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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021023029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-23
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Sprecher weift jedoch den Antrag zurück. — DaS HauS geht sod.nin zur Weitcrberatuug des Unterrichtsgcsehcö über. „Bereinigte Staate» von Europa." * Saint-Andrews (Schottlands, 22. Oktober. Carnegie cihiclt heute den Lhrcngrad der Saint-Andrews-Unwersität. Bei dieser Feierlichkeit hielt Carnegie eine Rede, in welcher er die Aufforderung an den deutschen Kaiser richtete, er möge seinen Einfluß dahin verwenden, daß „Vereinigte Staaten von Europa" geschaffen würden in Form einer politischen und i n d u st r i e l l c n Union. So allein könne Europa die fremden Märkte erobern und das Eindringen Amerikas zurückwciscu. Der Kaiser könnte eines Tages eine große Rolle spielen als Erlöser Europas von einem Alb, der es bedrücke, nämlich der beängstigenden und lähmenden Furcht vor einem Kriege. Er, Redner, sei außer stände, zu helfen, aber er glaube, eine so überlegene große Persönlichkeit wie Kaiser Wilhelm könne die wenigen Männer, welche heute Europa be herrschen, dahin beeinflussen, daß sie einen neuen Schritt zu» Sicherung des Friedens unternehmen. Im weiteren Verlauf seiner Rede sagte Carnegie, daß Englands Eisen Vor rat in 20 bis 25 Jahren so gut wie erschöpft sei, aber auch derAmerikas werde nur auf 60 bis 70 Jahre ausrcichen. Amerika habe England von der Stelle der ersten Ration an Reichtum, Gewerbefleiß und Handel verdrängt, aber man dürfe sich freuen, daß die Führerschaft in der Familie bleibe. Es sei Englands ältester Sohn und rechtmäßiger Erbe, der jetzt die Krone trage. Deutschland habe auch vorwärts ge arbeitet und verspreche, England um den zweiten Platz hart zu bedrängen. Carnegie sprach die Ansicht aus, daß die Unter nehmer und Angestellten iu England noch immer das Leben zu leicht nehmen. Er forderte die Engländer auf, weniger zu irinken, zu rauchen und manche ihrer rohen Spiele aufzugcbcu, von denen Europa und Amerika vergleichsweise frei seien. Er glaube, daß schmerzlich und heilsame Lehren nötig sein wer den, ehe die Engländer ihre schließliche Erhebung zum Glück und zur Freiheit von erniedrigenden Neigungen erreichen. Ersatzwahl. * London, 22. Oktober. Bei der Ersatzwahl in Devon port ist an Stelle des verstorbenen liberalen Deputierten Morton der Negierungskandidat Lockie mit 3785 Stim men gewählt worden. Brassey, liberal, erhielt 3757 Stimmen. Militär und Marine. * Der König von Preußen hat unterm 18. Oktober be nimmt, daß das Ulanen-Regiment H e n n i g s v. Treffe u- ield (Altmärkisches) Nr. 16 fortan den Namenszug seines erhabenen Chefs, des Königs von Sachsen Majestät, nach den ihm vorgelegten Proben auf den Epaulettes, Achsel stücken und Schulterklappen zu tragen hat. * Kiel, 22. Oktober. An Bord des im Kieler Hafen liegenden r u s s i s ch c_n Kreuzers „Dschigi t" erfolgte heute beim Ab- seuern des Saluts für die Kaiserin eine Explosion. Ein Matrose wurde getötet, sechs andere sind schwer verletzt worden. Lolonial-Uachrichten. Boerenansiedelung in Deutsch-Ostafrika. Aus Dar cs Salaam liegen Berichte über das Eintreffen von Boeren vor, die eine Ansiedelung im Schutzgebiet planen. Es handelt sich einstweilen nur um eine geringe Anzahl von Vorläufern, über welche die Tcutsch-Ostafrikanische Zeitung unter dem 23. Aug. berichtet: Die vor kurzem zwecks Ansiedelung in unserer Kolonie m Tar-es-Salaam cingetroffenen Boeren begeben sich unter Mombassa auf der Uganoabahn bis in die Nähe des .irilimand- scharo. Von dort beabsichtigen sie eine Expedition über Moschi nach dem Meruberge zu unternehmen, um die dortige Gegend rennen zu lernen und sie auf die Brauchbarkeit für die Land wirtschaft und Viehzucht zu prüfen. Nach ihrer Rückkehr ge denken die Boeren, die meist „Natalrcbellen" sind und deshalb alle Rechte in ihrer früheren Heimat verloren haben, ihre Familien aus Südafrika abzuholen und sich an den von ihnen ausgesuchten Plätzen unserer Kolonie anzusiedeln. ^IXO. Deutsch Ostafrikanische Granaten, lieber die im Schutzgebiet von Deutsch-Ostafrika aufgefundenen Granaten hat sich Prof. Or. Miethe, der Direktor der photochemischen Ab teilung der Charlottenburger Technischen Hochschule, höchst an- crtennend ausgesprochen. Sein Gutachten geht dahin, daß die Granatfundc die schönsten und wertvollsten Granaten auf weisen, die wir kennen. Die Steine sind den Kaprubinen gleichwertig. ^lXO. Goldfunde in Teutsch-Lstafrika. lieber die Gold funde der unter Führung Wilhelm Jankes arbeitenden Jrangi- Expedition macht die Deutsch-Ostafrikanische Zeitung von Mitte September eingehende Mitteilungen. Janke hat zwei deutsche Bergleute zur Seite. Er hat sein ständiges Hauptlager ani Oberlauf des Kirondaflusses in Ussure aufgeschlagen, woselbst auch ein Laboratorium zur Untersuchung der Quarze errichtet ist. Nach Ucberwindung großer Strapazen wurden auf dem Jramba Plateau bei Einschlagungeu von ca. 30 Metern zwei reichhaltige Riffe entdeckt. Das Resultat der näheren Unter suchung des Gesteins war überaus günstig. Die beiden Riffe (Ost- und Westriff genannt) liefern in ihrem Quarz pro Tonne dasselbe Quantum Gold wie die reichsten Riffe in Transvaal. Zur weiteren Prüfung und offiziellen Feststellung des Gold- gehalrcs der Tonne Quarz trifft demnächst ein geologischer Sachverständiger in der Kolonie ein, dessen Urteil über den Wert der in Deutsch-Ostafrika entdeckten Goldriffe, so hofft die Deutsch-Ostafrikanischc Zeitung, auch diejenigen beitreten wer den, welche sich bisher der Erkenntnis über den Reichtum und die Zukunft des Schutzgebietes verschlossen haben. Janke will die für sein Unternehmen höchst wichtige Transportfrage vor läufig durch Heranziehung von Boeren mit ihren Ochsenkarren lösen, denn cS wird nunmehr das Heranschaffen der Maschinen, Stampfwerke und der vielen anderen Bergwerksutensilien in Frage kommen. ^lXO. Fernsprechverbindung in Deutsch - Südwestafrika. Zwischen Okahandja und Swakopmund ist der Fernsprechverkehr eröffnet worden. Tie Gebühr für ein gewöhnliches Gespräch von 3 Minuten Tauer zwischen Swakopmund und Okahandja bcirägt zwei Mark. Auch der Posttelegraph von Swakopmund bis Okabandja ist am 22. September eröffnet worden. Deutscher Reichstag. Aus den Kommissionen. * Berlin, 22. Oktober. Die P e t i t i o n S k o m - m issi v ii erledigte in ihrer heutigen Sitzung neben einer Reibe von Bittgesuchen ohne jedes öffentliche Interesse das Gesuch des Kaufmanns Fr. Meyers Sohn in Tanger münde um Rückzahlung von erlegter Zucker- steuer. Infolge eines Schifssunglücks auf der Elbe während eines Sturmes ging dem Petenten eine Schiffs ladung Zucker von 263 000 Kilogramm zum größten Teile verloren, nur 4080 Kilogramm sollen gerettet worden sein. Da seine Gesuche an das Finanzministerium und den Bundesrat um Rückzahlung der Steuer für den ver lorenen Zucker abgclehnt worden sind, ersucht er den illeichstag um Befürwortung seiner Bitte. Der Vertreter des Bundesrats legte die Gründe der Ablehnung dar: Der Zucker fei versichert gewesen, und es sei nicht nach- zuweiscn, ob nicht, beziehungsweise wie viel Zucker bei Seite geschafft, wie viel verloren, wie viel gerettet wor den sei. Die Kommission erklärte die Petition für nicht geeignet zur Erörterung im Plenum. — Der gleiche Be schluß wurde in Bezug auf eine Reihe von Gesuchen um Unterstützungen u. s. w. gefaßt, und zwar teils weil der Instanzenzug nicht erschöpft, teils weil der Reichstag nicht zuständig ist. — Der Umstand, daß diese Petitionen immer mehr -»nehmen und eine sehr große Zahl von ihnen von einerHand geschrieben ist, führte -u dem überraschenden Schluffe, baß gewisse Leute ein sehr lohnendes Gewerbe daraus machen, die Leute geradezu zur Einreichung von Petitionen anzuregen, die sie dann selbst gegen gutes Entgelt anfertigen. Tie große Zahl solcher, durch den wahren Sachverhalt nicht begründeter Gesuche bildet für die Kommission einen Ballast, der sie an der Erledigung anderer begründeter Bitten hindert. Die Kommission spricht daher die Bitte an die Presse aus, das Publikum vor der unlauteren Tätigkeit solcher „Petitionsfabrikanten" dringend zu warnen. Es lagen zum Beispiel Petitionen von Militärpcrsoncn vor, die das, was sie erstreben, nach eigener und nach amtlicher Auskunft seit Jahren schon besitzen, anderseits solche, die schon mehrfach von der Kommission des Reichstages als durchaus unbegründet zurückgewiesen oder für ungeeignet zur Erörterung im Reichstag erklärt worden sind. (Berl. Bl.) * Berlin, 22. Oktober. Die Geschäftsordnungs kommission beriet heute zwei wegen Beleidigung durch die Presse gestellte Strafantrage gegen Abgeordneten Bock (2. Coburg-Gotha) und Abgeordneten Fischer (1. Sachsen) und versagte die Genemigung zur bean tragten Strafverfolgung. Zenlralverband der Ortskrankenkassen. Die 0. Hauptversammlung des Zentralver bandes der Ortskrankenkassen Deutsch lands, in der 111 Kassen mit einer Mitgliederzahl von 1654 278 Personen durch 184 Delegierte vertreten sind, fand Anfang Oktober in Hamburg statt. Sic wurde vom Vorsitzenden, Apotheker Steinmetz- Leipzig, am 6. Ok tober eröffnet. Aus Hamburg waren namens der Be hörden erschienen: Senator Vr. Lappcnbcrg, Präses des Krankenversicherungswesens, Senatssckrctär vr. Albrecht, Oberamtsrichtcr vr. Tesdorf, Handelökammersckretär vr. Schwenke, Direktor der allgemeinen Armenanstalt vr. Buehl. In Vertretung des reichsstatistischcn Amtes wohnte Regierungsrat Dr. Mayet den Verhandlungen als Zu hörer bei. Senator vr. Lappcnbcrg begrüßte die An wesenden namens und im Auftrag des Senates der Stadt Hamburg, ging des näheren auf die Bedeutung der sozial politischen Gesetzgebung und die Wichtigkeit der zur Be ratung stehenden Gegenstände ein, die für den Ausbau der Versicherungsgesetze von ganz besonderem Interesse seien, und wünschte den Verhandlungen guten Erfolg. Hierauf erstattete Direktor Uhlmann-Leipzig für die Ortskrankenkasse für Leipzig und Umgegend, als ge- schüftsführende Kaste des Verbandes, den Geschäfts bericht und wies ans die am 19. Oktober lausenden Jahres in Berlin abzuhaltcnde konstituierende Versamm lung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge- fchlechtskrankhcitcn hin, mit dem Bemerken, daß der Bei tritt den Kassen in ihrem eigensten Interesse nur anzu empfehlen sei. Gräf-Frankfurt a. M. bedauerte, daß der Referent nichts zu berichten wußte über Verhand lungen zwischen der Negierung und der gcschäftsführenden Kasse wegen der Neugestaltung des Kraukenversicheruugs-- gesetzes. Der Verband habe ein Recht darauf, gehört zu werden. vr. meci. Paul Schenk-Berlin hielt hierauf einen Vortrag über „Alkohol und Krankenkassen" und stellte folgende Leitsätze auf: 1) Vom Standpunkte der Volksgesundheitspflege ist die Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs von gleicher Wichtig keit, wie die der Tuberkulose und der Geschlechtskrank heiten. 2) Tie Krankenkassen, als ein wesentlicher Faktor in der Volksgesundheitspflege, sind in hervorragendem Maße zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs berufen. 3) Die Kassenärzte, als die sachverständigen Berater der Krankenkassen und ihrer Mitglieder in Sachen der Ge sundheitspflege, haben die Bekämpfung des Alkoholmiß- brauchs zu fördern: a. Durch mündliche Aufklärung der Kassenvorstände und der erkrankten Mitglieder und Verteilung zweckent sprechender, kurzer Broschüren. b. Durch Einschränkung der Verordnung alkoholischer Getränke als Stärkungsmittel. o. Durch Aufstellung einer Statistik der durch Alkohol vergiftung bedingten Erkrankungen. 6. Durch Ueberweisung schwerer Erkrankter in eine Trinkerheilstütte. 4) Für erhöhtere Inanspruchnahme ihrer Tätigkeit ist den Kassenärzten ein Entgelt zu gewähren. 5) Alle Maßnahmen der Krankenkassen gegen den Alkoholmißbrauch müssen von dem Grundsätze ausgehen, daß dem Alkoholismus, als einer Volksseuche, nur auf sozialhygicnischem, nicht auf moralischem Wege beizu kommen ist. 6) Die Landesversicherungöanstalten haben die Krankenkassen in der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs zu unterstützen und der vorbeugenden Behandlung von Kassenmitgliedern in Trinkerheilstätten ihr tatkräftiges Interesse in crhöhtcrem Maße als bisher zuzuwenden. Man einigte sich über die folgende Erklärung: „Tie Jahresversammlung hält es im Anschluß an die Ausfüh rungen vr Schenks für eine wichtige Aufgabe der deut schen Krankenkassen-Verwaltungcn, der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs fortlaufend das größte Interesse zu widmen, und durch fortlaufende Belehrung der Kassenmit glieder dieses Interesse zu betätigen. Im weiteren hält cS die Jahresversammlung für eine wichtige Aufgabe der Kassenärzte, auch ihrerseits die Mitglieder fortlaufend in entsprechender Weise auf die Gcfghren des Alkoholmitz- brauchs aufmerksam zu machen." Kohn-Berlin berichtete über die Bemühungen der geschäftsführenden Kasse und der eingesetzten Kommission beim Reichsamtc des Innern um Verarbeitung einer Krankheitsstatistik auf Grund des Kartenmaterials der Leipziger Ortskrankenkasse, die aber bisher erfolglos ge blieben sind, weil die dafür erforderlichen großen Mittel derzeit nicht bewilligt werden könnten. Der Kongreß be dauerte dies und hoffte dennoch auf beifällige Ent schließung. vr. Ehr. K l u m k e r - Frankfurt am Main sprach hierauf über „Fürsorge für Erholungs bedürftige" und stellte die folgenden Leit sätze auf: 1) Die Fürsorge für Erholungsbedürftige ist eine unentbehrliche Ergänzung jeder Krankenpflege. Tas gilt vor allem bei Genesenden nach schweren akuten Er krankungen, ebenso auch bei Genesenden von chronischen Krankheiten und bei Erholungsbedürftigen aller Art. 2) Diese Fürsorge kann bei den Krankenkassen in den ver schiedensten Formen geschehen: Gewährung längerer Schonung, Lieferung von Stärkungsmitteln, Bädern und dergleichen. Beurlaubung zu Verwandten aufs Land mit erhöhtem Krankengeld, Unterbringung bei Familien auf dem Lande, in Walderholungsstätten und Genesungs häusern. 3) Sie erfordert ein sorgfältiges Ineinander greifen aller Versicherungsarten, um Unterbrechungen der Pflege zu vermeiden. Wo die Versicherungen nicht aus reichen, ist ein rechtzeitiges Eingreifen der privaten und öffentlichen Wohltätigkeit unentbehrlich. 4) Um die ört- liclicn Gelegenheiten zu billiger Versorgung der Er holungsbedürftigen recht auszunutzen, sollten alle Einrich tungen dieser Art an einem Orte oder in derselben Gegend durch geeignete Vereine, Vermittelungsstellen usw. in enge Fühlung gebracht werben. 5) Bei der Auswahl für biefe Fürsorge ist eine einseitige Bevorzugung bestimmter Krankheiten zn vermeiden, vielmehr nur nach dem mög lichen Erfolg der Kur zu entscheiden. Gerade zur Vor beugung gegen die Tuberkulose ist dies der beste Weg. Tie Zusammenlegung von leichten Fällen der Tuberkulose mit anderen Erkrankten, wie sie vielfach geübt wird, ist unbedenklich, wenn geeignete Vorkehrungen getroffen sind (getrennte Schlafrünme, Erziehung zu richtiger Behand lung des Ansivnrfs, Desinfektion). 6) Bei den Geiiesiiiigs- häusern ist ihre volle Ausnutzung anch im Winter anzn- strebcn. Der stärkere Andrang im Sommer ist durch Organisation mit geringen Anlagelosten iWalderbvlungs. stättcn, Familicnpflege) zu versorgen. 7> Einrichtungen auf diesem Gebiet zu schaffen, ist neben den größeren Krankenkassen in erster Linie Sache von Staat, Ge meinden, Versicherungsanstalten. Tie private gemein nützige Tätigkeit, die zur Zeit nicht entbehrt werden kann, sollte von ihnen aufs kräftigste unterstützt werden, vr. Lenn hoff (Berlin) empfahl die Ausgestaltung der Walderholungöstütten, wie sic Berlin, Frankfurt a. M. und Leipzig schon errichtet haben und berichtete über die bevorstehende Einbernfnng eines Aerztckongrcsses für soziale Gesetzgebung. Gräf (Frauksurt a. M.) vertrat die Ansicht, daß die Errichtung von Erholungsstätten und Genesungsheimen nicht so sehr Sache der Krankenkassen als der Landesversicherungsanstalten und der Gemeinden sei. Namentlich für Nervenkranke müsse viel mehr, als bisher geschehen sei, getan werden. Die Leitsätze des Referenten wurden gutgcheißcn mit folgender von Wendt land (Magdeburg) beantragten Erklärung, in der cS für dringend geboten erachtet wird, daß der weitere Ausbau der Rekvnvaleszentenpflege nur möglich sei aus Grund einer Zentralisation der Krankenkasscn-Einrich- tungen am Ort und die Gründung von Kassenverbünden über den Bezirk der Aufsichtsbehörde. Am 7. Oktober sprach Universitätsprosessor vr. Stieda-Leipzig über „Arbeitslosenver sicherung und Krankenkasse n". Er stellte die folgenden Leitsätze auf: 1) Das Interesse für die Ver sicherung gegen Arbeitslosigkeit ist neuerdings durch den Rückgang in vielen Geschäftszweigen und die bei den Krankenkassen nm sich greifende Simulation besonders wachgerufen. 2) Eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit wäre an sich wünschenswert und segensreich, obwohl sie an Bedeutung hinter der Krankenversicherung zurücksteht. 3) Es ist nicht möglich, die für eine Versicherung in modernem Sinne unentbehrlichen statistischen Grundlagen für eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu beschaffen. Auch sind in der praktischen Durchführung große Schwierigkeiten zu überwinden: Be griff der unverschuldeten Arbeitslosigkeit, Haltung bei Streiks, Vergütung nur für eine bestimmte Anzahl Wochen im Jahr, Kontrolle usw. 4) Tie in St. Gallen und Bern unternommenen Versuche, eine Versicherung gegen Ar beitslosigkeit zu organisieren, befriedigten nicht. Tie be tätigen mehr Wohltätigkeit als Versicherung. 5) Die finanziellen Erfolge der stadtkölnischen Versicherungskasse gegen Arbeitslosigkeit beruhen ans bestimmten örtlichen Verhältnissen. Anch diese Kasse ist keine eigentliche Ver sicherungsanstalt. 6) Die Arbeitslosigkeit ist im wesent lichen auf drei Gruppen von Ursachen zurückzuführen: a. Auf den Wechsel der Jahreszeiten. Für eine Versiche rung in diesen Füllen müßten besondere Prämientarife ausgestellt werden, b. Auf die täglichen Vorkommnisse im geschäftlichen Leben. Es ist sehr fraglich, ob man es bei ihnen mit einer regelmäßig im gleichen Umfange wieder kehrenden Erscheinung zn tun hat. Ein zweckmäßig orga nisierter, zentraler, paritätischer Arbeitsnachweis wäre hier wirkungsvoller, e. Ans allgemeine und spezielle Krisen. An Regelmäßigkeit der Wiederkehr in demselben Umfange ist nicht zn denken, mithin auch kein korrekter Prämicutarif ausstellbar. 7) Es ist nicht ausgeschlossen, daß in einer einzigen Reichsanstalt alle diese verschiedenen Risiken ausgeglichen gedacht werden könnten. Ein zu verlässiger Prämientarif würde sich aber selbst dann nicht aufstellen lassen. Das Reich als solches müßte das nicht zu umgehende Risiko aus sich nehmen. 8) Mehr zu empfehlen ist eine im Anschlüsse an den öffentlichen Arbeitsnachweis von der Kommune ins Leben zn rufende, reichlich zu dotierende Kasse nach dem Muster Kölns. In der nachfolgenden langen Debatte wurde anerkannt, daß der Gegenstand noch nicht spruchreif sei. Einige Anträge auf Abänderung des Krankenversiche- rungsgesctzeö wurden zurückgestellt, nachdem im weiteren Verlaufe der Verhandlung Früßdorf (Dresden) er klärte, daß ihm von zuständigster Seite mitgeteilt worden sei, daß in den nächsten zwei Jahren die Novelle zum Krankenkassengesetz nicht an den Reichstag gelangen werde. Kohn (Berlin) befürwortete den Antrag der Ortskrankenkasse der Kaufleute Berlins, die Versamm lung möge beschließen, den Ortskrankenkassen die regel mäßige Vornahme von Ermittelungen der Wohnver hältnisse ihrer erkrankten Mitglieder dringend zu empfehlen. Er wies darauf hin, daß in Berlin bereits der Weg, den dieser Antrag bezeichne, von einer Kasse mit Erfolg beschritten worden sei, und bemerkte im Anschluß hieran, daß die Krankenkasscnverwaltungen deswegen ein besonderes Interesse an der Verbesserung der Wohnungs verhältnisse hätten, weil durch sie die Bekämpfung der Aus breitung der Volkskrankheiten am wirksamsten mit unter stützt werde. Tie Beseitigung von Wohnungsmißständen durch die Behörden, ebenso die Einführung eines ReichS- wohnungögesetzes müsse für die Kassen als sehr erstrebens wert bezeichnet werden. Eine dahingehende eingebrachte Resolution, wie auch der Antrag selbst, fand Annahme. Am dritten Verhandlungstage, 8. Oktober, standen als Nest der Tagesordnung mehrere, die Interessen der Kassen eng berührende Gegenstände zur Beratung, von denen insbesondere der Antrag auf Einführung einheit licher An- und Abmeldeformulare, wenig stens bei den Ortskrankenkassen der gröberen Städte, her vorgehoben zu werden verdient, wie nicht minder der An trag: Die deutschen Bundesregierungen zu ersuchen, in allen Universitätsstädten hydrotherapeutische Institute, wie solche in Berlin und Leipzig bereits durchgeführt seien, zu errichten und dieselben den Krankenkassenmitgliedern zur Benutzung zu öffnen. Als Ort der nächstjährigen Versammlung wurde NreSlau gewählt, und nachdem der Vorsitzende Ab schiedsworte an die Anwesenden gerichtet hatte, die Ver handlungen geschlossen. Linderschutz. —m. Leipzig, 23. Oktober. Am gestrigen Abend wurde in Gegenwart zahlreicher Interessenten, namentlich aus der Damenwelt, die Gründung eines Vereins der K i n d e r f r e u n d e in Leipzig vollzogen und damit zugleich eine korporative Angliederung an die bereits in Chemnitz und Dresden bestehenden, mit so segensreichen Erfolgen wirkenden Kindcrschutz-Vereine ins Auge gefaßt. Es soll dieser neue Verein mit seinen edlen menschen freundlichen Prinzipien den Zweck verfolgen, den Ge fahren entgegen zu wirken, welchen Kinder durch Handlungen oder Unter lassungen Erwachsener ausgesetzt sind. Er will vor allem die Gefahren bekämpfen, welche für die Kinder aus vernachlässigter Erziehung, aus dem Mißbrauch der elterlichen Gewalt durch übermäßige Züch tigung und körperliche Mißhandlung, durch Verwendung zur Arbeit über das Maß der kindlichen Kräfte hinaus, durch Verwendung zu Leistungen, welche das Kind sittlich gefährden, entstehen. Erreicht soll dieser Zweck werden durch Ermittelung,. Beobachtung und Beaufsichtigung schutzbedürftiger Kinder: Einleitung der zur Abhülfe nötigen Schritte durch Inanspruchnahme geeigneter HülfS- organe: Anschluß an die Behörden und Vereine mit ver wandten Bestrebungen: Beeinflussung der öffentlichen Meinung zn Gunsten rechter Erziehung, Behandlung und Pflege der Kinder, wie zur Ergänzung der nach dieser Richtung hin bestehenden Gesetze. In Zusammenhang mit dieser Gründung standen die VorstandSwablen. Durch einmütigen Beschluß der Versammlung setzt sich der Vorstand aus Frau Paul F rankc - A n g n stin, erste Vorsitzende, Herrn Justiz, rat Haber, zweiter Vorsitzender, Herrn vr. Alfred Spitz» er, dritter Vorsitzender, Herrn Privatdvzcnt ))r. W alcker, erster Schriftführer, Fran l)r. Nieder- mnller, zweite Schriftführerin, Frau Alice Tre bst, erste Kassiererin, und Herrn vr. iwxl. Oberma n n, zweiter Kassierer, zusammen, während Herr Sanitätsrat vr. Taube, Frau Kommerzienrat Nachod , Herr Geh. Hosrat Vr. Rud. S o h m, Frau vr. Goldschmidt, Herr Iustizrat Vr. Gensel, Fräulein Helene S ch u n ck, Fräulein M. Schlobach und Fräulein vr. Käthe Windscheid den Beirat bilden. Ehe die Konstituierung des Vereins vvrgcllvmmen und die ihm zu Grunde liegende Satzung bestätigt wurde, nahmen die Erschienenen drei Vorträge zur Einführung in die Absichten der neuen menschenfreundlichen Vereini gung entgegen. Herr Iustizrat vr. Geusel, der, den Vorsitz übernehmend, versicherte, wie sympathisch die Ge meinnützige Gesellschaft diesen edlen menschenfreund lichen Bestrebungen gegenüberstehe, gab seiner Freude an dem Erscheinen so vieler Gönner des neuen, Humani tären Werkes Ausdruck. Es bekunde, wie sehr ihnen die als nützlich und notwendig erkannte Sache am Herzen liege. Nach ihm sprach Herr Schriftsteller A g a h d - Berlin, der für das Wohl schutzloser Kinder schon zehn Jahre lang einen Kampf gegen Eltern und Arbeitgeber geführt. Sein Kernwort war, daß das neue Jahrhundert dem Kinde gehöre. Daß bisher so wenig für das schutzlose Kind geschehen, sei einer Unkenntnis der Verhältnisse und der Gewohnheit zuzuschreiben, achtlos an dem Elend der Kinder und an den Kindcrmißhandlungen vvrübcr- zugehen. Wohl habe Italien sein Kinderschutzgesetz, Frankreich wie England seine Kinderschutzbestimmung, aber es reichen alle diese Bestimmungen immer noch nicht auS, um einer Ausnutzung der kindlichen Arbeitskraft vorzubeugen. Auch in Deutschland lassen sich gleiche Ver hältnisse Nachweisen, und nach Ermittelungen der Lehrer schaft sei festgcstellt, daß jedes achte Kind in Deutschland erwerbstätig sei. Wenn von Leipzig keine Statistik vor liege, so dürfe man nicht fehlgrcifen, wenn man auch auf unsere Stadt die Ermittelung in anderen Städten, wo 14 Prozent der Knaben und 7 Prozent der Mädchen gegen Lohn und Brot arbeiten müssen, anwenden dürfen. In ganz Deutschland gäbe es nur 40 Polizeiverordnungen, die der Ausnutzung des Kindes entgcgentreten, dagegen 42 Ortschaften, in denen die Nachtarbeit der Kinder fest gestellt worden. Der ungeheure Umfang der Kinder arbeit, die tausende von Kindern bei Nacht, hundert tausende bei Tag, ohne Rücksicht auf ihr Alter, beschäftige, lasse auf Schäden gefährlichster Art schließen. Man müsse nun dem Kinde zurückervbern helfen, was ihm gebühre, seinen Sonntag, seinen Schlaf, sein Spiel. Es habe ein volles Recht aus Schutz und dürfe nicht sittlichen Schäden und Schäden geistiger Entwickelung ausgesetzt sein. Hier müsse der Reichstag mit einem sofortigen Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit eintretcn. Sei die Aus nützung der Kinder schon schwer kontrollierbar, noch weit mehr die Mißhandlung, wie sie so oft in brutaler Weise hervortrete. Hier gelte eS, das öffentliche Gewißen wach zu rufen, die Stimme zum Schutze der Kinder zu erheben, Behörden, Lehrer, Aerzte zur Unterstützung Heran zurufen: es gelte, Meldestellen zu gründe« und Material zu sammeln. Nicht trenne in diesem Werke der Menschen liebe die Einzelnen, Staat, Religion, Partei, der Kinder schutz sei neutral. Wer ihn übe, den belohne warmer, herzlicher Dank! Nach dem Redner sprach Herr vr. Alfred Spitzner - Berlin, der gewisse psychologische Probleme zum Gegen stände seiner Erläuterungen machte. Wenn der Pädagoge die Summen der sozialen Wohltaten überblicke, die dem Kinde in Leipzig gewährt werden — er erinnere nur a» die Schrebervereine, die Ferienkolonien, an den Aus schuß für das Wohl der Jugend, an Frcgc- und Ziller- stist, an Milchspendcn, Ferienwanderungen, an städtische Kinderpflege, Kinderbewahranstalt, Kinderhort, Kinder spielplätze — so müsse er seine Freude haben: er müsse es auch mit Freuden begrüßen, wenn der ins Leben zu rufende Kinderschutz-Verein eine wohltätige Ergänzung der bestehenden Kinderfürsorgc ins Auge fasse. Hierbei Hand in Hand mit der Schule zu gehen, sei eine seiner Aufgaben: er müsse das psuchologisch-erzieberischc Inter esse zu erwecken und auch jenen Quellen nachziispüren suchen, die bei Kindern zn Ursachen von mancherlei Ver irrungen werden. So sei nachzuweisen, daß das Vagicrcn der Kinder aus krankhaften Zuständen, aus Vererbung, aus Mißachtung der Abschätzung seiner Fähigkeiten ?c. entspringe. Wichtige psychologische Probleme rollte der Redner auf. Nach ihm sprach Herr Mar Böttcher- Chemnitz über die Entwickelung und die Erfolge der K i n d e r s ch u v - V e r e i n e in Dresden und Chemnitz. Der Dresdner Verein arbeite im zweiten Jahre seines Bestehens, der Chemnitzer im sechsten, letzterer mit einer Mitgliederzahl von 580 Köpfen. Chem nitz habe in diesem Zeiträume viel Gutes geschaffen, viel Erfolg gewonnen, aber auch in schwerer Arbeit sich mühen müssen. Redner gab hierbei an Beispielen kraßer Art einen Einblick in das soziale Elend dieser Stadt, unter dem auch das Kind schwer leidet, er entwarf düstere Bi'der des GroßstadtlebenS, in das der Kinderschutz einen freund lichen Lichtstrahl sendet, der Kindcrschutz, der praktisch'n Gottesdienst einsetzen will, der nur von einer Macht, der Macht der Liebe, beherrscht ist. — Allen drei Rednern wurde rauschender Beifall gespendet. Dann überbrachte Frau Camn, geb. von Schön berg, als Delegierte des Dresdner Kinderschntz- vereins die Grüße und Glückwünsche desselben, wie v. Schönberg als Delegierte des Dresdner Kinder- schntzvereins die Grüße und Glückwünsche desselben, wie auch der Berliner Verein durch Herrn Generalleutnant v. P e le t-N a r b o n n e aus telegraphischem Weae zn der verbei'uingSvollen Initiative Leipzigs auf dem G-Hftte deS Kinderschutzes herzlich gratulierte. Konnte doch Frau Paul Franke-Augustin für Leipzig bereits einen Mitgliederbestand von rund 400 Köpfen mit einem Jahres beitrag von 2500 .// konstatieren! Nun soll es rüstig an die Arbeit gehen, nach dem Motto, daS sich die Kinderschutz-Vcreine ans ihre Fahne aeschrieben: „D en Kindern z u m S ch n tz , ihren Feinden zum Trutz, der Menschheit z n Nutz'!" Internationaler Markt und Ausstellung von Motorfahrzeugen, Fahrrädern, Schreibmaschinen, Nähmaschinen rc. Vvl. pst. Leipzig, 22. Oktober. Für die fachmännischen Be sucher von besonderem Interesse sind die ausgestellten loko- mobilcn und stationären Motoren, welche teils im Betriebe vorgeführt werden. Eine hervorragende Neuheit ist von der Firma M o t o r e n f a b r i k „Proto ö", vr. A l - fred Sternberg in Berlin lV., ausgestellt. Es sind das Kompensatioiismotvren sürAutvmobilc und Boote. Durch eine zum Patent angemeldete Erfindung wird mit. diesen auf Federn ruhenden Motoren eine vollständige Beseitigung aller so lästigen Erschütterungen erreicht. Ein solcher Motor läuft z. B. an Ketten aufgchängt ebenso ruhig wie auf festem Fundament. Die Firma Schu manns Elekrizitätswcrk, Kom. -Ges. in L e i p z i g - P l a g w i tz, ist mit einer Anzahl neuer Stahl- gnß-Motoren und Dynamomaschinen nebst Apparaten am Platze. Tiefe Krafterzeuger zeichnen sich durch einfachste Konstruktion aus, so daß sie auch von Nichtfachleuten leicht
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