Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021201016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902120101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902120101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-01
- Monat1902-12
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
DezugS »Preis 1» der Hauptexpeditioii »der den kn Stadt» bezirk and den Vororte» errichtet«, Aus gabestelle» «bgeholt: vierteljährlich 1.80, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haut öckiv. Durch di» Post bezogen sür Deutschland ». Oesterreich vierteljährlich ^l 6, für di« übrigen Länder laut Zeitungsprei-liste. Ue-aktion und Expedition: Johcmntsgaffe 8. Fernsprecher 188 und WL FUtatevpedttinnr« r Alfred H«h», Buchhaudlg, llutoersitätlstr.S, L. Asche, Kutharinenstr. 14, u. USntgSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Etrehlener Straße «. Fernsprecher Amt I Nr. 1718» Haupt-Filiale Berlin: KSniggrätzer Straße NS. Fernsprecher Amt VI Nr. 83V8. Morgen-Ausgabe. KipMrr TagMM Anzeiger. Kitttsölakt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« »Prei- dle 6 gespaltene Petitzeile LS Neklime» »»ter d«« NrdaVtvuSstrtch (4 gespalten) 7L »or de» Familiemmch- richte» (6 gespalten) 5V Dabellarischer nud Zissernsatz entsprechend Häher. — Gebühre» für Nachweisung«, «5 Offerte»»uoahme LS (excl. Porto). Extra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbesürderang S0.—> mit Postbesärder»ng ^l 7V.—. Innahmeschluß fiir Alyrigeu: Abead-AnSgaLe: vormittag« 10 Uhr. Mnrgen-Ln-gaber Nachmittags 4 Uhr. Anzeige» sind stets an di« Expedition z» richte». Die SrpMtio» ist wochentags womterbrochen geöffnet »o» früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck «ad Verlag voa L. Pol» in Leifqtz. SV. Jahrgang. Nr. 610 Montag den 1. Dezember 1902. Stadtebilder aus Sachsen. Roßwein. Nachdruck verboten An den Ausläufern des Erzgebirges, in einer an» mutigen und lieblichen Gegend, durchflossen von der Frei berger Mulde, liegt die betriebsame Industriestadt Roß wein.*) Ehemals breitete sie sich nur am rechten Ufer der Mulde aus und ward von einer Stadtmauer umschlossen, diese Fessel hat die aufstrebende Stadt in den beiden letz ten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts gesprengt und sich besonders an dem linken Muldenufer entwickelt. Bon der alten Stadt sind nur noch wenige Baulichkeiten er halten geblieben, da wiederholte Stadtbrände den Ort heimsuchten; zum letzten Male geschah dies 1806. Bon alten Bauwerken bemerkt man außer einigen Resten der allen Stadtmauer nur noch das Rathaus mit einem eigen tümlich gewölbten Durchgänge und das vormalige Abt- Haus des Klosters Altzeila, das jetzt der Tuchmacherinnung gehörige Handwerkerhaus. Die Geschichte der Stadt Roßwein ist mit den Schicksalen des Klosters Altzella, zu dem es bis zu -essen Säkularisation im Jahre 1545 gehörte, eng ver bunden. In älteren Urkunden lautet der Name Rvßwin, Rofsewin, Russewne, Ruswne u. a. Urkundlich wird Roß wein zum ersten Male in einer Urkunde vom 25. August 1220 erwähnt, in welcher ein „villicus de Rvsscivin" als Zeuge erscheint. Unterm 10. Oktober 1280 verpfändete Markgraf Heinrich Roßwein mit einigen andern Städten seinem Enkel, dem Landgrafen Friedrich. Markgraf Friedrich von Meißen erhielt nach einer Urkunde vom 23. Juli 1292 vom Abt Heinrich von Hersfeld den roten Turm in Meißen und seine Zubehörungen, zu denen auch Rotzwein gehörte, zu Lehen und schenkte nach einer Ur kunde vom 18, Mai 1298 die Stadt Roßwein dem Kloster Zella mit dem Kirchenlehn, der peinlichen und bürger lichen Gerichtsbarkeit, dem Marktzoll, den Mühlen und der Fischerei. Frühzeitig hatte Roßwein Beziehungen zu Freiberg, weil die Straße von Leipzig und Grimma nach Freiberg über Rotzwein führte, eins der Freiberger Stadttore hieß bereits um 1291 das „Roßweiner Tor". Die Zugehörigkeit der Stadt Roßwein zum Klost-r Zella war sür dieselbe von großem Vorteil, da die Aebte sie als ihren vornehmsten Stiftsplatz ansahen. Die Klosterbrüder versahen in Roßwein den Gottesdienst, an hohen Festen taten dies die Aebte in eigener Person. Sie setzten auch den Rat ein und bestell ten Richter, sie gaben der Stadt Ordnungen und Gesetze, beglaubigten die Innungen, führten in der Stadt kost bare Gebäude auf und kehrten öfters in Roßwein ein. Der letzte Abt von Zella, Andreas Schmiedcwald, ein ge borener Roßweiner, übergab 1544 seinem in Roßwein wohnenden jüngsten Bruder Antonio Schmiedcwald daS neue Abthaus. Dieser Antonio Schmiedcwald ward sväter Bürgermeister von Roßwein, von ihm kaufte Nicol Weitz das Abthaus, dieser trat es 1565 sür 700 meißnische Gulden an die Tuchmacher-Innung ab, in deren Besitz das HauS sich noch heute befindet. Trotz der Zugehörigkeit der Stadt zum Kloster Zella regte sich in ihr doch zeitig der Geist der Reforma tion. Da aber Rotzwein unter der Herrschaft des Her zogs Georg des Bärtigen stand, konnte dieselbe während dessen Lebzeiten in Roßwein ihren Einzug nicht halten, erst 1541 wurde die lutherische Lehre endgültig in Roß wein eingeführt. Der erste evangelische Geistliche war Johann Zacharias Bahenstein. Zur Zeit der Reformation stand das Gewerbe in Rotz wein in besonderem Flor. Der Roßweiner Chronist vr. Knanth hebt das Roßweiner Bergwerkswcsen beson der- hervor. Es ist nachgewiesen, daß schon im 12. Jahr hundert ein flotter Silberbcrgban in Rotzwein betrieben wurde, und in alten Urkunden des Freiberger Bergamts wird der Kaiser Heinrich-Stollen als besonders ergiebig für rotgüldene Erze erwähnt. 1559 begnadigte Kurfürst Vater August die Stadt mit dem Brückenzoll und Wegc- *) Benutzte Literatur: vr. Victor Böhmert, Die Sradt Rotzwein von 1834 bis 1894, Berichte des Stadtrates zu Roß wein, Bericht der Handels- und Gewcrbckammcr. gcld, 1558 trat der Rat die Jagdgerechtigkeit an den Kur fürsten gegen ein jährliches Deputat ab. In dieser Zeit ward die Stadt aber auch schwer heimgesucht, zwei Feuers brünste, 1564 und 1596, legten viele Gebäude in Asche, dazu gesellte sich noch eine pestartige Krankheit, an welcher 1474 Personen in der Zeit vom 4. April bis 30. November 1577 starben. Um 1618 brach gleichfalls eine Seuche aus, die abermals über 1400 Personen dahinrafste. Zu diesen schweren Heimsuchungen gesellten sich später die Drangsale dcö Krieges. Während des Dreißigjährigen Krieges, besonders in den Jahren von 1680 bis 1642, litt Roßwein durch Plünderungen, Seuchen nud unerschwingliche Kontributionen. Um diesen An forderungen genügen zu können, mußte der Rat das Bor werk Hvhenlaust verkaufe» und leihweise Gelder auf nehmen. Ter unheilvolle Krieg vernichtete auf Jahr hunderte hinaus -en Wohlstand der Stadt. Durch den großen Stadtbraub vom 24. Juli 1803 wurde beinahe die ganze Stadt zerstört, auch die Kirche fiel dem wütenden Elemente zum Opfer. Sie war reich ausgestattet un viele wertvolle Kunstwerke aus dem Mittelaller, teilweise noch aus dem Kloster Zella stammend, wurden durch diesen Brand mit vernichtet. Neues Unglück brachten die Napoleonischen Kriege über Roßwein, denn mehr als manch anderer Ort fühlte gerade Roßwein, das durch den großen Brand verarmt war, die drückenden Einquar- ticrungölasten. Es bedurfte eines längeren Zeitraums, um sich von all den schweren Heimsuchungen wieder zu er holen. Roßweins Aufschwung erfolgte erst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, nur lang sam vernarbten die Wunden, die die Befreiungskriege und der Stadtbrand geschlagen hatten. Tie Besserung der wirtschaftlichen Weltlage und die lange Fricdenszcit führten auch sür Roßwein wieder bessere Zeiten herbei, so daß sich auf allen lokalen Gebieten, in Kirche nnd Schule, und besonders auch im Gewerbe bessere Verhält nisse wieder bemerklich machten. Die stetige Entwickelung Roßweins kommt in dem Anwachsen seiner Bevölkerung zum Aus druck. Bei einer im Jahre 1814 vorgenvmmenen Ein- wohnerzählung, da Roßwein zur Deckung außerordent licher Staatsbcdnrfnisse 1015 Taler 2 Ngr. 6 Psg. auf bringen mußte, zählte man l'37 männliche und 1740 weib liche Einwohner, zusammen 3277 Personen. Im Jahre 1834 betrug die Einwohnerzahl 4202; 1843: 4972; 1855: 6067; 1864: 6561; 1875: 6968; 1890 : 7599 nnd 1900 : 8852. Auch die A bschätzung der sämtlichen Gebäude Roß weins zur Königlichen Jmmobiliarbrandversichcrungs- kassc zeigt an, daß sich Rotzwein in einer gedeihlichen Ent wickelung befindet. Ter Wert der abgeschätzten Gebäude bezifferte sich 1835 auf 1 345350 ./7; 1850 auf 1 885 1 >3 1870 auf 3675 210 ,/l; 1890 ans 6 407 440 ./kl; ,901 aber aus 10 405 430 Zum Aufblühen eines Gemeinwesens in volkswirt schaftlicher Beziehung trug wesentlich auch ein den in dustriellen Verhältnissen angcpatztcS S ch u l w c s c n bei. Bis zum Jahre 1830 waren die Roßweiner Schulverhält nisse durchaus unbefriedigende. Ter große Brand von 1806, die nachfolgenden kriegerische» Unruhen und die durch beide herbcigcführtc Verarmung der Bewohner mächten cs diesen nrimöglich, für die Schule in genügender Weise zu sorgen. Ein Teil der Schulgebäude lag noch bis zu den dreißiger Jahren in Trümmern, die Knaben schule ward erst 1830 vollends aufgebaut und ihrer Be stimmung übergeben. In dem Magister Franke bekam Roßwein einen Rektor, der das Schulwesen neu ordnete nnd mit straffer Hand in gesunde Bahnen lenkte; in dem 1831 von Quesitz bei Markranstädt nach Roßwein berufe nen Pfarrer Karl Friedrich Böhmert erhielt er nicht unr einen tüchtigen Vorgesetzten, sondern auch einen tatkräf tigen Helfer; denn der junge Pfarrer lebte und webte in der Schule und erteilte selbst Unterricht an derselben. Mit dem Eintritte dieser beiden jungen, tatkräftigen Män ner wurde nicht nur eine Verbesserung der Kirchen- und Tchnlverhältnisie, sondern, unter Mitwirkung weiterer Kräfte auch sehr bald eine Ncnbelebung der Geiverb- tätigteit in Roßwein angebahnt. Von großem Segen für das Roßweiner Gewerbe ward die auf Anregung des Pfarrers Böhmert unter Mithülfc des Rektors Franke 1832 gegründete S v n n t a g s s ch u l c, an der außer den oben Genannten städtische Lehrer, der Gcrichtsdirektvr und der Apotheker als Lehrer tätig waren. Mit 140 Schü lern, meist Gewerbsgchülfcn und Lehrlinge, ward die An stalt eröffnet; 1837 wurde im Anschluß an die Sonntags schule eine Zeichenschule für Mädchen errichtet. Tie Roß weiner Sonntagsschule bestand bis zur Einführung der obligatorischen Fortbildungsschule und hat diese in wür diger Weise mit vvrbereitcn helfen. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung ist auch die Schnlerzahl in Roßwein an gewachsen. Während 1834 die Volksschule 901 Schüler halte, betrug die Zahl Ostern 1901: 1532. Seit Ostern 1891 ist für die Konfirmandinnen der zweiten Bürger schule der Kvchuntcrricht cingeführt; außerdem ist mit der Bürgerschule feit Ostern 1889 eine kausmän - N ische Fachschule und seit Ostern 1890 eine Fäch ze i ch e n i ch u l c verbunden. Tcm Gewerbslebeu macht sich die Deutsche L ch l v s s e r s ch » l e zu Roßwein dienstbar. Dieselbe ward am 10. April 1894 mit 13 Schülern ervsfnet, 1901 besuchten diese Anstalt 101 Schüler, die sich nach ihren Ge burtsorten auf alle Staaten Deutschlands verteilen. Diese Fachschule mit reichausgcstattetcn Lehrwerkstätten bietet strebsamen jungen Leuten des weitverzweigten Schlosser gewerbes eine vorzügliche Gelegenheit zur Erlangnng bez. Bcrvvllkommnnng derjenigen fachtheoretischen, kunst gewerblichen, geschüflsmännischcn und praktischen Kennt nisse, sowie Fertigkeiten, weiche bei den heutigen An forderungen an den Gewerbebetrieb unbedingt nötig sind. Diese Anstalt steht unter Aussicht des Stadtratcs zu Roßwein nnd Oberanfsicht des Kvnigl. Sächs. Ministe rium des Innern. Im Jahre 1893 wurde eine städtische Ban ge w c r k e n s ch u l e gegründet, sie ward mit 47 Schülern eröffnet, 1898 wurde ne eigenes Unternehmen der Stadt, 1901 besuchten 148 Schüler die Anstalt. Unter allen Fach leuten hat sich diese Anstalt schnell einen Ruf erworben. Tie steigende Frequenz derselben machte cs nötig, in diesem Jahre ein eigenes größeres Schulgebäude mit Zentralheizung und den neuesten, zweckentsprechenden Einrichtungen zu erbauen. Tnrch die Baugcwcrkcnschule soll jüngeren Gliedern des Baugewerbes Gelegenheit ge boten werden, sich unter fachmännischer Leitung auszu bilden. Ter Zweck der Schule ist die Ausbildung zu künftiger Baugcwerksmcister, Bautechniker, Bahnmeister und Stratzenbautechniter. An dem Aufblühen der In dustrie in Roßwein hat der G e w c r b c v c r e i n einen nicht geringen Anteil. Derselbe ward 1834 gegründet, das Ziel seines Strebens war, den Mitgliedern bei Er langung einer höheren gewcrbewisscnschaftlichcn Bil dung beluilslich zu sein, damit sie in der Lage seien, der Konkurrenz wirksam begegnen zu können. Drei Männer, Gerichtsdircktvr Or-. Glöckner, Rektor Franke und Pfarrer Böhmert waren cs, die gleich im ersten Jahre des Bestehens dem Verein den rechten Geist regen Strebens und edler Duldsamkeit übermittelten. Frühzeitig nahm der Verein zu allgemeinen und städtischen Fragen Stellung; besonderes Verdienst erwarb er sich durch Ver anstaltung von Gewerbe- und Industrieausstellungen, solche fanden 1851, 1858 und 1879 statt. Roßwein ist eine von denjenigen Städten, welche in Bezug auf Lokal ausstellungen nicht bloß in Sachsen, sondern in ganz Deutschland bahnbrechend vorangegangen ist. Tic industriellen Verhältnisse Roß weins haben in den beiden letzten Menschenaltern eine völlige Neugestaltung erfahren. Vor 1830 war Roßwein eine Kleinstadt mit 3—4000 Einwohnern, davon waren nahezu 50 Prozent mit Tuchmachcrei nnd 15 Prozent mit Schuhmacherei beschäftigt. Um 1850 erreichte die Roß weiner Tnchmachcrci ihren Höhepunkt, denn die hier gefertigten Tuche sanden in Amerika überall Abnehmer. Die am 7. August 1376 gegründete Tuchmacherinnung zählte nm diesen Zeitpnntt 358 Tuchmachermcister, 19 t Ge sellen nnd 49 Lehrlinge. Diese günstigen Verhältnisse wurden durch den Bürgerkrieg von Nordamerika und durch die Umwandlung des Hausbetriebcs in Fabrikbetrieb in ungünstiger Weise beeinflußt. Dasselbe Schicksal halien auch die Roßweiner S ch n h machcr, ihr sonst blühen des Gewerbe ist durch die Errichtung von Schulnabriken nachteilig beeinflußt worden. Ganz verschwunden ist die Leinewcberei, aus -en früheren Leinwebern sind Händler mit Leinenwaren geworden, die zu verkaufenden Stoffe beziehen sie aus fremden Fabriken. Rohwein, das vor zwei Menschenaltern in besonderem Mähe Tuch macherei trieb, ist heute eine Stätte vielseitiger Industrie- cätigkeit. In hervorragender Weise ist die MetallVerar beitung entwickelt. Außer Wagenachsen- und Wagen lederfabriken, in welchen gegenwärtig mit 18 Dampf hämmern und einigen 40 Lchmicdeseuern gearbeitet wird, gibt es noch Maschinenfabriken, Metallwaarenfabriken, Eisen- und andere Metallgießereien, Gravier- und Präge- anstallcn, Fabrik sür Schnitt- und Stanzwerkzeuge, größere mechanische Lchuhwaarenfabriken, Cigarren fabriken, Fabrik zur Herstellung chemischer Produkte, Glasmanufaktnr für allerhand Schr-fwtatten und Kunst. Verglasung. Umfänglich ist auch die Verarbeitung von Wolle zu Garn, besonders aber zu Decken, Lamas, Mili- tärtuchen nnd anderen Stoffen. Die schon ältere Gtrumvf- warcnfabrilation hat sich in letzterer Zeit ebenfalls be deutend gehoben. Mit den Wollwarengeschäften steht auch die Dampfwollwäscherei und Färberei in Verbindung. Die Entwicklung Roßweins al- Fabrik stadt erkennt man am besten aus den Zählergebntfsen der amtlichen Dampfkessel- und Tampfmaschinenstatistik und den Ergebnissen der amtlichen Fabrikarbeiterzählung. Die Zahl der Fabrikarbeiter betrug 1885 : 883; 1893: 1132 und bei der letzten Zählung im Jahre 1902: 1941. Auch die stetige Zunahme der Gewerbebetriebe mit Dampfkraft, die Zahl und die Heizfläche der feststehenden Dampfkessel nud feststehenden Dampfmaschinen und der von ihnen auS- geübten Pferdestärken geben Zeugnis von dem Aufblühen der Roßweiner Industrie. Es wurden gezählt 1879 an Gewerbebetrieben 8 mit 10 feststehenden Dampfkesseln, die eine Heizfläche von 252,64 Quadratmeter hatten, die Ge samtzahl der auSgeübten Pferdestärken bezifferte sich auf 140. Die entsprechenden Zahlen betrugen 1884 : 8; 11; 284,66 Quadratmeter mit 155 Pferdestärken; 1894: 21; 25; 809,32 Quadratmeter mit 342 Pferdestärken; 1902 aber 28 Gewerbebetriebe mit 31 feststehenden Dampfkesseln und 1704,33 Quadratmeter Heizfläche, sowie 39 feststehenden Dampfmaschinen mit 863 Pferdestärken. Hierzu kommen noch mehrere Wasserräder nnd Turbinen mit einigen Hundert Pferdestärken. Tie erfreuliche Entwicklung auf industriellem Gebiete blieb denn auch nicht ohne günstigen Einfluß auf die Ein» k o m m e n s v e r h ä l t n i s s c der Bewohner Roßweins. Jin Jahre 1879 wnrden abgeschätzt 2256 Personen mit t K53 935 die Einwohnerzahl betrug 0774, es kamen so mit ans einen Kopf der Bevölkerung 258,91 Einkommen; die Einschätzung vom Jahre 1890 ergab nachstehende Ziffern. Es wurden abgcschätzt 2935 Personen mit 2 781 345 Mark, die Einwohnerzahl stellte sich auf 7599, somit kamen ans den Kopf der Bevölkerung 347,60 > Wesentlich g ü n st i g e r st e l l t e n sich die Einschätzungs ziffern i m I a h r c 1901. Bon 8852 Einwohnern wurden 3725 mit 4 249160 Einkommen abgeschätzt, es kam ans den Kopf der Bevölkerung ein Einkommen von 449,03 Das ist gegen 1879 ein Mehr von 180,15 Auch die Sparkassenauswcise und Ueber- sichten geben ein Bild von dem gedeihlichen Aufschwünge Rotzweins. Tic Roßweiner Sparkasse ist ein Kind deS rührigen und umsichtigen GewerbeoereinS; denn von ihm ward 1834 die Begründung derselben angeregt. Die Er öffnung derselben erfolgte am 30. April 1888. In den ersten drei Jahrzehnten ihres Bestehens machte die Kasse nur äußerst langsame Fortschritte. ES bezifferte sich da- Gesamtgnthaben der Einleger 1848 ans 9454,86 ^ll; 1888 auf 150 629,56 1868 auf 315 761,98 .L Erst in den 70er Jahren machte sich ein größerer Aufschwung bemerklich; denn Ende 1878 betrug das Gesamtgutbaben der Einleger 932 008,44 nnd 1887 nach 50jährigem Bestehen 1 769 337.5^ .L, der Reservefonds war zu diesem Zeitpunkte ans 107 887,44 > angewackisen. Am Schlüsse des Jahres 1901 stellte sich das Gesamtgnthaben der Sparer aus 8 320 965,72 .6, der Reservefonds aber betrug 246 821 Ans den tteberschnssen konnten zu gemeinnützigen Zwecken seit dem Bestehen der Kasse überwiesen werden 389 000 F-ttNleton. Vas Taschentuch. Humoreske nach dem Ungarischen von ArminRvnai- Nachdruck vrrboteu. Im Eafä zum blauen Stern lernte ich ihn kennen. Er war Offizier, jung, fesch, in der Blüte seines Lebens. Wir saßen am selben Tische, kamen von ungefähr in ein Gespräch, und der Schluß war, daß wir miteinander eine Partie Schach spielten. Wahrscheinlich fanden wir an unserem Spiel Gefallen, kurz, seither kamen wir ohne jede Verabredung und doch wie ans ein geheimes Kommando an jedem Mittwoch und Sonnabend zusammen, setzten uns an denselben Tisch, lasen abwechselnd dieselben Zei tungen, sprachen eine Weile über die Wettcraussichten, über die drahtlose Telegraphie oder über sonstige harm lose Dinge, und spielten dann eine Partie Schach. Auch zwei Partien, wenn die erste rasch entschieden wurde. Tie Zusammenkünfte machten mir großes Vergnügen, und auch mein Partner schien gern mit mir zusammen z» sein. Aber es blieb eine richtige Easöbckanntschaft. Ich wußte seinen Namen — Anton Falkner hieß er —, er den meinen, damit begnügten wir uns. Nach der Partie drückten wir uns die Hand nnd gingen auseinander, ich zu meinen Akten, er zu seinen Rekruten. Wir kümmerten uns im Leben nicht weiter nm einander, und das viel leicht gerade hielt unsere harmlosen Beziehungen aufrecht. An einem häßlichen Hcrbstabcnd saßen wir wieder bei unserer Schachpartie, aber ich glaubte zu bemerken, daß Hauptmann Falkner ungewöhnlich zerstreut spielte. Er machte verkehrte Züge, stieß mit dem Ellbogen Figuren nm. rückte ans dem Stnh'e ninnülg hin und her. Von Zeit zu Zeit verzog er sein Gesicht zu den sonderbarsten Grimassen, gab Töne von sich, die halb wie Husten, halb wie Niesen sich anhörten und benahm sich überhaupt in höchst auffallender Weise. „Was haben Sic denn, Herr Hauptmann ?" fragte ich endlich, als Falkner gerade mit seinem Könige einen Rösiclsvrnng machen wollte. „Ich . . . ich . . ." stotterte er verlegen. „Nun ja, Sic haben entschieden etwas." „Allerdings — den Schnupfen." „Nun, und . . „Und — kein Taschentuch!" „Aha!" „Können sich denken — scheußliche Situation." „Na, da kann ich ja glücklicherweise aushelsen. Es ist durchaus kein Zufall, daß ich just zwei Taschentücher bei mir habe. Wissen Sie, ich führe die nützlichen Dinger immer en mit mir, von wegen meinem verflixten Stockschnupfen. Hier, Herr Hauptmann, dieses rot gestreifte kann ich Ihnen borgen." Der Hauptmann nahm das Taschentuch mit sichtlicher Dankbarkeit entgegen. „Ah, welch hübsches Mono gramm!" sagte er, indem er aufmerksam die Stickerei be trachtete, die sich in der Tat sehen lassen konnte. „Nicht wahr", erwiderte ich stolz, „das hat meine Bella gestickt, bas fleißige Mädel. Sic ist erst fünfzehn Jahre, aber ich darf sie wirklich loben." „Ich bin Ihnen von Herzen dankbar", gab der Haupt mann unter Grimassen lachend zurück und griff rasch nach dem angeborenen Tuche, „und einen schönen Grub auch an Fräulein Bella. Es geniert mich ja fast, es zu entweihen, aber Not kennt kein Gebot . Jetzt passen Sic aber auf, lieber Herr, Schach! .. ." Wahrhaftig, cs kam wie eine Erleuchtung über meinen Partner. Er machte von nun ab die glänzendsten Züge, und in ein paar Minuten hatte ich die Partie verloren. Dann plauderten wir noch ein Weilchen, standen end lich aus und reichten uns zum Abschied die Hände. „AnsWiederseiicn also am Sonnabend", sagte der-Haupt- mann, „dann werde ich nicht verfehlen, Ihnen das Taschentuch znrückzugebcn." Damit schieden wir. Sv lange wir uns rein zufällig getroffen hatten, hielten wir unsere Zusammenkünfte mit der größten Regelmäßigkeit ab. Kaum hatten wir uns zum ersten Male verabredet, so war auch schon das Schicksal gegen uns. Mein Sohn Alfred wurde krank. In meiner Be sorgnis dachte ich natürlich weder an Schach, noch an meinen Hauptmann. Erst acht Tage später trat endlich die Besserung ein, und ich begann, mein Leden wieder nach alter Schablone einznrichten. IM ging in den blauen Stern, setzte mich an unfern Tisch und wartete ans Hauptmann Falkner. Aber er kam nnd kam nicht. Ich dachte mir, daß er abgehalten sei. Das war ja mög lich. Nächsten Mittwoch kam ich wieder. Aber Haupt mann Falkner ließ sich abermals nicht blicken. AMtmal hintereinander harrte ich im blauen Stern getrenliM seiner mit dem Schachbrett an unserem Tische. Dann gab ich ihn endgültig verloren. Ohne den gewobnten Partner machte mir der blaue Stern kein Berqnimcn mehr, und ich verlegte daher meine Abende nacki dem silberne» Anker, wo icki an Registrator >>' einen neuen Partner fand. Ta aber King n»bt viel Freude am Schach hatte und Rechnungsral Branmüller sich eben falls gern an unfern Tisch setzte, so wnrde schließlich eine Skatpartie daraus. An den feschen Artilleriehauptmann habe ich darum noch oft denken müssen. Offen gestanden, auch an mein rotgcstrciftes Taschentuch. Denn schließlich, das Dutzend ivar doch nun unvollständig. Es wäre mir ja ein Leichtes gewesen, nach Falkner zu forschen; bei irgend einem seiner Kameraden nach seinem Verbleib zn fragen, aber cs hielt mich eine unbestimmte Scheu davon ab. Ter Hauptmann hätte denken können, daß ich cs nur des Taschentuches wegen tue. Und dann hätte er ja ebensogut nach mir forschen können. So ganz »nausfindbar ist man ja am Ende auch nicht, wenn man auch nicht die Ehre hat, zu den Eisenfressern zn gehören. — Sechs Jahre waren inzwischen vergangen. Die Er innerung an den Hauptmann verblaßte immer mehr, und nur wenn ich ein Taschentuch ans dem unvollständigen Dutzend in die Hand bekam, dachte ich lebhafter sein. Aber ohne Groll, sogar mit einer gewissen Wehmut, fast so, ivie man an einen lieben Toten denkt. Mittlerweile war ich älter geworden, erheblich älter, meine Bella war bereits ein großes Mädchen, und mein Alfred diente sein Jalir bet der Artillerie ab. Er wollte Ingenieur werden. Da stellte sich eines Tages «m die Besuchszeit ein Offizier bei mir ein. Sin Artillerie-Major. Ich fiel vor Freude fast nm. Es war nämlich mein Hauptmann, Anton Falkner, der es inzwischen zum Major gebracht batte. Wir drückten nnS sehr herzlich und sehr lange die Hände nnd konnten vorerst vor Rührung kein Wort sprechen. Endlich beruhigten wir unS, und der Major begann sofort zn erzählen: „Das wäre also di« langersehnte Stunde! Leit sechs Jahren suche ich diese Gelegenheit, seit sechs Jahre« drückt
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite