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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030916016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903091601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903091601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-16
- Monat1903-09
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Die neuen schwersten Kaliber der Marine- und der Landartillerie und die von dem jüngst verewigten groben belgischen Kriegöbauineislcr Br! almont der Ausrüstung -er Kriegsschiffe entlehn ten und auf die Landbesestignngen übertragenen Panzer türme, die Citadellen der Schlachtschiffe und in gewissem Sinne auch der Landbofestigungen, sind die mächtigsten Produkte jener Technik. Da Panzertürme aber nur in Festungen, Sperrforts, Küstenbefestigungen und auf Kriegsschiffen Verwendung finden können, so ist der Feld krieg genötigt, zu den leichteren und weniger starken Schutzmitteln für die befestigten Feldstellungen zu greifen, die bei Plewna ihre Triumphe feierten und deren An wendung in künftigen Kriegen weit häufiger als bisher sein wird. Die Herstellung genügender Deckungen gegen die im heutigen Feldkriege wieder zur Verwendung gelangenden Steilfeucrgeschüve bildet daher ebenfalls eine Aufgabe der neuesten Kriegstechnik, und während vor kurzem die französische Marine ihre Panzertürme durch eine Ernstbeschietzung erprobte, fand unlängst eine Erprobung der 15 Eentimetcr-Haubitzen des öster reichisch-ungarischen Heeres in Galizien und einer eigens für diesen Zweck errichteten neuen Art von Befestigungsanlagen bei Neumarkt unweit der hohen Tatra statt. Der in den Fachkreisen mit Spannung erwartete Scharfschießversnch mit eitlem Geschütze des „Massen«" gegen einen Panzerturm des Schlachtschiffs „Suffren" am 20. v. Mts. bei Brest hat noch iveit mehr als frühere Versuche in anderen Marinen, wie z. B. der englischen, gegen alte Schifssrümpfe usw. die allgemeine Aufmerksam keit erregt. Handelte es sich doch bei ihn, darum, den Zweifel, den man aus französischen Fachkreisen heraus beim Marineminister Pelletan erregt hatte, zu zer streuen, ob die Panzertnvme der französischen Flotte nicht mangelhafte Maschinen seien, die den in ihnen postierten Geschützen einen nur illusorischen Schutz gegen Volltreffer heutiger großer Schifssgranaten zu gewähren vermöchten. Der „Suffren" ist ebenso wie der „Massena" ein Schlacht schiff I. Klasse und ein neues Schiff von 12 730 Tonnen, mit Stapellauf von 1899 und einem Panzerschutz von 30,5 Contimeter für seine schwere Artillerie, von der zwei 30,5 Centimeter-Geschüve in seinem beschossenen Panzer turm standen. Der „Massen«" von 1895 deplaziert 12 320 Tonnen und seine beiden schwersten Geschütze, von denen das eine zu dem Schiebversuche benutzt wurde, sind 30,5 Centimeter-Geschütze. Es standen somit bei dem Versuch einer der stärkeren schweren Kaliber der französischen Marine, jedoch weder der stärkste Panzer ihrer schweren Artillerie, noch ihre stärksten Kaliber einander gegenüber. Wäre nun dcrPanzerturm des„Suffren"durchfchlagen,oder nHrewenigstens, wie die wbfälligenKrittker derPauzertürme vermuteten, sein Beweguimsmechaniömus so beschädigt morden, dab er nicht mehr richtig funktionierte, so märe die Ueberlegenheit schiverer Schiffskaliber und solche? von Küstenbefestigungen über die Panzertürme der fran- zösischenFlotte festgestellt gewesen, ihrePanzertürme wären entwertet und dem französischen Kriegsbudget wären ge- maltige, sich auf Millionen beziffernde Kosten für den Ersatz «durch genügend starke Panzertürme erwachsen. Und wären die beiden im Turme befindlichen Hammel durch -en Anprall der Geschosse schwer betäubt oder ge tötet worden, so wäre die dringende Aufforderung zurHer- itellung besonderer Schutzmabregcln für die Bedienungs mannschaft in den Panzcrtürmen entstanden. Die Genugtuung, mit der französische Fachkreise und der Marineminister selbst das Ergebnis -er Beschießung begrüßten, ist daher wohl begreiflich. Allerdings erklären selbst französische offiziöse Stimmen, es sei noch etwas ver früht, sich endgültig über das Eraobnis auszusprechen, und tatsächlich ist es in zwei Richtungen nicht völlig klar. Denn wenn auch der Einwand der französischen Offiziösen, erst nach einer langen und sorgfältigen Untersuchung lasse sich feststellen, ob irgend ein mehr oder weniger wichtiges Organ deS so komplizierten Mechanismus eines heutigen Kriegsschiffes nicht durch den Anprall der Granaten am Turme gelitten habe, nicht erheblich ins Gewicht fällt, so muß doch der Umstand, dab nicht der Panzerturm des „Suffren" selbst, sondern ein auf ihm angebrachtes, dem seintgen völlig gleiches, nach anderen Angaben etwas schwächer konstruiertes Panzerwandstück beschaffen wurde und dabei zwei sehr beträchtliche Riffe und mehrere kleine Sprünge erhielt, sowie dab nur zwei Schüsse als Treffer auf dies Panzerziel abgegeben wurden, dem Versuche den Charakter eines endgültig abschließenden nehmen. Denn einerseits hatte die doppelte Lchutzwand des Panzerturms an der beschossenen Stelle offenbar größere Widerstands fähigkeit, und anderseits hätten vielleicht nvch einige das Panzerziel treffende Schliffe die bereits gesprungene Scheibe völlig zerstören können. Das strenge Geheimnis, mit dem man den Schiebversuch zu umgeben bemüht war, indem man keine Berichterstatter der Presse -ulietz, ver hinderte nicht, -aß bald darauf sowohl von der französischen Presse selbst, wie von der auswärtigen Presse der Vorgang und seine Resultate eingehend mitgeteilt wurden. Der „Massena" lag bei dem Versuch« 150 Meter, nach einer anderen, weniger glaubhaften Angabe nur 80 Meter vom „Suffren" entfernt in einer Ecke der Reede von Brest bei der Insel Logue und gut gegen Südwcstwind ge schützt. Die beiden Schiffe lagen mit dem Heck und dem Bug einander gegenüber, so -ab das Zielen und Feuern des Geschützes des „Massena" wie im Gefecht erfolgen konnte. Seine Pulverladung war jedoch derart bemessen, daß seine Geschosse dieselbe lebendige Kraft beim Einschlagen er hielten, als wenn die Beschießung auf die Gefechtsentfer- nnngen von 800—1000 Meter erfolgt wäre. Das Feuer begann um 9 Uhr 54 Min. morgens uns regelte sich mit 3 Schlissen auf eine quadratische, mit weißen Linien und einem schwarzen Kreuz in der Mitte versehene Scheibe, die das eigentliche Ziel, die doppelt am Panzerturm an gebrachte Panzerwand, unmittelbar überragte. Die ersten beiden Schüsse auf diese Panzerwand gingen fehl,' erst der dritte traf die Panzerplatte rechts über der Horizontale. Er krepierte und die Platte wurde von oben nach unten in fast vertikaler Linie durch einen lEcntiineter breiten Riß gespalten. Allein der Turm funktionierte ohne Schwierig keit weiter und keiner seiner elektrischen, hydraulischen und telephonischen Apparate wurde unterbrochen und alles in seinem Innern blieb unversehrt. Nachmittags 4 Uhr erfolgte ein zweiter Treffer, der die vom ersten Treffer herrührende Spalte auf 6 bis 7 Centimeter er weiterte und den linksseitigen Teil des Panzerwandstücks einige Centimeter von dem Panzer -es „Suffren" ablöste. Bei diesem Schusse war die Einschlagsgeschwinöigkeit von 500 auf 000 Meter gesteigert worden. Allein der Panzer turm funktionierte ebenso wie nach dem ersten Schüsse und zeigte in jeder Hinsicht dasselbe Verhalten. Mehrere Sprcngstücke flogen nach dem „Massena" und havarierten ihn leicht an 4—5 Stellen. Ein Pariser Blatt berichtete zioar, daß zwei -er Montierungen im Turn: infolge Bruchs einiger Teile außer Tätigkeit gesetzt worden sein, aber diese Meldung ist neuerdings dementiert worden. Zunächst fordert hiernach der interessante Brester Ver such trotz oder infolge einiger Unklarheiten seines Resul tates zur Wiederholung und Nachahmung bei anderen Flotten airf; auch soll seine Wiederholung bereits vom französischen Marineminister beabsichtigt sein. Denn die Verhältnisse und die Bedingungen der Panzer-Anschuß proben der Schießplätze dürften sich mit denen der Kriegs schiffe selbst nicht völlig decken. Immerhin scheint bis jetzt in dem Wettstreite zwischen Schiffsartillerie und Nickel- stahlpanzerung die letztere, ungeachtet der mannig fachen Verbesserungen der Geschosse und der Munition der schweren Schiffsgeschütze, Sieger geblieben zu sein. Denn der französische Minister hat, wie berichtet wird, eine beträchtliche Anzahl der Kategorie der beschoffenen Panzertürme bei den Werken von St. Chamond bestellt. Dem Brester Versuche hat sich vom 24. bis zum 26. v. M. in Oesterreich-Ungarn die Erprobung der 15 Centimeter-Haubitzen und ihrer Ekrasitgeschosse gegen «ine neue Befestigungsbauart angeschloffen und ist somit auch hier der Wettkampf zwischen materieller Deckung und Geschütz wieder entbrannt. Die in neuester Zeit bei allen großen Armeen in die Feldartillerie wieder eingeführten Haubitzen verfolgen den doppelten Zweck, durch ihr Steilfeuer Truppcnansammlungen usw. hinter Deckungen gegen den direkten Schuh zu erreichen und anderseits schwächere und stärkere materielle Deckungen des Gegners durch dieses Feuer zu zerstören. Die Haubitzen treten daher in einem leichten und in einem schweren Kaliber auf, um auch Befestigungen, wie namentlich Sperrforts und permanente Brückendeckungen oder verschanzte Feldstellungen usw., gleich beim ersten Vormarsch der Armeen überwältigen zu können. Bet den österreichischen Versuchen in Galizien wurde, da der übliche Zicgclbau mit Zement sich nicht bewährt hat, eine aus Steinen und Eisenschienen, die mit Erde überdeckt ivaren, 8 Kilometer von Neumarkt, 600 Meter über dem Meeresspiegel errichtete Feldbefestigung beschaffen, um sowohl die Leistungsfähigkeit der 15 Centimeter- Haubitzen und ihrer Ekrasitgeschofle, als auch die Wider standsfähigkeit jener neuen Befestigungsart zu erproben. Diese Befestigung, die von einer Pionierabteilung von 410 Mann hergestellt war, machte nach außen den Ein druck einer großen Erderhöhung. Die Erdschicht hatte, wie wir hinzufügen, den doppelten Zweck, die Geschosse der Haubitzen zum baldigen Krepieren zu bringen, sodaß ihre Hauptkraft nicht gegen die eigentliche Deckung, im vorliegenden Kalle die Eisenschtenen und das Mauer- werk, wirkte, wie anderseits auch dem Feuer der Haubitzen ein möglichst wenig markiertes Ziel zu bieten. Die Haubitzen feuerten mit den neu konstruierten Ekrasit- geschossen aus einer Entfernung von 7 Kilometer Luft linie. Die Beschießung lieferte, trotz des un günstigen Wetters, ausgezeichnete Resultate. Di« Ekrasitgeschosse der 15 Zentimeter-Haubitzen wirkten minenartig, erzeugten trichterartige tiefe Gruben und zerstörten die drei Meter starke, durch Eisen bahnschienen und Steine verstärkte Erddecke der Befestigung vollständig. Die neue österreichisch-unga rische 10 Centimeter-Feldhaubitze gelangte bei der Be schießung nicht zur Erprobung, wie irrtümlich berichtet wurde. Somit siegte in diesem Falle das Geschütz und nicht die materielle Deckung. So stehen bis jetzt die Panzertürme als einziges materielles Deckungsmittel da, das noch als unverwundbar gelten kann, obgleich ihnen durch die beständige Verbesserung der Geschosse und ihrer Ladung, sowie durch die Zunahme der Geschütz kaliber in nicht ferner Zeit das Unterliegen droht. Deutsches Reich. * Leipzig, 15. September. Auswärtige Blätter beschäftigen sich fortgesetzt mit kem Nachfolger des ReichSgerichtSprasi- denten ör. von Oehlschlaeger, Excellenz. Wir haben schon vor kurzem ausgefiihrt, daß alle Angaben in der Presse darüber auf Kombination beruhen. Jetzt wird in einem Berliner Blatte, das ebenfalls in Mutmaßungen über den Nachfolger des Präsidenten sich ergeht, gesagt, daß das uner wartete Erscheinen deS Königs Georg in der Wohnung des Präsidenten vor einigen Monaten diesen in nicht geringe Aufregung versetzt habe, als deren Folge eine Verschlimme rung im Befinden des Reichsgerichtspräsidenten angesehen werde. Hierzu können wir mitteilen, daß der Besuch des Königs und die Erkrankung des Präsidenten in keinem ursächlichen Zusammenhänge mit einander stehen. * Leipzig, 15. September. Für die 56. Hauptversamm lung des Evangelischen Vereins der Gustav Adolf- Stiftung vom 5. bis 9. Oktober zu Hamburg ist jetzt die Festordnung ausgegeben worden, aus der zu entnehmen ist: Montag, 5. Oktober: Beratung des Zentral-Vorftandes, abends Versammlung zu gegenseitiger Begrüßung. Dienstag, 6. Oktober: vormittags Beratung des Zentral-Vorstandes, nachmittags nichtöffentliche Versammlung der Abgeord neten, abends öffentliche volkstümliche Versammlungen der Mitglieder und Freunde des Gustav Adolf-Vereins. Mittw och, 7. Oktober: mittags erste öffentliche Hauptversammlung im Konventgarten. lDamcn haben Zutritt.) Ueberreichung der Festgaben. Abends öffentliche volkstümliche Versammlungen der Mitglieder und Freunde des Gustav Adolf-Vereins. Donners tag, 8. Oktober: vormittags zweite öffentliche Haupt versammlung im Konventgarten. (Damen haben Zutritt.) U. a. Wahl von 8 Mitgliedern des Zentral-Vorstandes an Stelle der mit dem 6. November 1903 ausscheidenden Herren: Geheimer Kirchenrat Professor v. Rietschel-Leipzig; Handels kammerpräsident Geheimer Kommerzienrat Zweiniger-Leipzig; Konsistorial-Präsident v. vr. Chalybäus-Kiel; Oberkonsistorialrat Superintendent O. Or Dibelius-Dresden; Generalsuperintendent v Hcsekiel-Posen; Archidiakonus Jakobi-Weimar; Lberkirchenrat Zäringer-Karlsruhe; Rittergutsbesitzer Rittmeister a. D. v. Knebel- Döberitz aus Rosenhöh in Pommern. Freitag, 9. Oktober, werden Fahrten stattfinden einerseits nach Cuxhaven und event. in See, anderseits nach Friedrichsruh. -7- Berlin, 15. September. (Neue Luxussteuer- Pläne^) Das offizielle bayerische Zentrumsorgan tritt dafür ein, daß die bayerischen Beamten Gehaltsaufbesserungen und Wohnungsgeldzuschusse erhalten, die aus neuen Luxus steuern aufzubringen seien. Das Münchener Zentrumsblatt denkt dabei an eine Steuer auf Automobile, Klaviere und Wohnungen über 1500 Es verlohnt (ich, diesen Steuerplänen der bayerischen Klerikalen einen kritischen Blick zu widmen. Was zunächst die Automobilsteuer anbelangt, so soll sie ,,100 oder mehrere 100 je nach dem Werte des Automobils" betragen, als besonderen Vorteil die Wirkung übend, daß „das Volk mehr als bisher vor den Folgen des Automobilistenwahnsinns geschützt werde". Offenbar schwebte den Urhebern dieses Steuerplanes die Wagensteuer vor, die beute noch in Frankreich und in England besteht. Soll eine ihr ähnliche staatliche Äutomobilsteuer einen nennenswerten Ertrag bringen, so wird sie ziemlich doch sein müssen. Je hoher sie aber ist, um so mehr fällt der Gesichts punkt in die Wagschale, daß die Automobilindustrie, deren volkswirtschaftliche^ Bedeutung nicht verkannt werden darf, einer erheblichen Schädigung ausgesetzt würde. Dem bayerischen Zentrumsblatte freilich ist die Einschränkung der Produktion auf dem Gebiete der Automobilindustrie „im Interesse der öffentlichen Sicherheit" keineswegs unwill kommen. Fraglich bleibt jedoch, ob eine Äutomobilsteuer »ur Hebung der öffentlichen Sicherheit beizutraaen vermöchte. Vielleicht könnte im Gegenteil gerade die Automobilsteuer den Automobilbesitzern die Vorstellung erwecken, daß sie durch Entrichtung der Steuer ein Privilegium auf Rücksichtslosig keit erworben hätten. UeberdieS muß man sich daran er innern, wie bäufia die öffentliche Sicherheit durch da» überschnelle Fahren anderer Wagen gefährdet ist. Hier durch eine Steuer die „ausgleichende Gerechtig keit" wirksam werden zu lasten, könnte von den Automobil besitzern nicht ohne Grund gefordert werden. Wenn man deshalb dem Gedanken einer staatlichen Automobilsteuer skeptisch gegenübersteben darf, so gilt da» Gleiche von einer Luxussteuer auf Wohnungen, die mehr als 1500 Miete kosten. Die Erfinder dieser staatlichen Wohnung» LuxnSsteuer setzt sich über die Verschiedenartigkeit de» DobnungS- aufwandes hinweg, wie sie nach Städten und Orten tatsächlich in ausgeprägtester Form besteht: man kann in Klein- und Mittelstädten für 1200 vergleichsweise eine viel „luxuriösere" Wohnung haben als in einer Großstadt für 1550 Außerdem werden die Ausgaben der Haus haltungsbudgets, wie der Nationalökonom Max v. Heckel im „Handwörterbuche der Staatswistenschaften" zutreffend betont, nicht allein durch die Emkommeuhohe und daher durch die Leistungsfähigkeit bestimmt, sondern auch durch andere Verhältnisse, zum Beispiel durch große Kinderzahl u. ä. Die Verschiedenartigkeit des Woh nungsaufwandes nach Städten und Orten würde eine Luxussteuer auf Wohnungen über 1500 allenfalls als Gemeindesteuer gerechtfertigt erscheinen lassen, nicht aber als eine staatliche Steuer. Die Klaviersteuer, die das Münchener Zentrumsorgan noch in Vorschlag bringt und aus 6 jährlich festgesetzt wissen wist, wirb manchem sympathisch sein, der unter dem Uebermaß desKlavierpaukenS gelitten hat. Zu bedenken jedoch bleibt bei dieser Steuer, daß sie vorzugsweise den Mittelstand be lasten würde und als staatliche Steuer einen erheblichen Er trag gleichfalls nicht einbrinaen könnte. Die Vereinigten Staaten hatten nach einer Angabe Karl Mamroths im „Handwörterbuche der Staatswissenschaften" von 1864 bis 1866 eine Klaviersteuer, die einen ziemlich geringen Ertrag brachte und überdies lästige Kontrollmaßregelu mit sich führte. Alles in allem sind die Vorschläge des bayerischen Zentrums organs um so weniger verlockend, als sie eine Steuerart, die mit Nutzen nur von der Gemeinde verwertet werden kann, vom Staate angewandt sehen will. F. Berlin, 15. September. (Die Handwerker versicherungsfrage und das Manche st er- t u m.) Bekanntlich haben sowohl der Verband der deut schen Ge werSevereine, wie der Handwerks und G e w e r b ek a m m e r t a g sich für die Einführung der obligatorischen Invalidenversiche rung für alle selbständigen Handwerker ausgesprochen. Die „Freisinnige Zeitung" erblickt darin das Hinabglelten auf einem abschüssigen Wege, der zum Sozialismus führe, und ruft voll Schrecken auS: ,Luletzt gelangen wir alsdann dahin, alle Volkskretse zu Reichs. Pensionären heranzuziehen." — So wett sind wir eines Teiles nvch lange nicht, andern Teiles dürften devartiae Aussichten für viele nichts Fürchterliches mehr bedeuten. Die Gründe der „Freisinnigen Zeitung" gegen die Ein- führung einer obligatorischen Invalidenversicherung der selbständigen Handwerker sind nicht stichhaltiger, als ihre allgemeinen Exklamationen. Das Richtersche Organ beruft sich zunächst darauf, -aß die selbständigen Handwerker von dem gesetzmäßigen Recht, sich freiwillig an -er Invaliden versicherung zu beteiligen, nur einen schwachen Gebrauch gemacht haben. Damit aber ist die Ueberslüfffgkeit der Handwerker-Invalidenversicherung nicht erwiesen; denn die Tatsachen haben längst gelehrt, daß in Deutschland dem Grundsätze der Freiwilligkeit in der Versicherung der minder wohlhabenden Klassenkretse keine Erfolge be- schieden sind. Die „Freisinnige Ztg." verlangt von dem selbständigen Handwerker, er soll überflüssiges Geld in eigene Geschäft stecken, anstatt es auf die Reichsversiche rungsanstalten zu tragen. Bon solchen Ratschlägen konnten die Handwerker längst Gebrauch machen, haben aber trotzdem nicht verhindert, baß von den rund 1,3 Millionen selbständigen Handwerkern in Deutschland etwa 7—800 000 unter 1800 Einkommen halben. Die Auffassung der „Freisinnigen Ztg." „der Meister . . . steht ganz anders da als -er Arbeiter", trifft also sür den größten Teil der Handwerker nicht zu. Natürlich über treibt das Richtersche Organ bet der Berechnung der Aus gabe, dte dem Reiche aus der Notwendigkeit, einen Zu schuß zur Handwerker-Invalidenversicherung zu leisten, erwachsen würde. Es spricht „von Dutzenden von Millio- nen", die beansprucht werden müßten. Ein hervorragen der Kenner der einschlägigen Verhältnisse, der Kieler Nationalökonom G. Adler, hat in seiner Schrift „Usber die Epochen der beutschvn Handwerkerpoltttk" (Jena, Gustav Fischer) einen jährlichen Zuschuß von 15 bis 20 Millionen Mark sür erforderlich erklärt, und auf ba- in Deutschland so gering ausgebildete System der Erb- schaftsfteuern zur Deckung jenes Betrage- hingewiesen. Widerspruchsvoll ist eS ferner, wenn die „Freisinnige Ztg." im Hinblick auf die Invalidenversicherung der Hand, werker einmal von der „Aufhebung der Verantwortlichkeit des Privaten" spricht, und bann geltend macht, daß -er Handwerksmeister „doppelte Beiträge" — als Arbeitgeber — zu zahlen haben würde, imd daß dem Mittelstände „in Millionen kleiner Partikelchen" Gelder entzogen werben würden. Dte Behauptung endlich, beim Handwerksmeister sei der Begriff Invalidität nicht feststellbar, ist grundlos. Wie in dieser Beziehung zu verfahren wäre, dafür ent halten die dem Münchener Handwerks- und Gewerbe- kammertage vorgelegten Leitsätze zum mindesten einen Fingerzeig, indem sie dauernde Erwerbsunfähigkeit 'In- Validität) dann annehmen, wenn der Versicherte nicht mehr im stände ist, ein Drittel dessen zu erwerben, was körper- lich und geistig gesunde Handwerker desselben Gewerbe- in derselben Gegend zu verdienen pflegen. 6. H. Berlin, 15. September. Die sozialdemo- kratische E t se n b a h n a r b eite rbe w e g u n g ist langsam, aber stetig im Wachsen begriffen; unausgesetzt vergrößert sich die Zabl der Städte, in denen der Verband Filialen hat. In den mitteldeutschen Industriezentren soll e» kaum noch einen Ort geben, der ohne geheime sozialdemokratische Eisenbahner-Organisation ist. Die sozialdemokratischen GewerkschaftSverbänbe, welch« ange- wiesen sind, die Sisenbahnarbeitcrbewegung mit allen Kräften zu fördern, sind dieser Anweisung überall nach- gekommen. Ein Aufruf deS sozialdemokratischen Eisen- bahnarbeiterverbanbeS solgt dem anderen, im letzten beißt e»: „Achtung, Eisenbahner Deutschland-! Was ist Eure oberste Pflicht? Die Organisation! Jeder Eisen- babner, der aus sein Ansehen bei der Verwaltung und auf sein öffentliches Renommee hält, jeder Eisenbahner, der gegen wirtschaftliche und soziale Nachteile sich, seine Familie und seinen Stand schützen will, schließe sich dem Verbände der Eisenbahner Deutschlands, Sitz Hamburg, als Etnzelmitglied an. Kollegen Deutschland»! Wer von
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