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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021030017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902103001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902103001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-30
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In Leipzig abonniert man für 3 mit Bringerlohn 3 75 und nehmen Bestellungen entgegen sämtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannisgasse 8, die Filialen: Katharmenstratze 14, Königsplatz 7 und Uuiversitiitsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: in Herr 0. veliler in Anger-Crottendorf, Bernhardstr. 29, Part. Herr Lau! Luek, Eisenbahnstraße 3, Herr 6eor§ >1emaun, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.), - Neustadt - Neuschönefeld - Plagwitz Herr'6. KrütLwauil, Zschochersche Straße 7», Reudnitz Herr Lu^msnn, Marschallstraße 1, . Herr 0. 8t;lliutüt, Kohlgartenstraße 67, » Herr Leinti. ll'tzber, Gabelsbergerstrabe 11, - oberer Teil Herr 0. Lunatk, Albertstraße 12, Schleustig Herr (x. Olüt/maun, Könneritzstraße 56, Sellerhausen Stünz Thonberg Herr L. Lrint86li, Reitzenhainer Straße 58, Volkmarsdorf in Naunhof Herr Lonraä Letzselie, Buchhändler. Unsere Haupt-Filialen in Dresden (Strehlener Straße 6) und in Berlin (Königgrätzer Straße 116) führen zu gleichen Preisen Bestellungen aus. Arndtstraste 35 Herr 6. Lrleär. Oaiiltx, Kolonialwarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Lnxelmnnn, Kolonialwarenhandlung, Beethovenstraste LI Herr 1Iieo6. Leier, Kolonialwarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr ^ul. 86l»üiilj< Iien, Kolonialwarenhandlung, Brühl 53 O. L. 8etiudert'8 ^rurktolKer, Kolonialwarenhandlung, Westplatz 32 Herr Loritz Lei88iier, Cigarrenhandlung, Löhrstraste 15 Herr L<Iu»r<1 Hetzer, Kolonialwarenhandlung, Aorkstrahe 32 (Ecke Berliner Straße) Herr L. IV. Lletz, Kolonialwarenhandlung, Nürnberger Straße 45 Herr LI. L. Udrveüt, Kolonialwarenhandlung, Zeitzer Straße 35 Herr V. LÜ8tvr, Cigarrenhandlung, Ranftsche (Aaste 3 Herr Lrleär. LIsoLer, Kolonialwarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr 8. Lrleävl, Cigarrenhdlg., Zweinaundorfer Straße 6, - Connewitz Frau biester, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Lodert 4Uner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 25, - Gohlis Herr Lodert 41tner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 6, . Kleinzschocher Herr 6. Krützwüim, Zschochersche Straße 7a in L.-Plagwitz, Lindemru ) Udert L-Inäoer, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau, Herr Laul Luek, 4nnoneev-Lxp., Eisenbabnstraße 3, Neue Vorschläge zur -eutsch-oftafrikanischen Eisenbahnfrage. v. Bei der Auswahl -er Verhandlungsgegenstände für den kürzlich abgehaltenen ersten deutschen Kolonialkongrcß hat man es mit Sorgfalt vermieden, Fragen zur Erörte rung zu stellen, die zu ernsten Meinungsverschiedenheiten hätten Veranlassung geben können. Das war klug und dem Hauptzwecke dieses ersten Kongresses zweifellos förderlich. Immerhin wird man es beklagen müssen, daß die Leitung des Kongresses aus Opportunitätsrücksichten wohl einen Vertrag über die Bagdadbahn, die noch in weitem Felde liegt, zuließ, aber eine Erörterung der ost afrikanischen Eisenbahnfrage vermied, obwohl diese voraussichtlich den Reichstag demnächst wieder beschäftigen wird und obwohl zu dieser Frage gerade vor dem Zu sammentritt des Kolonialkongresses ein sehr wertvoller Beitrag von einem in jeder Hinsicht sachverständigen Mann, von Professor vr. Han s Meyer, in Buchform unter dem Titel „Die Eisenbahnen im tro pischen Afrika" (Leipzig, bet Duncker <L Humblot) ver- öffentlicht worden war. Wie erinnerlich, gehört Professor Hans Meyer zu den entschiedensten Gegnern des Baues einer deutsch-ostafrt- kanischen Zentralbahn, während er sich mit der Regie rungsvorlage über die Anlage einer Bahn von Dar-es- Salaam nachMrogoro befreundet hat, insofern sie alsStich- bahn für die Aufschließung eines fruchtbarenHochlandcs ge dacht ist. Mit derUsambarabahnhat man zwar keinen glück lichen Anfang gemacht, -och meint Meyer, sie werde wahr scheinlich Leben bekommen, sobald sie noch 40 Kilometer weiter, bis zum Momboflüßchen am Westfluß des Ge birges, fortgesetzt wird. Dagegen verhält er sich ablehnend gegen ihreWetterführung bis an den Kilimandscharo wegen der geringen Ausdehnung dtesesBergstockes und wegen der beträchtlichen Entfernung von der Tangaküste (360 Kilo meter Bahnlänge). Für die deutsch-ostafrikanische Zentral bahn zum Tanganytka gibt es tm Innern nach Meyers Untersuchungen außer Kaittschuk und Elfenbein nichts, was die Kosten langer Bahnbeförderung auch bei billigen Frachtsätzen tragen könnte. Für seine Auffassung bringt Meyer gewichtige Gründe bei. Was er für erstrebens- wert hält, ist ein System von möglichst zahlreichen, von den besten Hafenplätzen in die küstennahen Bergländer führen den Stichbahnen und an Stelle der inzwischen aufge- gebencn Zentralbahn nach dem Tanganyika der Bau einer verhältnismäßig kurzen und ungemein aussichtsvollen deutsch-ostfrikanischen Südbahn von Kilwa oder Lindt nach Wiedhafcn am Nyassasee (etwa 700 Kilometer, mit 0,75 Meter Spurweite, Kosten etwa 00 Millionen Mark). Nach den Darlegungen Meyers findet diese Bahn bereits einen hochentwickelten Verkehr zum Nyassa und Tanganyika vor, den sie von der Schireroute ohne alles Zutun, einfach durch ihr Dasein, übernehmen wird. Sodann würde sie den größten Teil des Verkehrs nach dem Nyassasee und dessen englischer und portugiesischer Nachbarschaft mono, polisicren, da sie gegenüber der Wasserstraße des Sambesi immer benützbar ist, und außerdem den ganzen Verkehr nach dem Tanganyika un trem Ostkongostaat an sich ziehen, weil sie schneller, billiger und bequemer ist, als der Weg über den Kongo nach Westen oder über denSchtre und den Sam besi nach Südosten. Ueberdtes würde sie dicht bewohnte und fruchtbare Gebiete, wie Ungont, Lurchschnciden und die abbauwürdigen Kohlenlager im deutschnordöstlichcn Nyassagebiet aufschließen. Sollte diese Bahn nicht gebaut werden, so fürchtet Meyer, daß die Schirebahn einen Teil des deutschen Handels nach englischen und portugiesischen Häfen ablenken, und ferner, baß die geplante direkte Konknrrenzbahn Port Amelia-Nyassa von portugiesischer Seite eine noch größere Beeinträchtigung deutscher Inter essen bewirken werde. Meyer erachtet die Aussichten dieser Südbahn für so günstig, daß er meint, es werde sich sicher lich .Kapital dafür finden, sobald die Regierung den Plan fördert. .... ... Bei der Wiederaufnahme der deutsch-ostafrikamschcn Efsenbahnfragc im Reichstag wird man diesen Borschlag des kundigen Mannes mit in Betracht ziehen müssen. Meyer gibt auch beachtenswerte Winke, wie am zweck mäßigsten Eisenbahnunternehmungen in den Kolonien -urchzuführen sind. Wenn man Ztnsbürgschaften gibt, um das Kapital anzulockcn, so soll man sie nur auf eine kurze Reihe von Jahren bewilligen, etwa auf 25 bis 30 Jahre, weil in diesen: Falle die Gesellschaft sich bemühen wird, eine baldige Rentabilität der Bahn herbeizuführen, welcher Ansporn ihr sonst fehlt. Landkonzessionen nach amerikanischem System durch Vergebung großer zusam menhängender Areale an Konzcssionsgesellschaften hält Meyer nicht für empfehlenswert, sondern befürwortet Landkonzcssionen in anderer Form. Für jedes fertig gestellte Kilometer Bahn möge man der Gesellschaft an der Bahnlinie einen Block Land als Eigentum überlassen, aber zwischen jeden Block Konzessionsland einen Block Ne gierungsland einschalten, damit nicht geschlossene Land komplexe entstehen. Da das Kapital sich mit Landkon zessionen nicht begnügen wird, so bringt Meyer eine Kom bination von Landkonzcssionen und Zinsbürgschaften nach dem bewährten Muster der französischen Kolonialpraxis in Vorschlag. Endlich fordert er gerade auch für Eisen- bahnzwccke eine größere Selbständigkeit der Kolonien. Uebernimmt das Reich die Ausgabe für die Ausübung der Landeshoheit, also für die Schutztruppe usw., so wird die Kolonie in ihrem eigenen Haushalte unabhängig vom Haushalte des Reiches und somit vom Bewilligungsrecht des Reichstages und wächst in das staatsrechtliche Verhält nis der englischen Kronkolonien zum Mutterlandc hinein, die ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten selbst regeln, ohne dem Mntterstaat auf der Tasche zu liegen. Mit einem solchen Maß von Selbstverwaltung wird dann auch die Auffassung durchdringen können, daß die Kolonien vor allem als ein Geschäft behandelt werden müssen, wenn sic aufblühcn und dem Mutterlandc etwas einbringcn sollen. Bon Anfang an hat sich bekanntlich auch Bismarck auf diesen Standpunkt gestellt. Deutsches Reich. L. Berlin, 29. Oktober. (Die preußische Polen- Politik und der kommandierende General in Posen.) Professor vr. v. Below veröffentlicht im November best der „Deutschen Revue" weitere Auszüge au« den Posener Briefen de« General« von Wrangel an seinen Schwager v. Below. Wrangel, damal« Brigadekommandeur in Posen und ein ebenso energischer wie umsichtiger Ver- treter einer zielbewußten preußischen Polenpolitik, berichtet am 17. Mai 1832 einen Vorgang, der in wabrbaft klassischer Weise dartut, wie notwendig r« ist, daß der kommandierende General in Posen vollkommen frei von polnischen Sympatbien ist. Wrangel schreibt nämlich: „Vorgestern fand bier die Rehabilitation von drei desertiert gewesenen Offizieren (polnischer Abkunst) . . . statt. Der Genera l von Röder (Vorgänger Grolmann« im Kommando de« V. Korps) hat sich hierbei, um sich in Gunst bei den Polen zu setzen und sich liberal zu zeigen, auf eine Art benommen, wodurch er der wenigen Achtung, die er noch hin und wieder bei einigen Deutschen batte, ganz verlustig gegangen ist. Röder, der nie ander« al« in ZivilNeidern mit «nem runden Hut gebt, erschien an diesem Tage mit Diensthosen, Mantel und Mütze und drängte sich so in den vom Militär gebildeten Kreis, wo er der Zeremonie mit beiwobnte, und gleich darauf, al« man die Arrestanten wieder abfübren wollte, ging er ibnrn eilig nach, worauf dummerweise der die Arrestanten eSkvrtierende Offizier Halt machen ließ. Darauf trat Röder an die Polen heran, nahm die Mütze ab und sagte: „Meine Herren, ich babe, da ich noch im Dienste war. stet« die lebhafteste Teilnahme an Ihrem Unglück genommen und bin stets bemüht gewesen, Ihr harte« Schicksal zu mil d er n, jetztkann ick nicht« mehr für Sie tun, als Sie meiner Teilnahme erneut zu versickern und Ibnrn Glück >u wünschen, daß Sie wieder in unserer Mitte ausgenommen sind." Hieraus drückte er jedem dieser drei Polen ganz srenndsckaftlich die Hände und zog sich wie ein begossener Hund zurück, al« diePolrn ihm auch nicht rin Wort de« Danke« sagten und schon «her al» er ihre Mützen auf gesetzt hatten. E« ist ein Glück, daß ich nicht bei Abballung der Parade dabe: gewesen bin . . ., denn sonst würde ich r« nicht erlaubt haben, daß Roeer mit den Arrestanten gesprochen hätte." — Solche schlechthin erniedrigende Vorkommnisse sind beute unmöglich. Aber vergessen wollen wir nicht, daß noch in Ver Äera Caprivi der kommandierende General de« V. Korps von Seeckt dem Polentum wiederholt direkt und indirekt in einer Weise enl- gegeakam, welche die bitterste Kritik herausforderte. Darum gibt ein Bericht wie der vorstehende Anlaß genug zur Be tonung de« Verlangen«, daß der kommandierende General de« V. Korps gleich dein unvergeßlichen Grolmanir Deutscher vom Wirbel bis zur Sohle sein muß. * Berlin, 29. Oktober. (Negierungshoff nung e n.) Daß die verbündeten Negierungen die Hosf- nnng auf die Annahme der Tarifvorlage noch nicht aufgegebcn haben, geht aus folgender Auslassung der offiziösen Berliner „Politischen Nachrichten" hervor: „Wenn in der freihändlerischen Presse immer wieder die Behauptung ausgestellt wird, daß angesichts der Meinungs verschiedenheit zwischen der Negierung und der Reichstags mehrheit über die landwirtschaftlichen Mindestzöllc an ein Zustandekommen der Zolltarifvorlage nicht zu denken sei, so werden solche Aeußcrungeu lediglich in der Absicht, Flaumachcrci zu treiben und so dem Zustandekommen der Vorlage cutgcgenzuwirken, getan. Aus dem Verhalten der freihändlerischen Richtungen im Reichstage oder wenigstens der extremsten Freihändler unter ihnen läßt sich wenigstens folgern, daß man dort die entgegengesetzte Ansicht hegt. Denn nur so ist daS taktische Manöver zu erklären, zu dem sich die Sozialdemokratie und Freisinnige Vereinigung vereinigt haben. Der Gedanke, daß die Reichstagsmehrheit ihrer Anregung, die Verhandlung über den Zolltarif jetzt abzubrcchcn und den Reichstag bis zur Vorlegung des Etats zu vertagen, Folge geben könnte, ist genau so absurd, wie die aus ihren Reihen kundgegebenc Auffassung, daß die Negierung nunmehr die Zolltarif vorlage zurückziehen und eine neue Vorlage, welche das neue Schema mit den Sätzen des jetzigen autonomen Tarifs enthielte, machen werde. Im Hinblick auf den in diesem taktischen Vorstoß hcrvortretenden Mangel an ruhiger und objektiver Beurteilung der Sachlage gelangt man zu dem Schluffe, daß dieses Vorgehen dem dringenden Wunsche entspricht, die Verhandlungen nicht fortgeführr zu sehen, und dieser dringende Wunsch kann seinerseits nnr der lebhaften Befürchtung entspringen, daß bei Fort führung der Verhandlungen die Zolltarifvorlage ruhig unter Dach gebracht und so der ganze Feldzugsplan der freihändlerischen Linken durchkreuzt werden wird. In der Tat ist auch zu dieser Befürchtung der Linken aller Grund vorhanden. Daß die schutzzöllnerischc Mehrheit an einer Frage, wie derjenigen der Höhe der Minimal zölle für Erzeugnisse der Landwirtschaft, die Vorlage scheitern lasten wird, ist umso weniger anzunehmen, als keine Aussicht vorhanden ist, jemals in der Zukunft günstigere Bedingungen für die Landwirtschaft zu er reichen, als die jetzige Vorlage bietet, mährend die ernste Gefahr besteht, daß, wenn der gegenwärtige günstige Moment versäumt wird, das jetzt Erreichbare in Zukunft nicht mehr erreicht werden kann. Man wird sich daher in der Hoffnung wohl nicht getäuscht sehen, daß diejenigen Mitglieder der schutzzvllnertschen und agrarischen Mehrheit des Reichstags, welche praktische Politik treiben und wirk lich für die Landwirtschaft etwas erreichen wollen, recht zeitig der Regierung die Hand zur Verständigung bieten werden. Man wird aber auch trotz der sonstigen Be kämpfung der Regierungsvorlage aus dem frei händlerischen Lager nicht ohne weiteres die Hoff nung aufzugeben brauchen, daß im entscheidenden Momente a:«h von dieser Seite der Regierungsvorlage Unterstützung erwächst. Man wird sich in den Kreisen, in denen man auf die Fortführung der Hanbelsvertragspolittk den ent scheidenden Wert legt, der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß, wenn die Zolltarifvorlage nicht zu stände kommt und cS demzufolge an einer geeigneten Unterlage für die Verhandlungen über den Abschluß neuer Handels verträge fehlt, die Gefahr besteht, daß Deutschland in eine vertragslose Zett hineintreibt. Abgesehen davon, daß, wenn neue langfristige Handelsverträge nicht abgeschlossen werden können, unsere handelspolitischen Verhältnisse zum Auslande der Sicherheit entbehren, weil nach dem Beginn von 1003 jeder der vertragschließenden Teile in der Lage ist, das Vertragsverhültnis mit einjähriger Frist zu kün digen, ist auch die Befürchtung nicht abzuweisen, daß wir mit der Gefahr der Kündigung solcher Länder rechnen müssen, die für unseren Außenhandel besonders wichtig sind. Schon ist in der Presse wiederholt darauf hin gewiesen, daß die russische Negierung sich wohl ver anlaßt sehen könnte, den deutsch-russischen Handelsvertrag zu kündigen, sobald sie dazu berechtigt sein werde. Wir wolle» nicht untersuchen, ob und inwieweit diese Auffassung mehrerer Organe der Presse zur Zeit berechtigt ist, aber man wird bet diesen mehrfach hcrvvrgetretenen Dar legungen, welche sich bereits zu Gerüchten verdichtet hatten, unwillkürlich au das Sprichwort erinnert, daß, wo Rauch erscheint, auch Fener zu sein pflegt. Man wird daher in den Kreisen, in denen man die Fortdauer der Handcls- vcrtragspolitik zum Lcitsayc der Wirtschaftspolitik er hoben hat, sich auf die Dauer der Ucberzeuguug nicht ver schließen können, daß der einzige Weg, dieses handelspoli tische Ziel zu erreichen, die Verabschiedung des neuen Zoll- tarifeö ist, und demzufolge Bestimmungen dieses Tarifs, welche an sich der eigenen Auffassung widersprechen, jedoch mit der Durchführung der Handclsvertragspolitik verein bar sind, lieber als das kleinere Nebel in den Kauf nehmen, als einer ungewissen Zukunft cntgegengchcn, welche selbst die Gefahr eines Rückfalles in die gänzlich vertragslosc Zeit in sich schließt. Die zwingende Logik dieser Tatsachen berechtigt zu der Hoffnung, daß die Gegnerschaft, welche die Negicrnugsvorlage äußerlich noch von schutzzüllnc- rischer Leite findet, sich, abgesehen non den Extremen, mehr und mehr «-schwächen und so bei den entscheidenden Ab stimmungen der Vorlage im Reichstage eine den Negie rungen annehmbare Gestalt gegeben werden wird." * Berlin, 29. Oktober. (Verkehr» wischen Ver teidiger und Klienten in der Hauptvcr- handlun g.) Ueber die wichtige Frage, ob sich der Ver teidiger während der Hauptvcrhandlung mit seinem Klienten unterhalten dürfe, äußert sich der Reichs- gerichtssenatspräsident a. D. Geheimrat Or. v. B o m - hardin München in sehr fesselnder Weise in der neuesten Nummer der Zeitschrift „Das Recht". Er führt aus, dau alle Gründe, welche dazu führten, in der Strafprozeß ordnung für das Reich die Rechte der Verteidigung gegen früher wesentlich zu erweitern, sich in verstärktem Maße auf die Hauptverhandlung bezögen. In jeder Lage sollte der Angeklagte sich des Beistandes eines Verteidigers be dienen können. Von diesem Prinzips geht die Iicichs- strasprozkßordnuiig aus. Im Hinblick auf die Straf kammern trat zu den allgemeinen Erwägungen noch der besondere Grund, daß die Berufung gegen Strafkammer urteile ausgeschlossen wurde. Auch dem verhafteten Be schuldigten ist der schriftliche und mündliche Verkehr mit dem Verteidiger, der ja für den auf freiem Fuße befind lichen Beschuldigten ganz selbstverständlich ist, frcigcgcbcn, nur mit der Beschränkung, daß der Richter schriftliche Mitteilungen, deren Einblick ihm nicht gestattet wird, untersagen kann und verfügen darf, daß eine Gerichts person den Unterredungen zwischen dem Verhafteten und dem Verteidiger beiwohnt. Diese Beschränkungen gelten allerdings nur so lange, als das Hattptvcrfahrcn nicht er öffnet ist. Mit dessen Eröffnung ist der Verkehr ein freier und unbeschränkter. Demnach ist auch der Verkehr zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung nur soweit Beschränkungen unter worfen, als cs die Rücksichten auf die Ordnung und den Fortgang der Verhandlungen erfordern. Da nun bei den Strafkammern der Nachteil des Wegfalles der Be rufung gerade in den Ergebnissen der Hauptvcrhandlung besonders deutlich zur Erscheinung kommt, so muß diese« Argument, welches als besonders gewichtig in den Motiven der Ltrafprozeßordniing hervorgchvbcn ist, ganz besonders für die Hauptverhandlung ausschlaggebend sein. Damit ist logisch der Beweis für einen un beschränkten Verkehr zwischen Anwalt und Klienten er^ bracht. Auch autoritativ liefert der Verfasser den Be weis durch Berufung auf den bewährten Kenner unk
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