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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021104029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-04
- Monat1902-11
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Denn die Meldung des „Fränk, Kur.", die Hoffnungen des ZentrumSauf das Zustandekommen des Zolltarif gesetzes stützten sich hauptsächlich ans den Plan, d i c Mindestzollsätze überhaupt zu streichen, und mit diesem Plane wären die verbündeten Regie rungen e i n v e r st a n d c n, ist schwerlich zuverlässig. Die Regierungen könnten allerdings ganz ruhig diese Lätze fallen lassen, da diese nur eine Richtschnur bedeuten, an die die deutschen Unterhändler bei den Verhandlungen über die neuen Handelsverträge sich ohnehin halten wer den. Aber die Negierungen wissen zu gut, wie hohes Ge wicht nicht nur die extremen Agrarier, sondern auch die Konservativen auf die Mindestsätze legen, und werden da her schwerlich mit dem Zentrum über das Falleulassen dieser Sätze sich verständigen. Es ist auch nicht anzu nehmen, daß das Zentrum allein, ohne Fühlung mit den Konservativen zu nehmen, in Verhandlungen cingetretcn sei. Auch ist ja bekannt genug, das; sowohl im Zentrum, wie in den Reihen der Kon servativen einflußreiche Stimmen zum Rückzug auf die Mindestsätze der Regierungsvorlage sowohl der Zahl als der Höhe nach mahnen. Eine dieser Mah nungen, der besonderes Gewicht deshalb bciznmcsscu ist, weil sie in demselben Sächsischen „Vatcrlande" er geht, das sich durch seinen berüchtigten Thrvutrach- Artikel die scharfe Mißbilligung der konservativen Partei leitung in Sachsen zugezogen hatte, gebt jedenfalls nicht von der Voraussetzung des Fallenlassens der Mindestsätze aus. Sie ist auf ein „hervorragendes Mitglied des säch sischen Landtags" zurückznführcn und lautet im wesent lichen folgendermaßen: Trotz mancher Ausstellungen und Bedenken e ntspri ch t die Regierungsvorlage den Interessen der Landwirtschaft doch entschieden mehr als der gegenwärtige Zustand, und besonders weit vorzuzichcn dürfte er einer Lage vollster Unklarheit und berechtigtster Besorg nis für die Zukunft sein, welche durch ein völliges Scheitern des Entwurfs unbedingt hcrvorgcrufen werden müßte... ES ist zu be fürchten, daß der n c u z u w äh l c n d c Reichstag, welcher schon vor der Tür steht, die gewünschte Hülfe noch weniger bringen werde. Soll der Landwirtschaft durch höhere Zölle wirklich sicher geholfen werden, so müssen diese dauernd auf gleicher Höhe gehalten werden und nicht Gefahr laufen, unter ungünstigen Konjunkturen leicht wieder herab gesetzt zu werden. Sehr hohe, vielleicht mit einer nur sehr geringen Majorität d'u'r ch g c se tzr c Zölle würden aber weit eher ihren Gegnern zum Opfer fallen, als solche von mäßiger Höhe. . . . Freilich müßte auch auf Seiten der RcichSregic rung noch auf irgend ein Entgegenkommen Bedacht genommen werden, wenn dabei auch vielleicht mehr die formelle alsdicmateriellc Seite zur Geltung käme. Soll ren in ihrer Mehrheit die Vertreter der Landwirtschaftsinteressen gleichfalls, zum Wohle der von ihnen vertretenen Sache und zugleich vom Standpunkte einer wohlver standenen Staatsraison aus, den Wunsch eines Entgegenkommens fühlen, so wäre cS wohl zu empfehlen, ihnen den vielleicht s ch w c r f a l l c n d c n Rückzug möglich st zu erleich tern. ES dürfte wohl auch nicht allzu schwer fallen, das Material zum Bau einer goldenen Brücke im letzten Augenblick noch zu finden. . . . Im großen ganzen ist das Bestreben der verbündeten Regierungen, der Landwirtschaft zu helfen, nicht abzuleugncn. Tie volle Selbständigkeit der kon servativen Partei kann gewahrt werden, denn cs bandelt sich nicht um rein politische, sondern mehr um wirtschaftliche Tinge. Eswäreticfzubeklagcn, wenn infolge eines starren Festhalte ns in der die konserva tiven Grundprinzipien nicht direkt berüh renden Frage vielleicht eine dauernde Ent fremdung zwischen der konservativen Par tei und der Regierung entstehen sollte. Tcr- tius g2ucken5 wäre nur die Sozialdemokratie. ES wäre daher doch eine eigentümliche Erscheinung, wenn die Konservativen sich in ihrer ablehnenden Haltung mir der Sozialdemokratie be gegnen sollten. Nachdem der Verfasser auch die Reichsrcgieruug noch mals gemahnt hat, im Znteresse des allgemeinen Staats wohles lmöglichstc Erhöhung der wirtschaftlichen Unab hängigkeit des Reiches dem Auslände gegenüber« alles zu tun, was das gänzliche Scheitern der Zvllvvrlagc ver hüten konnte, schließt er, der Weg der V c r st ä n d i - g n n g würde sich vielleicht dadurch nvch am leichtesten ermitteln lassen, daß bei den l a n d w i r ts ch a s t - l i ch en Zöllen in der von der K ommissio n beschlossenen Höhe ein Teil derselben v vn de n A graric r n z n G u n st en der R cgie - rnngsvorlage geopfert w ü rde , wogegen die Reichsregicrnug sich zu entschließen hätte, bei einigen anderen Zollsätzen den von den Vertretern der Land- wirtschast ausgesprochenen Wünschen doch noch zn ent sprechen. — Ob das nach den letzten Erklärungen des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Znuern noch möglich ist, braucht nicht untersucht zu werden. Ieden- falls aber deutet diese beachtenswerte Stimme, die über die in konservativen Kreisen herrschenden Ansichten besser unterrichtet ist, als der „Fränk. Kur." und sein Gewährs mann, darauf hin, daß auf konservativer Seite mehr Reignng besteht, mit den von den Regierungen vorgeschlagcnen Mindestsätzen sich zu begnügen, als auf solche Sätze zu verzichten. Die Reichstagscrsaßwahl in Danzig. Tie freisinnigen Parteien sind an den demnächst vorzu nehmenden Ersatzwahlen zn einem verhältnismäßig großen Bruchteile ihrer Gesamtstärke beteiligt: Durch den Rück tritt des Abgeordneten Iakobsen ist der Wahlkreis Schleswig, durch den Tod K aufsma n u s Licguitz, durch den Tod Rickerts Danzig-Stadt frei geworden. Alle drei Wahlkreise sind ein ziemlich sicherer Besitzstand der linkslibcralcn Parteien. Insonderheit darf wohl Danzig als sicherer Besitz der freisinnigen Vereinigung gelten. Bei den letzte» allgemeinen Wahlen erhielt der verstorbene Abgeordnete Rickert in der Hauptwahl 72kl Stimmen, nahezu doppelt so viel, als der ihm in der Ltimmenzahl folgende sozialdemokratische Kandidat mit 3822 Stimmen. Danzig war einer der nicht sehr zahlreichen Wahlkreise, in denen die Sozialdemokratie statt einer Zunahme eine Abnahme an Stimmen zu verzeichnen hatte, und zwar so wohl in der Hauptwahl, wie in der Stichwahl. Kon servative, Zeutrum und Sozialdemokraten müßten gerade schon Zusammengehen, um den Wahlkreis der freisinnigen Vereinigung adzunehmen — und dieses Wahlbündnis ist jedenfalls nicht wahrscheinlich. Tie Ersatzwahl wird daher kaum nm ihres Ausganges willen von Interesse sein, son dern höchstens durch die etwaigen Stimmenverschicbungen bei den erwähnten vier Parteien. Das Deutschtum in Ungar». Kultus- und Unterrichtsministcr Wlasst es hat in diesen Tagen den s i e b e n b ü r g i sch-s ä ch s i s ch e n Le h r a ii st a l t e n in Kronstadt und Hermann- st a d t in Begleitung eines Ministerialrates und -Sekre tärs einen ganz plötzlichen Besuch abgestattet. Völlig un angemeldet erschien er im Kropstädter Gtzinnasium und be suchte die dortigen sächsischen Anstalten der Reihe nach, dann auch die rumänischen und staatlichen: ebcnsv machte er cs in Hermannstadt. Tiefe Art der Inspizierung war um so ausfälliger, als der Kommissar der Regierung dem Gesetze gemäß seinen Besuch vorher anzukündigen hat,' Mi nister tun das in Ungarn gewöhnlich erst recht, schon um sich den offiziellen „begeisterten Empfang" zu sichern. Das „Sicbcnbnrgisch-Tentsche Tageblatt" spricht übrigens seine „aufrichtige Freude" über den Besuch aus und gibt damit nur der allgemeinen Stimmung unter den Sachsen Aus druck. Ter Besuch kann den Sachsen in der Tat nur er wünscht sein angesichts der fortgesetzten hämischen und ver logenen Angriffe auf ihr deutsches Schulwesen, da der Minister sich auf solche Weise am zuverlässigsten von der Haltlosigkeit solcher Angriffe zu überzeugen imstande ist. Für die Sachsen ist cs schon sehr wertvoll, daß Minister Wlassics in Hcrmannstadt seine Befriedigung über die maguari s chcn Sprachkc n ntni s s c der Schüler am dortigen Gmnnasinm ansdrückte. Tic Sachsen leiste» eben ihrer Pflicht auch dem Staatsgcsctze gegenüber als rechte Deutsche in jeder Beziehung nach Kräften Genüge, und cs wäre von nicht zu unterschätzender auch politischer Bedeutung, wenn sich nicht nur dieser Minister, sondern überhaupt die ungarische Regierung dieser Ertcnntnis nicht verschlösse. Eine solche Erkenntnis würde der wünschenswerten Verständigung zwischen Magyaren und Deutschen in Ungarn sehr forderlich sein. Kabclverbindung nm die Erde. Ter englische Kolvniaisekrctär Chamberlain hat in seine Kappe eine Feder gesteckt, ans die er mehr Grund hat, stolz zu sein, als auf den Bvcrcnkrieg, den er vor bald drei Jahren als eine Feder in seiner Kappe bezeichnete. Gestern um 4 Uhr in der Frühe, so schreibt man der „Voss. Zeitung" aus Lond v n unter dem 1. November, lief näm lich eine Trahtmcldnng aus Vanecmver in London ein, die Chamberlain benachrichtigte, daß das Unterseekabel durch das Stille Meer zwischen Brisbane in Australien »nd der Vancouver-Insel in Britisch-Columbia vollendet sei. So mit ist die Drahtverbindung nm die Erde, die seit beinahe öO Jahren angestrebt wurde, endlich zur Wirklichkeit ge worden. Der Widerstand gegen diese Kabellegung ging hauptsächlich von den alten Kabclgcsellschaftcn aus, welche zwei Unterseekabel nach Australien besaßen und im Jahre 1890 ein drittes Kabel in den Meeresgrund versenkten, was gleichwohl nicht verhinderte, daß noch im selben Jahre sämtliche drei Kabel brachen. Dieses Mißgeschick hatte vor erst eine Ermäßigung der Kabeltaxe zur Folge. Aber erst im Jahre 1894 sand in Ottawa, der politischen Hauptstadt der Dominion of Canada, unter dem Vorsitze des Lord Ierscn eine Besprechung zwischen Vertretern von Austra lien, Kanada und England statt, auf der eine gründliche Untersuchung der vorgcschlagencn Verbindung über Fanninginsel, die Fidschiinseln, Norfolkinsel nach Bris bane beantragt wurde. Doch scheint der Kostenpunkt ab schreckend gewirkt zn haben; denn das Reichspostamt ver anschlagte die Kosten der Legung dieses Kabels auf über ttö Millionen Mark. Als Chamberlain im Jahre 189., das Kvlonialamt übernahm, ernannte er sofort eine Pacific Cable-Kommission, die aber erst im Juni 1896 mit ihren Beratungen begann. Der Bericht dieser Kommission, die nnter dem Vorsitze des Lord Selborne mehrere Jahre hiirdurch die Frage eines unter seeischen Kabels durch das Stille Meer studiert hatte, er schien erst imIal)re1899, und zwar wurden dieUnkosten aus höchstens 30 bis 30 Millionen Mark berechnet, während die jährlichen Unkosten für Verzinsung und Unterhalt auf nur 2 900 000 ./? veranschlagt wurden. England, Kanada und Australien einigten sich zur Uebernahmc der Kosten, und kurz vor Schluß des Jahres 1900 wurde die Leguug des Kabels an eine Gesellschaft vergeben, welche die Arbeit für nicht ganz 30 Millionen Mark durchzuführen versprach. Das neue Kabel, das 8000 englische Meilen lang ist, geht, abgesehen vom Meeresboden, der ja noch nicht britisch rot gefärbt ist, durchweg durch britisches Gebiet. Die größte unterseeische Strecke zwischen Vancouver und der Fan-' ninginscl beträgt 37>01 englische Meilen. Tie größte Tiefe des Kabels ist 3200 Faden, die durchschnittliche Tiefe be trägt 2700 Faden. Das ganze Kabel ist von den zwei Kabclschissen „Anglia" und „Kolonia" gelegt worden. Tas hauptsächlichste Verdienst an dem Erfolge des Unter nehmens gebührt dem Sir Sandford Flemming, der sich schon als Erbauer der kanadischen Eisenbahn bekannt ge macht hat. Tic erste Botschaft, die über das neue Kabel einging, war ein Glückwunsch der Mannschaft der „Anglia" an den König. Für den allgemeinen Gebrauch wird die Liuie aber erst gcgeuMittc Dezember eröffnet werden.Auch von Mr. Seddvn, dem Premierminister von Neuseeland, lief ein Telegramm in London ein. Aus Ottawa lKanada) meldet mau, daß dort das erste Telegramm aus Neuseeland eintraf. Ter Gencralgonverncur von Kanada sandte seinerseits ein Glückwunschtelegramm an den vereinigten Staatenbund von Australien ab. Deutsches Reich. Berlin, 3. November. (Zur Auslegung des Krankenversicherungs-Gesetzes.) Wenn im Krankcnversichcrungsgcsctz die Kassenvertretungen er mächtigt worden sind, allgemein, von dringenden Fällen abgesehen, die Ersatzlcistnng für die Heilbehand lung, die ein Kasscnmitglicd sich selbst beschafft hat, aus zuschließen, so ist damit anerkannt, daß die Unterlassung der Meldung einer tatsächlich cingetretencn Krankheit an der Pflicht der Kassen zur Gewährung des K ranken gelbes vom Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ab nichts ändert und daß sie auch ihre Pflicht zur (Bewährung der Heilbehandlung unberührt läßt, wenn auch freilich die Erfüllung dieser levlcrcn Pflicht für die Vergangenheit nur in dem Ersätze der durch die tatsächlich stattgefundenc Heilbehandlung entstandenen Kosten bestehen kann. Die Fe«illeton. H Das Findelkind. Roman von Ernst Gcorgy. Nachdruck verboten. Wieder stand das schöne Mädchen in der kleinen Werk statt vor der Marmorgruppc. Es war am Morgen ihres Reisetages. Ludwig versprach, ihr eine Photographie seines Werkes zn senden. Verbittert, gequält, vermochte er ihr kein Wort zu sagen. Seine Erregung stimmte sie weich: „Leben Sie wohl, Herr Antok! Ich wünsche Ihnen alles Gute und bin überzeugt, daß ich nvch viel von Ihnen hören werde. Sie werden sicher sehr, sehr groß werden, und mich wird cs doppelt freuen, Sic persönlich kennen ge lernt zu haben! Vielleicht sehe ich Sie einmal wieder. Also au rovoir, meine Herren!" Sic verneigte sich leicht und eilte, von Vollried begleitet, fort. Antok stand unbeweglich. Er fühlte eine fast ver zweifelte Stimmung. Plötzlich entdeckte er mitten im Atelier ein kleines Lpitzeutaschcntuch, das ihr entfallen. Er stürzte darauf zu, riß cs empor und drückte cs an seine Lippen. Daun verbarg er cs in seinem Portefeuille. Zweites Kapitel. Hamburger Sturmtagc. Ein trüber, regennasser Spätherbst machte den Auf enthalt in der interessanten Hansestadt zu einem recht un angenehmen. Erna stand am Fenster ihres hübschen Salons im Oberstock der Billa. Sic schaute über den Park fort nach der Alster. Aber die freie Aussicht war gehemmt. Dichter Nebel verhüllte das Wasser vollständig und lagerte in klumpigen Massen über der Landschaft. Nur die Bäume dicht vor dem Hanse ragten kahl und schwarz in die feuchte Lust. Das junge Mädchen fröstelte. Es sehnte sich nach Wärme und Sonnenschein. Mit heißem Verlangen hoffte sic auf den Sommer, wo sie wieder ausreiten und rudern» schwimmen und im Park hernmwandcrn konnte. Es war totenstill um sic her, kein Laut drang zu ihren Ohren. Und einsam war es, so einsam! — Sie atmete förmlich erleichtert aus, als draußen ans dem Korridor Schritte er tönten, die ihr die Nähe von Menschen verrieten. Er schreckt fuhr sic herum, als an ihrer Tür geklopft wurde: „Herein!'! Geräuschlos wurde geöffnet. Der Diener trat ein. „Wollen gnädiges Fräulein Besuch empfangen'? Fräu lein Hennig und Fräulein von Rcckcnburg sind im Salon!" „Gewiß, Franz, führen Sic die Damen hierher und sorgen Sie dann für Thec! — Ich freue mich sehr!" rief Erna froh und ungeduldig. Sic eilte mit einer Hast, die ihrer stolzen Ruhe sonst fremd war, den Freundinnen ent gegen. Die beiden Besucherinnen waren über den freudi gen Empfang erstaunt. Grete Hennig und Anna von Rcckcnburg waren von frühester Kindheit an mit Erna befreundet uud hatten mit ihr gemeinsam einen Schulzirkcl gebildet. Die erstere war auch mit ihr in der Schweiz in Pension gewesen. — Die Familie Hennig gehörte wie die Bvlmanns zu den Hamburger Patriziern. Ein altes Kaufhaus in der Nähe des Hafens war seit zwei Jahr hunderten in ihrem Besitz. Noch stand der Vater dem Ge schäfte vor. Ter älteste Sohn war seit seiner Verheiratung Teilhaber der Firma, der zweite, ein leichtsinniger Bursche, wurde viel auf Reisen geschickt. Wie die Eltern erzählten, hatte er sich indessen gebessert und vertrat seit beinahe zwei Jahren die Hennigschcn Interessen in Loudon. — Eine Tochter war in Lübeck verheiratet, Grete, als Jüngste, nvch im Eltcruhansc. Mit der Rcckcnburgschcn Familie waren Hennigs nahe verwandt; die Majorin war die einzige Schwester des alten Hennig. Sie hatte außer ihrer bedeutenden Mitgift eine Villa neben der Bolmaunschen geerbt. Dort lebten sic seit der Pensionierung des Majors sehr zurückgezogen. Hellmuth, der älteste Sohn, stand als Rittmeister in Thorn. Werner, der zweite, war Leutnant in Altona. Er bemühte sich, seit Erna aus Paris zurückgckchrt war, in ganz auf fallender Weise um sic. Ihre Eltern schienen cs gern zu seben, und sie war dem ernsten, liebenswürdigen Offizier nicht abgeneigt. „Igitt igitt igitt, ist kms ein Wetter!" rief Grete lachend und riß ungeduldig die Acrmel des Jackets ab, obwohl Franz ihr schon dabei bchülflich mar. — „So, nun ist es entzwei! Na, das macht nichts. Geben Sie es Martha zum Nähen! — Du, Erna, wir haben eine große, große Neuigkeit; rate einmal, was!" Das kleine, schwarzhaarige Ding stellte sich vor die große Freundin. Erna überlegte: „Hast du etwa auch ein Brndczchen bekommen?" fragte sic dann in mürrisch bitterem Tone. Die anderen lachten. „Nein, viel mehr! Was macht denn Felix? Brüllt er? Sind deine Eltern noch so ver rückt?'! „Sie sind schlimmer als je!" entgegnete Erna. — „Ich und die Welt existieren nicht mehr für sic, nur noch Felix! Das ganze Haus stellt der niedliche kleine Frosch auf den Kopf. Jeder Atemzug von ihm ist eine Tages frage! Ihr solltet nur Vater sehen! Der hat sich ver ändert! Gar nicht mehr so ernst ist er, sondern ausgelassen vor Glück!" „Ich habe gleich gemerkt, daß du den Kleinen nicht magst!" meinte Anna. „Nicht mag? Lächerlich!" widersprach Erna. „Ich habe ihn sehr, sehr lieb, er ist ja auch reizend! Aber ich tommc mir sv überflüssig , so fünftes Rad am Wagen vor! Mir ist, als ob die Eltern mich nicht mehr liebten. Sic küm mern sich gar nicht mehr um mich, ich bin nvch viel ein samer als früher! Sv zärtlich, wie zu Felix, waren sie zu mir nie. Nur an seinem und meinem Geburtstag küßt Vater mich ganz feierlich. Felix küßt er täglich jedes Gliedchcn und jedes Härchen, als hätte er mich niemals lieb gehabt und wüßte jetzt erst, was Liebe ist." „Schnickschnack, dn bist eifersüchtig auf das Babn!" ries Anna. „Fast ist es so! Aber das ist natürlich! Glaubt ihr, das; sic mich au das Kind heranlassen ? Nicht ansasscu darf ich's, weil sie Angst haben, ich könnte cs fallen lassen. Küssen schon gar nicht! Wenn die Amme ihn mir nicht zu weilen heimlich geben würde, — ach ja!" Sic seufzte schwer. „Nun laß schon den Kleinen in Ruhe", sagte Grete ärgerlich. „Du läßt mich hier noch immer stehen und sollst raten! Also, — was ist geschehen?" Erna dachte nach: „Tu, solche Dinge kann man nie raten; erzähle!" „Faulpelz! Aber denke nur: Eduard kommt heute nacht ans London und bleibt für immer in Hamburg! Er soll famos geworden sein und wie ein bildschöner Engländer auSschcn. Ich bin ganz rappelköpfig vor Wonne, — er ist zu nett und lustig! Das wird ein Leben!" „Ja, auf Eduard freue ich mich auch. Er war immer sehr lieb und über die Achseln kann er uns auch nicht mehr arischen und „lüttjc Backfische" sagen. Wir sind jetzt auch Damen mit unseren neunzehn Jabrcn! Wenn er auch schon sechsundzwanzig ist", meinte Erna behaglich. Sie hatten sich jetzt gemütlich um den großen Mittcltisch gesetzt. Fran; hatte die Vorhänge geschlossen, das elektrische Licht entzündet und den Thce mit gerösteten Weißbrotschnittcn, Butter und Marmelade serviert. „Nun hast du noch einen Verehrer außer Werner in Aussicht!" erwog Anna. „Eduard und Werner hatten immer dcu gleichen Geschmack und haben sich stets gezankt, und wenn es um eine Cigarre war. Nun wird es um dich losgehcn — solche reiche und schöne Erbin!" „Papa hat zu Wilhelm gesagt: „Maud, meine Schwä gerin, und du, ihr wäret die schönsten Damen in Ham burg!" bestätigte Grete neidlos. „Ich möchte bloß wissen, wie du zu deinen Eltern kommst!" fuhr Grete lebhaft fort. „Tein Vater ist doch sv schwarz und häßlich, und deine Mutter ist auch nicht weiter schon! — Felix sicht wie ein kleiner Bauer, du aber wie eine Prinzessin ans! Du, Erna, — sv reich bist du nun auch nicht mehr; der Kleine bekommt jetzt doch die Hülste?!" „Aus Geld mache ich mir nichts!" sagte Erna verächtlich. „Nur Liebe möchte ich scheu und fühlen. Ihr alle habt mich gern, wie man sv eben gern bat. Ich aber möchte so recht von Herzen geliebt werden!" — Eine ticse Sehn sucht lag in ihren Worten. „Na, dann warte nur bis Weihnachten; da kommt Hell muth aus Thorn und bringt Otto von Sondhcim, einen Freund aus Berlin, mit. Der ist jetzt zur Kriegsakademie nach dem ekligen Berlin kommandiert. In der Parvenü Stadt fühlt er sich natürlich gar nicht wohl. Weil er Waise ist, haben ihn die Eltern noch vorgestern gebeten, Urlaub zu nehmen und das Fest bei uns zu verleben. Die werden dir alle den Hof machen!" „Dafür danke ich!" „Ich nicht. Mir macht es sehr viel Vergnügen, daß mich Friedrich Wörsmann so anbctct. Tie Verhältnisse stimmen. Ich denke, über lang oder kurz werden unsere Eltern die Sache inS Reine bringen. Tann bin ich Braut." „Wie vernünftig du darüber sprichst, Grete. Liebst du Friedrich denn? Er ist so ernst und steif und paßt gar nicht zn dir!" entgegnete Anna sinnend. „Gerade deswegen passen wir famos! Er bewundert meinen Humor und mein Zigennergesicht mehr als Ernas Schönheit! Und Liebe? — Pah, Liebe kommt nur in Romanen vor; ich kann mir so was Ucbcrspannteo gar nicht vorstellen!" Erna hatte den seinen Kops in die schlanke, weiße Hand gestützt. Sie war in Gedanken versunken. „Doch!" sagte sic langsam. — „solche Liebe, solche ganz schwärmerische gibt es doch! Sie braucht sich gar nicht in Worten zu äußern, aber man findet sic in Blicken, — Blicken, die so merkwürdig sind, daß man unter ihnen wie in einem Traum umher geht. Man wird so weich und so schwer»
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