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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021107023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-07
- Monat1902-11
- Jahr1902
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Insbesondere was die Obstruktion betrifft, hat sich Graf Bülow gegenüber einem Neichstagsabgcordncten folgendermaßen geäußert: „Ich kann Sie versichern, daß das, was ich in meiner Reichstagsrede über die Obstruktion gesagt habe, optima licko gesprochen war. Ich bin fest überzeugt, daß die Obstruktion nicht nur das Ansehen des Parlaments untergräbt, sondern daß sie schließlich auch die Wirkung haben muß, das Funktionieren des parlamentarischen Mechanismus überhaupt zu stören und zu lähmen. Wenn man mit der Ostruktion erst einmal anfängt, so kommt man aus der Obstruktion überhaupt nicht mehr heraus. Eine Obstruktion gebiert die andere. Heute wird von links nach rechts obstruiert, morgen von rechts nach links. Wenn die Linke heute ein Gesetz, das die Rechte wünscht, durch Obstruktion verhindert, so kann sie sich darauf gefaßt machen, daß die Rechte morgen ein Gesetz verhindern wird, das die Linke wünscht. Heute macht die Linke Obstruktion gegen den Zolltarif, morgen wird vielleicht die Rechte Obstruktion gegen die Handelsverträge machen. Heute hält ein Sozialdemokrat eine Rede von drei Stunden, morgen wird ein Agrarier eine Rede von fünf Stunden halten. An Dauerrednern hat keine Partei Mangel. Es ist der Fluch eines Parlaments, daß cs, wenn cS mit der Obstruktion sich erst einmal eingelassen hat, sic nicht wieder los werden kann. Und schließlich kann das Par lament überhaupt kaum mehr etwas schaffen. Wenn immer eine Partei in Obstruktion ist gegen die andere, so gerät man allmählich in den Zirstaivd deS „Fort wurstelns" hinein. Das „Kortwurstcln" können wir in Deutschland aber nicht brauchen. Am Tage, nachdem ich meine Rede gegen die Obstruktion gehalten hatte, las ich im „Vorwärts", in Italien Hütten die Sozialdemo kraten mit ihrer Obstruktion Erfolge erzielt. Die Herren vergessen, daß Italien nicht Deutschland ist. „Veritö au cielL «les Xlpos, erreur en cle^a", kann man mit einer Variation des bekannten Ausspruches von Pascal sagen. In Deutschland hat die Macht des Parlaments eine Grenze an der größeren Macht der Monarchie. Wenn die Obstruktion sich im Neichtag cinbttrgcrn würde, so würden die Folgen schließlich den Reichstag selbst treffen. Ich kann nur wiederholen: die Par teien, welche Obstruktion treiben, legen die Axt an die Wurzel des BaumeS, in dessen Aesten sie sitzen. Gerade die Sozialdemokratie sollte Bedenken tragen, den normalen Gang des parlamentarischen Lebens in Deutschland zu stören. Sic sollte sich darüber klar sein, daß die Hebung des Loses der arbeitenden Klassen, die sic anstrcbt, nur auf dem Wege der Evolution zu er reichen ist, nicht auf dem Wege der Revolution. Eine Revolution ist in Deutschland nicht möglich. Die Linke mag gegen den Zolltarif reden und gegen ihn stimmen, aber es hat doch wirklich keinen Sinn, das Parlament durch künstliche Mittel daran verhindern zu wollen, daß cs seine Entschlüsse faßt. In parlamentarischen Kreisen höre ich die Meinung aussprechen, daß dem Ncaieruugsentwurfe die Mehrheit in der dritten Lesung zustimmcn werde. Wenn diese Meinung sich bewahrheitet, so nimmt die Linke eine schwere Verantwortung auf sich, indem sie das Zustande kommen eines Gesetzes, das von einem großen Teile des deutschen Volkes gewünscht wird, dadurch unmöglich macht, daß sic die Mehrheit des Reichstages, welche geneigt wäre, diesem Gesetze ihre Zustimmung zu geben, gewaltsam ver hindert, ihren Willen zu äußern. Ich weiß auch gar nicht, welches eigentlich das politische Endziel der Obstruktiv nisten ist. Einen Personenwechsel infolge der Tarifkämpsc werden sie nicht erreichen. Ten Zoll tarifkahn können die Wellen verschlingen, die Schiffer aber werden n i ch t uutergeheu." Zum Schluffe faßt der Korrespondent die Ansicht des Reichskanzlers dahin zusammen: Der Reichskanzler hofft, daß die Linke von selbst die Obstruktion aufgcbcn werde. Tut sie vils'lkWf^P-Plekbt cs der Mehrheit ocs Reichs tages überlassen, M ittcl zur Bewältigung der Obstruktion zn finden. Von einer Zurück- zieh u n g der Vorlage oder Ausl ö s u n g des Reichs tages ist in gvuvcrnemcntalen Kreisen nicht die Rede. politische Tagesschau. * Leipzig, 7. November. Aus dem Reichstage Wie man auch über die „Neichefaulen" denken und ur teilen mag, die durch ihre Absenz den Reichstag gelegentlich beschlußunfäkig machen: das muß man jedenfalls anerkennen, daß eine fast übermenschliche Geduld da;u gekört, mit dem Wunsche nach einer Berständigung über die Zolls«agen im Herzen den jetzigen Verhandlungen beizuwoknen. Und doch muß diese Geduld geübt werden, wenn nickt jede Hoffnung auf ein günstiges Resultat schwinden soll. Gestern zeigte das HauS sogar eine etwas zunehmende Präsenz in der un gefähren Höhe von 250 Mitgliedern, und zwar einschließlich der stark besetzten äußersten Linken, die bisher ihie Taktik lediglich auf die Bertchleppung gerichtet hat, ohne Versuch, durch Nichtbeteiligung die Beschlußunsäbigkeit deS Hauses kerbei- zusühren. Man hält die Zeit dazu offenbar noch nicht für gekommen. Um so mehr Veranlassung bat die Mebrbeit, nicht nachzulassen, sondern ihre Präsenz noch zu verstärken, um das Hesi sür alle Fälle in der Hand zu behalten. Die zum Z 2 gestellten sozialdemokratischen Anträge wurden ab gelehnt, nachdem auch der nation allrberale Abg. Basser mann die Forderung, daß die Bundesratsbestanmungcn über die Tara dem Reichstage zur Genehmigung vorgelegt würden, unterstützt batte Die den Anträgen namentlich vom Standpunkte der Handels» Interessen eniaegenstehenden Gründe wurden vom Unlerstaats- sckreiär von Fischer geltend gemacht. Eine Niederlage erlitt die Takiik der Opposiiivn beim 8 5, der in 14 Nummern Zollbefreiungen sestsetzt. Die Sozialdemokraten batten fast ru allen Nummern lleme Abänderung«- und Zusatzanträge gestellt und verlangten über alle getrennte Diskuisionen. Das einge» uandene Motiv dieses Verlangens war es natürlich,derMehrheii die Abkürzung der Verband ungen, zu der sie entschlossen ist, nach Möglichkeit zu erschweren und allen Schlußanträgen zum Trvtz eine lange Reihe von Dauerrednern zum Worte kom men zu lassen. Da man damit nicht durchbringen konnte, schlugen die Sozialdemokraten aus Anlaß dieser GelchästS- vrdnungSfraze eine namentliche Abstimmung und eine An zahl langer GeschäftSordnungSreden heraus, so raß nach Ablehnung ihres Verlangens die materielle Verhand lung über 8 5 auf heute vertagt werden mußte. — lieber die „ V e rst ä n d ig u ngö ak t ion " Hörle man gestern in reu Wandelgängcn fast gar nichts, und was in der Presse darüber verlautet, ist nicht geeignet, vertrauensselig zu stimmen. Dis „Köln. Zig." glaubt allerdings melden zu können: „Tie konservative Fraktion ist durch die Erkrankung ihres greisen Vorsitzenden v. Levetzow in ihrer Aktion stark behindert: Lazu kommt. Laß die Presse des Bundes der Landwirte bei jedem Anzeichen davon, daß ein angesehener konservativer Paria» mentarier die Initiative zu einer Einigung mit der Regie rung ergreifen konnte sofort Lärm schlägt. Unter solchen Um- sländen war nur Las Zentrum im stände, die Führung der Mehrheits«Parieien in dieser Angelegenheit zu über nehmen. Aber auch in der Zentrumspartei fehlt es seit dem Tode Liebers trotz der immerhin ansehnlichen Zahl einsluß» reicher Parlamentarier in ihren Reihen an einem Führer, der auf die Gesamtpariei einen maßgebenden Einsluß belaße. Teehalb, sowie aus dem Grunde, weil die Wünsche, betreffend die Gestaltung des Zolltarifs, im Zentrum noch in manchen Beziehungen aus. einandcrgingen, hat Liese Partei mit der Initiative zu einer Ver» ständigungsaktion so auffallend lange gezögert. Jetzt aber hat das Zentrum sich dazu entschlossen, Schritte zu tun, die zu einer Einigung zwischen Len Mehrheitsparteien und der Negierung führen sollen. Da auf allen beteiligten Seiten der feste Wille zur Erreichung dieses Zieles vorhanden ist, wird man Las Gelingen erwarten dürfen." Aber die „Köln. Volksztg." erklärt, sür die Fraktion des Zenliums könne mit Bestimmtheit versichert werden, daß Vergleichsverbanblungen zu der behaupteten Zeit in keiner Weise begonnen worden seien. Aus dem Kreise der kon servativen Fraktion höre man ganz dasselbe versichern. Es scheine sicher zu sein, daß >n ben letzten acht Tagen kein hervorragendes Mitglied der Mehrheilspartcien mit dem Reichskanzler gesprochen habe: „Bon „BergleichS"verhandlungen im eigentlichen Sinne könnte naturgemäß übe,Haupt erst dann die Rebe sein, wenn seitens der Reichsregierung in irgend einer Weise die Geneigtheit zum Entgegenkommen betätigt würde. So laug« das nicht der Fall ist und leitens der Regierung nur da» Bestreben gezeigt wird, die einfache Annahme der RegierungSsätze bet den Agrarzöllen durch- zusetzen, wird inan keinen Schritt weiter kommen. DaS ist bis jetzt un verändert die Lage seit Beginn der zweiten Lesung im Plenum. Auf beiden Seilen stehen die Parteien fest, ohne aus ihren Berschanzungen heraus» zukommen, wie einst Gustav Adolf und Wallenstein bei Nürnberg in befestigten Lagern einander gegenüber standen. Derweil geht kostbare Zeit verloren. Tie Regierung will anscheinend warten, bis die Mehrheit des Reichstages, und vorab die Konservativen, mürbe werden, um dann bei dem unabweislichen Nachgrben besser davon zu kommen. Während dessen rückt aber der Zeitpunkt immer näher, wo die Arbeitskraft eines blütenlosen Reichstage» erschöpft ist und die Bestimmung über die BeschlußkähigkeitSziffer zum wirksamen Werkzeug der Obstruktion werden muß." Ganz richtig scheint diese letztere Meldung allerdings nicht zu sein. Wenigstens erfährt die „Nat.-Llb. Korr." auS ReichS- tagskreisen, ein Teil der Ven'uche, einen Ausgleich herbei» zusübreu, richie sich darauf, die Zollsätze für landwirt schaftliche Maschinen um ein Weniges herabzusetzen. Hier nach scheint man wenigstens auf konservativer Seile positive Vorschläge machen zu wollen. Der neue Erzbischof von Köln. Nicht ganz nach dem Herzen der ultramontanen Heiß sporne nnd vielleicht nicht einmal völlig nach den intimsten Wünschen des die Wahl vollziehenden Domkapitels ist gestern der der preußischen Regierung genehme frühere Weihbiichof Fischer von Köln zum Erzbischof dieser Diözese gewählt morde«, nachdem aus der von uns mitgc teilten Kandidatenliste Professor Dr. Esser-Bonn, Dom kapitular Krentzivald-Köln und Pfarrer Krichcl-Gladbach als der Regierung „minder genehm" gestrichen worden waren. Es ist unseres Wissens seit längerer Zeit der erste Fall, daß ein mit dem Rechte der Nachfolge ausgestatteter Wcihl'ischos durch die Wahl der Domkapitulare wirklich zum Träger des Krummstabes gemacht wird. Die früher an erster Stelle genannten Kandidaten sind in der Vcr- senknii,! verschwunden: auch mit dem angeblichen „Kandi daten des Kaisers", dem Abt von Maria-Laach, war es nichts. Wohl aber wird der Kirchenfürst für den Kandi daten auch des Kaisers gelten dürfen, der seine Ansprache zur Eröffnung der Aachener Heiligtumsfahrt am 9. Füll dieses Jahres zn einem lebhaften Echo der kurz zuvor ge haltenen Aachener Kaiserrede machte und von der Be wunderung Leos Xlll. für „unfern herrlichen Kaiser" sprach, der, nach der Acutzcrung des Papstes, „etwas von dem Geiste Karls des Großen in sich trage". Man hat damals diese Rede an manchen Stellen als Kandidatenrede ansgelegt nnd in Dr. Fischers gleichzeitiger Preisgebnng der Echtheit der Aachener Reliquien zu Gunsten des Geistes ihrer Verehrung die geschickte Hand eines Mannes erblickt, der Zeit nnd Menschen zu nehmen verstehe. Jeden falls ist der neue Erzbischof ein gründlich gebildeter Mann, der ursprünglich dem höheren Lchrstande angehörtc. Aus jener Zeit stammt wohl auch sein eifriges Bestreben, die katholische Jugend den Marianischen Kongregationen zn- zusühren. Kirchenpvlitisch trat der geistliche Herr bisher nicht besonders hervor, sondern widmete sich vornehmlich der religiösen Seite seines Amtes. Bemerkenswert aber ist cs, daß die „Germania" versichert, der neue Erzbischof sei ein begeisterter Freund der katholischen Presse. Wir würden cs lieber gesehen haben, wenn man uns hätte ver- Feuilleton. Das Findelkind. Roman von Ernst Georgy. Nachdruck verboten. „Erna erwidert deine Liebe in gleichem Maße ?" Werner stutzte. „Nein, Onkel!" erwiderte er ehrlich. „Das wäre auch gar nicht möglich: aber sic hat mich gern. Sic weiß, daß ich hier vor dir stehe!" „Sv — so! Und wie alt bist du ?" „Dreiundzwanzig geworden!" „Hast du Schulden ? Sei offen!". Der Leutnant senkte den Kopf: „Ja!" „Wie viel ?" „Gegen achttausend Mark!" „Und wie groß ist dein Zuschuß monatlich ?". „Dreihundert Mark!" „Sv? Dann mußt du ja recht leichtsinnig gewirt schaftet haben!" sagte Bvlmann ernst. „Hast du im Jen verloren'?" „Zum Teil, aber den anderen Teil bei Rennwetten!" Der Kaufmann sprang empor. Er trat zn dem jungen Mann und legte wohlwollend die Hand auf sein: Schulter. „Aus unseren Fragen nnd Antworten magst dn selbst er sehen, daß du noch nicht der Mann bist, dem man sein Kind anvertraut. Wenn , aber nein, mein Junge, ich will in dir keine unnützen Hoffnungen erwecken! Geh heim, nnd wenn du einige Jahre älter bist, dann verlieb dich in irgend ein anderes hübsches Mädchen! Ich bleibe dein Freund! Kein Mensch soll von unserer hentigen Auseinandersetzung erfahren. Adicn, mein Junge!" „Onkel, ist das dein letztes Wort?" rief Werner ver zweifelt. Er blickte in Bolmanns energisches Gesicht. Darauf war leine Hoffnung zu lesen. Darum stürzte er fort, aufs Geratewohl durch die Ltadt, in einer blinden, bedrückenden Verzweiflung. Ernas Vater sah mitleidig hinter dem Tavoncilcnden her. Dann aber richtete er sich auf. Langes Nachdenken über Gefühle war nicht seine Art. Hoch anfgcrichtct durch schritt er die "Bureaus und fuhr zur Börje. Nachdem er dort seine geschäftliche» Angelegenheiten erledigt hatte, trat er auf seinen Freund Hennig zu: „Komm mit iu die Weinstube, Alexander, ich möchte verschiedenes mit dir be sprechen!" — Lange Zeit saßen die langjährigen Freunde bei einander. Hennig war der bei weitem Acltcre, Bolmann dafür bedeutend klüger. Der Wein löste ihnen, die Zungen. Alte Familieubczichungen wurden hervorgcsucht und be sprochen. Erst nach und nach kam inan auf die Kinder. Nun öffnete Bolmann das Bisir. In knappen Worten, durch Zahlen illustriert, erklärte er seine Absichten mit Erna und Eduard. Dessen Vater war mit allein einver standen. Sic besprachen die Vorteile dieser Ehe rein ge schäftlich, ohne an Ernas Wünsche dabei zn denken. Noch am gleichen Abend nahm Hennig seinen Sohn vor. Schon nach kurzem Gespräch mit ihm tonnte er ans seinem Benehmen ersehen, daß Eduard ernst'uh in Erna verliebt war. Nüchtern hielt er dem jungen Manne seine Aussichten als Ernas Gatte vor. Daraus ließ er sich von ihm Schweigen geloben und vsfenbarte ihm dann, als dem zunächst Beteiligten, ein Geheimnis des Bolmannschcn Hauses, daS, — außer ihm, seiner Gattin und den Eltern Reckcnburg, — keinem Menschen in ganz Hambnr; bekannt war. Zuerst war Eduard sprachlos vor Ueberraichnng nnd bestürmte den Vater mit Fragen. Dann aber sagte er, chnisch lächelnd: „Nun, mir kann cs nur angenehm sein, denn es nimmt ihr weder ihre Reize, noch hat cs den allen Geizhals vermocht, ihre Mitgift zn verringern. Er zahlt doch sofort in Bar ans?" „Selbstverständlich!" „Das ist mir die Hauptsache, Bater. Bei einer so reichen und so schönen Frau gibt es keine weiteren Bedenken. Von morgen ab belagere ich die entzückende Festung ernst lich!" Drittes Kapitel. Eine Katastrophe. Fran Majorin von Recken bürg saß aus dem Losa. Ihr längliches Gesicht, das schon sonst sich nicht gerade durch Beweglichkeit auszcichnete, war vor Staunen förmlich ver steinert. Das hatten die Annalen der Familie denn d >ck> noch nicht zn verzeichnen gehabt! War ganz Hamburg toll oder stand nur bei ihr das Hans ans dem Kopfe? - Seit dieser Otto von Sondheim in der Billa eingezogen war, schien alles wie verwandelt. Vom frühen Morgen ab durchschallte jubelndes Lache» und Singen das Haus. Jede Stunde tonnte mau auf einen anderen losen Streich ge faßt sein. Bald standen alle Nippes verkehrt, hingen die Bilder vertauscht in den Zimmern. Bald erschien der Diener und servierte klares Wasser anstatt der Sirppe, eine Marzipan Gans an Stelle der gebratenen. Und die Verlegenheit des armen Johann erweckte noch tollere Ausgelassenheit. "Nach dem Abendbrot rollten die jungen Herren die Teppiche zusammen, sie, die Majorin, mußte an den Flügel und aussviclen, und dann wurde bis tief in die "Nacht getanzt. Hausgcscye, gefestete Familiciisittcn gab es nicht mehr. Wie ein Stnrnuvind war der schneidige, bildhübsche Offizier in die steife Hamburger Gesellschaft gefahren. Alle standen in seinem Bann, von dem ältesten Greise bis zum jüngsten Kinde. Bater Mennig, der Major, Bolmaun, alle amüsierten sich über ihn. Tic Mädchen, bis auf die kleine Brant, Grete Hennig, waren von feiner frischen Grazie hingerissen. Und wenn er bei Bolmanns in der Billa war, so schleppte er sicher den vor Wonne strahlenden kleinen Felix ninhcr. Keiner konnte sich ihm entziehen. Jetzt aber schien der Gipfelpunkt erreicht. Ihre leicht entzündbare Tochter Anna schmachtete längst in seinen Banden. "Nur die stolze, kalte Erna hatte ihm bisher widerstanden. Wer sie aber jetzt beobachtete, wie sie, strah lend vor Uebcrmut, mit blitzenden Augen nnd heißen Wangen, neben ihm am Boden kniete, um zum Tanzen den Teppich fortzurvllcn, der erkannte sie nicht wieder. Aller verbitterter Mißmut war abgcstreift. ein lachendes, glück strahlendes Kind war geblieben. Erna hatte den hülfs- bereiten Johann fvrtgeschickt und legte selbst Hand an beim Fortfchleppcn der Sachen. Später wirbelte sie am Arm des jungen Offiziers durch das Gemach. Ihre Schönheit war so hinreißend, daß sic selbst ihren Eltern aufs neue anffiel. Herr Bolmann stand im Herrenzimmer und schaute durch die geöffnete Tür in den Nebenranm. Er erblickte Eduard Hennig, der mißmutig gegen einen Schrank ge lehnt stand nnd mit brennenden Augen die Bewegungen Ernas verfolgte. Leise rief er ibn durch ein paar Worte an seine Seite. „Nun, Eduard, was sagst du dazu?" sagte er halblaut. „Mir scheint, deine Aktien stehen schlecht!" Der junge Kaufmann knirschte mit den Zähnen und murmelte einen englischen Fluch. „Bei dir scheine» sie auch gesunken, lieber Onkel! Auch du läßt dich, trotz deiner Antipathie gegen das Militär, von diesem Glücksritter betören' Ich versiehe es allerdings nicht, dich durch billige Schmeicheleien bei eurem "Babu einznsaiigen!" „Glücksritter?" wiederholte der Kaufmann fragend. „Nun, bemertst du denn nicht, welche schlaue Mache sich hinter dieser Maske verbirgt? Sondheim ist ein wilder Spieler, wettet bei jedem Rennen und sitzt bis über die Ohren iu Schulden. Nebenbei ist er ein verrufener Mad- chcnjäger, der schon viele Duelle hinter sich hat!" „Lieber Junge, ich glaube, deine Eifersucht läßt dich übertreibeni Dieser sonnige, offene Mensch sollte " „Bitte, wende dich mit einer ernsten Frage an Hell mut", unterbrach Eduard ihn heftig. „Sondheim hat selbst gesagt, daß er die Hamburger Urlaubstage noch als Galgenfrist auskosten wolle. Ja, er hoffe sogar, sich eine reiche Hamburger Erbin cinzusangen und sich dadurch vor der Verabschiedung zn retten. Ich glaube wohl, daß Erna mit ihrem Geld nnd ihrer Schönheit ihm als Rettniigs- anker gerade recht wäre. Aber die Suppe werde ich ihm versalzen." Bvlinann schüttelte ungläubig den Kopf und be nachtete sinnend den jungen Kaufmann, dessen Antlitz vor Haß förmlich entstellt war. „Ich kann es mir kaum vor stellen, Eduard. Ich war immer ein guter Menschen kenner und habe mich eigentlich selten getäuscht." „Du treibst mich dazu, dir Beweise zu schaffens" er widerte der junge Mann. „Ich werde dazu leicht im stände sein durch Hellmuts unh andere Verbindungen, die ich meinerseits habe. Das hat mir mein Vetter schon gesag»: Sv lange Sondheim nüchtern ist, ist er der prächtigste Mensch. Sobald er aber drei oder vier Gläser Ehaii,- pagner getrunken „Miib dich nicht unnütz, ich habe gar nicht so viel Inter esse für den mir völlig gleichgültigen Offizier. Der wird dir nicht in die Qnere kommen, denn eine Helrat zwischen ihm und meiner Erna ist völlig ausgeschlossen. T-a läge mir doch eine Verbindung des Kindes mit Werner, den ich als brav kenne, weit näher." — Er wandte sich erkältet ab, denn Eduards Arl und Weise hatte ihm heilte zum ersten Male mißfallen. — Dieser blieb zähneknirschend stehen und überlegte. Am liebsten hätte er feine Sache bei dem geliebten Mädchen noch heute zum Austrag ge bracht nnd sich ihre Hand gesichert. Jedoch seine Lebens» tlngheit riet ihn?, sich vorläufig noch znrüclznhalten. Erna übersah ihn seit Svndheims Anwesenheit ostentativ. So lange dessen Reiz unmittelbar ans sie einwirkte, war mit ihr nichts anznfaugen. Daß er nach seiner Abreise nicht weiter wirkte, dafür mußte er sorgen. Beweise sammeln. Ja, das wollte er. Er kannte den Geldmann, mit dem der Freund seines Vaters arbeitete. Solche Menschen waren in das Privatleben ihrer Schuldner stets einge- weiht. Dort würde er alle Auskünfte bekommen, die er
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