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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021107017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-07
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Er ist überall mit -er einem so hohen Herrn zustehcndcn Feierlichkeit empfangen, hat auch wohl hier und da sich in den staats männischen Mantel gehüllt und kleine politische Handels geschäfte abgeschlossen, am wohlsten fühlte er sich indes, wenn er nicht als „Kaiser aller Staaten Persiens" oder als Diplomat auftrcten brauchte. Nicht umsonst nennt man sein Volk die Franzosen des Ostens, und an der Leine hat er auch am längsten verweilt. Man erzählt sich, daß der Lchah in Paris weniger den Kunstschätzen des Louvre und dem Ltudtilm der Mnnizipalvcrwaltnng Geschmack ab gewonnen, als anderen Vergnügungen, an denen das Seine-Babel ja eine reiche Auswahl bietet. Musaffer hat noble Passion und ist ein freigebiger Herr. Er wird also wohl vor seiner Abreise einen tiefen Griff in seine Kasse getan haben, und seine europäischen Gläubiger und Ge schäftsfreunde erörtern lebhaft die Frage, wer diesmal der Bevorzugte fein wird, der den „König der Könige" aus seiner wenig königlichen Finanzklcmmc befreien wird. Wenn schon in anderen Staaten sich im Grunde genommen alle Politik um die Finanzen dreht, so ganz besonders in Persien. Hier haben sich aber weniger die Großwcürc sür Inneres nnd -ic Finanzen um die Anleihe zu kümmern, als der Herr Minister des Aeußern. Noch ein anderer Unterschied findet sich zwischen Persien und den Ländern des Westens. Während iu Europa oft schwer Geld aufzu treiben ist, hat mau sich in Persien nur den Kopf darüber zu zerbrechen, wen von den sich zudrängcnden Neben buhlern um die Gunst des Finanzchcfs in Teheran man auswählcn soll. Glückliches Persien! — In wenigen Gebieten Asiens, das den großen Kampf platz zwischen England nnd Rußland bildet, zeigt sich das Vordringen der Macht des Zaren, das Zurückwcichcu Britanniens so, wie in Persien. Der Nicscnleib deS un ermeßlichen asiatisch-europäischen Llaivenrcichs sucht sich mehr Zugänge zum Weltmeer. Heute noch, wie zur Zeit Peters des Großen, leidet der Staat au der Einpressung ins Binnenland. Tie Nordküste ist der Schissahrt znnr größten Teile verschlossen, im Westen begrenzen die Binnenmeere der Ostsee nnd des Schwarzen Meeres das Zarenreich. Um in diesem Mangel an Ozcanlnft nicht zu ersticken, ist Rußland zum japanischen nnd Ochotskischen Meer dnrchgebrvchen. Aber auch diese Vorhöfe zu dem ersehnten Gefilde deS Stillen Ozcans sind zu abgeschlossen, haben, abgesehen von ihrer nordischen, zum Teil der Eis zone angehörigen Lage, zn viel Binneumccrcharaktcr, als daß sie dem Drang Rußlands an die Küsten genügen könnten. Das Ziel ist also für die Petersburger Staats männer der Zugang zum Indischen Ozcan. Uni ihn wird feit 15 bis 20 Jahren mit all der Zähigkeit, der Vorsicht und der Geschmeidigkeit der russischen Staatskunit gelämpst. Persien uruß unter russischen Einfluß kommen — der In dische Ozcan ist das zukünftige Weltmeer des Zaren!" Der Transvaalkricg, der Englands Hände am Kap fesselte, ermunterte zu einem kühneren Vorgehen; seit aber die Entwickelung der Dinge in Nordchina Rußlands ganze Aufmerksamtcit beansprucht, befolgt man wieder in Persien die Politik scheinbarer Indolenz, unter deren Deckmantel aber die Agenten der leitenden Stellen an der Newa desto ungestörter arbeiten können. Ter Hebel, mit dem man das Perscrreich ans seinen Angeln heben und es in den Macht bereich des nordischen Bären schieben will, ist die Finanz politik deS heillos zerrütteten Staatswesens. Bis vor zehn Jahren war Persien in der glückliche!« Lage, seine Finauzbedürfnisse im Inlandc decken zn tonnen. Die Beamten übernahmen gerne die nötigen An leihen und befriedigten sich ans dem reichen Kronschatz, bis dieser eines schönen Tages ansgeschöpft war. Der Preis sturz des Silbers verringerte den Einnahmcetat, da die persischen Steuern in Silber gezahlt werden. Ein stärkeres Anziehen der Steuerschraube hatte keinen Erfolg, da man den Magnaten nicht zn Leibe ging, sondern nur aus den in bcttclhaftcr Armut lebenden unteren Klassen etwas ycrauSzuprcssen suchte. Persien brauchte also von einer anderen Macht Geld. Die Londoner Börse tränkte aber an der seit Jahren schon unüberwindlichen Mutlosigkeit, an dem Mangel an Initia tive, der auch andere britische Unternehmungen lähmt. Tas Auswärtige Amt interessierte sich nicht für die Geldnot des Schahs, nnd so siel Persien Rußland iu die Hände. Tie erste Anleihe gab Rußland 1000 her; das reinliche Ge schäft gefiel dem „König der Könige", und kurz darauf „pumvtc" er sich abermals io Millionen Rubel. Die „Tar lehnsbank' in Teheran, eine Agentur russischer Finanz leute, beteiligte sich an diesen Transaktionen, und heute übersteigt die Schuld Persiens an Rußland bereits achtzig Millionen Mart. Mit dem Beginn dieses finanziellen Hörigkcitsvcrhältnisscs war das Schicksal Persiens ent schieden. Die nächste Anleihe, die wohl unmittelbar bevor stehl, darf man in Teheran nach den bindenden Ab machungen mit Rußland nur in russ isch e H ä n d c gelangen lassen. Natürlich nutzt Rußland seinen Ein fluß nach Kräften aus, um andere in Persien interessierte Finanzmächte ausznschaltcn und ihre Forderungen abzu lösen. Sv läßt sich heute schon der Tag voraussehen, an dem Persicu seinen Bankerott erklären muß, und an dem -er Petersburger Gläubiger auf die Zolleinnahmen Beschlag legt, die heute noch unter belgischer Verwaltung stehen und jährlich 8 bis 0 Millionen Mart abwerfen. Rußland tritt seine Pfandrechte dann in den persischen Häfen an, die ibm — mit Ausnahme der Häken am Golfe und ihrer Zollcinuahmen — von nun an verfallen sind. In London erregt natürlich dieser Ausblick tiefste Niedergeschlagenheit. Man tröstet sich zwar damit, daß die Küstcnplätzc von Farristau noch nicht verloren sind, und diese bringen ein Drittel der Gesamtzöllc ein. Neue Beunruhigung schafft aber der Umstand, daß man dem Hasen von Mohammcreh am Einfluß des Karna in den Schatt-cl-Arab, wie cs scheint, die Pfandsrciheit nicht gesichert hat. Wenn nun auch der Wert dieses Hafens an sich ein sehr problema tischer iß, so weiß man, daß Rußland diesen Platz zum End punkte einer Bahnlinie auebaucn will, die den Durch gangshandel über Bagdad in russische Hände bringen soll. Der Ruf, die englische Regierung solle Mohammerch jetzt schließen lassen, kommt, wie heute so viele Dinge, in Groß britannien, zn spät. Man kann sich an der Themse überhaupt nicht mehr dem Eindruck verschließen, daß man auch im Persischen Golf immer mehr in eine Verteidigungsstellung gedrängt wird. Tie letzten Erfolge waren die Verhinderung der russischen Absichten auf Bender-Abbas und die Ver eitelung der französischen Wünsche in Maskat. Seit dieser Zeit ist's aber bergab gegangen, und wer die türkische Opposition gegen die so wichtige Besetzung von Kncit ge stärkt hat, weiß man iu London sehr gut. Auch die feinsten Intrigen gelingen nicht mehr. Die russische Flagge zeigt sich ungeniert in den Gewässern, die man früher als eng- lisches Binnenmeer zn betrachten sich gewöhnt hatte. Auch der russische Kaufmann, der beste Pionier der Zaren politik in Aßen, ist bereits erfolgreich ausgetreten. Eine Odessaer Tampfcrliuic hält die Verbindung mit den Häfen im Persischen Golf aufrecht. Im Schutze ihres starten Freundes zeigen sich jetzt auch frank und frei die französischen Kreuzer im Pcrfcrmeer. Frankreich und Tcutschlaud durchbrechen ihrerseits das russisch-britische Monopol, indem sic gemeinsam die Bagdadbahn finan zieren, die ja allerdings noch recht sehr Zukunftsmusik darstellt. Immerhin sieht England, daß feine Alleinherr schaft auch hier gebrochen ist, und es wird seine Laune nicht verbessern, daß der verhaßte deutsche „Vetter" ihm auch hier in die Quere kommt. Ungestört ist England vorläufig noch im südwestlichen Perücn; dafür hat cs aber den ganzen Norden und Nord osten der russischen Einflußsphäre überlassen. Es ist indes nicht das Verdienst der Herren in Towuing-Street, wenn England hier noch den Rest seiner früheren Macht ver teidigen kann. Das hat man lediglich dem energischen Vizcköntg von Indien, Lord Curzon, zu verdanken. Enrzon hat erkannt, Laß die letzte Stunde für das indische Kaiserreich geschlagen hat, wenn Rußland am Persischen Meer durchbricht und die Lcestraßc vom Mutterland« nach Ostindien nnd Asien in der Flanke bedroht. Dem indischen Vizckünig ist cs zu danken, wenn englisches Kapital sich nach Maskat und an den Enphrat gewagt hat, feiner Initiative verdanken die Karawanen von Beludschistan nach Chorassan die Unterstützungen, e r ver längerte das indische Tclegraphennctz nach Ispahan. Lord Enrzon hat auch den Militärbezirk von Quatta ge sichert und befestigt und damit den Bolanpaß und die ganze überaus wichtige Heerstraße, die über ihn führt, in britischen Machtbereich gebracht. Tiefe Erfolge im Osten werden für England aber sür die Dauer nur zweifelhaften Wert behalten, da Afgha nistan sür Indien ein immer schwankenderes Bollwerk wird. Rußland hat dort eine ständige Gesandtschaft ein gerichtet, nnd -er neue Emir deS Lande-, der angeblich so sehr zu England neigen sollte, wird bald die Macht des Rubels kennen lernen und seinem Zauber schließlich ebensowenig widerstehen können, als der „König der Könige". Ten Norden Persiens macht jedenfalls auch schon heute niemand mehr Rußland streitig. Wenn man in Peters burg jetzt noch nicht die Hand auf das Gebiet legt, so geschieht dies aus ähnlichen Gründen, wie im fernen Osten, wo man die Mandschurei und Korea sich noch so lauge ihres Lebens freuen läßt, bis sie, durch den 6iang dec Ereignisse gedrängt, von selbst ins russische Netz gehen. In diesem Sinne — anders also, wie nach den Haager Schalmeien — ist Rußland in der Tat in hohem Maße friedliebend. Es zieht nicht das Schwert und ver meidet Blutvergießen, da seiner schlauen Ltaatsknust b«e Erfolge auch ohne diese Gewaltmittel von selbst in den Schoß fallen. Wie wett der russische Einfluß in Nord-Persien geht, erhellt aus der Gründung der oben schon genannten Dar- lehnsbank. Ter Handel ist fast ganz in russischen Händen. Die Leibgarde des Schahs ist eine Elitetruppc von Kosaken, uniformiert und ausgebildet wie ihre russischen Kameraden. In drei Eisenbahnlinien dringt Rnßland nach Persien ein. Eine Zweiglinie verbindet die trans kaukasische Bahn Batum-Tiflis-Baku über Eriwan und Täbris nach Teheran. Mcsched, die Hauptstadt von Chorassan, wird in kurzer Zeit mit der transkaspischen Eisenbahn bei Askabad verbunden sein. Rescht, der Haupthafcn Persiens am Kaspischen Meer, das heute nur noch ein russischer See ist, wird von russischen Kapitalisten unter staatlicher Subventionierung durch einen Schienen weg mit Teheran in Verbindung gebracht. Wir sehen, mit welch riesigen Mitteln und nach wie klugen und wcitausichauenden Plänen in Asien Rußland gegen seinen Todfeind England arbeitet. Keine euro päische Macht wird sich in den kommenden Zusammenstoß zwischen dem englischen und russischen Riesen entmischen, der einst endgültig über die Herrschaft in den zentral asiatischen Ländern entscheiden wird. Wir können diesem Gigantcnkampf ruhig und neutral zuschen, da wir dort keine unmittelbaren Interessen haben und da unsere nationalen Ausgaben in ganz anderen Gebieten liegen. Aber die Augen heißt cs aufmachen, daß unsere H a n d c l S intcresscn auch im Persischen Golf nicht Schaden leiden! Deutsches Reich. I. Leipzig, 6. November. « Z u k n n f tS il a a t 1 ichcs Heldentum.) Sehr erbauliche Ausblicke aus die Ge stalt, welche die a l 1 g c m e i n c W c h r-v f I i.ch t im Zn - tunftsstaatc annchmcn wird, eröffnet eine längere Betrachtung der „Sächsischen Arbcitcrztg.". Tas Dresdner Sozialistcublatt hat heransgeiunden, daß das deutsche Militärstrasgcsctzbucli iu manchen Para graphen gar nicht zur allgemeinen Wehrpflicht stimmte. So setzt cs z. B. sür Flucht aus dem Gefechte die Todes strafe und sür Zurückbleiben aus dem Gefechte, sofern das Zurückbleiben ans »Feigheit geschieht, Zuchthaus bis zu fünf Jahren fest. Tas soll nach der „Sachs. Arbcitcrztg." ein Widerspruch zur allgemeinen Wehrpflicht sein. Tenn wie kommt bei der allgemeinen Wehrpflicht der Mann zum Militär? „Niemand ', so lautet die Antwort der „Sachs. Arbcitcrztg", „fragt ihn, ob er Lust und Liebe zum Militär hat, ob cr sich auch den Mut und die Willenskraft zutraut, die ein Hincinmarschiercn in Geivehr- und Gc- schützfcucr erfordert, kein Mensch kümmert sich darum, ob cr gute oder schlechte Nerven besitzt, sondern er wird, wenn cr keine organischen Fehler hat nnd auch körperlich nicht gar zu schwächlich ist, einfach cingcrciht, d. h. er soll von jetzt an dem Tode mutig ins Auge blicken können. Und warum? Weil cr dem so und sovielten Regiment angehört und nicht mehr den schlichten Civilrock, sondern eine mit gar vielen großen Mcssinglnöpsen und auffallen den »Farben geschmückte Uniform trägt. Tie Bestimmung, daß man Leute, denen das Herz im Kriege in die Hose fällt, tvtschicßen darf . . ., paßt also anch nicht zur all gemeinen Wehrpflicht." — So hirnverbrannt diese jedem Anarchisten aus der Seele gesprochene Beweis führung ist, so lehrreich ist sie als Kommentar zu dem jenigen Punkte des Erfurter Programms der deutschen Sozialdemokratie, aus den gelegentlich von den sozialdemokratischen Agitatoren mit Selbstbewusstsein hin- gcioicscn wird, wenn es darauf ankommt, der Masse den Glauben beizubringcn, daß auch die Sozialdemokratie ganz cncrgiich die Wehrhaftigkeit des deutschen Volts be treibe. „Erziehung zur allgemciueu Wehrhaftigkeit, Volkswchr au Stelle der stehende« Heere" — das sind zwei Forderungen, welche die Sozialdemokratie „zunächst" stellt. In welcher Art die Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit praktisch durchgcführt werden würde, dasür enthält die obige Auseinandersetzung der „Lächs. Arbeiter zeitung" einen recht deutlichen Fingerzeig. Wer sich nicht den Mut nnd die Willenskraft zutraut, die ein Hin- einmarschicrcu ins Feuer erfordert, wer zu schwache Nerven hierfür hat, der besitzt, dank dem Grundsätze der allgemeinen Wehrpflicht — der Gedankengang der „Süchs. Arbcitcrztg." läßt keine andere Folgerung zu — das Recht, die Erziehung zur Wehrhaftigkeit von vornherein dankend abzulehneu! Und da will jemand noch bestreiten, daß ganze Völker und Staaten an „Nervosität zu gründe gehen können"? Berlin, 5. November. lLtcigcruug der S t a a t s b e d ü r f n i s s c ü e r c u r v p ä i s u) e n G r o ß- m ä ck> t e.) Unter den europäischen Großmächten, die sämt lich in dem Jahrzehnt 1891—1001 die Bedürsni'se ihres Staatshaushaltes sehr bedeutend erweitert haben, stellt Großbritannien mit einem Budget vou 3,9k Milli ardcn Mark im Jahre 1901 gegen 1,8 Milliarden im Jahre 1891 oder einer Vermehrung der Ausgaben um 117,1 Pro zent weitaus an erster Stelle. Schon das Budget kür 18l>9/i!)M, das sechs Monate vor Beginn des sudaf.ika- nischcn Krieges vom britischen Parlament bewilligt wurde, zeigt eine Steigerung der Ausgaben auf -',97 Milliarden Marl oder nm io Prozent, mit den wachsenden Anforde rungen des Krieges erreichten die Ausgabe,! im n ichst- jährigcn Etat die angegebene Höhe. Rußland, das Großbritannien noch am nächsten kommt, bat iu der gleichen Periode seine Ausgaben um nahezu >0 Prozent, Deut s ch l a u d und O e st c r r eich - ll n g a r n haben die ihrigen nm oo,4 bczm. 22,1 Prvz. erhöh», wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß cs sich bei dieser Ausgabenvcr- mehrung einzelner Staaten nicht um außergewöhnliche Anforderungen, sondern um Beträge handelt, die größten teils kür den Bau, Ankauf und Betrieb von Eisenbahnen ailsgewendct wurden, die also der wirtschaftlichen und lommerzicllen Entwickelung zn statten kommen, sozusagen also eine gut rentierende Kapitalsanlagc darstcllen. In F r a u krci ch ist ein volles Drittel der Mehrausgaben seit dem Jahre 1891, dessen Etat in der Endsumme mit 2,53 Milliarden Mark gegen 2,84 Milliarden Mark des Jahres 1901 abschloß, nämlich rund 105 Millionen Mart für militärische und strategische Zwecke verwendet worden; die gesamte Ansgabenerhöhung betrug rund 312,7 Milli onen Mark oder 12,3 Prozent gegen den Anfang des letzten Dezenniums. Insgesamt haben die genannten Mächte nnd Italien ihre staatlichen Ausgabenbedürsnisse um einen Betrag von 7,6 Milliarden Mark oder nm 46,6 Pro zent im Verlause der erwähnten Periode erhöht. Ber hältnismäßig noch größer ist die Vermehrung -cr Aus- g a b e n s ü r H e e r- u n d M a r i n e z w e ck e, die in den betreffenden Ländern seit dem Jahre 1891 eingetreteu ist. In diesem Jahre repräsentierte das Militärbudget dieser Staaten einen Gesamtbetrag von 3690 Millionen Mark, 189«: stieg diese Ausgabe auf 4260 Millionen Mark, um im Jahre 1901 sich zu einem Betrage von 6305 Millionen Mart zn erheben. Anch hinsichtlich der Erhöhung der mili tärischen Ausgaben hat Großbritannien die Füh rung und ein Vergleich mit der allgemeinen Steigerung der Ausgaben zeigt, daß dieser Staat innerhalb der ge nannten Periode seinen Armee- und Marineetat um mehr als das Doppelte seiner allgemeinen Etatsvermehrung ge steigert hat. Nicht weniger als 1741 Millionen Mark oder 271 Prozent mehr als der Militäretat des Jahre 1891 weist der Etat des letzten Jahres auf, und wenn auch der weit aus größteTeil der neucnAnsorderungen aufRechnung der Kriegsbedursnissc zu setzen ist, so ist doch zu konstatieren, daß bereits der englische Militäretat für 1899/1900 eine »Forderung von 945 Millionen gegen 635 Millionen Marl des Etats sür 1891/1892 enthielt, also eine Steigerung vou nahezu 50 Prozent aufwies. Wie erinnerlich, ist bereits im Unterhaus«: zum Ausdruck gebracht worden, daß der künftige britische Heer nnd Militürctat sich dauernd um den Betrag von 1120 Millionen Mark bewegen wird, also säst Las Doppelte der noch vor 10 Jahren ausreichenden Summe ausmachcn wird. Berlin, <>. November. lEin agrarisches S t i in m u n g s b i l d.) Nach dem Muster der „Deutschen Tageszeitung" veröffentlicht die katholisch-agrarische „Rheinische Volksstimme" eines der bekannten „S t i m m ungsbilde r". Tas „Krachen der Throne" wird darin zwar nickt angclundigt, anch mit der Abgabe sozialdemotratlschcr Stimmzettel durch die Bauern wird darin nickst gedroht. Aber trotzdem enthalt dieses Stim mungsbild genug „starten Tabak". Nur einige Kraitstcllen seien hier zum Beweise dasür wicdergegeben. „Die Ver nachlässigung der agrarischen Interessen", so heißt es wörtlich, „d ie gäuzli ch e Nichtbeacht u n g unserer auch noch so berechtigten Wünsche und Forderungen, die wir jetzt wieder erfahren, bringt allmählich das Maß zum Ucberlansen! Selbst die Geduldigsten sind unzufrieden, um nicht zn sagen voll Erbitterung gegen diese R egieruiig , gegen diese Volksvertretung. Industrie und Handel werden mit Zuckerbrot groß gc füttert und die Landwirtschaft soll sich nicht einmal satt essen dürsen an den Brosamen, die von dem für jene so reich gedeckten Tische lallen!" — Nachdem alsdann erwähnt ist, daß der Mahnruf sür die kommenden Wahlen allent halben in Westfalen laute: „Bauern, wählt nur Bauern! üe allein wißen, wo euch der Schuh drückt!" wird „von nun an" die rücksichtslose Verkechtnug der bäuerlichen Inter essen gefordert und dabei folgender Vergleich gezogen: „Wir befinden uns in inclir als einer Hinsicht in einer den tapferen Boe reu nicht unähnlichen Lage. Ringsum sind wir vou übermächtigen Feinden bedroht, verlassen vielfach von nnsern Freunden!" — Den Frcihcitskampi der Boeren mir dein Iiiteresscnkampie der Gegenwart zn vergleichen, das erscheint uns als eine Blasphemie auf der einen Seite, als eine grobe Beleidigung aller nicht auf dem ertrcm-agrarisckcu Standpunkte stehenden »Faktoren anderseits. Ueberiehen wird von der „Rheinischen VoUs- stimmc" bei den Angriffen auf -en Reichstag sowohl die. Stellungnahme der Vorstände der deutschen Bauern vereine, wie ne jüngst in Berlin erfolgte, als auch die Ab stimmung der extremen Agrarier im Reichstage selbst. Mit Ausnahme des rheinischen Bauernvereins haben sich die dcutschcu Bauernvereine bekanntlich auf den Boden der Kvinniissionsbcschlüssc zurückgezogen, die jetzt vom Plenum des Reichstages znin Beschluß erhoben sind. Also selbst vom Standpunkte der Bauernvereine aus sind die An- grisse des Stimmungsbildes aus den Reichstag agitatorisch^ Exzesse. Dazu tvmmt, daß auch die büudleriicheu Reicks tagsabgevrdneten nach der Ablehnung ihrer exorbitanten Zvllsvrderungcn sür die Kvnunissivnsbcscklüsie ihrs Stimme abgegeben haben. Vergegenwärtigt man nck dies, dann würdig, man den hetzerischen Charakter des Stim mnngsbilücs der „Rheinischen Vvllsstimmc" in seiner vollen Bedeutung. T Berlin, 6. November. iTelegramin.) Ter „Reich:-, anzeiger" veröffentlicht die Verleidung LeS Sterns zum Roten Adler-Orden an den Generalleutnant ,z. D. V. UcLcl, bisbcc Kommandant von Metz, des Roten Adlerordens 2. Klasse mit Eichenlaub an den Generalarzt a. D. Böhme in Breslau, des Kronen-Ordens 1. Klasse an Leu Professor Anton v. Werner; Les SternS zum Üronen. Orden 2. Klasie an den Professor Josci Joachim; LeS Kronen Ordens 2. Klasse an den Obersten Gras Schwerin, bisher Kommandant des KadcttenhanseS in Plön; des Kronen-Ordens 2. Klasse an den braunschweigischen Konsistorial- prnßdciucn SpicS in Wolsenbiütel und LeS Kronen-Ordens 2. Klasse an den braunschweigischen Ronsislorialvizepräsideiilen Rohde in Wolfenbültel. — Die Trauerfeier für den Abg. Rickert fand gestern abend im Künstlerhause unter' zahlreicher Beteiligung statt. Unter anderem hatte auch Staatssekretär v. Tirpitz einen Kran, gesandt. Anwesend waren Ver treter der Staatsbehörden und sämtlicher Re ichStags - fraktionell mit Ausnahme der sozialvemokratischeii und des Zentrums. Die Siadt Berlin wurde durch Oberbürger-
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