01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030907016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903090701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903090701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-07
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hüher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenauuahm« 25 L, (rxcl. Porto). Ext« Beilage« (gesalzt), nnr mit der Morgen-AuSgab», ohne PostbesSrderung ^tl 60.—, mit PostbesSrderuug ^l 70.—. Auuahmeschluß für Auzeizeu: Abeud-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« smd stet» an die Expedition zu richten. Die Spedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Potz tu Leipzig. Nr. 454. Montag den 7. September 1903. 97. Jahrgang. Amtlicher Teil. Letzt« Nachrichten. Bekanntmachung. Auch in diesem Jahre soll in sämtlichen Parochialkirchen der Ephorre Leipzig I eine AbendmahlSfeirr mit den einberufenen Rekruten und ihren Angehörigen, an der jedoch auch die Gemeinde tcilnchmen kann, in Verbindung mit dem Hauptgottesdienste oder dem Abend gottesdienste am Sonntag, den 20. dieses Monat«, abgehalten werden. DaS Nähere ist au« den amtlichen kirchlichen Nachrichten zu ersehen. Die im Stadtbezirke wohnenden jungen Männer evangelisch lutherischen Bekenntnisses, dis in diesen Tagen zum Dienste der Waffen berufen werden, ihre Angehörigen, wie auch die Ge meinde werden hiermit zu dieser Abendmahlsseier herzlichst geladen. Leipzig, am 4. September 1903. Superintendent«» l. ,v. Pank. Vermietung. Im 1, Obergeschoß de« Lehrerwitwensttstes, KSrnerstr. 5, ist zum 1. Oktober o. I. eine Wohnung, bestehend aus 2 Stuben, Kammer, Küche und Zubehör an die Witwe eines hiesigen Lehrers zu vermieten. Mietgesuche werden bis zum 15. t. M. auf dem Rathause im II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20, entgegengenommen, wo auch weitere Auskunft erteilt wird. Leipzig, derz 31. August 1908. Der Rat der Stadt Leipzig. SttftungSamt. Stift.-Reg. d Nr. 414.vr. Weber. Römer. Konkursmasse-Verkauf. Die Konkursmasse des Sattlermeister» Paul Grünewald in Leipzig, bestehend aus neuen Geschirren und Sätteln, Peitschen, Hnnvemauikörben, HundehalSbändern, Schulranzen, Geld taschen, Kellpferden usw. im Taxwerte von 2889,95 und das Jnventa^ im Taxwerte von 99,20 ^ss, soll im ganzen meist bietend und öffentlich am Montag, den 7. September, mittags 4 Uhr, im Laden, Leipzig, Brühl 25, verkauft werden. Die Besichtigung der Gegenstände kann an demselben Tage früh von 8 Uhr an geschehen. Die näheren Bedingungen werden im Termine bekannt gegeben, eine Bretungskaution von 1000 ist vorzuzeigen. Leipzig, den 4. September 1903. Paul Gottschalck, Konkursverwalter. Pferde- und Wagen-Auktion. Heute Montag, den 7. Sept., kommen von früh 10 Uhr an in Leipzig, Zangenbergs Gut (JohannisplavV Pferde und Wagen, so wie dazu gehörige Utensilien, desgleichen Kahrräder zur öffentlichen Versteigerung. Trummlltr, Lokalrichter. liviikussiMM-VeiMixminx. Montag, den 7. nnd Dienstag, den 8. d. Mts., j« vorm. von 1b—s Uhr, sollen Lm1Uv»8tre»««» SO, In» LLskiv, im Auftrage de» Konkursverwalters Herrn Paul Gottschalk zur Konkursmasse Vllrkvb gehörige Waren, als: Barchente, Kattune, vettzeuge, Strümpfe, dtd. Wäsche u. s. w. öffentlich gegen so fortige Barzahlung versteigert werden. Leipzig, den 5. Septr. 1903. I-iläeolce, Lokalrichter. * Berlin, 6. September. Wie noch bekannt wird, em» pfing der Kaiser am 1. d. M. im Berliner Schloß nach der Parade den Oberpräfidenten o. Winöheim. * Berlin, 6. September. Die „Natlib. Korresp. schreibt: Die Angriffe gegen den Generalgouver- neur von Samoa vr. Sols mehren sich. ES wer den fast unglaubliche Berichte von deutschen Ansiedlern verbreitet, die von vr. Sols ausgewiesen seien, weil sie sich seinen Anordnungen nicht gefügt hätten. Eine Auf klärung dieser schweren, das Deutschtum schädigenden Anklagen tut dringend not. Jedenfalls sind von der zu ständigen Kolonialverwaltung amtliche Be richte von vr. Golf eingefordert. Bet der großen Entfernung wird eine Aufklärung von feiten des Gouverneurs wahrscheinlich und bedauerlicherweise noch längere Zeit auf sich ivarten lasten. Da vr. Solf bis jetzt in der Beurteilung kolonialer Kreise als ein Mann ohne engherzigen Bureaukratismus galt und er diesen vorteilhaften Eindruck auf den gesamten Reichstag machte, erscheint eS um so unbegreiflicher, wenn die Dar stellungen jener von den Maßnahmen vr. Dolfs be troffenen deutschen Ansiedler mit dem wirklichen Sach verhalt sich decken sollten. * Berlin, 6. September. Ein neues Zeugnis zwang s-V e r fa h r e n Hat den ,-vorwärts" be troffen. Am Sonnabenbmorgen ist aus dem Bette her aus der Berichterstatter am „Vorwärts" Reh bein verhaftet worden, weil er, als Zeuge vor« Mili tärgericht geladen, «ine ihm unter dem Siegel des RedaktionsgeheimnisteS anvertraate Kenntnis nicht mit teilen wollte. Es handelt sich um den Brief eines Sol- -ate an den „Vorwärts" wegen angeblich erlittener Miß- Handlung. Rehbetn brachte das Material zur Kenntnis der Militärbehörden, wollte aber den Namen des Brief schreibers nicht angeben. — Ferner teilt der „Vorwärts" mit, daß sein Redakteur Leid aus der Unter suchungshaft, in die er wegen des Kaiserinsel- Märchens genommen war, entlassen worben ist. * Görlitz, 5. September. Der hier lebende 78jährige Lustspieldichter Moser ist nicht unbedenklich er krankt. Augenblicklich weilt er zur Kur in Warm brunn. lBerl. Tagebl.) * Breslau, 6. September. In einer gestern abgehal tenen Konferenz der schlesischen Regierungspräsidenten und Landräte wies der neue Oberpräsibent auf die schweren moralischen und sozialen Schäden hin, die ent- stehen wiirden, wenn man die durch das Hochwasser Ge schädigten bis zur nächsten Ernte auf öffentliche Almosen verweise. Er gab Anordnung, schleunigst Wege, Deiche, Brücken und andere öffentliche Bauten herzu stellen, damit die Ueberschwemmten sich ihr Brot erarbeiten könnten. Der Staat werde dazu sicherlich die nötigen Htilfsgelder -ergeben. 0. Breslau, 6. September. (P r i va t t e l e g ra m m.) Der gesamte, durch die letzte Hochwasserkata- stropye in der Provinz Schlesien angerichtete Schaden beträgt, der „Schief. Ztg." zufolge, mehr als zwanzig Millionen Mark) «s sind 81000 Hektar land wirtschaftlich genützter Fläche überschwemmt gewesen. * Merseburg, 6. September. Der Kaiser begab sich heute vormittag nach dem Exerzierplätze bei Merseburg, wo feierlicher Felbgotie»dienst stattfand. Die Kaiserin fuhr mit Sonderzug nach Halle zur Ein weihung der Pauluskirche. * Halle, 6. September. Die Kaiserin traf heute vormittag gs/2 Uhr mittels Sonderzuges hier ein. Auf den: Bahnhofe, wo eine Ehrenkompagnie des 72. Jnfan- terie-Negiments ausgestellt war, hatten sich die Spitzen der staatlichen und der städtischen Behörden zum Empfang ein gefunden. Ihre Majestät fuhr bann, begleitet von einer Eskorte der 10. Husaren zu der feierlichen Einweihung der Pauluskirche. Bor der Kirche stand eine Ehrenkompagnie deS Füsilier-Regiments Generalfeldmarschall Graf Blu menthal sMagdeburgisches) Nr. 36. Ferner waren die Vertreter der Geistlichkeit erschienen, an ihrer Spitze die beidsn Generalsuperintendenten der Provinz Sachsen Vieregge und Holtzheuer. Nach der Zeremonie der Schlüsselübergabe betrat die Kaiserin hinter den beiden Generalsuperintendenten die Kirche, geführt von dem Prinzen Albrecht von Preußen. Es folgten sämtliche) zum Manöver hier anwesenden Fürstlichkeiten. Pfarrer Bach hielt dann die Weiherede. Nach der kirchlichen Feier fuhr die Kaiserin zum Bahnhofe, wo um 11 Uhr 20 Miu. der Kaiser mit -em Prinzen Ettel-Friedrich von Merseburg eintraf. Beide Majestäten fuhren hierauf wiederum mit Eskorte durch die Feststraße, die überaus reich geschmückt war, und an welcher Vereine, Innungen und Schulen Spalier bildeten. Die Krtegervereine standen vor dem Kaiser Wilhelm-Denkmal, an welchem die Wagenfahrt der Majestäten vorllberführte. Am Eingänge der Mo ritzburg-Ruine hatte das Corpus Acadmnicmn Aufstellung genommen. Der Rektor Magnificus Geheimer Justizrat Professor vr. Stammler richtete an die Majestäten eine Ansprache, auf welche der Kaiser freundlichst dankte. Auf dem gangen Wege wurden die Majestäten mit stürmischen Kundgebungen begrüßt, die auf dem Marktplatze vor dem Rathause ihren Gipfelpunkt fanden. Hier hatten vor einer Ehrenpforte Vertreter der Stabt Aufstellung genom- men. Oberbürgermeister Geheimer Regierungsrat Staude begrüßte den Kaiser im Namen der Stabt und bot einen Ehrentrunk aus einem von einem Mitbürger hierzu ge stifteten Ehren'becher dar. Die Rede des Oberbürger meisters hatte folgenden Wortlaut: „Allerdurchlauchtigster grohmächtigster Kaiser! Allerdurchlauchtigste Kaiserin! Im Namen der städtischen Behörde» und der Bürgerschaft von Halle heiße ich Euere Kaiserliche und Königliche Majestäten hier vor -em altehrwürdigen Rathause im Herzen der Stadt allernntertänigst willkommen. Durch die Gnade Euerer Majestät ist das Sehnen der Bürgerschaft erfüllt. Denn heute ist uns vergönnt, unser geliebtes Kaiserpaar in unfern Mauern zu sehen. Wir haben da» Glück, Laß Euere Majestät von -em gedeihlichen Aufschwung, welchen Halle unter der gesegneten Regierung Ew. Majestät ge- nommen hat, Kenntnis zu nehmen. Darum herrscht Freude und Dankbarkeit, und der Jubel, mit welchem Ew. Majestät von Alt und Jung begrüßt wurde, legt Zeugnis ab von der dankbaren Verehrung der Bürger schaft. Mir aber gereicht eS zur besonderen Freuhe, daß ich Ew. Majestät an dieser Stelle begrüßen darf. Hier huldigte eirrst die Bürgerschaft von Halle dem Ahnherrn Ew. Majestät, dem Großen Kurfürsten. Was die Bürger schaft dem Landesherrn damals an Treue und Ergebenheit versprach, das will die Bürgerschaft auch in der Gegen wart halten. Für alle Zeiten wird die Stadt Halle (Sw. Majestät und dem Königlichen Hause treu -leiben in bösen wie in guten Tagen. In dieser Gesinnung bitte ich (Sw. Majestät ehrfurchtsvoll von der Stabt Halle diesen Ehrentrunk anzunehmen." Der Kaiser erwiderte, er freue sich sehr, daß er sein Versprechen, nach Halle zu kom men, nach so langer Zeit endlich habe erfüllen ktümen. Traurige Umstände hätten ihn damals verhindert. Er freue sich, am heutigen Tage Gelegenheit zu haben, sich von der günstigen Entwickelung der Stadt zu überzeugen) er habe in diesen Tagen Teile unsere» HeereS gesehen: nur unter dessen Schutze sei eine solche Entwickelung der Stadt möglich gewesen. Er sei erstaunt.vnd freudig über rascht über den Herrüchen Schmuck, den bi« Stabt ange legt habe. Die herzliche Begrüßung seitens der Be völkerung habe ihn und die Kaiserin überrascht und ge- rührt. Der Oberbürgermeister möge der Bürgerschaft seinen und -er Kaiserin herzlichsten und innigsten Dank übermitteln. Es werde ihm jederzeit eine Freude sei», seine Hand über der Stadt schützend halten zu können, da- mit sie sich weiter entwickele, wie auch seine Ahnherren ihre Hand über der Stadt gehalten hätten. Hiermit trinke er aus bas Wohl der Stadt Halle. Der Oberbürgermeister brachte alsdann ein von allen Setten mit großem Jubel aufgenommenes Hoch auf die Majestäten au». Hierauf begrüßten die Majestäten auch Vertreter und Vertreterin nen der Halloren, die eine Salzblume überreichten. Ehren- jungfrauen brachten der Kaiserin einen prächtigen Blumenstrauß -ar. Die Fahrt der Majestäten bewegte sich dann durch die Franckeschen Stiftungen. Am Denk mal des Stifters derselben, August Hermann Francke, be grüßte -er Direktor Geheimrat vr Arie» die Majestäten, worauf der Kaiser huldvollst bankte. Um 12 Uhr 40 Min. kehrten die Majestäten dann nach Merseburg zurück, nachdem der Kaiser sich am Bahnhofe in auHerordentlich Feuilleton. — Nicht umsonst. Novellette vqn I. Held. -kachdni» verbot«». Lachender Sonnenschein lag auf den Kieswegen des sauber gehaltenen Gartens. Ueber dem Endpunkte des schnurgeraden Mittelweges wölbten sich die Kronen der Buchen, unter deren Schatten ein Fahrstuhl stand. In diesem saß ein kaum dem Kindesalter entwachsenes Mäd chen, bcssen durchgeistigtes Gesicht Spuren von Tränen zeigte. ES war ein hlllfloses, unglückliches Menschenkind, Las nach dem Tode der Eltern, Verwandte zu sich genom men hatten, die sich redliche Mühe gaben, ihr die Schmerzen und Entbehrungen, welche -a» Leiden in reichem Maße mit sich brachte, zu lindern. Sie glaubten auch, baß ihnen die» nach Möglichkeit gelungen sei. Zeigte doch da» Ge sicht der Kranken stets ein Lächeln, ein Lächeln, von dem die verzweifelte Seele allerdings nichts wußte. „Ilse Trautmann", hatte einst ihre alte Lehrerin ge- sagt, da sich die Anzeichen des Leiden» al» eine Folge der englischen Krankheit zeigten und sie bei der ersten Ver zerrung ihrer Glieder jammernd zusammeübrach. „meinst du nicht, baß eS noch etwa» Schlimmeres geben kann, als eine schief« Schulter und ausgetretene Hüfte?" „Nein!" hatte sie heftig geantwortet .... „DaS ist das härteste von allem! Zusehen müssen, wie andre springen, tanzen und sich sreuen und fühlen, wie man allmählich zu einer AuSgestoßenen wird — da» ist mehr al» eines Menschen Kraft zu ertragen im stände ist. Vielleicht ist cS anders, wenn man die Bewegungsfreiheit niemals ge kannt hat, aber wenn man bisher selbst eine der Tollsten war, bann bricht einem da» Herz darüber." Und die alte Lehrerin hatte mit jenem nachsichtigen Lächeln, da» auch in Kummer und Verzweiflung Gotte» Schickung steht, darauf erwidert: will dir da» böseste nennen, mein Kind, was es meiner Meinung nach gibt, cs ist das Gefühl, -aß man übrig ist auf der Welt und umsonst gelebt hat. Siehst du, bei dieser Erkenntnis ist auch die Verzweiflung ange bracht. Gelebt haben wie da» Bächlein, das in heißer Sommerszeit versandet, ohne «in« «pur zu hint«rlassen, ba» «eine ich mit meine» Worten." Das blasse Mädchen ttn Stuhl rang die Hände. Die Gesunden haben es leicht, Lehren zu geben, dachte sie, aber Worte, und wenn sie noch so gut gemeint sind, verhelfen nicht zum Stillwerdrn. Warum wird un» Abseitsstehen- ben nicht wenigstens das heiße, begehrliche Herz genom men, das unablässig nach seinem Frühling verlangt? Trotz aller Selbstzucht batte sie es nicht zur Ruhe bringen können. Wenn seine Schritte erklangen, die energischen, hastigen Männertritte, die in ihrer Eile den vielbeschäf tigten Arzt verrieten, dann zuckte und rebellierte es und wollte sein Recht haben. Besitzen wollte sie ihn gar nicht, sie wollte nur mal fühlen, wie Liebe tut. Jene andere, die Jugendfreundin und einstige Klassengenossin war glücklicher als sie; die brauchte nur die Hand nach dem geliebten Manne auszustrecken, und sie hielt ihn — fürs ganze Leben! Nur gut, daß vor der Möglichkeit de» Ver haltens ein fester Riegel saß. Er war der älteste von fünf Geschwistern, die, noch unversorgt, auf seine Hilfe ange wiesen waren. Mochte seine Praxis auch noch so lohnen sein, so groß, daß er zwei Familien erhalten konnte, war sie keinesfalls und konnte es in dem kleinen Orte auch niemals werben. Seit einer Woche war Ilse mündig ge- worden und hatte dabei erfahren, daß sie reich, sehr reich sei. WaS half e» ihr, daß sie ihren Körper in kostbare Seiden, und Spitzenstösse hüllte? Die Kleiber -rückten sie, und die Spitzen gaukelten ihr ein Paradies vor, in dem sie ja nur ein vorübergehender Gast war. Doch er klangen da nicht seine Tritte? Hastig strich sie mit der zarten Hand über die hellseibene Decke und glättete die widerspenstigen Löckchen jetzt fiel ein Schatten ans das Sonnenband zu ihren Küßen — er, mit dem sich so. eben ihre Gedanken beschäftigt hatten — vr. Max Märker. Er fühlte ihr den Puls und sprach ihr in seiner ruhigen Art Mut zu, und dennoch war er anders als sonst. Aut seiner hoben Stirn lag eine Wolke und über seinen Augen ein unruhiger Schleier. Ilse Trautmann sah dies sofort, mit dem Blick, den die Liebe geschärft hat. „Ist Ihnen etwas Unangenehme» begegnet?" fragte sie schüchtern. Er schüttelte den Kopf. „Der Arzt sollte sich allmählich daran gewöhnen, die Regungen der Innerlichkeit mit fester Kraft zu ersticken. Ich habe mir immer Mühe gegeben. eS fertig zu bringen und sehe nun doch aus Ihrer Bemerkung, daß Ausführung und Wille hartnäckige Gegner sind." „Bor mir brauchen Sie sich nicht seelisch zu kasteien". sagte sie zitternd. Er sah ihr aufmerksam in daS schmale Gesicht, auf dem eine tiefe Nöte lag, während seine Hand wieder nach ihrem Puls faßte. „Lassen Sie ihn, er ist ganz ruhig", meinte sie fast heiter. „Erzählen Sie mir lieber, was Sie quält! viel leicht kann ich helfen." „Mir kann niemand helfen, liebes Fräulein", sagte er ganz still, „mit dem, was in mir tobt, muß ich allein fertig werden. Nehmen wir an, es sei der Frühlingssturm, der durch mein Herz geht, wenn er auSgewtttet hat, komnn Ruhe. Da huschte über ihr Gesicht ein Lächeln der Er kenntnis, unsagbar traurig zwar, aber doch wie ein stilles Selbstüberwindcn, das sich ein Gelöbnis abgerungen hat! „Ich will dir helfen, wenn mir auch das Herz darüber bricht", heißt seine Uebersetzung. Und als sie ihn noch einmal um sein Vertrauen bittet, spricht er ihr von seiner Liebe zu Klara Ellers. ES ist dieselbe, zu der ihre Ge danken vorher mit bitterem Neide gingen. „Sie will es mir leichter machen, zu überwinden, das gute, tapfere Mädchen", sagte er, wie wenn er ba» kranke Mädchen vor sich vergessen hätte, „sie geht ins Au»land." ,-Wann", fragte Ilse Trautmann fieberhaft erregt. „In drei Tagen." Seine Stimme klingt rauh, un über sein Gesicht geht ein Zucken. „Und warum geht sie", fragt der -lasse Mund weiter, obgleich er die Antwort kennt. „Weil wir arm sind! Weil sie nichts Wetter hat, al» ihr treues Herz und ihren edlen Charakter, und ich nichts als meinen Kopf und die beiden Hände, mit denen ich lindere und helfe wo ich kann, aber nicht im stände bin, für die Existenz meiner Angehörigen und die einer neuen Familie zu sorgen." Sie steht lächelnd zu ihm aus. „Arm und gesund", sagt sie, wie im Traum, „und um sein Glück kämpfen und ringen zu müssen, bis man eS sich ertrotzt hat — wie muß das schön sein." Und als er gegangen ist. liegt immer noch auf ihrem Gesicht der Abglanz des Friedens, der von einem Hader mit der göttlichen Vorsehung nichts mehr weiß. Nach- mittags Hai sie eine lange Unterredung mit dem Vormund Und Onkel. „Du bist mündig, Ilse", sagt er am Schluß achtel- zuckend, „und kannst mit deinem Vermögen tun und lassen, waS dir beliebt. Dir bleibt ohnehin reichlich genug." Sie nickt traurig. „Sprich eS nur ruhig auS, Onkelchen — genug bis du die kurze Spann« Lebenszeit hinter bttc haft." Aber ihre Traurigkeit ist ohne Groll. — Immer und immer wieder lesen sie den Brief mit der ihnen unfaßbaren Nachricht: „gönnt mir baS Glück, meinem Leben dadurch einen Inhalt zu verleihen, daß ich zu dem Baumeister werbe, der zu Eurem Glttcksschloh den Platz hergibt und das Material zur Vollendung: zimmern und festkitten müßt Ihr selber. Ich bin nicht die Gebende, sondern die Empfangende, bedenkt das wohl, wenn sich etwas in Euch regen sollte, daS ihr Stolz nennt und laßt mich nicht lange auf Eure Antwort warten. Eure Ilse Trautmann." Die beiden Menschen, die sich seit dem Tage an lieb ge habt haben, -er sie zusammen führte, sprechen kein Wort. Die Wogen des Glücks umspülen sie, über sie sehen da» Schiff nicht, das sie fahren soll. Doch, da ist eS, aber c» gehört nicht ihnen. Was sollen sie tun? Es benutzen, ob wohl es daS Eigentum einer andern -leibt, oder die Augen schließen und untergehen in dem Brausen der Ele mente, die ihre Leidenschaft entfesselt? „Untergehen" klingt eS in ihnen, und das Almosen ablehnen. Da treffen sich ihre Augen, und in derselben Minute loht über dem Meer, Zn dem sie stehen ein Keuerglanz, der sagt: „aus eigener Kraft schafft Ihr eS nicht, denn Wasser ist stärker, alS der Glan-, der schließlich verlöschen wird." Da stehlen sich ihre Hände in einander, und sie gehe« im Laufschritt den heimlichen Pfad hinunter^ der »u der Pforte mit dem sauberen Garten und -er Nuchenkuppel führt. Dort sitzt Ilse Trautmann im Fahrstuhl! Atemlos bleiben sie vor ihr stehen. Sie wollen sprechen, aber nur ein Dank! — Dank! ist alle», was sie hervorzubringe» vermögen. . Der Kranken aber ist S genug. Sie sieht da» Leuchten in den Augen des Mannes, -en sie jetzt lieb hat mit der stillen Flannne, die ihr Herz nicht mehr verbrennt, und sie sieht ba» schöne Mädchen, da» -er lohenden Flamme ent fliehen wollte, in zitternder Glückseligkeit. Tie legt die schmalen Hände auf die Häupter der beiden «nd neigt ihre Lippen ihnen entgegen .... Ganz still fft'S um sie her. Da» Bild vom Blühe« und Vergehen stimmt sie nicht mehr traurig, sie fühlt de« Kuß der Lippen auf ihrem Munde, und dir Arme, die sich in Dankbarkeit um sie schlingen, und ihr fft'S, al» tSnte eines Engel» Stimme an ihr Ohr: „Dein Leben ist gesegnet, Ilse Trautmann, denn du zwanast dein Herz und dein Selbst um der Liebe roftler». Wer da» int, hat nicht umsonst gelebt."
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