel niedrigere Minimalgctreidezöllc beschlossen werden, als im Tarifgesctz angegeben sind. Wir könnten außerdem dem 8 1 vielleicht später zuzustinnnen Anlaß haben, wenn der Tarif nach unseren Wünschen beschloßen ist. Aber das können wir vorher nicht wissen. Es ist also formell und materiell richtiger, nicht mit 8 1 des Tarifgesetzcs zu be ginnen. Präsident Graf Ballestrcm: Hätte der Abg. Singer meinen Worten zugehört, so hätte er bemerkt, daß ich Alinea 1 des 8 1 jetzt nicht zur Verhandlung stellte. Der weitere Einwand, daß im Tarif andere Bestimmungen beschlossen werden könnten, als in 8 1, ist dadurch wider legt, daß die zugehörigen Bestimmungen zugleich vcr- harrdclt werden sollen. Abg. vr. Barth lfreis. Vgg.) (zur Geschäftsordnung): Ich meine, cS ist praktisch, die Diskussion zu trennen und zunächst nur über das Brotgetreide zu diskutieren, also Weizen und Roggen. Präsident Graf Nallestrem: Der Abgeordnete vr. Barth will also noch eine weitere Unterabteilung machen, das Getreide in Brot- und anderes Getreide teilen. Abg. vr. Spahn (Zentr.) (zur Geschäftsordnung): Ob man das Getrei-c in Brot- und anderes Getreide teilt, wird sich wesentlich nur bei den Abstimmungen geltend machen. Sachlich halte ich den Vorschlag des Präsidenten für den richtigen, weil eben ohne Rücksicht auf die Höhe der Zölle zunächst festgcstellt werden soll, ob Gctrcidc- Minimal-Zöllc festgesetzt werden. Präsident Graf Ballestrcm: Hält Abg. vr. Singer (Heiterkeit) — der Präsident rvinkt mit dem Finger ab — seinen Widerspruch aufrecht, so müssen wir darüber, sowie über den Unterantrag vr. Barth abstnmncn. In der Abstinnnung wird der Antrag vr. Barth an genommen. Die Regierungsvorlage enthält Mintmalsätze für Roggen 5 für Weizen 5,50 .L. Die Kommission hat diese Sätze um je 50 Pfg. erhöht. Abg. Frhr. v. Wangenhcim <Bd. d. Landw.) wünscht bei allen Getrerdearten einen Minimalzoll von 7,50 .F. Reichskanzler Graf Bülow: Ich danke zunächst den Kommissionsinitglicdern im Namen der Negierung für die hingebungsvolle Arbeit bei der Vorberatung, auch wenn man nicht allen Einzelheiten beistnmnen kann. Die Negie rungen hoffen, daß sich eine Verständigung über die end gültige Gestaltung erzielen lassen wird. Jetzt, vor der zweiten Lesung, will ich im Namen und im Ein verständnis mit den Regierungen deren Standpunkt kurz präzisieren. Ende Dezember 1903 können wir die Handelsverträge kündigen und neue ab schließen. Dabei wollen wir der Landwirtschaft in ihrer schweren Lage helfen und ihr den inneren Markt wahren, zugleich aber auch der In dustrie die Blüte, die sie mit Mühe erreicht hat, er halten und ihr den notwendigen Markt bewahren. Manche halten die Tarifautonomie für das beste Mittel für diesen Zweck. Aber auch Anhänger der Autonomie halten langfristige Handelsverträge für wünschenswert, und dasselbe meint die Regierung im Interesse von Handel, Industrie und Landwirtschaft. Aber wir wollen keine Verträge um jeden Preis, sondern unser Interesse wahren, und dazu brauchen wir eine bessere Grundlage zu Bertragsverhandluttgeu. An dere Länder, so Italien und Rußland, haben ihren Zoll tarif vielfach gerade in Punkten erhöht, die für unseren Export wichtig sind. Amerika, die Schweiz, Oesterreich- Ungarn, Rumänien erhöhen viele Zollpositionen. Auch sonst änderten sich im letzten Deccnnium die wirtschaft lichen Verhältnisse. In der Schweiz und in Rußland har sich die Industrie gehoben. Diese Länder wollen ihren Jnnenmarkt behalten, und wenn wir unseren Export da hin ermöglichen wollen, müssen wir bei den Verhand lungen mehr bieten als früher. Dazu machten wir den spezialisierten Tarif, haben auch bei vielen handelspolitisch wichtigen Waren den Tarif erhöht, nm bei den Verträgen etwas bieten zu können und einen genügenden Spielraum zu haben. Im Tarifgesetz sind auf Wuusch der Landwirt schaft für die Hauptgetreidearten Minimalsätze vorgc- schlagcn. Tie Zollsätze selbst für diese Getreide sind einigen zu hoch, weil sic die Lebenshaltung der Arbeiter verschlechtern. Andere halten sie für zu niedrig wegen der Interessen der Landwirtschaft. Die verbündeten Re- giernngcn halten die Zölle für richtig normiert, nm der Landwirtschaft zu helfen und langfristige Handelsverträge noch möglich zu machen. Die verbündeten Regierungen verkennen keineswegs die Schwierigkeiten, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat,' es ist ja unsere Pflicht, der Landwirtschaft zu helfen, soweit das Interesse anderer Erwerbsstände und der Abschluß langfristiger Verträge dies zuläßt. Das verlangt das wohlverstandene all» gemeine Interesse. Aus diesen Rücksichten haben wir uns zu Minimal- mrd Marimalsäyen entschlossen, die an sich nicht nur der Landwirtschaft zu helfen geeignet sind, son dern andererseits auch nicht die Lebenshaltung der Ar beiter verschlechtern. Für eine ersprießliche Lage der In dustrie sind andere Umstände maßgebend, wie die Höhe der Getreidezöllc. Bei hohen Zöllen hat sich unsere Industrie entwickelt. Wir wollen jedes Erwerbsgcbiet schützen, die Landwirtschaft wie die Industrie, deren Absatzgebiete wir erhalten und mehren und vor jähen Preis- nnd Export schwankungen schützen wollen und müssen. Eine Fort entwickelung der Industrie nützt auch der Landwirtschaft, sie schafft ihr gute, kaufkräftige Abnehmer. Wir müssen sic aber auch gegen allzustarke Auslandskonkurrenz schützen, also uns auf der mittleren Linie halten. sAha!) Deutsch land ist teils Agrar-, teils Industriestaat, also müssen wir beider Interessen schützen, auch mit Rücksicht auf das All gemeinwohl. Dazu brauchen wir eine mittlere Linie, die wir in der Borlage gefunden zu haben glauben. Die Ar beiter haben weniger Interesse att billigen Lebensmitteln, als an dauernder, guter Arbeitsgelegenheit, die Industrie hat keinen Anspruch auf so billige Arbeitslöhne, daß die Landwirtschaft für ihre Produkte keine guten Preise zu finden vermag. Auch früher ist bei höheren Getreidezöllcu und -Preisen die Industrie gewachsen,- die Weizenzölle haben in Frankreich — sie betragen 5,50 Frcs. — der In dustrie nicht geschadet, die dortige Regierung, der Sozial demokraten aiigehörten, hat keine Reduktion dieses Zoll satzes verlangt. Auch das industrielle England schreckt nicht vor Getreidczöllen zurück. Also brauchen auch wir nicht davor zurückzuschrecten. Ze mehr man aber den Zoll erhöht, desto mehr wächst die Gefahr, die Konsumenten, und besonders die Arbeiter, zu schädigen. Auch die Rück sicht auf den Weltmarktpreis wird die Höhe der Getreide zölle niitbedingcn. . Im Jahre 1891 widerstanden wir bei den hohen Getreidepreisen der Versuchung, die Getreide zölle zeitweise zu ermäßigen. Auch jetzt haben wir die be stehenden Prcisverhältnisse bei Normierung der Zollsätze berücksichtigt,- ihre Erhöhung würde den Abschluß von Handelsverträgen gefährden. Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis eines Kompromisses langer und inühevoller Arbeit der ver - bündetcn Regierungen. Wir brauchen ihn als Mittel zu Handelsverträgen. Dagegen betrachtet eine Seite die Einführung von Minimalsätzen als Erschwerung für deren Zustandekommen. Im Interesse der Landwirt schaft sind die Minimalsätze beibehalten, aber ihre Höhe darf ebenfalls den Abschluß von Handelsverträgen nicht gefährden. Wo Jndusrriezölle erhöht sind, ist es wesent lich ans Wunsch der beteiligten Industrien geschehen: sie sollen den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen, die sich in den letzten zehn Jahren sehr geändert haben, und sie sollen zugleich als Kompensatiousobjekte bei den Der- tragsverhandlungcn dienen. Die verbündeten Regie rungen sind überzeugt, in dem Tarif das Richtige getroffen zu haben und hoffen, daß auf ihm als Grundlage eine Einigung erfolgt. Auf eine Erhöhung der Mi nimalsätze und eine Ausdehnung auf andere Gegenstände als Getreide können die verbündeten Negierungen nicht sin ge h e n. Diejenigen, die sich in den Wirren des Tages und in dem Hader der Parteien den klaren Blick be wahren, sollten doch bedenken, daß durch die Sätze des Entwurfs die Zölle für die Hauptgetreidcartcn auf die Tonne um 10 bis 20 erhöht werden. Das fällt doch ins Gewicht. Würde der Tarif abgelehnt, so müßten wir entweder bemüht sein, die alten Handelsverträge fortbestehen zu lassen oder neue abzuschließen auf Grund des alten Tarif es. Dabei würden wir natürlich auch bemüht sein, die Interessen der Landwirtschaft möglichst wahr zunehmen,- aber zweifellos würde das nicht in dem Maße gelingen, wie ans Grund des neuen Tarifs. Darum bitte ich die Vertreter der Landwirtschaft, den Tarif nicht ab- zulehnen. Zugleich aber richte ich an die Parteien die Bitte, nicht durch künstliche Mittel die Verabschiedung der Vorlage zu ver zögern. Ich kenne kein Beispiel in der Geschichte, wo nicht eine Obstruktion den Parlamentarismus und dessen Ansehen schwer geschädigt hätten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Es hieße die Axt an die Wurzel des Parlamentarismus legen, wenn die Sache nicht streng sachlich und mit vollem Er n st beraten würde. (Lärm und Zu stimmung.) Es ist hohe Zeit, allen Erwerbsständcu Sicherheit und Ruhe zu geben. Die Regierungen rufen die ost bewährte Vaterlandsliebe aller Parteien an. Sic hoffen, datz wir so zu einer Verständigung gelangen wer den, die den Gesamtintcressen entspricht. (Beifall.) Abg. Speck berichtet unter großer Unruhe über die Ver handlungen der Kommission. Abg. Gothein (freis. Vgg.) führt aus: Wenn die Nach barländer ihren Zolltarif änderten, so sei Deutschland nicht ganz schuldlos. Der Entwurf schaffe allerdings ein Rüst zeug, aber ein so gewichtiges, daß es den Kampf erschweren werde. Die anderen Staaten würden ebenfalls ihre Sätze erhöhen; das sei eine Schraube ohne Ende. Die Minimal zölle des Tarifes betragen 45 Prozent der russischen und 62 Prozent der dänischen Gesamteinfuhr. Was habe uns Dänemark in zollpolitischer Hinsicht getan? Redner sagt, was nütze die Erhöhung der Jndustriezölle, wenn sie bei den Vcrtragsverhandlungen doch wieder ermäßigt werden sollen? Für die Industrie wäre es vernünftiger, die be stehenden Verträge zu verlängern, und er danke dem Reichskanzler für die in dieser Hinsicht gemachten Er öffnungen, falls der Tarif nicht zu stände komme. Ter Landwirtschaft könne damit allerdings nicht geholfen wer den, das tue der Tarif aber auch nicht für die Dauer, denn an den Zöllen habe nur der Grundbesitz, nicht aber die Landwirtschaft als solche ein Interesse. Der wahre Baucrnfrennd müsse den Bauern Vorhalten, daß sie nicht recht zn wirtschaften verstehen. 20 Prozent der Grund besitzer seien ungenügend vorgebildct. Tie Schwärmer fin den Befähigungsnachweis im Handwerk sprächen nie von einem Befähigungsnachweis in der Landwirtschaft. Abg. Kardorff (Reichsp.s widerspricht dem Redner unter großem Lärm auf der Linken. Was man durch Schutzzoll im Auslände verliere, gewinne man im Jnlande zehn fach wieder. Redner erklärt namens seiner politischen Freunde, datz sie bei den Kommissionsvorschlägen stehen bleiben. (Zuruf links: Wie lange?) Graf v. Bülow habe gesagt, die Obstruktion setze das Parlament herab, es setze aber das Parlament in der allgemeinen Achtung nocb vielmehr herab, wenn man ihmsage: Fritz,Bogel,odcrstirb! Das Parlament hat Anspruch darauf, -atz seine Vorschläge von den verbündeten Negierungen genau so ernsthaft er wogen werden, wie letztere dies von dem Parlament bei ihren Vorschlägen verlangen. Das Haus vertagt inn 5s Uhr die Weiterbcratnng auf morgen mittag 12 Uhr. Das zehnjährige Stiftungsfest der t?eip;iyer Llindenvereinigung. Hcntc vor zehn Jahren, am 17. Oktober 1892, fand im Saale des Marthahauses zum ersten Riale eine Versamm lung der Leipziger Blinden statt. Pfarrer I). Buch- wal -, damals Diakonus zn St. Matthäi, der schon in Zwickau Jahre lang die Blinden um sich versammelt hatte, nm ihnen gesellige Stunden zu bereiten nnd für Schaffung von Arbeitsgebieten zu sorgen, hatte der Bitte hiesiger Blinden, ähnliche Einrichtungen auch hier zu treffen, gern Folge geleistet. Bald fanden sich auch die nötigen Hülfs- kräftc, und es dauerte nicht lauge, so hatte sich ein großer Kreis von Blinden unserer Stadt mid deren Umgebung gesammelt. Mit voller Regelmässigkeit sind die Blinden erst Montags, dann Mittwochs, seit einigen Jahren in einem vom Rate der Stadt gütigst zur Verfügung ge stellten Saal der II. Bürgerschule (äutzcrc Löhrstraße) zu- samincngekonnncu. Ebvralgcsang »ud kurze erbauliche Ansprache eröffnen die Versammlungen. Ernstes und Heiteres gelangt zum Vortrag. Die „Frau Musika" spendet reichlich ihre Gaben. Alles, was das Wohl und Wehe der Blinden betrifft, wird besprochen, Gesang und Gebet bilden den Schlutz. Etwa 70 Blinde nehmen regel mäßig an diesen Versammlungen teil. Ein schlichtes, stilles Werk! Und doch, wer mag seinen Segen für den Einzelnen ermessen! Und wie viel anderes bat sick> im Laufe der Jahre angegliedert oder ist daraus er wachsen! ES erstand der „Verein zur Beschas«
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