Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021106015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-06
- Monat1902-11
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1. Mage z. LeWr!WMt mi> AnzeWr Nr. »8», LNiicMg, 8. Nmmber IW. sMM-AWde.) Amtlicher Teil. Oeffentliche Sitzung der Handelskammer Leipzig Sonnabend, den 8. November 1902, 6 Uhr nachmittags, tu deren Sitzungssaal, Rene Börse, Treppe I. Tagesordnung. I. Regiftrande. H. Berichte des WesetzgebungS-AuSschusseS über ») die Stellungnahme zu dem geplanten Warenhanse sür die sächs. StaatSbahnbcamten in Dresden, b) einen Handelsgebrauch im Verkehr mit Äehetmmirteln, e) die Festlegung des Begriffes „Meie", <i) einen Handelsgebrauch, betr. IahrrSgratifikatiouen an ' Angestellte, e) das Vorgehen der Behörden gegen den Handel mit aus ländischem Dörrobst wegen dessen Gehalt an schwef. liger Säure, f) die Einführung des 8 Uhr-Ladenschlusses für Leipzig. HI. Bericht über den deutschen Bankiertag in Franksurt a/M. Hierauf nicht-öffentliche Sitzung. Bekanntmachung. Wir haben beschlossen, auch die an der westlichen Grenze deS Flurstücks Nr. 30 des Flurbuchs pon Leipzig-Eutritzich sich hin« ziehende Wegestrecke des von der nordwestlichen Ecke der Wiesen straße nach der grünen Gasse in Leipzig-Eutritzsch führenden Fuß- Weges eiuzuzieheu und auf die Geibelstraße zu verlegen. Wideriprüche gegen die Einziehung und Verlegung des be zeichneten Fußweges sind binnen drei Wochen, vom Tage der Ver öffentlichung dieser Bekanntmachung an gerechnet, schriftlich bei uns anzubringen; später eingehende Widersprüche werde» nicht berücksichtigt. Leipzig, am 4. November 1902. Der Rath der Stadt Leipzig. lol. 5498. vr. Dittrich. B. Bekanntmachung. Degen Straßenbaues wird der Windmühlenweg von der Johannisallee bis zur LinnZtraße vom 7. dieses MouatS ab auf die Dauer der Arbeiten für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, Len 4. November 1902. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 4786. vr. Tröndlin. Stahl. Bekanntmachung. Zu» Besitze des hier wegen schwere» Diebstahls in Haft befindlichen Werkmeisters L,e»a«n sind u. Ä. uachverzeichnete Gegenstände gesunde» worden, die vermuth- lich von Unglaub gestohlen worden sind: 1 goldenes klcingliederiges HalSkettchcn, 1 Paar länglich geformte goldene Llirringc, in deren Mitte sich je rin ovaler schwarzer Stein befindet und an deren unterem Ende je eine kleine goldene ringel angehängt ist, 1 kleine goldene Taschenuhr mit der Gchänsennmmer 22 829 und dem im Inner» des Deckels ciugravicrtcu Namen LrUoliuer, 1 rothseidener Kopsshawl niit olivgrünen Luerstrcifcu und rothcn Fransen. Die Lt8v»tt»«iuvi- der vorstehcnds bezeichneten Gegen stände werde» anfgefordert, sich umgebend — unter dem Aktenzeichen V II 36/1)2 — bei -em Unterzeichnete» r» au» LÄut-zt. L-elp^lx, den 3. November 1962. Oeffentliche Zustellung. Der Farben- und Tapetenhändler Hermann Feiler zu Leipzig- Gohlis — Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte vr. Simon und Marschner in Leipzig — klagt gegen den Malermeister Paul Stöckel, früher zu Leipzig, Tbomaskirchhof 6, jetzt unbekannten Aufenthalts, aus Waareukauf, mit dem Anträge, Len Beklagten zur Zahlung von 753 88 sammt 5*7» Zinsen von 200 20 seit dem 24. Juni 1902, von 181 ^4 33 seit dem 9. Juli 1902, von 193 02 seit dem 30. August 1902 und von 143 ./L 73 seit dem 25. September 1902, abzüglich am 30. August 1902 gc- zahlt« 50 und am 20. September 1902 gezahlter 60 ./6, zu verurtbeilen und das Urtheil gegen Sicherheitsleistung für vor läufig vollstreckbar zu erklären. Der Kläger ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung deS Rechtsstreits vor die III. Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts zu Leipzig auf den 30. Dezember 1902, vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei diesem Gerichte zugelassenen Rechts anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser AuSzug der Klage bekannt gemacht. Der Gcrichtüschreiber deS Königlichen Landgerichts Leipzig, am I. November 1902. Durch Beschluß des unterzeichneten Königliche» Amlsgerichts vom 15. September 1902 ist der Arbeiter Karl Theodor Wilhelm Adolf Nrlan in Leipzig-Lindenau wegen Trunksucht entmündigt worden. Leipzig, den 1. November 1902. Das Königliche Amtsgericht, Abth. V, Sect. 1. Auf Blatt 11 609 des Handelsregisters ist heute di« Firma Georg Res; in Leipzig (Salomonstraße Nr. 10) und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Karl Georg Reß daselbst ein getragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb eines Agenturgeschäfts der Papierbranche. Leipzig, den 4. Noveinber 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. UV. Auf Blatt 9723 deS Handelsregisters, die Firma M. Friedrichs Co. in Leipzig betr., ist heute eingetragen worden, Laß Herr Georg Max Friedrich als Gesellschafter — in Folge Ablebens — auSgeschieden ist. Leipzig, de» 4. Noveinber 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. UV. Auf Blatt 49 des vormaligen Handelsregisters des Königlichen Gerichtsamts Leipzig ll, di, Firma Max Friedrich L Co. in Leipziq-Ptagwitz betr., ist heute eingetragen worden, daß Herr Max Georg Friedrich als Inhaber — in Folge Ablebens — auSge- jchieden ist. Laß der Ingenieur Herr Karl Max Eduard Friedrich und die minderjährige» Geschwister Emma Kalkarina und Elm Margaretha Friedrich, fämmilich in Leipzig, Gesellschafter sind und daß die Gesellschaft am 26. März 1902 errichtet worden ist. Leipzig, den 4. November 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. UV. Auf Blatt 4673 deS Handelsregisters ist heute die Firma M. Friedrich är Glatz in Leipzig gelöscht worden. Leipzig, den 4. November 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. UV. Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über Les Vermögen des WeinhändlerS Karl Moritz Rissel, Inhabers der Weinhandlung in Leipzig, Brühl 25, wird, nachdem der in dem Vergleichstermine vom 10. September 1902 angenommene Zwangevcrgleich durch rechts, kräftigen Beschluß vom 10. September 1902 bestätigt ist, hierdurch aufgehoben. Leipzig, de» 3. November 1902. Königliches Amtsgericht, Abth. HL.', Johannisgasse 5. Freitag, am 7. November 1902, von Vormittags In Nhr an, sollen im Bersteigerungsraume Les Königliche» Amtsgerichts 1 Pianino, eine Anzahl Möbel, 1 Fahrrad u. A. m. meistbietend gegen Baarzablung versteigert werde». Leipzig, ar» 5. November 1902. Ter Gerichtsvollzieher deS Königlichen Amtsgerichts. Seminar Amiaberg. Ain hiesigen Seminar sollen nächste Oster» zwei Sexten aus genommen werde». Anmeldungen für diese Klassen nimmt der Unterzeichnete bis Ende 'November entgegen. Persönliche Vorstellung des Bewerbers wird nicht verlangt, schriftliche Anmeldung genügt. Dem betreffenden Ansuchen sind aber beizulegen: der Geburts« und Taufschein des jungen Menschen, sein Wiederimpsschein, die Michaelis zensur, ein auSinhrlicheres ärztliches Zeugnis — zu welchem das Formular bei Unterzeichnetem zu entnehmen ist — ein vom Be- Werber ohne Beihilfe z» fertigender Lebenslauf und — sofern der Vater von Geburt Nichlfachie ist — eine Naturalisationsurkunde. Annaberg, am 30. Oktober 1902. Schulrat 8ellu vrütaer, Eeminardirektor. König Georg in Leipzig. IV. Leipzig, 5. November. Bei seinem Besuche der Uni- versität beehrte Se. Majestät der König am heutigen nach mittag die Borlesungen der Herren Professoren vr. Ward (Jura), vr. Wundt (Philosophie) und v. Hauck (Theologie) mit selnein Erscheinen. Vorlesung des Herrn Geheime» Rat Professor vr. Wach. In der Borlesung deS Herrn Geheimen Rat Prosessor vr. Wach, Rektor MagnificuS erschien nach einem kurzen Aufentbalt im Professorenzimmer, woselbst verschiedene Herren vorgestellt wurden, Se. Majestät unter Vorantritt der Pedelle der Universität in Begleitung seines Gefolges, sowie der Herren Dekane in ihren ehrwürdigen Amtsgewänderu. Herr Geheimer Rat Prof. vr. Wach, der den Hermelin und dir goldene Kette als gegenwärtiger Rektor trug, sprach in Fortsetzung seiner kriminalistischen Vorträge über: „Die Entwicklung unseres heutige» Strafrechts", und rwar über dessen Ouellengeschichte und seine innere Geschichte. I. Nur auf dem Wege historischer Forschung schützen wir unS vor tem gefährlichen Irrtum, als ob ras Recht nur eine ÄugenblickSsordcrung wäre, die sein oder nicht sein konnte, — wir überzeugen uns, daß das Recht eine Naturnotwendigkeit, ein Stück Lebensaufgabe der Menschheit ist. Die Oucllengcschichte unseres deutschen Strafrechts ist aber eine ungeheuer komplizierte. Nach einer Zeit territorialer Zersplitterung im Oitsrechte vollzog sich zweimal für unser Land eine Unifikation: 1) Zufolge der Rezeption rer fremden Rechte 1532 durch die sogenannte Carolina Karls V., die nur aus der Summe damaliger Staats- und Weltanschauung begriffen werden kann. Diese aber hat ihre wesentlichen Elemente einmal in der Renaissance, die nicht bloß eine Wiedergeburt der Kunst, sondern auck des Rechts ist, zum andern in der Macht der Kirche. Durch diese, sowie den Humanismus, Römerzüge usw., zog daS römische Kaiserrecht rn Deutschland ein. Daraus ging hervor die peinliche Gerichtsordnung Karls V., eine der eminentesten Schöpfungen des deutschen Geistes, eigen artig dadurch, daß es die innige Verschmelzung deS deutschen und römischen Geistes aufweist. — Die Aufklärung brachte dann auch in Deutschland den Impuls zu neuen Codisikationen. ES folgte die Epoche eines exklusiven deutschen Partikular- strasrechts. Als van» das Deutsche Reich entstand, hatte man es mit der Unifizierung des Reckiü eilig, es entstand so eine Adoptierung des preußischen Strafgesetzbuchs für Deutschland. Is. Für die innere Entwicklung waren als Elemente wichtig zwei Ausfassungsweisen: Die privatrechtliche Auf fassung mit Privalstrafen und die publizistische Auffassung mit öffentliche» Strafe». Dies sind die beiden Pole, zwischen denen sich die innere Entwicklung deS Strafrechts bewegt. Die Privatstrafe steht im Mittelpunkte des altgermanischen Racheshsteins. Der Sieg der publizistische» Strafen bat sich vollzogen mit der Vollziehung der Rezeption der fremden Rechte unter Beihülfe der Kirche. Nach Schluß der interessanten Vorlesung unterhielt sich Se. Majestät in sichtlich angeregter und leutseliger Weise mit Herrn Geheimen Rat Wach. Vorlesung des Herrn Prof. vn. Wuudt. Se. Majestät beehrte 'hierauf etwa 3Vi Uhr die Vorlesung deS Herrn Geheimen Rat Prof. vr. Wnnvt, deS bekannten Physiologen, mit seinem Besuche. Der Vortragende betonte, daß, wer über die neueste Entwicklung ein Gesamtbild gibt, dessen Blick wird immer wieder zurückgelenkt zu dem Bilde eines Mannes, mit dem die deutsche Wissenschaft der neuen Zeit begonnen hat, Gottfried Wilhelm Leibniz. Als er «uflral, war in allen Ländern Europas die Entwicklung des Zeitalters der Renaissance zum Abschluß gekommen. Dir deutsche Wissenschaft stand abseits, der furchtbare 30 jährige Krieg ließ keinen Raum Lasur. Da faßten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der gewal tigen Persönlichkeit cincS Leibniz alle Richtungen zusammen, al« wolle die deutsche Wissenschaft nachbolen, wa« sie biSber versäumt. Leibniz stand in allen Gebieten auf der Höhe seiner Zeit — mehr als das, in allen Gebieten bat er mächtig und fruchtbringend aus die Zukunft bingewirkt: er gab hervorragende juristische Anregungen, er begründete die neue Mathematik usw. Die größte dieser Leistungen aber bestand darin, daß er die widerstrebenden Ge danken in den Wissenschaften durch ihre Zusammen fassung in einer geistige» Einheit mit einander zu ver söhnen gesucht. Er selbst nannte sich gern den Urheber der Idee dec universellen, der prästabilierten Harmonie. Er verstand es, die mechanische Anschauung des Zeitalters mit jener Philosophie zu verbinden, die von Plato an das Universum geistig verklärte, nnd zwar durch die Zweckidee, die er ebenso in der Natur und ihrem Gesetz, wie im Geistes gebiet siebt. Von der aus ihn folgenden Philosophie nicht verstanden, leben seine Gedanken in der Philosophie der Neuzeit wieder auf. Leibniz betonte besonders, die Berück sichtigung der psychischen Seite deS Daseins müsse hinzu kommen zur physischen Anschauung. Seine hervorragenden Plaue sür die Gründung einer gelehrten Gesellschaft, einer großen internationalen Organisation zu geistiger Arbeit, sind endlich in vielem Jahre zur Aus führung gelangt. Im April 1902 fanden sich zum ersten Male Delegierte aller großen Akademien der Welt in Paris zu sammen, — auf Anregung eines Mitglieds der französischen Akavemie war der erste Beschluß: eine Herausgabe der Ge samtwerte von Leibniz. Diese wird ein unvergängliches Denkmal der Kultur sein. — Nach einem dreifachen brausenven Hoch der Zuhörer verließ Se. Majestät unter lebhafter Unter haltung mit Herrn Geheimrat V. Wundt daS Auditorium. Vorlesung des Herrn Prof. 0. tkso!. Hauck. Nach einer kurzen Pause nach der Vorlesung de« Herrn Geheimen Rat vr. Wundt besuchte Se. Majestät, die Vor lesung des Herrn Prosessor der Theologie v. Hauck über Kirchengeschichte. Pros. v. Hauck wies zunächst darauf bin, daß zu den wichtigsten Teilen der Kikcheuaeschichte die Ge schichte der christlichen Mission gehört, die Antwort auf die Frage gibt, wie die Welt, in der wir wirken, sich erbaute. Wie ist in Sachsen das Christentum eingeführt worden? Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da wir absolut keine Ueberliesermig dafür haben wie in anderen Ländern. Nur einmal wird erwähnt, daß Botho, ein Regens burger Mönch, unter Otto II. sich sehr um die Bekehrung der Wenden gemüht babe. Doch kommen unS die Urkunden zu Hülfe, — sie erzählen zwar nicht von Männern, aber sind Denkmale über die Zustände. Daraus ergibt sich dann von selbst eiu Bilv, wie das Christentum Wurzel schlug und das Heidentum zurückvrängte. Unter Otto dem Großen wurden die Bistümer Merseburg, Zeitz, Naumburg gegründet, die 968 unter daS Erzbistum Magdeburg gestellt wurden. Die Verwaltung Les Landes trug militärischen Charakter: Burg grafen, Lurgmannen, dann auch kaiserliche Lehnsleute (Grund herren) waren Deutsche, die unter den wendischen Heiden die ersten christlichen Diasporagemeinden bildeten. Doch blieben die Fortschritte des Christentums in den heidnischen Landen in den nächsten anderthalb Jahrhunderten sehr gering. Zwar waren die BiStüiuer da, aber auf eine sehr schmale deutsche Basis gestellt. Klöster, die Missionsarbeiter liefern konnten, gab cS wenig. Da ward es sür die Weiterentwicklung bedeutsam, daß Mitte Les 12. Jahrhunderts die Bevölkerung sich änderte durch Einwanderung deutscher Bauern, bald auch durch Be gründung deutscher Städte. Die Deutschen wollien die gewohnten Verhältnisse nicht entbehren und so ward eS Regel, daß, wo die Einwanderer sich niederließen, ein neues Kirchen wesen entstand. Das ward auch entscheidend für die Heideu- mission; neben den deutschen Pfarrsitzen erbauten sich solche an wendischen Orlen, wo besonders dann der Ausbau des geregelten ParochialsystemS den Ausschlag zur vollständigen Gewinnung der Heiden gab. — So kann man sagen: Das Christentum hielt in diesen Landen seinen Einzug mit der deutschen Sache und eS kam zum Siege durch die Tätigkeit der Pfarrer in langsamer Weise. Aus diese Art wurde Sachsen sür die christliche Kirche gewonnen und zugleich für Fcuilletsn. Englische Schlösser. Zur Kaiserreise nach England, 7. bis 15. November. Bon FrankRobinson. Nachdruck verbalen. Bei seiner diesjährigen Reise nach England wird sich der Kaiser hanptsächltch als Gast des Prinzen von Wales in Sandringham und ans einem Schlosse des MarguiS ns Landsdowne aufhalten. Das Leben ans solchen Herren- ützen bildet einen der eigentümlichsten Züge und, muß man hinzufügcn, einen der größten Reize, die England einem Fremden bieten kann. Bon Geschichte, von Reich tum und meist von Luxus der edelsten Art und des er lesensten Geschmacks umgeben, pflegt hier der Gast den Tag über ein Leben von vollständiger Freiheit zu führen, ob er es nnn vorzieht, auf den wohlangelegten Spiel plätzen sich zu unterhalten, ob er an den Jagden teilnimnit oder ob er als Naturfreund oder poetischer Träumer durch die meilenlangen Wege alter, hier wohlgcpflegter, dort mit Absicht der natürlichen Freiheit überlassenen Parkanlagen wandeln will. Aber abends erglänzt dann die große Halle von Lichtern und vom Funkeln der kostbaren Steine, die die Damen zu den tief ausgeschnittenen Gewändern tragen: ebenso erscheinen die Herren in großer Toilette, nnd mitten in der Einsamkeit deS Landes entfaltet sich hier — quito knulisk! — ein glänzendes vornehmes Ge- iellschaftSlcbcn. Diesen Brauch mag nun jeder beurteilen, wie er will, nnd sicherlich wird es vielen Dcntschen nicht leicht, sich mit ihm abzufinden; aber seinen Reiz hat er nnn unleugbar einmal, und ihm kann sich niemand, der je ans einem solchen englischen Herrensitze geweilt hat, ent ziehen. Wer cs nnr zn einigen» Wohlstände in England gebracht hat, der strebt darnach, sich einen eigenen Landsitz zu er werben, und sei cs anch nnr eine einfache Evttage irgend wo in der Mitte saftig grüner Wiesen, oder am User eines sanft dahingleitenden Flusses. Mit solchen Landsitzen ist England förmlich besät. Aber das besondere Interesse des Reisenden erwecken natürlich die Landsitze des alten Adels, diese sind freilich nicht simple Cottages, sondern Bargen nnd Schlösser oder weitanSgedchnte Paläste. Das sind die Brennpnnkte der Geschichte des Landes nnd anch die Brennpunkte seines Reichtums und seines gesellschaftlichen Lebens. Ost liegen sic viele Monate im Jahre verein samt, so wie jener Herrensitz Chesney Wold, von dem Dickens in „Vleak Honse" crzäblt, nur bewohnt von be quemen Dienern nnd Haushaltern. Dann aber ändert sich mit einem Schlage das Bild; dann kehrt die vornehme Familie deS Besitzers ans ihrem Eigentum ein, und Schwärme von Jagdgästcn oder Freunden fülle» dann Park und Hans, denn aus allen solchen Herrenschlössern wird eine wahrhaft fürstliche und vornehme Gastfreund schaft auSgeübt. Es zerfallen diese Schlösser für den Reisenden in zwei Klassen; die einen sind Show-honseS, d. h. sie sind dem fremden Besucher, sei cs ohne weiteres, sei eS, wenn er sich in ein Fremdenbuch einzeichnet oder sonst eine ähnliche einfache Formalität erfüllt, zugänglich. Die anderen sind unzugänglich oder schwer zugänglich; in der Regel must der Fremde eine gute Empfehlung un mittelbar an den Besitzer des Schlosses haben, wenn er in solchen Fällen Zutritt gewinnen will. Zu den Show- honseS gehören in erster Linie jene Schlösser, die, wie War wick Eastle, Denkmäler der nationalen 'Vergangenheit sind. Aber auch manche noch Yente bewohnte Adelssiye öffnen sich ohne Schwierigkeit dem Reisenden, sofern sein Aus sehen beweist, daß er den besseren Klassen »»gehört. Ein solcher Adelssitz ist Eaton Hall. Wenn der Herzog von Westminster seinen mit den herrlichsten Kunstschätzcn ge schmückten Stadtpalast in London, Grvsvcnor Honse, ver läßt, dann zieht er sich hierhin, in die Nähe der ehr würdigen und malerischen alten Stadt Chester, an daS liebliche Ufer des Dee, zurück. Eaton Hall gehört zu den prächtigsten englischen Landsitzen, aber er kann sich an historischer Bedeutsamkeit mit anderen nicht messen. Frei lich steht hier schon seit Jahrhunderten ein Schloß, fa, es haben sogar drei hintereinander hier gestanden, und das jetzige ist das vierte. Dies ist aber noch nicht älter als beiläufig dreißig Jahre; dafür ist es um so prächtiger. An Luxus im vornehmsten nnd größten Stile ist Eaton Hall vielleicht in ganz England unübertroffen. Der Cha rakter dieses Luxus wird vielleicht am besten dadurch ge kennzeichnet, daß ans der einen Seite alles, was die Künste durch Berwcudung und Gestaltung der schönsten Mate rialien leisten können, benutzt ist, daß aber bei alledem doch dem Hause immer noch der Charakter eines Wohn sitzes von jenem Komfort ausgeprägt ist, der den Eng ländern zum Bedürfnisse geworden ist. Bon der Groß artigkeit der hier aufgeivandten Mittel erzählen auch die Gärten von Eaton Hall mit ihren wunderbaren Gewächs häusern und ihren in großem Stile angelegten Terrassen. Im übrigen genießt Eaton Hall eine besondere Berühmt heit bei allen Sportfreunden, da hier schon seit vielen Jahrzehnten eines der ersten Gestüte von England sich be findet. Wenn mir die Namen Luneclot, Touchstone, Tan4 taloon nennen, die zu den gefeiertsten Liegern des eng lischen Turfs gehören, so haben wir wohl schon genugsam erklärt, worauf der sportliche Ruhm von Eaton Hall beruht. Eaton Hall ist ein moderner Herrensitz; wollen wir ein klassisches Beispiel für die historischen Herrensitze Eng. landS kennen lernen, so pilgern wir nach Warwick Castle. Ein Mann, der viel gereist ist und der seinen Eindrücken gegenüber recht kritisch war, der Fürst Pücklcr, hat von Warwick Castle geurteilt, eS sei ein Zauberort, in daS reizendste Gewand der Poesie gehüllt und von aller Majestät der Geschickte umgeben. Und das ist keine Uebcr- trcibnug. DaS Bild, das sich im inneren Schlvßhofc bietet, ist iu der Tat das Bild eines Zanbersckloffeö. Um weite, stille, grüne Raseu herum uralte, mächtige Bäume und «vH weit ältere Bauwerke, weite Trakte von Wvhnränmcn. großartig, mannigfaltig in ihren Dimensionen, in ihren Erscheinungen. Eine Kapelle ragt hier anö diesen Fronten hervor, dort stößt daS Auge auf den vertranten Spitzbogen, dort sehen wir unregelmäßige, kleine, vier eckige Fenster, die an jene wilden Zeiten erinnern, da die Adelsschlösser mit mißtrauischem Auge in die englische Ebene hinausblinzelten. Und dann der „Keep", der älteste Teil des Scklosses, ein mächtiger Burgsried, und wieder Türme nnd Pfeiler nnd Bögen und Brücken und Zinnen nnd Tore, und alles dies umivnchert unv umblüht von herrlichem, altem Baum- und Pslanzenwuchs und übcr- strablt von derselben Sonne, die die merkwürdige Ge schichte dieses Schlosses mit angesehen hat. Sie geht, Gott weiß wie weit, zurück, cs heißt, bis in die Römcrzeit. Für uns aber ist sic bekannt geworden durch jenen unsterb lichen „Königsmacher", der seine Unsterblichkeit wiederum Shakespeare verdankt. Es war aber das auck ein Mann, dessen Gedächtnis fvrtzuleben verdiente, ein wahrhaft großer Herr, groß auch im ganzen Stile seines Lebens. Es heißt, daß ans seine Kosten in seinen verschiedenen Schlössern nicht weniger als dreißigtausend Menschen täg lich lebten. In welchem Maße er die Geschicke seines Landes zciiweilig beherrschte, ist durch den großen Dichter allgemein bekannt geworden. Die Nevilles sind heute ans- gestvrbcn, aber die GrcvilleS besitzen heute das Schloß. Tie Grevillcü waren so gescheit, ihr altes Wappenschild mit güldenem Glanze auszusrischen, ein Glanz, der nm so willkommener war, als er von der Hand des letzten Spröß- lings eines alten englische» Geschlechtes überreicht wurde. Sv konnte Warwick Castle erhalten und restauriert werden, und so erscheint es dem Besucher heute wohl als ehrwürdige Stätte, aber nicht als Ruine. Wer Ruinen liebt, der muß nach Kcnilmorth wallfahren; es ist kein weiter Weg von Warwick Castle nach Kcnilmorth. Hier residierte auch einmal ein gewaltiger Mann, und auch er ist durch Dichter unsterblich geworden; es ist jener Lei cester, den Scott und Schiller behandelt haben, jener Lei cester, der hier zu Kenilworth im Jahre 1575 seiner könig lichen Beschützerin und vermutlich auch Geliebten Elisabeth acht Tage lang ein überaus luxuriöses Fest gegeben hat, das, wie uns berichtet wird, tagtäglich 1000 Pfund Sterling gekostet haben soll. Fünfzig adlige Damen und Heeren und vierhundert Diener sollen damals in Kenilworth untergebracht gewesen sein; heute ist es eine stille Stätte, eine malerische Ruine, die aber noch immer die Stattlich keit und Ausdehnung des HerrcnschlosseS, das einst hier stand, beweist. Bleiben wir noch bei der Vergangenheit, aber über lassen wir die Ruinen dem melancholtschen Verfall. Wir suchen Haddon Hall auf, im entzückenden Tale des Wye, einer stillen Gegend, wo die Hügel zn beiden Seiten mit alten Bäumen zwischen Weidegründen bedeckt sind. In dem wtr den Lauf dieses Flüßchens aufwärts verfolgen, stellt sich uns plötzlich eine breite, vielfältige Grnpve alten, zinneureichcn lÄemäncrö dar. Wie etn Traum ist dieses Bild, tiefe Stille herrscht im Tale des FlusscS, kein Laut stört die Einsamkeit, kein Mensch scheint hier zu wohnen, und das trifft von Haddon Hall wirklich beinahe zn. DaS Schloß ist wohl erhalten und wird pietätvoll ge pflegt, aber es ist leer. Die Besitzer, die RutlaudS, wohnen nicht gar wett in einem neuen Schlosse, in Belvoir Castle, das sich in seinem ncngvthischen Stil gar stattlich präsen tiert. Tie Familie, mit deren Namen die Geschichte von Haddon Hall unzertrennlich verbunden ist, ist die der Vernons, anch sie, von Shakespeare mehr als einmal er wähnt, eine mächtige, trotzige, aber auch lebenslustige Familie, deren letzter Sproß jene romantische Dame Dorothea Vernon war, die Sir John Manners heiratete, und die dadurch die Stammmutter der heutigen Herzoge von Rutland wurde. Wenn man durch die Räume dieses stillen Schlosses wandelt, die große Halle, die noch heute fast unverändert den Charakter des 15. Jahrhunderts trägt und uns durch zahlreiche Einrichtungen mitten in daS täg liche und gesellige Leben jener Zett zurückführt, das Ltaatsschlaszimmer, das das gewaltige Himmelbett zeigt, in dem König Georgs IV. Majestät zn schlafen geruhte, den prächtigen, 30 Meter langen Ballsaal, der mehr als einmal jene originellen, altenglischen Tänze gesehen hat, den köstlich malerischen Tcrrassengarten, dessen Treppe berühmt ist als .,kko I^ovv 8top8 ok Vorotkr Voruua" — es ist jene Treppe, über die sich die schöne Dame Dorothea während eines prächtigen Mahles ans dem Kreise der Ihrigen in die Arme ihres geliebten John Manners flüchtete —, wenn man all das schaut und durchwandert, dann kann man wohl das Gefühl haben, das ein deutscher Reisender hatte, als vl> man hier durch ein Pompeji dev Mittelalters wandelte. Hier wird heule keine Gast freundschaft mehr erwiesen, hier werden heute keine Feste mehr gefeiert. Um aber diese kurze Skizze mit der Gegen wart zu schließen, wie wir sie mit ihr begonnen haben, so werfen wir noch einen Blick auf das Prachtschloß der Cavendishs, ChatSworth, gelegen in Derbyshire. Chats- worth erfreut sich wieder eines besonderen Ruhmes: es ist nämlich der größte unter allen Herrensitzen Englands. Aber freilich darf man nun hier nicht die alten, Ephen bewachsenen Wälle, die trutzigen, normannischen Türme, die metcrdicken Mauern, die heimlichen dunklen Treppen suchen, ChatSworth ist ein prächtiger, heiterer Ban^ der vor 200 Jahren im Stile der italienischen Spät renaissance erbaut worden ist, und cs zeichnet sich dieses Schloß durch eine Ausstattung von solcher Pracht aus, daß cs vergebens wäre, mit der Beschreibung erst anzu fangen. Nicht jedem wird solche Pracht zukagen. Wenn man aber in die Gärten von ChatSworth tritt, die die größte Mannigfaltigkeit aufweisen, die uns von einem ita lienischen Garten z» herrlichen Orangerien, von den be rühmten Glashäusern zn meilenweit sich hinztchenden Parkwegen führen, dann wird wohl ein jeder etwas Neid gegen den Herzog von Devonshire fühlen, der jetzt hier ans ChatSworth residiert. Man kann in gewissem Sinne sagen, daß die englischen Schlosser Englands größte Sehenswürdigkeit bilden. Schade, daß so viele von ihnen den gemeinen Sterblichen immer unzugänglich bleiben, noch mehr, daß der übliche Reisende selbst an denen zn ost achtlos vorübcreilt, die bereit sind, ihm ihre Tore zn öffnen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder