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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021027019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902102701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902102701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-27
- Monat1902-10
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Tabellarischer und Zlffenisap entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung SV.—, mit Postbesörderung 7V.—. Ännahmeschluß str Anzeigen: Abeud-AnSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» find stet» au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. StU 547. Montag den 27. Oktober 1902. 9K. Jahrgang. Amtlicher Teil. Degen Vornahme von ReinigungSarbeiten bleibt daS König- liche Aichamt Montag, den 27., und Dien»tag, den 28. Oktober, für den Verkehr geschloffen. königliche» Aichamt Leipzig, am LO. October 1902. Kaurusf. Oeffentliche Zustellung. Der Kaufmann Hermann Frankenstein in Leipzig klagt gegen die Modistin Marte Anasthasia Mathilde verw. Loeper geb. Hardouin, zuletzt in Leipzig, jetzt unbekannten Aufenthalts, auS Nauf mit den, Anträge 1) die Beklagte zur Zahlung von 292 ^il 16 nebst 4"/» Zinsen seit dem Tage der Klagzuslellung zu verurteilen, 2) das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären und ladet die Beklagte zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht zu Leipzig, Zimmer 113, auf den 3. Dezember 1902, Vormittags 10 Uhr. Zam Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Mage bekannt gemacht. Leipzig, den 21. Oktober 1902. Der «erichtSschretber des Königlichen Amtsgerichts. Versteigerung. Mittwoch, den 29. Oktober 1902, Vormittags 10 Uhr sollen im Verstetgrrung»raume de- hiesigen König!. Amtsgerichts Möbel, Betten, Teppiche, Ladentafeln, Regale, 2 Schuhnähmaichinen, 1 Pianiao, 1 Billard, 1 Musikautomat, I Nähmaschine, 5 Stand uhren, II Regulatoruhren, I Bierdruckapparat, eine Anzahl Re- staurationstijche und Stühle, 3 Taubenuhren, 2 Ringe, 17 Bände Brockhaus-Lexikon, 70 leere Fässer, Weine, Spirituosen u. v. a. Ä. meistbietend gegen sofortig» Vaarzahluug versteigert werden. Leipzig, den 25. Oktober 1902. Der Gerichtsvollzieher de» küntgl. Amtsgericht». Versteigerung. Dienstag, den 28. Oktober, Nachmittags 3 Uhr sollen in dem der Fa. Hans Eitner, hier, gehörigen Güter schuppen am Thüringer Bahnhof — sür Rechnung dem e» angeht — LVÄ Ctr. Roggenmehl v/1 Marke „Panther" öffentlich gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Back proben von betr. Mehl werden bet Versteigerung vorgelegt. VUnbol, Lokalrichter. Realgymnasial-Lehrerstelle. Zu Ostern 1903 ist am hiesigen städtischen Realgymnasium mit Realschule »ine Lrhrerstelle zu besetzen. DaS Anfang-gehalt eines nichtständigen wissenschaftlichen Lehrer» beträgt zunächst 8100 und steigt im 2. Dienstjahre ans 2250 im dritten aus 2403 und im vierten auf 2550 DaS Anfang-- gehalt sür wissenschaftliche ständige Lehrer beträgt 2800 und steigt von S zu 3 Jahren um je 400 bis zum Höchstgehalte von 600 beziehentlich 6600 ^l Bet d«r Anst»llung eine» ständigen Lehrer» werden anderwärts im höheren Lehramt» verbrachte ständige Diiostjahr» in Anrechnung gebracht. Mathematisch oder neuphilologisch geschulte Bewerber wollen Gesuche nebst Zeugnissen und L«beu»lauf bl» 10. November 1902 hier etnreichen. Plauen i. V., am 20. Oktober 1902. Der Ltadtrath. Ur. Schmid, Oberbürgermrister. Was sagt der Arzt zu der sogenannten „Fteijchnot"? Don vr. wo6. Karl Born st ein (Leipzig), Nachdruck verdaten. Seit Wochen und Monden ist im gesamten deutschen Baterlande eine gar gewaltige Erregung vorhanden: der Fleischkonsum geht zurück, weil die Fleischer wegen nicht genügender Zufuhr und dadurch bedingter Preiserhöhung des Schlachtviehes auch ihrerseits eine nach ihrer Ansicht unumgänglich nötige Preiserhöhung vornehmen mußten. Statistiker weisen nach, daß der Durchschnittsverbrauch an Fleisch pro Kopf der Bevölkerung gesunken ist, die Hausfrauen beklagen sich, daß sie bei gleichem Fleisch verbrauchs mehr zahlen oder, falls das Geld nicht langt, weniger Fleisch auf den Tisch bringen müssen. Im Reichstage wird in nächster Zeit der Staatssekretär Graf Posadowsky eine darauf bezügliche Interpellation der freisinnigen Volkspartei beantworten müssen) die Kommunen, die das Interesse und die Gesundheit ihrer Bürger wahrnehmcn zu müssen glauben, petitionieren um gänzliche oder wenigstens teilweise Aufhebung der Grenz sperre. Volksversammlungen erstreben dasselbe, und die beteiligten Kreise der Nahrungsmittelsabrikantcn und -Händler wenden sich in Broschüren an Behörden und Publikum und schildern dort unter sorgsamer und über sichtlicher Darstellung des einschläglichen Materials die Folgen der Grenzsperre und der durch dieselbe bedingten Fletschteuerung. „Die in Deutschland vorhandene Fleischnot, ihre Ursache, Wirkungen und Folgen" *) lautet der Titel ihrer Publikation, in der sie u. a. auch zu folgendem Schluffe gelangen: 5) „Die Beseitigung der aus diesen (unter 1—4) Gründen mehr und mehr um sich greifenden Unterernährung des größeren Teiles des de i« Ischen Volkes mit Bezug auf Fleischnahrung ist zur Vermeidung einer schweren Schädigung des deutschen Volkes dringliche Pflicht aller beteiligten Faktoren." In ähnlichem oder gleichem Sinne lauten die oben er wähnten Petitionen, Interpellationen, Volksversamm- lungsbeschlüsse usw.: alle heben als schwerstes und am meisten ins Gewicht fallendes Moment die Unter ernährung und Gesundheitsschädigung des deutschen Volkes hervor. Dieser Punkt bedarf dringcndst einer sachlichen und aufklärenben Beleuchtung von einer Seite, die sich bisher noch schweigend zu diesen die Gemüter aufs höchste er regenden Fragen und Erklärungen verhalten hat: von sachverständlicher, ärztlicher Seite. Und ich halte eS für außerordentlich wichtig und für unumgänglich nötig, daß der Arzt sich endlich zu dieser Angelegenheit äußert. Ich sähe es lieber, wenn einer unserer großen Hygieniker, von denen wir gerade in Deutschland so viele von Weltruf besitzen, seine autoritative, weithin hörbare Stimme aus seiner weithin sichtbaren Stellung ertönen ließe. Biß jetzt aber schweigt alles im Gelehrtenwaldc. Und dieses Schweigen läßt cs indirekt zu, daß Jahr hunderte alte Urteile und Vorurteile in Bezug auf Er nährungsfragen und -Notwendigkeiten auch heute noch in derselben unbewiesenen und zum größten Teile längst widerlegten Weise geglaubt und weiter verbreitet werden wie »nnc» dazumal. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle sins ir», aber oum stuckio, zu dieser Frage ärztlich Stellung zu nehmen, die sich in der fünften Schlußfolgerung der eingangs citierten Broschüre findet, zu der Frage: Bedeutet die Fleischminderernährung des weniger bemittelten und un bemittelten Teiles der Bevölkerung zugleich eine Unter- ernährung und in logischer Konsequenz eine schwere Schädigung des deutschen Volkes? Auf diese Frage antworte ich laut und deutlich nach bestem Wißen und Gewißen, nachdem ich mich jahrelang ärztlich und in wissenschaftlichen Forschungen mit diesem *) Nürnberg, Wilh. Thümmels Buch- und Kunstdruckerei. wichtigsten Gegenstände beschäftigt habe, und zugleich wünschend, daß es überall gehört werden möge, mit einem tausendfachen: Nein! Eine Herabsetzung der F l e i s a; - nahrung — und ich betone ausdrücklich Fleisch, Fleisch in landläufigem Sinne —, bedingt weder eine Unter- ernährung, noch schädigt sie die vielen Millionen, die sich dieselbe aus pekuniären Gründen gefallen laßen müßen. Man braucht sich ja nur mit selbst halb offenen Augen in der nächstliegenden Umgebung umzusehen, um nach wenigen Minuten zu erkennen, daß ich recht habe. Ei» wie großer Prozentsatz des deutschen Volkes nimmt denn täglich die nach Ansicht der Interpellanten und Petitio nierenden nötige Fleischmenge zu sich? Sehen wir nicht täglich und stündlich, daß gerade der Teil der Bevölkerung, der am meisten körperliche Arbeit leisten muß, sich mit minimalen Fleischmcngen begnügen muß, ohne daß wir aus diesem Grunde eine Unterernährung oder Gesund- hcitsschüdigung konstatieren können? Wer mit mir eine kleine Reise nach den östlichen Provinzen machen will, dem zeige ich Treiviertel der Bevölkerung, wenn nicht mehr, für die Fleisch in Form von billigster Wurst nur ein Sonntagsleckerbißen ist. Wenn man Statistiken liest, die für eine mehr oder weniger große Wohlhabenheit, für eine mehr oder weniger gute und „kräftige" Ernährung maßgebend sein sollen, findet man meistenteils den Verbrauch an Fleisch pro Kopf und Jahr als äußerst wichtig besonders hervvrgehoben. — „Fleisch" im Sinne des Konsumenten, d. h. Fleisch, das der Fleischer verkauft „gibt Kraft", sagt der Volksmund, und noch vor 50 Jahren hat selbst ein Man» von der allezeit gültigen Bedeutung eines Justus v. Liebig dem Fleische eine exzeptionelle Stellung ein geräumt. Tie moderne Physiologie der Ernährung und des Stosswechsels hat dem Fleische seinen uralten Nimbus ge nommen und dargetan, daß sein besonderer Wert mehr in seiner Bedeutung als wohlschmeckendes Gcnuß- und Anregungsmittel, denn als Nährmittel liegt; ich möchte aber nicht mißverstanden werden und betone: der besondrc Wert! — Außerdem hat es den großen Vor zug des Wohlgeschmackes und der Möglichkeit, in ab- wechselungsreichstcr Form zubereitet und auf den Tisch des Hauses gebracht werden zu können. Was aber seinen eigentlichen Nährwert betrifft, den wir bei der Beurteilung im Volkshaushalte zu Grunde legen müssen, so entsprechen z. B. 150 Gramm besten Schabefleisches einem Liter Magermilch. Nun kosten 150 Gramm Schabefleisch 30 Pfg., ein Liter Magermilch durchschnittlich 7 Pfg. (in der Stadt 8—10, auf dem Lande 5 Pfg., eventuell noch weniger). Ter Etat des Armen ge stattet es nicht, daß für den Ncbenwert eines Nah rungsmittels Dreiviertel des Wertes bezahlt wird; für dieses Plus, das bei einem einzigen Pfund rohen Schabe fleisches — und ich verstehe unter Schabefleisch das von Knochen und allen sonstige» Abfällen befreite Material — 75 Pfg. beträgt, kann er wahrhaftig vieles andere er halten, das für die Erhaltung der Kraft und der Gesund heit weit wichtiger ist, als der Genuß am Fleische. Ich habe schon oben erwähnt, daß das Volk Fleisch nur beim Fleischer kaufen zu können glaubt. Selbst Gebildete vergessen, daß Fisch ein ausgezeichneter und leider viel zu wenig gewürdigter, völlig gleichwertiger Fleischträger ist. Wie sehr die Meinung verbreitet, Fleisch und Fisch seien völlig verschiedene Tinge, kann man in katholischen Gegenden und Ländern allwöchentlich am Freitag und all jährlich in der sogenannten Fastenzeit sehen. Flcischgenuß ist verboten, der Konsum von Fischen aber, in ärmeren Kreisen besonders von Stockfisch und Hering, steigt ge waltig. Der Volkswirt freut sich über diese Tatsache und registriert gern diese nutzenbringende Unkenntnis. — Ter Wert der Fischnahrung ist leider im Volke noch zu wenig bekannt, und eine darauf bezügliche Belehrung dürfte dringend geboten erscheinen. — Seefische werden in großen Hand'nngen in guter und frischer Ware schon mit 20 Pfg. pro Pfund angeboten; und wenn es erst allgemein bekannt sein wird, daß das, was Fleischer und Fisch händler anbieten, absolut gleichwertig ist, dann wird der Verbrauch billiger Fische und damit der Gehalt der Nah rung an Eiweiß, der oft viel zu wünschen übrig läßt, steigen. Wir berechnen jetzt den Durchschnittsbedarf eines arbeitenden Menschen an Eiweiß mit 100 Gramm, und es ist nach allgemein gültiger Ansicht völlig gleich, welche Ei- weißsorten die nötige Menge ausmachen. Es ist an genehm und wünschenswert, wenn ein Teil des Bedarfes in Fleischform gedeckt wird, damit zunächst die Unter schiede und die Gegensätze in den Haushaltungen von hoch und niedrig nicht gar zu kraß erscheinen. Sodann schmeckt Fleisch gut. Ein anderes Moment, das für Fleisch nahrung spricht, sind Gewohnheiten und Verwöhnungen und der schwer ausrottbare Glaube, daß Fleisch ein ganz besonderer Kraftspender ist. Notwendig ist eine Fleisch nahrung nie und nimmer mehr, wenn auch Genuß, Wohl geschmack, Anregung nicht gering zu schätzende Dinge sind. — Es fragt sich aber, ob sich letztere nicht auch in billigerer und völlig gleichwertiger Weise anderweit verschaffen lassen, z. B. im Fische. Ein ausgezeichneter Eiweißträger ist die oben bemerkte Magermilch und der aus ihr bereitete Käse, die beide beim Volke, gebildeten und ungebildeten, an einer sehr be klagenswerten Unterschätzung leiden. — Auf dem Lande wird die Magermilch leider vielfach als Viehfuttcr be nutzt, werden die Nahrungsperlen im Sinne des Wortes vor die Schweine geworfen. — So auf der einen Seite kolossale Ueberschätzung — in der Meinung und im Geld werte — des Fleisches, auf der anderen Seite Unter schätzung der mehr als gleichwertigen Milch und ihrer Produkte. Ich sage absichtlich: mehr als gleichwertig; denn die moderne Forschung hat uns belehrt, daß das Milcheiweiß dem Fleischeiweiß vorznziehen sei. Und ich kann ich mich aus Eigenem diesen Forschungsrcsultaten an schließen. Ter äußerst billige Quarkkäse enthält 25 Prozent Eiweiß, Magerkäse 33 Prozent, Fett- und Halbfettkäse 27,5 Prozent neben 30 resp. 20 Prozent Fett. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß man mit Zuhülsc- nahme von Magermilch und Käse sehr leicht den Eiweiß bedarf deS Organismus decken kann. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß auch alle anderen Nahrungsmittel Eiweiß in größerer oder geringerer Menge enthalten, z. B. Brot 6—7 Prozent. Im Handbuch der Diätetik für Aerzte, Verwaltungs beamte usw., betitelt: Ernährung des gesunden und kranken Menschen, herausgegebcn von Prof. Munk und Geheimrat Prof. Ewald (Berlin), sagt I. Munk, einer unserer bekanntesten Stoffwechsel physiologen: „D i c s ü ß c M a g e r m i l ch i st e i n c d e r billigsten Quellen für tierisches Eiweiß. Es wäre wünschenswert, daß der Ver brauch derselben, insbesondere für die Zwecke der V o l k s e r n ä h ru n g, zu nähme." Dann weiter: „Es ergibt sich, daß der Käse ein außer ordentlich wertvolles Nahrungsmittel ist. Der Käse st eilt eine wichtige Beigabe zu der eiweiß- und fettarmen Nahrung der unteren VolkSklasse dar. Gehören schon die Süßkäse zu den preiswürdigsten animalischen Nahrungsmitteln, indem sie gegenüber anderen tierischen Nahrungsmitteln, z. B. Fleisch, kaum halb so hoch bezahlt werden, so gilt dies vollends für den Quarkkäse, dessen Preis bei dem Reich tum an Eiweiß und bei mäßigem Gehalt an Fett als sehr wohlfeil bezeichnet werden muß. Gerade dem Quark kommt als Nahrungsmittel für die ärmeren Volksklassen eine ganz hervorragende Bedeutung zn." Ter verehrte Leser und die lernbegierige Leserin sehen, daß ich meine bescheidenen Darlegungen auch mit autoritativer Stütze versehen kann. — DaS alteMärchen von der schweren Verdaulichkeit deS Käse zn widerlegen, ist hier nicht der Ort. Nun wird auch der Jtalienreisende wissen, warum der pulverisierte Parmesankäsc als Zusatz zu festen und flüssigen Speisen bei der Ernährung eine so wichtige Nolle Feuilleton. Das Mysterium. Humoreske von Anna Behnisch-Kappstein (Berlin). Nachdruck verboten. vr. Alfred Weddichen band sich eine neue Kravatte um, eine jener riesigen, bis auf den unteren Rand der hoch- geschlossenen roten Weste bauschenden, weichen Kravatten von schwerer, schwarzer Seide, die ihn eher berühmt ge macht hatten, als seine Bücher. Er versicherte sogar, baß er diesen Kravatten seine Bücher verdanke; denn ohne da» geheimnisvolle Knistern auf seiner Brust, das ihn inspi riere, wie andere die Musik, vermöge er nicht zu arbeiten. Dann stopfte er alle äußeren und inneren Taschen seine» schwarzen Anzugs mit Broschüren, Journalen, Zeitungen und Briefen voll, daß die Rockschöße zipflig herabbmnnelten nnd der übcrschlanke Mann aussah, als habe er vorn einen Buckel. „Wohin denn so spät noch, Franz?" fragte die kleine, blonde Fran, die mit neuen Handtüchern ins Schlafzimmer trat, zärtlich. „Zn den „Pionieren der neuen Kunst" — das Winter programm beraten", antwortete er kur» und etwas ge reizt. „Auf dem du natürlich zuerst figurieren willst mit deinem neuen Gedichtbanb", neckte sie nicht ohne Schärfe. „Was dir doch nur schmeichelhaft sein kann, da ich ihn dir gewidmet habe. Ich tue e» mindestens ebenso sehr nm dich, wie um mich. Du mußt durch solche Dinge ein bißchen lanciert werden in der Gesellschaft, sonst faßt du niemal» festen Fuß. Die andern Damen unsere» Kreise» treten alle künstlerisch hervor. Dich übersieht man —" „Als da» Gänschen vom Lande ... Ich weiß schon." Sie nagte an den Lippen. „Du schämst dich ja mit mir." Er bearbeitete seinen Schnurrbart. „Ich . . ich . . Kind, deine Rücksichtslosigkeiten machen mich rasend! Jetzt diese vom Zaun gebrochene Unterhaltung, wo ich es so eilig habe, — und dann, baß du mit Handtüchern kommst, während ich mich auf das Vorlesen meines neuen „Mysterium des Weibes" vorbcreite .... Dir fehlt eben jedes ästhetische Gefühl." „Ich dächte, cS wäre noch unästhetischer, wenn du dich morgen früh an einem unsauberen Handtuch abtrocknen müßtest", sagte sie ruhig. Diese Ruhe brachte ihn vollends auf. „Ich — ich wasche mich morgen früh überhaupt nicht!" entfuhr es ihm im Eifer. „Gratuliere!" „Schon aus Abneigung gegen die frischen Handtücher nicht! Diese „schimmernden Leinenschätze der deutschen Hausfrau", mit denen du paradierst, machen mich ganz nervös." „Dann paßt du natürlich besser zn den prärafaelitischen Jungfrauen mit zerrissenen Strümpfen, die in deinem Verein singen und mimen und hysterische Verse machen." Wenn die kleine Frau boshaft wurde, sah sie gar nicht dumm aus. „Jedenfalls wissen diese feinnervigen, differenzierten Naturen meine Schöpfungen besser zu würdigen, als du mit deiner hausbackenen lvesundheit, die nach der ewigen Numorerei mit Kochtopf und Staubwedel schon abends um zehn in einen geradezu plebejisch festen Schlaf verfällt, wenn man in unfern Kreisen erst zu leben anfängt." „Mit Hülfe von schwarzem Kaffee und Absynth, wie ihr Männer überhaupt lebt und arbeitet. Und die Frauen, die ihr euren eigenen zum Muster aufstellt, verschlafen den halben Tag und nehmen Morphium oder Arsenik, damit abends ihre Aitgen glänzen, — diese schreibenden und malenden Frauen mit der „differenzierten Psyche", die sie jedem Kritiker sür eine Rezension liebevoll Offnen." „Du hast wohl mal was gehört!" Der Doktor zuckte die Achseln. „Jedenfalls verstehen diese modernen Weiber die höchste Frauenkunst: uns zu interessieren. Ich sage: uns; denn eine Frau, die von vielen begehrt wird, steigt dem einen, dem sie gehört, dadurch immer im Werte. So ein Amaranthidyll, mein Kind, wie du's hier etablieren möchtest, die Eine ewig für den Einen — „vom ersten Kuß bis in den Tod sich nur von Liebe sagen" —, das sind Ur großmutterideale, aber für eine Berliner Dichtersgattin des zwanzigsten Jahrhunderts ein bißchen abgeschmackt." „Tanke. Im übrigen: cs ist drciviertelzehn, also gerade die rechte Zeit für dich, zu leben anzufangen. Ich gehe zu Bett. Und wenn du mal wieder den Wunsch haben solltest, mich nach zehn noch wach zu finden, so ver schone mich, bitte, mit dem Vvrlesen deiner Manuskripte. Denn eins will ich dir im Vertrauen verraten: daran, daß es deinen öffentlichen Vorlesungen noch immer an Erfolg gefehlt hat, ist zu allererst dein monotoner Vor trag schuld, der die andern Leute genau so einschläfert, wie mich. Gute Nacht." DaS saß. Die junge Fran lernte schnell begreifen, daß er den Schmachtton satt hatte. Seine Mißerfolge — ärger konnte man ihn nicht kränken. Und die monotone Stimme — daS hatte ihm noch keiner zu sagen gewagt. Merk würdig, wie die Randbemerkungen dieses Landpomeränz- chenS manchmal den Nagel auf den Kopf trafen. Er wollte sich für den „Weddichen-Abend" in vierzehn Tagen wirklich mal nach einer geschulten Interpretin irmsehen . . . Vielleicht die kleine Fernstein vom lyrischen Theater, die mit den van Dyck-Händen ... Am nächsten Vormittag machte sich Frau Elise sehr sein und ging zur Visitenstunde allein aus. DaS verwunderte Herrn Or. Alfred Weddichen ungemein; denn seine Frau machte nie ohne ihn Besuche, weil sie sich von den Familien, mit denen Ne verkehren mußte, zurückgesetzt fühlte. Und > als sie um zwei Uhr noch nicht zu Hause war, sank seine Laune bedenklich, zumal er bis ins Arbeitszimmer, mit seiner Adlernase schnuppernd, wahrnahm, daß das Mäd chen den Braten halte anbrennen lassen. Es gab Momente, wo den Mysterinmdichter solche trivialen Realitäten sehr schmerzlich berührten; denn trotzdem seine schwarzen, glühenden Augen allzeit die Wände zu durchbohren nnd in lichte Fernen gerichtet zu sein schienen, erwies sich sein Gaumen für die Vorzüge eines guten Tisches stets em pfänglich. Heute aber speiste man eine volle Stunde später als gewöhnlich, und zum Ersatz des brenzlichen Filets gab'» einfach Rühreier, die noch dazu versalzen waren. Dennoch begab sich die kleine Frau auch die folgenden Tage jeden Morgen nm elf Uhr in gewählter Toilette aus den Weg und erschien nie vor zwei Uhr wieder zu Hause. DaS Menu war demgemäß stets kurz und bescheiden. Der Doktor erging sich in bitteren Klagen über die ihm widerfahrende Vernachlässigung. Elise zuckte nur die Achseln, genau so, wie sie's bei ihm gesehen hatte. „Ich brauche frische Lust und gehe täglich ein paar Stunden spazieren. Schmeckt dir's nicht zu Hause, so mußt du eben im Restaurant essen; da stört dich wenigstens keine Numorerei mit den Kochtövfen." Mittags tat er das nun zwar nicht, weil er gewohnt war, unmittelbar nach Tisch rin Schläfchen auf der Ehaise- longue zu halten; doch abends machte er von dieser Er laubnis um so ausgiebigeren Gebrauch. Und jedesmal, wenn der Gemahl sich verabschiedet hatte, gab die Haus frau der Zofe den Abend zum AuSgehen frei. Solche un gewohnten Vergünstigungen erregten bei dieser berechtigte Neugier. Und das vor der Türe-Stehen bei Wind und Regen war nicht immer erfreulich. Da war's doch viel be quemer, wenn sie den Gefreiten mit hcraufnahnr in die warme Küche. Die Gnädige merkte ja doch nichts. Tic hielt sich im Salon bei verschlossenen Türen auf und hatte die beiden hohen Stehlampen angezündet, wie Rieke andern Tages an dem Pctroleumverbrauch feststeüte. Und
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