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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190309139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030913
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030913
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 6362-6365 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-13
- Monat1903-09
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1903
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Tabellarischer and Ziffernlay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offtrtenallnahme Lb L, (rxcl. Porto). Ertra Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Poftbejörderung üv.—, mit Postbrsördrrung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgra-Au-gabe: Mchmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Ar. M. Sonntag den 13. September 1903. 97. Jahrgang. Aus der Woche. Unser vogtländischeS Plauen wird sich bei den Tschechen, Polen und Magyaren, sowie ihren hohen Gönnern in Ruß land, Frankreich und England noch den europäischen Ruf erwerben, eine ganz gefährliche Brutstätte, vielleicht gar die Zentrale, der Hauptherd und die Hochburg jenes „PangermaniSmnS" zu sein, mit dem der Iungtscheche Kramarsch, der Magyarone Herczeg, der Franzose Chera- dame, der Engländer Vlennerhassett und sonstige unserer guten Freunde in ausländischen Revuen die nicht deutsche Welt unausgesetzt in Schrecken und Be ¬ sorgnis erhaltest. Soeben tagte dort wieder jener „Alldeutsche Verband", dessen harmlosen Namen man bloß ins Schul griechische zu übersetzen braucht, um in der einfachsten Weise, allen Völkern dcS Erdball- verständlich, zu beweisen, daß eine pan germanische Verschwörung am Werke ist, nicht nur Mitteleuropa und die umliegenden Dörfer, sondern womöglich ganz Europa und die umliegenden Kontinente, wo überhaupt nur ein paar Deutsche unter der Maske des Skatspielens die verwegensten Pläne auShecken, unter das „teutonische Joch" zu bringen. Und wir fürchten, das bedenkliche Odium wird nicht bloß auf de» guten Bürgern von Plauen, die den benach barten Deutschösterreichern so oft eine „verdächtige" Gast freundschaft gewähren, allein sitzen bleiben, sondern sich auf unser ganzes Sachsenvolk ausdehnen, das ja seit jeher in dem Rufe stand, unter seiner „Gemiehdlichkeit" einen ganz ver wegenen Fanatismus für Kaiser und Reich heimlich zu hegen u«d zu pflegen. Es ist ja ganz sonnenklar: Bismarck, der „Vater des teutonischen Umsturzgedankens in Europa", war zwar kein Sachs«, aber di« Hauptstütze seiner Politik war die nationalliberalt Partei, und diese hat nicht nur ihren stärksten Anhang im sächsischen Bürgertum, sondern rekrutiert vor wiegend die Kreise eben jene« Alldeutschen Verbände«, der jetzt wieder in Plauen die Deutschen Oesterreichs gegen ihre tschechischen und magyarischen Wohltäter in Oesterreich und Ungarn „aufheyt". Wir fühlen uns nicht berufen, für den Alldeutschen Verband mit Kanonen auf die panslawistischen Spatzen zu schießen, die selbst daS „Oermauiaw 0880 ckelönckam" nur zu vernehmlich von allen Dächern zwitschern. Wir wissen, daß die deutsche Reichsregierung, sp gut sie eS eben vermag, eine Friedenspolitik verfolgt und wissentlich nicht um Haares breite von dem Gedanken Bismarcks abweicht, daß das Reich ruf absehbare Leit hinaus territorial ge sättigt ist, fast mit mehr Fremdstoffen als es ver tragen kann. Wir wissen un« aber auch mit den den verschiedensten politischen Lagern angehörenden Mit ¬ gliedern deS Alldeutschen Verbände« eins in dem nationalen Gedanken, daß alle Staatskunst an unserem vielgestaltigen BuydeSwesen vergeblich und verschwendet ist, solange nicht jeder einzelne Deutsche, gleichviel welches Stammes, welcher Landeshoheit und Partejntigung, den Satz: „Gedenke, daß Du ei« Deutscher bist", zur obersten Richtschnur seines Handelns macht. Daß wir davon noch himmelweit entfernt sind und daß die nationale Gesinnung unseres Volkes sich noch immer au« den oft kärglichen Resten zusammensetzt, welche der Partiku- lariSmu«, der KlafsenegoiSmuS und die Part«iborniertheit vom politischen Denken übrig lasten, daS müssen wir Reichsdeutsche zu unserir Beschämung fast jeden Tag von unseren an nationaler Gesinnung viel stärkeren österreichischen StammeS- genossen hören, die wir so lange gleich den Boeren mit einem Uebermaße platonischer „Sympathien" mitleidig überhäuften, bis sie anfingen, uns selbst zu bemitleiden. In der barten Schule, welche die von der Reichseinheit ausgeschlossenen Deutsch österreicher durchmachen mußten, haben sie, ohne einen eigent lichen Führer zu besitzen, trotz aller Parteiungen den nationalen Egoismus zu einem System ausgebildet, das beute über alle ParteiunterschiedeundstaatSmännischenBedenken hinwegschreitet und sich in dem Rufe „Los von Ungarn!" zu einrr national politisch«» Forderung ersten Range« verdichtrt hat. Es ist bei un« im Reiche noch viel zu wenig b«kannt — und wir möchten hier der Dolmetsch vielfach nicht verstandener politischer Dialekte sein —, daß die jünger« Richtung des österreichischen Deutschtum« unter Abschüttelung ge wisser p«ssimiftischer Hoffnungen auf «ine letzt, aus wärtige Hülfe fest entschlossen ist, die historische Stellung deS Deutschtums in Oesterreich au« eigener Kraft bis zum Aeußersten zu vrrt«i»i-rn, zumal die öostrennungsbestre- bungen Ungarns, denen diejenigen Galiziens und Tschechien« auf d,m Fuß« folgen, dieser Defensivtaktik ganz unerwartet stark »»hülfe kommen. Die national« Widerstandskraft der zryn Millionen Deutschösterreicher ist durch die Vrr- slawun-Svirsuche, die Oesterreich jrtzl s«lbst durch die ungarische Sta-tSkris« büßen muß, so erstarkt, daß sie unsere reichSdeutschen Sympathien, soweit sie nicht auch von Taten begleitet ist, nicht einmal mehr dankend quittiere», sondern un« unter Hinweis auf dir Gefahren, die vom Polen tu«, v,m Ultramontanismu« und der SozialyMokratte drohen, immer geringschätziger al« Deutsche ansehen, die eigentlich nur mehr von dem Kapital zehren, da« Bismarck vor drei Jahr zehnten für uns angelegt hat. Mau rechnet uns drüben vor, wie wenig wir es verstanden haben, dieses Kapital zu ver zinse»; wie wir alle- Heil vou „oben" erwarten, statt unser Volk national zu organisieren, weil wir meinten, die« gar nicht nötig zu haben; man lacht über die preußische Polen politik, mit deren vielen Millionen der Dcutschösterreicher weite Gebiete dem Deutschtum erhalten und zurückgewonnen hätte; man höhnt unS schon ganz offen, daß wir als ein vorwiegend protestantischesReich nicht einmal imstande sind, dasllebergcwicht des UltramontaniSmu« durch dir Entfachung einer gewiß noch weit erfolgreicheren Los von Rom-Bewegung im Reiche zu brechen und dem Zentrum den Boden unter den Füßen abzugraben, ganz abgesehen davon, daß die antislawische und die antirömische Volksbewegung in Oesterreich selbst unter den Arbeitern, die materiell viel schlechter gestellt sind als die reichSdeutschen „Proletarier", sich als da- wirksamste Schutzmittel gegen sozialistische S«uche erwiesen haben. E- ist für un- Reich-deutsche auf keinen Fall sehr schmei chelhaft, daß unsere einstige Anziehungskraft, die unsere Staatspolitik au« begreiflichen Gründen durch ein förmliche« System der Abstoßung paralysieren mußte, jetzt nahezu auf Null gesunken ist und daß wir mehr oder minder verblümt den Rat erhalten, vor der eigenen Türe zu kehren, worüber unsere Alldeutschen nicht einmal gekränkt zu sein brauchen, sich vielmehr freu«« dürfen, uns die von ihnen mit erzogenen Deutschösterreicher al« Muster nationaler Selbstverteidigung hinstellen zu können. Wenn auch jene österreichischen Stimmen, die insbesondere die preußischen Konservativen unter der Flagge der „Kreuz spinne" al« di« Haupturheb«r unserer «ationalen Stagnation und un« Reichsdeutsche insgesamt als kaum viel mehr denn „Großpreußeu" bezeichn«», bei ihrem Tadel gänzlich ander- gearteter Verhältnisse vielfach übtrs Ziel schießen, so ist doch nickt zu verkennen, daß unser Neich-bauptgebrechen in dem Mangel tatkräftigen deutschnationalcn Sinnes liegt. Unsre stärkste Partei, da- Zentrum, verdient von römischer Seite das Lob, ultramontaner zu sein, als jede andere katholische Partei der ganzen Welt; die deutsche Sozialdemokratie darf sich rühmen, internationaler, d. h. vaterlandsloser, al« die ganze übrige Genossenschaft zu sein. Und nach dem Grade, in dem sie von einer von beiden Parteien Unterstützung erlangen zu müssen glauben, richten die meisten anderen Parteigebilde nicht nur ihre Taktik, sondern vielfach auch ihr politisches Programm ein. Die Konservativen, beson der« in Preußen, brauchen Zcntrumshülfe und bezahlen sic mit Klerikalisterung ihre« Programm«. Die beiden Spielarten des Freisinns, in den wichtigsten nationalen Fragen uneins, geraten in gleichem Maße immer tiefer in die Abhängigkeit von den „Genoffen". Welfen und Polen, dann und wann mit dem Zentrum im Streite, leisten ihm dennoch im Reichs tage bei bedeutungsvollen Anlässen Gefolgschaft. Wie soll und kann also deutsch-nationaler Sinn den Ausschlag da geben, wo er allein ohne jede Nebenrücksicht auf klerikale oder sozialdemokratische Gunst und Hülfe zur Geltung kommen müßte? Und was geschieht von oben, um dieses Elend zu bessern? Bei den letzten Reichstagswahlen kam von da die Parole, die ultramontan« Natur des Zentrum« zu ignorieren. Wie viele starke nationale Kräfte wurden dadurch lahmgelegt! Das Zentrum kam infolgedessen in alter Stärke wieder und half zugleich die sozialdemokratische Partei verstärken, wie zum Hohn auf di« ihm von oben zugeschriebene echt natio nale Eigenschaft. Aber freilich, der führende deutsche Staat, dem schon Bismarck partikularistische Neigungen nicht ab sprechen konnte, treibt schon seit längerer Zeit in einer der wichtigsten Fragen eine Partikularpolitik, welch« die meisten anderen Staaten zu unterstützen sich nicht entschließen können und zu d«r die Hülfe de« Zentrum« deshalb doppelt nötig ist. Tritt nun im Reiche der Zwiespalt zwischen den einzel staatlichen Regierung«» zugliich mit d«r Bülowschen Zentrums freundlichkeit zu Tage und macht sich zugleich die Abhängig keit der meisten Parteien vom Zentrum einerseits und der Sozialdemokratie anderseits so bemerklich wie man erwarten muß, so werden die Deutschösterreichrr all« Ursache haben, über uns zu spotten und uns zu fragen, wie lange e« dauer« werde, bis wir un« gleich ihnen aufraffen werden. Daß unter solchen Umständen unsere Sozialdemo kratie es sich erlauben darf, schwarze Wäsch« im eigenen Hause zu waschen, ist selbstverständlich. Tie braucht nicht zu fürchten, etwa« an Einfluß und Stärke «inzubsiße», wenn auf dem Dres dener Parteitage die Bebel und Auer, die Dinger und Volk mar einander mit dem Tölkeknüppel zu überzeugen suchen, ob e« recht oder nicht recht sei, wegen der Vizepräst- dentschaft im Reichstage eine Konzession an die monarchische Tradition zu machen- Der unterlegen» Teil kann und wird sich darauf beruf«», daß er nicht von der verdammten Bourgeoisie, sonder» von Freunde» und Genossen geschlagen ober vielmehr überzeugt worden sei und daß ein vom Freunde empfangener Schlag nicht schm»rz«. I» dieser Hinsicht haben uns»« Soziald«m»krat«n etwas mit d«n Deutschösterrrichern gemein; auch diese vergessen alte Streitigkeiten, wenn e« ein gemeinsame« Ziel zu erreichen gilt. Auch das deutsche Bürgertum wird das noch lernen müssen und wird e« hoffent lich lernen, ohne durch die harte Schule gehen zu müssen, durch welche die von der Reichseinheit ausgeschlossenen Deutschösterreicher gehen mußten. UmwiilMg auf -em Gebiete des Lchiffvma chuienbaus. Die Nachricht, baß der Schnelldampfer „Deutschland" auf seiner letzten Reise vom Kanal nach Skew Aork eine DurchschnittSgeschwindigkeit von 23,15 Seemeilen entwickelt und damit die kürzeste Fahrt- daioer gehabt hat, die bisher auf der nordatlantischen Strecke erreicht wurde, ist natürlich in England mit ge- mischten Gefühlen ausgenommen worden. Man kann sich dort, will man ehrlich urteilen, der Tatsache nicht ver schließen, daß die deutschen Lchissstngenteure tüchtiger, di« deutschen Werften leistungsfähiger sind als die Schiffs bauer und -Bauvlätzc des eigenen Landes. Unter den Vorzügen, welche die erstklassigen Schiffe der deutschen Handelsmarine auszeichnen, stehen in erster Linie ihre kurze Baupcriode, die Gediegenheit ihrer inneren Ein richtung, ihre überlegene Schnelligkeit und die dadurch gewährleistete höhere Sicherheit und Annehmlichkeit der Seereise. In England hat man hohe Summen daran ge wendet, um der jungen deutschen Handelsmarine auf diesem Wege zu folgen. Eine der Bedingungen, unter denen der Eu narb-Li nie anläßlich des Abschlusses des nvrdatlantischcn Schiffahrtssyndikats eine Staatssub- ventton von 60 Mill. Mark jährlich gewährt wurde, war der sofort zu beginnende Bau von zwei Schnelldampfern mit mindestens 25 knoten Fahrtleistung. Bisher hat sich aber kein englischer Schfffsbauer ge funden, der den Austrag übernehmen wollte. Nunmehr will man den Versuch machen, Turbinen-Maschlnen auf den in der nordatlantischen Fahrt beschäftigten Schiffen zu installieren, in der Hoffnung, auf diese Weise den Wünschen der Regierung Nachkommen zu können. Wie der Glas gower Korrespondent der „Central News" berichtet, steht die Cunard-Gesellschaft mit einigen englischen und einigen deutschen Schiffsbaufirmcn betreffs Anwen dung eines Turbinen-Typs auf den vertrags mäßig zu erbauenden neuen Schnelldampfern in Unter handlung, indessen ist es, obwohl die Turbinenanlage neben einer beträchtlichen Raumersparnis auch eine Ge wichtsersparnis von nahezu 3000 Tons ermöglichen soll, zu einer Entscheidung noch nicht gekommen. Diese Projekte und Versuche sind auch nach der finanziellen Seite hin nicht bedeutungslos. Was an Raum und Gewicht gespart wird, kann für Transportzwccke ausgenutzt wer den; außerdem soll ein geringerer Verbrauch an Feuc- rungSmaterial, Beschränkung der Bunkerräume und, was das Wichtigste ist und die hohe verkehrswtrtschaft- liche Bedeutung des neuen Systems besonders qsis Licht setzt, eine wesentlich höhere Fahrtleistung erzielt werben. In einem Kreise hervorragender britischer Schiffs ingenieure wurde kürzlich ein Turbinensyftem ameri kanischer Erfindung vorgcführt, das nach dem Urteile der anwesenden Sachverständigen geeignet erscheint, eine Umwälzung auf -em Gebiete des Dchiffsmaschtnenbaues hcrbctzuführen. Es wird behauptet, daß die mit dem fraglichen Turbinensystem ausgerüsteten Dampfer eine Fahrtleistung von 28 bis 80 Knoten in der Stunde, also ca. 5 bis 6 Knoten mehr als die jetzige Höchstleistung, er zielen könnten. Was eine solche Steigerung der Schnellig- hcit, abgckehen von den enormen verkehrswirtschaftlichen Vorteilen, in technischer Beziehung bedeuten würde, läßt sich ermessen, wenn man berücksichtigt, daß eine L» Höhung der Fahrtleistung von 18 auf 28 Knoten in der Stunde aus Grund der gegenwärtig im Gebrauch befind lichen Maschinensysteme eine Maschinenanlage mit genau doppelt so großer Zahl der Pferdestärken voraussetzt. Außerdem haben neuerdings in England eingehende Probefahrten mit dem Turbinendanrpfer „Brigthon" stattgesunden, wobei allerdings eine Höchstleistung von nur 20 Seemeilen in der Stunde erzielt wurde. Es bleibt abzuwarten, ob die Versuche mit den neuesten Turbinen systemen bessere Erfolge haben werden; ist dies wirklich der Fall, so wird man auch in Deutschland, wo eine große Reederei bereits mit der Erprobung von Turbinen auf Seebampfern beschäftigt sein soll, der Lösung dieser Frage nähertreten müssen, die, wie die bisherigen Versuche in England zeigen, eine große Bedeutung für die künftige Gestaltung des Seevcrkehrswesens gewinnen kann. Deutsches Reich. * Lechzt^, 12. September. Al» Entgegnung auf unsere Notiz, betreffend die „Angeberei" unter den sozialdemokrati schen „Genoffen", bringt die „Leipziger Volkszeitung" eine Einsendung des „Genossen" Thi«mr selbst, der in der Quittung über Beiträge für den Crimmitschauer Weberstreik al- ein „Nichtgeber" hervorgehobin worden war. Diese Ein endung besagt folgende«: l) Genosse Thieme hat früher elbst Sammlungen eingericht«t; 2) entstanden« Differenzen ;aben zu einer „Zurückhaltung seiner Person" Anlaß gegeben; 3) da« Bekanntwerden dieser „Zurückhaltung seinrr Person" lag in seinem eigenen Sinne; 4; di» in der Quittung gewählt« Form war aber ung«schickt; b) die Quittung, bez. die in dirser ausgestellten Behauptung, beruhte auf Unwahr heit, denn in dem quittierten Betrage war Thiemes Beitrag mit enthalten. „Genoss," Thieme asibt also selbst zu, daß di« Quittung, aus der wir unfern Schluß gezogen, auf Un Wahrheit beruhte und daß ferner die Form, in der die Quittung aus die „Zurückhaltung seiner Person" anspieltr, ungeschickt und also irreführend war. Trotzdem entrüstet er und entrüstet sich die viedere „Leipz. Volksztg." nicht über di« Ausstell«« d«r falsch«» u»d irreführenden Quittung, sondern über die Schlechtigkeit des „Leipz. Tagebl.", das die falsche und irreführende Quittung für richtig hielt: Sozial demokratische Klaffenmoral! , -i- Berlin, 12. September. (Die Merseburger Kaiserredeund daswürttembergischeZen« truni.) Während bayerische Zentrumsorgane durch die Merseburger Kaiserrede sich zum Teil so verletzt fühlen, daß sie schmerzerfüllt vor Beiträgen zur Silberhochzeitsspende für das Kaiscrpaar warnen, pflichtet das württem bergische Zentrumsorgan der ent gegengesetzten Auffassung der klerikalen ,Köln. Volksztg." bei. „Wir mäkeln .... gar nicht an dem Kaiserwort von Merseburg" erklärt das Stuttgarter Zentrumsblatt und fährt dann fort: „Der Kaiser ist . . . nur seiner protestan tischen Ueberzcugung und der Glaubensrichtung des protestantischen Volksteiles und dem, was dieser hochhält, gerecht geworden. Ebenso ist er aber in seinem Merse burger Toast auch dem katholischen Volksteile und dem, was dieser hochhält, gerecht geworden, indem er auf die -eilige Elisabeth hinweist, „eine der herrlichsten deutschen Frauen, die je den Kranz der deutschen Frauen geziert"!" — Mit dieser Beurteilung hält sich das offizielle Organ der mürttembergischen Zentrumöpartei von jedem Mäkeln an der Merseburger Kaiserrede in der Hauptsache frei. Einen ccht^eachtenswerten Vorbehalt aber macht es doch, indem cs nicht Luther als den „größten deutschen Mann" gelten läßt, sondern bekennt: „Uns kommt BtSmarck als deutscher Mann weit größer vor, denn Luther." — Schade, daß bas Stuttgarter Zentrumsblatt mit seinem Bekentnis nicht hervortrat, als die klerikal- frersinnig-sozialdemokratisch-melfisck-polnische Reichstags mehrheit dem Fürsten Bismarck Glückwunsch und Grub zirm 80. Geburtstage verweigerte! Auch nacksiräglich in dessen kann jene« Bekenntnis zum „größten deutschen Mann" als ein sehr guter Maßstab dafür dienen, wie klein insbesondere die klerikalen Glückwunschverweigerer gewesen sind. 6. 8. Berlin, 12. September. Ueber die anarchistische Bewegung ist m letzter Zeit nur wenig in die Oeffentlich- keit gedrungen, aber leider läßt sich nicht behaupten, daß sie zurückgeganaen sei. Sie ist im Gegenteil zur Zeit ziemlich intensiv. Der Verein der freiheitlichen Sozialisten ^Anarchisten) hält regelmäßig gut besuchte Versammlungen ab, am näwsten Dienstag wird der bekannte Schriftsteller A. Brand „über Staatsanwalt und Justizminister" sprechen. DaS Anarchisten organ „Neues Leben" konnte, da die Abonnementsgelder prompt eingingen, jede Woche erscheinen; es soll über 5000 Abonnenten baben, von denen freilich die größere Hälfte nicht anarchistisch ge sinnt sein dürfte. Äußer diesem Blatte wird jetzt eine neue Zeitschrift für den individualistischen Anarchismus von einem Herrn Otten in Hamburg herauögegeben; sie erscheint laut Ankündigung „wann sie kann". Die Zuversicht unserer Anarchisten wird besonders belebt durch das Anschwellen der anarchistischen Bewegung in Rußland. „Im Verlaufe weniger Jahre ist das Zarenreich, von dem Kaiser Nicolaus I. sagte, daß es das einzige Land der Welt sei, das gegen Revolutionen stets gefeit bleiben würde, zu einem einzigen ungeheuren Herde der Revolution geworden", erklärt freude strahlend das Anarchistenorgan. Unausgesetzt fordert dieses die anarchistische Genossen aus, sür den Generalstreik tätig zu sein. Zwar sind auch die Anarchisten davon über zeugt, daß der Generalstreik mißglücken könne; das Blatt gesteht selbst zu, „daß die von Tag zu Tag sich mehrenden Generalstreiks bisher nur aeringe Erfolge gehabt haben". Da aber das Organ der Uebrrzeugung ist, daß durch die Generalstreiks die Erkenntnis von der Notwendigkeit, die ökonomische Grundlage der bestehenden Gesellschafts ordnung umrugestalten, in immer weitere Kreise dringe, so soll dieses Mittel unausgesetzt angewandt werden. ,,Es ist daher die Aufgabe aller deutschen Genossen und derjenigen, die den sozialen Generalstreik als Mittel zur Befreiung der Arbeiter aus dem Joche des Kapitalismus erkannt haben, unablässig, vor allem in den Gewerkschaftsorgani sationen, für die Ausbreitung und Entwickelung dieser ge waltigen Ädee zu agitieren." Und leider wird dieser Auf forderung mit dem größten Eifer und mit wachsendem Erfolge entsprochen. Der Anarchismus gewinnt immer mehr Macht in den Gewerkschaftsorganisationen, die den Anarchisten einen Ehrenposten nach dem andern, eine Vertrauensstellung nach der anderen einräumen. Darauf kann nicht oft und nicht ein dringlich genug hingewiesen werden. * Berlin, 12. September. (Heimstätten für ledige Krauen.) In Charlottenburg ist man jüngst der wiederholt angeregten Idee der Errich tung von sogenannten Ledigheimen praktisch näher getreten. Es sollen dort zur Bekämpfung des Schlaf- stellemvesens solche Heime auf genossenschaftlicher Grund lage erbaut werden; die Stadt Charlottenburg hat sich bereit erklärt, sich in der Weise dabei zu beteiligen, daß sie der Gesellschaft entweder ein Grundstück kostenlos zur Verfügung stellt, oder eS gegen billigen Pachtzins in Erb» baupacht überläßt. DaS „Berl. Tagebl." empfiehlt nun den Berliner Dtadtvätcrn, dem Beispiele der Charlotten, burger zu folgen, und entwirft von -en Zuständen, unter denen jetzt namentlich die alleinstehende ledige Krauen« welt leidet, folgendes Bild: Kür Berlin ist die Wohnungs- frage, soweit billige kleine Wohnungen in Betracht kommen, eine Lebensfrage. Und nickt nur die Zehn- tausende mittlerer und kleiner Familien, die jetzt schon ihren Blick nach den Vororten richten, haben ein vitale» Interesse an ihrer befriedigenden Lösung, auch bi« Hunderttausend«! Unverheirateter beiderlei Ge. schlecht», die in sogenannter Aftermiete zu wohnen gezwungen sind, werden davon betroffen. Die Zustände auf diesem Gebiete fangen an, unhaltbar zu werden, da die Mietpreise immer höher, die Zahl der Vermieter immer geringer wird. Kür die alleinstehende ledige Frauenwelt, namentlich sür die honette, bildet die Woh nungsfrage längst eine stetig wachsende Torge. Die Er. sahrung lehrt, daß die Tuche nach einem „möblierten Zimmer" für sittlich etnwandssrei lebende Mädchen nicht nur eine physisch schvt«rige Dach« tft, sondern auch «in«
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