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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902112401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902112401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-24
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Le-aktion und Lrveditiou: JobanntSgaffe 8. Fernsprecher 1LS and LLL FUt«1evpe»tti-«-» r Alfted Hah«. Vuchhaadlg., llowersltätesk^ 8. Lisch«, Krtthartrunstr. 14, «. LüutgSPl. r» HauVi-Fiiiale Vres-esr Strehleuer Strotze 5. Fernsprecher Natt l Nr. L7LL Hauvi /iliale Serlin: Kbntggräher Etratze IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. 8SSS, StL 5S7. Morgen-Ausgabe. MpMcr TaMM Anzeiger. ÄtttlsAall des Liönigkichen Land- und des Äönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeige«.Preis die 6gejpaltene Petitzeile 25 L,. Neklamra unter dem Nedaktion-slrich (4 gespalten) 75 vor den Famlliennach- richten (8 gespalten) 50 Tabellarischer und Zisfernsah entsprechend höher. — Gebührro für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (e;cl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. ^lluahmeschlvß fir Anzeigen: Abend »Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Margen-Aasgaber Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» Md stet« an dte Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet vo» früh 8 bi« abeod« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. Montag den 24. November 1902. 88. Jahrgang. Aas Ergebnis -er Sta-tverordnetenwahlen in -er -ritten Abteilung. * Leipzig, 22. November. Der Ausfall der diesjährigen Dtadtvervrdnetenwahlen in der dritten Abteilung wird für lange Zeit den allgemeinen Gesprächsstoff bilden und Anlaß zu manchen Betrachtungen geben. Zwei für die bürgerlichen Parteien unbedingt sichere Wahlkreise sind an die Sozialdemokraten verloren gegangen, einzig infolge Zersplitterung der Kräfte dieser Parteien und obwohl man wußte, daß eine Zersplitterung zu solchem Ergebnis führen mußte! lieber diese bedauerliche Tatsache kommt man mit einem „sich gegenseitig die Schuld zuschieben" nicht hinweg, sondern wenn für die Zukunft eine der artige Zersplitterung vermieden werden soll, so wird man den Ursachen derselben nachzugehen haben. Nur bei richtiger Erkenntnis lassen sie sich beseitigen, und dann erst wird man wieder zu einem „vereinten Schlagen" ge langen. Betrachten wir zunächst die allgemeine Lage, so ergiebt sich, daß die bürgerlichen Parteien schon nach der ersten, im Jahre 1894 auf Grund der Klasseneinteilung voll zogenen Wahl klar darüber sein mußten, daß der I. und II. Wahlkreis in der dritten Abteilung der Sozialdemo kratie gegenüber nur zu halten waren, wenn jede ernstere Absplitterung vermieden wurde. Damals hatten sich zwei größere Wahlcomitvs gebildet. Tas eine umfaßte, der alten Tradition nach, politische Bereinigungen, das andere die kommunale Zwecke verfolgende Bezirksocreine, welche sich zur Aufstellung von Kandidaten für alle drei Abteilungen mit dem Verbände der Hausbesitzer ver bunden hatten. Nach verhältnismäßig sehr schwierigen Verhandlungen, wobei auf beiden Seiten empfindliche Opfer gebracht werden mußten, kam zwischen beiden Tomikos eine vollständige Einigung zu stände. Außerhalb des Bündnisses blieb damals nur der „Städtische Bereit," «fortschrittlicher Richtung), der aber glücklicherweise nicht so viel abbröckeln konnte, um den Kandidaten der beiden vereinigten Eomitös die relative Mehrheit zu entreißen. Es erhielten im Jahre 1894 an Stimmen: die vereinigten der Ltärtischc die Togal- üomitöS Verein dcmokraten I. Wahlkreis. . 1-850 2«7 IN« II. - . . 1356 274 1249 Dieses Ergebnis mußte wahrlich ein Memento sein für alle Parteien. Trotzdem ging schon im nächsten Jahre der H. Wahlkreis an die Sozialdemokraten verloren. Zwar hatten sich die beiden großen Eomttös wieder geeinigt (die Hausbesitzer und die sich immer mehr angliedernden Handwerker einerseits, sowie das an Stelle der politischen Parteien getretene „Allgemeine Wahlcomite" anderseits), allein im Norden, dem II. Wahlkreise, erstand ein Sonder- comits, und die Deutsch-soziale Reformpartet verlangte ebenfalls Berücksichtigung, und da sie diese bei den ob waltenden Umständen nicht in dem beanspruchten Maße finden konnte, so stellte sie tm I., III. und IV. Wahlkreise eigene Kandidaten auf. In den beiden ersten Wahlkreisen ergaben sich nun folgende Stimmenzahlen: di« »«rnm-ten D?ulsch-so,ialk Gogal- Lomits» Resormparte, d«m»kratcn I. Wahlkreis. . 1186 276 108 l Tondercouülü II. - . . II6ö 446 1226 Mit knapper Not war der I. Wahlkreis gerettet worden, kn Ü. Wahlkreise hatten aber die Sozialdemo kraten durch eine in keiner Weise zu rechtfertigende Spaltung einen Vorsprung von 61 Stimmen erlangt und damit zwei Sitze mehr kn Stadtverordnetenkollegium ge wonnen. Bon jetzt an kam endlich bei den Stadtoerordneten wahlen in der dritten Abteilung eine allgemeine Koalition aller bürgerlichen Parteirichtungen und wirtschaftlichen Gruppen zu stände. Das „Allgemeine Wahlcomito" trat sogar mit dem Jahre 1898 ganz ab, und es verblieb allein da- „Vereinigte Bürger-WahlcomitL". Diese so glatte Wahlaktton der Jahre 1890 und 1898 er fuhr im Jahre 1900 eine Wandlung. Wenige Tage vor der Wahl in der dritten Abteilung erschien plötzlich em „Wahlcomitv der dritten Abteilung" aus dem P ane, das sich als ein Mietercomitv bezeichnete und aus- gesprochenerwetse den Einfluß der Hausbesitzer in der dritten Abteilung brechen wollte. Zu dieser Annahme, nämlich daß in dem „Bereinigten Bürger-Wahlcomite" die Hausbesitzer eine dominierende Stellung einuehmen, konnte man allerdings gelangen. An der Spitze des Eomitös hatten fortgesetzt die Vorsitzenden des Haus- besitzcrvereinö gestanden, und die an die Wähler dec dritten Abteilung gerichteten Aufrufe usw. waren von ihnen an erster Stelle unterzeichnet worden. Das „Ber einigte Bürgcr-Wahlcomitö" nahm im Jahre 1900 den Kampf auf, und obwohl es nach zwei Leiten hin Front zu machen hatte, behauptete cs doch infolge einer durch rührige Agitation herbeigeführtcn stärkeren Wahl beteiligung die beiden heiß umstrittenen Wahlkreise. Immerhin hatte das Mieterevmitö in allen vier Wahl kreisen 1010 Stimmen erhalten, obwohl es sich fast nur auf den Erlast von Wahlaufrufen beschränkt hatte. Beim Eintritt in die diesjährige Wahlperiode standen sich von vornherein beide Comitös wieder gegen über. Was das „Bereinigte Bürger-Wahl- eomito" ««betrifft, so war es von Wahl zu Wahl an Mitgliedern gewachsen. Immer mehr Bereinigungen hatten ihre Vertreter entsandt, und neben kaum 20 Dele gierten der Hansbesitzervereine saßen mehr als 40 der anderen 14 Vereinigungen. Außer den Handwerkern hatten sich seit 1900 namentlich die sogenannten Schntz- verbände und S ch u y g e m e i n s ch a f t e u ange schlossen, die sogar in mancher Hinsicht zn dominieren luchten. Der Grund für diesen Anschluß war ein sehr einfacher. Inder dritten Abteilung brauchte man— abgesehen von den Barmitteln — eigentlich die Haus besitzer nicht, denn diejenigen Hausbesitzer, welche in dieser Abteilung wählten (nur 8 Prozent der Wähler!), wohnten meist in den Vororten, welche so wie so der Sozialdemo kratie verfallen waren. Dagegen gewann man mit dem Anschluß die Möglichkeit, bei der Aufstellung der unan- sässigen Kandidaten in der zweiten Abtei'ung, die den Hausbesitzern bombensicher war, mit yineinzurcden, und das war natürlich viel wert. So ergab sich eine gegen seitige Interessengemeinschaft, die darnach strebte, .80 un bedingt verläßliche Vertreter in das Stadtverordneten kollegium zu bringen, denn hatte man erst die genaue Hälfte, so mußte die Stadtverwaltung bei den fortwährend cintretenden Schwankungen im Stadtverordneten kollegium auf diese Gemeinschaft notwendigerweise in vielen Dingen Rücksicht nehmen. Tie Kette für diese Hälfte sollte mit der diesjährigen Wahl geschlossen werden. Dem entgegen stand das sogenannte „Mieter- comito", oder, wie es sich offiziell nannte: Tas Wahl- comitö der II. und HI. Wählerklasse. Sein Anhang an Vereinen erschien, äußerlich betrachtet, recht gering. Er bestand aus dem Mieterverein, dem Wahlverein der Lehrer «Volksschullehrer), einem Bezirksverein und einigen anderen kleineren Vereinen. Was die Lehrer betrifft, dte einen Wahlkörper von wenigstens 1000 Wäh lern bilden, so hatte sich das gereinigte Bürger-Wahl- comitö" diese für immer entfremdet infolge einer Lehrer- Kandidatur, die gegen den Willen der Lehrer vom HauS- besiycrverein zu Kleinzschocher ausging. Daß hieraus über kurz ober lang mehr Schaden erwachsen konnte, alv kn Werte der Erfüllung solcher örtlichen Sonderbestre bungen bestand — darüber war man sich schon damals in manchen Kreisen des gereinigten Bürger-Wahl- comitts" klar. Daß Einig ungsvcrhandlun gen bei solcher Sachlage gepflogen wurden, liegt auf der Hand. Tas Mictcrcomitö stellte hierbei die Forderung, daß ihm die Aufstellung der unansässigen Kandi daten überlassen werden sollte. Das ivaren zwei — bet einer Einigung — sichere Sitze im I. und II. Wahl ¬ kreise. Das „Vereinigte Bürger-WahlcomitL" bot die Hülste, einen Sitz. Ob das Cvmite deshalb nicht mehr bot, weil es dem angestrebten Ziele «Erreichung der Hälfte im Stadtverord- netenkvllegium) unbedingt so nahe als möglich kommen wollte, oder ob man aus persönlichen Gründen nicht mehr Mandate „frei" hatte, möge ununtersucht bleiben. Tas Mietcrcomito aber schlug den sehr mageren Bissen des einen Siyes aus und der Kampf war da. DieEnt - scheid« ng stand bei der Bürgerschaft. Und sie hat entschieden. Wie sie entschieden hat, das zeigt ein Vergleich der nachstehenden Stimmenzahlen für 1900 und 1902. Es erhielten Stimmen: ta' tast di« S^iir rr-WaOc»mnö Mie'er-Wablcomit» Svjiald« l-vtratkn I. Bezirk 1800 720 690 urv2 420 4 5 1800 135 143 "192 269 291 «Xio 440 517 1902 461 531 I. B-nWkreis: 1110 >-25 278 560 957 992 3. Bezirk 281 1-11 68 107 147 190 4. 700 478 176 352 533 6>6 ü. 179 48 59 190 232 6. - 413 284 128 217 427 500 II B-atMlNs: 1579 1080 420 1297 1538 7. Brzilk 603 416 231 461 1405 1>5ü 8. - 5>8 296 119 226 1169 1232 III. Watükr-is: 1121 712 350 6!0 2574 2688 v. Bezirk 527 346 3IB 435 532 646 10. 374 246 157 285 1179 1527 11. 106 87 42 65 578 737 12. 163 149 68 130 418 432 IV WnhUreis: 1170 828 567 915 27. 7 3332 ^iiSti «-joint: 5280 3145 I6>5 2t«00 7535 8550 Bei Betrachtung der vorstehenden Ziffern ergibt sich, daß im I. und II. Wahlkreise nur durch die Z e r s p l i t t e - rung der bürgerlichen Stimmen die Sozial- demotraten eine relative Mehrheit erlangten, denn sonst Hütten im I. Wahlkreise 1385 bürgerliche gegen 992 sozial demokratische, und im II. Wahlkreise 1815 bürgerliche gegen 1538 sozialdemokratische Stimmen gestanden. Als zweiter Faktor fällt ins Gewicht der bedeutende Rück gang der Stimmen, welche auf die Kandidaten des „Vereinigten Bürger-Wahlcomit Ls" ge fallen sind. Tiefem Rückgang von 1835 Stimmen (35 Pro zent!) steht beim MietercomitL ein Gewinn von 1285 Stimmen gegenüber. Wie man sieht, -eckt dieser Ge winn nicht den eingetretenen Verlust. Hinsichtlich der 550 fehlenden Stimmen wird man. anznnehmen haben, daß der größte Teil der hier in Betracht kommenden Wühler der Wahl ferngeblieben, ein kleiner Teil aber — und wenn wir ihn nur bis zu 150 Stimmen annehmen — aus Mißmut ins sozialdemokratische Lager abgeschwenkt ist. Wie konnten sonst, so fragen wir, im I. Wahlkreise, wo gegen 1900 die Zahl der Wähler um 223 und die Zahl der abgegebenen Stimmen sogar um 261 zurückging, die Sozialdemokraten trotzdem einen Zuwachs von 35 Stim men erhalten? Und im II. Wahlkreise wurden zwar im ganzen 57 Stimmen mehr abgegeben, aber der sozial demokratische Zuwachs betrug 241 Stimmen. Das sind alles Ziffern, die leider für unsere Annahme sprechen. Als Hauptergebnis der Wahl ist jedenfalls festzustellen, daß ein großer Teil der Bürgerschaft dem „Vereinigten Bürger-WahlcomitL" eine bündige Absage gegeben hat. Ob sich diese Absage gegen die Hausbesitzer richtet — die in der dritten Abteilung an leitsnder Stelle im EomitL figurieren — oder gegen eine gar zu einseitige „Mittel- stands"pvlitik, mag hier unerörtert bleiben. Jedenfalls war diese Absage eine solche, daß sie selbst vor den nahe liegenden und leider eingetretenen Konsequenzen nicht zu- rücksch reckte. Von Interesse ist übrigens eine Untersuchung darüber, w o sich diese Absage am meisten zeigte. Und da ergibt sich, daß daß „Bereinigte Bürger-Wah'comite" in Alt- Leipzig 1094 Stimmen einbüßte (— 87,42 Prozent der Stimmen von 1900), in Neu - Leipzig aber nur 741 Stimmen (--- 81,45 Prozent). DaS MietercomitL gewann in Alt-Leipzig 032 Stimmen (was einem Zuwachs von 76,89 Prozent entspricht) und in 'Neu-Leipzig 053 Stimmen (— 82,35 Prozent). Bedenkt man nun die schweren Folgen, die durch das Zerwürfnis cingetreten sind, so müssen es sich die beiden Eomitc-s gesagt sein lassen, daß es auf dem bisherigen Wege nicht weitergehen kann. Es darf nicht wieder vor kommen, daß wegen des Streites um e i n Mandat vier Mandate verloren gehen. Dazu kommt, daß, wenn in den nächsten beiden Jahren ein bürgerliches Mandat in der dritten Abteilung erlischt, dann ein sozialdemokratischer Ersatzmann für den Betreffenden eintritt. Die Zahl der sozialdemokratischen Stadtverordneten wird also in den nächsten sechs Jahren — denn früher läßt sich die Scharte nicht auswctzen — mindestens 16 betragen, kann aber auch aus 17 und 18 steigen. Welche Maßregeln zu ergreifen sind, um eine Einigung künftig zu sichern, läßt sich natürlich nicht heute schon sagen. Jedenfalls wird jeder Einzelne seine Interessen denen der Gesamtheit unterzu ordnen haben, und kein Stand darf außer acht lassen, daß andere Stände gleichberechtigt sind. Dann werden Eini- gungsvcrhandlungen, sollten sie doch noch notwendig wer den, sicher stets den gewünschten Erfolg haben. Sterbeworle berühmter Männer. Von Adolf Obermüller. Nachdruck verboten. Die Blätter fallen und kühl geht die Luft durch die Räume der Natur, wo es jetzt still wird, immer stiller! Tas Bild des Todes tritt nun wohl dem Nachdenklichen vor die Seele und — je nach der Konfession — stimmt die einen der Allerseelentag, die andern das Totenfest zu ge meinschaftlicher Trauer. Ter schmerzliche Gedanke, unter dem wir in Bartholv- mLs wunderbarem „^lonuiuent uux morts" inmitten des Pariser Friedhofs „I^-re I,ac-Hniss" das junge Menschen- paar in die Grabeenacht schreiten sehen, erfüllt wohl die Seele aller, die aus den Weg des Todes gerufen werden. Gilt cs dann ja Abschied nehmen von der Welt des Bil des, der Gestalten und Formen, mit denen ganz allein unser Geistesleben von der Wiege an bis zum Large zur wahrnehmbaren Erscheinung wird. Je nachdem, welche von diesen Leelenbilüern den ein zelnen im Leben hauptsächlich beschäftigt haben, wird sich zuletzt daraus das Gesamtbild gruppieren, mit dem fein Innenleben in -er Sterbestunde abschlietzt; und je nach dem ein Mensch in seiner inneren Gestaltenwclt Harmonie zu finden wußte, wird er an der Grenze, „darüber die Geister zu uns nieder-schauen", die Befriedigung im Her zen tragen oder seine Lebenssinfvnie in sehnende Akkorde ausllingen. Ebenso sind der Schmerz des Abschiedes oder die Empfindung des Sterbens als einer Erlösung der Schlußsatz zu der Gesamtsumme der Lebenseindrücke. Den bedeutungsvollsten Inhalt vor dem letzten Lebe wohl wird das Gemüt erleben, dessen Daseinsgeschichte von den tiefsten Gedanken getragen war. Deshalb sind es die Lterbeworte berühmter Männer, die uns einen Einblick in solche hohe Ltimmung der letzten Stunde ge währen. Der höchste Friede umfängt uns, wenn wir im Geist am Krankenlager des Dichters von „Der Mond ist aufge gangen", des Dichters Matthias Claudius, weilen. Der Eindruck ist eigenartig für uns Menschen von heute, von denen Niebuhr sagt: „Unser Beruf ist ein stürmischer, und das Zeitalter der Dichter ist für uns vorüber. Es scheint, als ob die Vorsehung im Deutschen heftigere Leidenschaft lichkeit entwickeln will und eben dadurch größere Kraft: daraus aber entstehen auch bittere und heftige Gefühle, und friedliche sind uns schwerlich mehr beschicken." Wie ungewohnter Sonnenschein muß daher auf viele die Her zensruhe jenes gemütvollen Sängers wirken, die sich in seinem Tode zur Verklärung gesteigert hat. Auf dem Sterbebette sprach dieser Hervorragende aus „jener Klasse der Innigen, still und tief Glühenden und Schauen -en, welche der Generation angehürten, die der nnsrigeii Feuilleton. Königliche Dienstpferde. Eine heitere Grcnzgeschichte von Oskar Elsner (Posen). Nachdruck verbalen. Herr Leopold Schmidt war König!. Preußischer Grenz kontrolleur in der Kreisstadt, die etwa eine Meile von der österreichischen Grenze entkernt lag. Zu seinen Funktionen gehörte es, dte Grenzaufseher auf ihren verschiedenen Poften bei Tag und bei Nacht zu revidieren, ihre Wachsam keit zu prüfen und, wenn er besonderes G.ück hatte, etliche Pascher, d. h. Schmuggler, in tlü8l-uuti zu ertappen. Leicht wurde ihm letzteres gerade nicht, denn die Pascher sind sehr schlaue Kunden. Hier hatte der Schmugglerfang noch dadurch mit Scknvierigkciten zu kämpfen, daß die Grenze sich auf einem Gebirgstannne htnzog, dem es an Schluchten nnd sonstigen Schlupfwinkeln nicht fehlte. Bet Nacht waren die Pvstenrevisiviieu des halb ziemlich gefährlich. Sie mußten zu Pferde und doch möglichst geräuschlos besorgt werden — ohne Laterne oder sonstiges Licht. Selbst Mondschein, so magisch er im Gebirge wirkt, ist Grenzkontrolleuren nicht erwünscht — allerdings auch nicht den Paschern, denn der Mond scheint, wie die Sonne, auf Gerechte und Ungerechte. Hinter der preußischen Grenze stand das österreichische Grenzzollhaus mit dem Schlagbaum, der des Nachts über die Ehauffee gelegt wurde, damit keine verbotene .-Ein fuhr" erfolge. Der Vorstand dieser „Station" war ein schmucker K. K. Oesterreichischer Mauthbeamter, Anfang der Dreißig und gleich dem Königlich Preußischen Grenz kontrolleur unverheiratet. Man hätte meinen sollen, daß bei so viel Ueberetnstimmung zwischen den beiden „Koüegea" allmählich ein sehr angenehmes Verhältnis entstehen mußte, aber gerade das Gegenteil war der Fall. Abgesehen von mancherlei Dienstreibereien, die im Grenz- verkehr sehr leicht vorkommen, mißfiel dem Oesterreicher Herrn Geschwandtner der „Schneid" des Preußen Herrn Schmidt, der selbstverständlich mich Leutnant der Reserve war und demgemäß viel „forscher" auftrat als der ge nannte Kollege". Dazu kam aber noch ein Moment, das weder dtenstttch, noch national, sondern einfach menschlich war und -war nur allzu menschlich. Landeinwärts vom Grenzzvllhause lag das Grenzdorf und vor diesem ein stattlicher Bau, an dessen mit einer Veranda verziertem Giebel die weithin sichtbare Auf schrift ,^Wctnhaus zum güldenen Becher" prangte. Das war ein beliebter Ausflugsort für die Bewohner der preu ßischen Kreisstadt die hier besonders an Sonn- und Feier tagen zu Kuß und zu Wagen ankamcn, um sich an „Ungar", der bloß österreichischer Landwein sein mochte, zu erlaben. „Backhähndel" zu essen und dem Tanz zuzuschauen, der sich a sbald im Saal zu entwickeln pflegte, und zwar zn jeder Tages- und Nachtzeit. Im „güldenen Becher" hauste stets irgend eine kleine Bühmcrwald-Musikbande, gewöhnlich aus Nater, Mutter und Kindern bestehend, die Geige und Gitarre spielten und dazu sangen. Es klang manchmal schrecklich schön, aber bet Wein und „Backhähndeln" nimmt man es nicht genau mit dem Kunstgenuß. Auch dauerte diese Pönitenz nicht lange. Nach den unvermeidlichen „Nationalhnmucn" verlangte das Auditorium gewöhnlich „Ballmusik". Sofort erk'ang ein Ltranßscher Walzer, der selbst bei so primitivem Orchester seine elektrisierende Wir kung nicht verfehlte, und alsbald wiegte sich das junge Bolk nach den graziösen Melodien des Walzerkönigs. An einem solchen Tage war auch Herr Grenzkontrolleur Schmidt hcrübergekommen — das erste Mal seit seiner Stationierung in der Kreisstadt. Wie auf jeden Nord deutschen, der dieses Grenzvergnügen noch nicht kennt, machte daS Leben im „güldenen Bechers auf Herrn Schmidt einen sehr anheimelnden Eindruck. Behaglich - ließ er sich nieder im Saal, an dessen einer Schmalseite ein Büffet stand, und vertiefte sich in bas Studium der 'Weintarte, die auf jedem Lisch lag. Er studierte eine ganze Weile, ohne zu einem Entschluß kommen zu können. Plötzlich hörte er vor sich eine Stimme: „Schaun's, Euer Gnaden sein wohl hier noch net be kannt? Wann ich mir erlauben dürft', auf dös Weindel" — dabei tippte ein weiblicher Kinger auf eine bestimmte Stelle der Weinkarte — „aufmerksam z' machen. Dös ts sehr was Feines." Herr Schmidt blickte verwundert empor. Bor ihm stand ein bildhübsches dralles Mädel in Nationaltracht mit einem dicken aschb.onden Haarkranz und Hellen Augen. Sie stemmte jetzt die kräftigen Arme in die Setten und sah Herrn Schmidt fragend an. Der wußte gar nicht, wie ihm geschah, und fand zunächst keine Worte. „Ja so, der Herr möcht' wissen, wer ich bin", lachte die Maid entgegenkommend, machte einen drolligen kleinen Knix und fuhr fort: „Ich bin dte Tochter hier vom Wirt und bediene dte Gäst'. Mein Vater ist auch zugleich Orts vorsteher." Jetzt raffte Herr Schmidt sich auf. „Ungeheuer an genehm, Fräulein", rief er, „erlauben Sie, daß auch ich mich vorstclle: Königlich Preußischer Brenzkontrolleur Schmidt, Leutnant der Reserve". „Jesses", erwiderte das Mädchen und schlug staunend die Hände zusammen, „so 'was Großes sein'S! Aber Euer Gnaden haben ja gar ka Uniform an." „Tie trage ich nur im Dienst, hier bin ich zu meinem Vergnügen. Wenn Sie so gut sein wollen, mir den von Ihnen empfohlenen Wein zu bringen . . ." „Aber gewiß!" Und fort wollte sie. Er hielt sie noch zurück: „Ich hätte eine Bitte: möchten Sic mir dann auch noch ein wenig Gesellschaft leisten? ES trinkt sich viel schöner zu zweien." Sie zauberte und blickte verlegen zu vobeu; bann aber gab sie sich einen kleinen Ruck und sagte halblaut: „Wenn s dem Herrn so gefällt, sehr gern." „Weshalb sehen Sie sich denn so ost um ?" fragte Herr Schmidt, als sie nnn zusammensaßen und die Gtäser oft an einander klingen lieben. „Tu mein Gott", antwortete sic etwas beklommen, „es ist nur wegen unserm Douanier, dem Herrn Geschwandt ner, der sitzt dahinten und macht böse Augen, daß ich hier bei Ihnen sitz', — der möcht' mi gern heiraten, aber ich will net, nein, ich will net, wenn's auch der Herr Vater wünscht." Dabei stampfte sie auffallend energisch mit dem Fuß. „Da haben Sie ganz recht, liebes Fräulein — Fräu lein . . ." „Mizzt", ergänzte sic. „Danke vielmals! Ganz recht haben Sic!" Und nun ereignete es sich, daß der Herr Grenzlon- trolleur noch verschiedene Flaschen des leichten Land meins kommen lieb, daß die blonde Mizzi tapfer „mit hielt", und daß sich an diesem Abende zwischen den beiden jungen Leuten, bei aller Verschiedenheit des Naturells, „etwas" ansponn. worüber der Kater Htddigeigei wieder einmal sein weises Philosophenhaupt geschüttelt hätte. AIS der Grenzkontrolle»!: nachts Heimsuhr — er be diente sich im nichtdicnstlichcn Verkehr eines „Zcugls" mit zwei kräftigen Rappen — gaukelte vor seiner weinerhitzten Phantasie das Bild der schönen Wirtstochter vom „güldc nen Becher", und er meinte, daß cs sich mit dem Natur kinde recht angenehm müßte leben lassen, gerade weil es so natürlich mar. Aber die Stellung als königlicher Beamter und nun gar als Leutnant der Reserve! Das machte ihn einigermaßen nachdenklich. Eino stand fest: dem Herrn österreichischen „Kollegen" Geschwandtner hätte er am liebsten den Halo umgedreht. In der Folge war Herr Schmidt ein häufiger Gast im und beim „güldenen Becher", und in demselben Maße, wie MizziS Herz sich dem preußischen Gren-nach-ar zuwandte,
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