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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030917018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903091701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903091701
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-17
- Monat1903-09
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Freilich wird dieser Lohn in Be-ucg auf einzelne jetzt da and dort bemängelt, defonderS von nichtfach männischer Leite. Und das ist begreiflich; denn welcher Laie wäre im stände, eine so gewaltige Leistung, wie sie in diesem Jahre gefordert wurde, bis in alle Einzelheiten zu übersehen und das Verhältnis dieser Einzelheiten zum Ganzen richtig zu schätzen? Ein Trupponaufgebot von vier Armeekorps und zwei Kavalleriedivrsionen wie dies mal ist nur noch im Jahre 1897 aufgestellt worden; bei den ungeheuren Kosten kann man sich so etwas nicht alle Jahre leisten; aber dennoch muß es geschehen, um Führer und Truppen im Rahmen großer Armeen im Frieden kriegs mäßig ausbilden zu können. Diese Ausbildung birgt in Bezug auf Führung, Befehlsgebung, Verpflegung und Unterbringung, selbst im Biwak, so viele Schwierigkeiten in sich, daß sie zu einer zwingenden Notwendigkeit wird; denn im Kriege wird erfahrungsmähig nur das ver wendet, was im Frieden genügend geübt worden ist. Improvisationen sind nirgends so wenig am Platze, wie im Kriege. Die Ausbildung muß man naturgemäß nach den Leistungen beurteilen, und diese waren in hohem Maße zufriedenstellend, ja bisweilen hervorragend, was keineswegs ausschließt, daß bie und da einmal vor beigehauen wurde. Das ist aber nur wenig von Be lang; über jedes Lob erhaben waren aber die Marsch leistungen unserer braven Infanterie. Diese „Fuß latscher" können sich in der Tat sehen lasten und das Soldatenwort ist auf sie wohl anzuwendcn: „Der Sieg liegt in den Beinen". Aber der höhere Truppcnsührer muß diese Beine schon im Frieden kennen gelernt haben, sonst kann er sie nicht ausnutzen. Erst in -weiter Linie konrmt der Infanterist als Schütze an die Reihe, ivenn auch die Schlachten im modernen Kriege durch das Fenergefecht entschieden werden. Mit der vielgerühmten Boerentaktik ist eS aber doch nichts geworden, zumal sie ja für uns nichts Neues brachte und dünne Schützenlinien längst be kannt sind; zudem ist der deutsche Soldat kein Boer und Europa nicht Südafrika. Uebcr dieses Bocrcn-Jnter- mezzo sind wir also militärisch hinaus, es hat weiter keinen Schaben gestiftet und die erregten Gemüter haben sich beruhigt. * Das Feuergefecht wird aber nicht nur von der Infanterie, sondern auch von der Felda rtilleric geführt, welch« diesmal die Versuchtsbatterien mit den Rohrrücklaufgeschützcn ins Feld stellte. Diese Geschütze haben sich auch im Manöver dem Geschütz 96 überlegen gezeigt und ihre endgültige Einführung kann keinem Zweifel unterliegen. Auch ist keine Klage darüber ver lautbart, daß für die Artilleriemafsen in der Gcfechtslinie nicht Raum genug gewesen wäre; man wird daher wohl die Batterie zu sechs Geschützen beibehalten und nicht auf vier wie in Frankreich heruntergeheu. Große Leistungen hat auch die Kavallerie ausgcftthrt und die Reiterattacke bei Roßbach beweist, was wir an Kraft und Ausdauer von unserer Kavallerie erwarten können. Ob solche Attacken bei den heutigen Feuerwaffen wirklich un möglich sind, kann im Frieden nicht bewiesen werden; im Kriege spielt sich meist alles anders ab, und da ist auch bei dem schnellfeuernden und weitschießcnden Ehaflepot manche Attacke gegen französische Infanterie anno 1870 gelungen. In Zukunft wird es nicht viel anders sein und deshalb müssen diese Attacken unter allen Umständen ge übt werden, denn auch sic stecken voll technischer Schwierig keiten. Zu den genannten drei Hauptwaffen treten nun bie technischen Truppen hinzu, bei denen die Pionier« mit Brückenschlägen und Feldbefestigungen wie immer ihren Mann gestanden haben. Die Verkehrs truppen treten eigentlich nur beim Nachrichtenwesen hervor, denn für die Eisenbahner ist im friedlichen Scheinkricgc kein geeignetes Uebungsfeld vorhanden. Aber unser Nachrickstcnwescu ist nahezu vollkommen, vielleicht wird sogar des Guten zu viel getan. Winker flaggen, Luftballons, Drahttelegraphie, Fernsprecher, Funkentelcgraphie, Meldereiter, optische Telegraphie und Kriegshundc — man wird zugebcn, daß wir mit Mitteln für den militärischen Nachrichtendienst nicht zu knapp be dacht sind, und für alles müssen Spezialisten ausgebildet werden, da sich in diesen Dienstzwcigen schon gar nichts improvisieren läßt. Aber alle diese Truppen können nicht« leisten, wenn sie hungern müssen, und sic hängen oft ganz vom Train ab, der auch in stattlicher Maste vertreten war und mit seinen Proviantkolonncn der Zu fuhr aller Truppenbedürfnisie diente. Es will uns aber hohe Leit scheine«, daß der Trat« zu den versuchen mit den Lastautomobilen hinzugezogen wird, die keinesfalls die ausschließliche Domäne der Berkehrstruppen bleiben dürfen. Schließlich ist der Train eine ältere Verkehrs truppe alS Eisenbahner, Telegraphenleute und Luft schiffer, also gebe man ihm auch das, rvas ihin von Rechts wegen zukvnrmt. — Die Kaisermanöver haben jedenfalls gezeigt, daß die vom deutschen Volke für sein Heer aufgewendeten großen, fast übergroßen Mittel zur Sicherheit des Landes ausgenutzt worden sind, worin eine weitere Gewähr für die Erhaltung des Friedens liegt. Vie Mlaßrechnungen von 1517. In der „Deutsch-evangelischen Korrespondenz" waren bekanntlich Behauptungen über die Gründe aufgestellt worden, aus denen der bisherige Letter des Preußischen historischen Instituts in Rom, Professor Schulte, die von ihm in den Archiven des Vatikans vorgefundenen Ab- laßrechnungen vom Jahre 1517 der Veröffentlichung vor enthalten haben sollte. Es war behauptet worden, bei Schulte sei der Gelehrte mit dem Ultramontanen in Zwie spalt geraten und er habe die Angelegenheit dem Reichs kanzler telegraphisch vorgetragen, der mit der Weisung „Ignorieren" geantwortet habe. In der „Saale- Zeitung" war dann ergänzend gesagt worden, es sei richtig, daß Schulte wegen der Veröffentlichung beim Reichskanzler angefragt habe, und dieser habe, von Schultes Bedenklichkeit angesteckt, entschieden, daß bie Veröffentlichung vorläufig unterbleiben solle. Ein solches Eingreifen des Chefs der Reichsverwaltung würde, wie seinerzeit von uns bemerkt wurde, wenn cs auf Nach giebigkeit gegen den Ultramontanismus beruhte, eine un verkennbare politische Bedeutung gehabt haben. Wie nun der Telegraph bereits gemeldet hat, ist in dieser Ange legenheit soeben eine Veröffentlichung in einer dem preußischen Kultusministerium nah«stenden literarischen Zeitschrift erfolgt, die die Angelegenheit in ganz anderer Weise darstellt. Auch der ,Föln. Ztg." wird über den Fall in einer Weise berichtet, die mit der Darstellung der literarischen Zeitschrift übereinstimmt. Hiernach liegt die Sache folgendermaßen: Prvfeffor Schulte, der sich schon früher in seinen Forschungen mit der Geschichte des Hauses Fugger be schäftigt hatte, sand in den ihm zur Verfügung gestellten Archiven des Vatikans eingehende Auszeichnungen über die Vermittlerrolle, die das Haus Fugger in der ge nannten Angelegenheit gespielt hat. Die Auszeichnungen schienen ihm wissenschaftlich bedeutsam, und er schlug im Hinblick auf eine Veröffentlichung seiner Forschungen den jenigen Weg ein, der ihm durch die Satzungen des Histo rischen Instituts vorgcschricben war. Er wandte sich in einer Darlegung an seine vorgesetzte Behörde in Berlin und fragte, unter Darlegung der einschlägigen Verhält nisse, an, ob und in welcher Form eine Veröffentlichung erfolgen könne. Darauf hat er nun durchaus nicht vom Reichskanzler den bündigen Bescheid „ignorieren" er halten, sondern die Angelegenheit hat ihren durch die Satzungen vorgeschriebenen Lauf genommen. Die Frage solcher Veröffentlichungen unterliegt nämlich der Be ratung eines statutenmäßig eingesetzten wissenschaft lichen Beirats, besten Vorsitzender zur Zett der Professor Harnack ist. Dieser Beirat hat zu entscheiden, ob die Forschungen des Institutes als amtliche Schrift deS Institutes oder als private Schrift des betreffenden Ge lehrten herausgegeben werden sollen. Soweit wir unter richtet sind, liegt die Angelegenheit jetzt dem Beirat vor, doch scheint noch keine Entscheidung getroffen worden zu sein. Nach allem, ivas wir hören, unterliegt es aber kaum einem Zweifel, daß der Beirat sich für die Veröffent lichung aussprechen wird, sei es in der amtlichen oder der andern — was für die Sache kaum einen Unterschied bedeutet — privaten Form. Weder der einen noch der andern Entschließung des Beirates würde von den maß gebenden RegicrungSfaktoren ein Widerstand entgegen gesetzt werden, und man kann daher mit ziemlicher Sickwr- heit annehmen, baß die Veröffentlichung so oder so in kurzer Zeit erfolgen wird. Wenn sie sich bisher verzögert hat, so haben dem politische Rücksichten auf den Vatikan nicht zu Grunde gelegen. Tatsächlich handelt es sich um Vorgänge, die keineswegs durch Schultes Forschungen zuerst anS Tageslicht gezogen werden, sondern das eigent lich Neue bei diesem ganzen Handel ist die Beteiligung des Hauses Fugger an den finanziellen Geschäften des Vatikans und der hohen Geistlichkeit. Es ist vielfach ange nommen worden, daß der Einfluß mächtiger Finanzleute auf staatliche Vorgänge eine Erscheinung sei, die sich erst in neuerer Zeit entwickelt habe, und bet den einfachern Verhältnissen deS Mittelalters ausgeschlossen gewesen sei. Das Interessante in den Schulteschcn Forschungen bildet nun der aktenmäßige Nachweis, in welcher Weise schon da mals eine große Finanzmacht — das Haus Fugger — an den Finanzgeschäften der Staaten beteiligt war, und wie schon die Kräfte der damaligen kauto Linauoo bei den Abmachungen staatlicher Faktoren mitwirktcn. Wenn man den Gegenstand der Schnlteschen Veröffentlichungen seinem allgemeinen Inhalt nach betrachtet, so ergibt sich in der Tat kein Grund, weshalb aus Rücksicht auf das Zentrum eine Veröffentlichung hätte unterbleiben sollen. Die Tatsache de- Ablaßlrandcls^im Mittelalter steht fest und wird auch von katholischen Schriftstellern zuaestanden und ausführlich behandelt. So erörtert der von der katho. lischen Kirche gewiß als rechtgläubig anerkannte Johannes Janssen in feinem Buche „Zustände des deutschen Volkes seit dem Beginn der politisch-kirchlichcn Nevo- lntion" gerade die Vorgänge aufS eingehendste, die auch bte Unterlage für die Schulteschcn Studien bilden. So heißt es in diesem Bnche auf Seite 65: „Zur Grundlegung der neuen PctcrSkirche hate Julius II. einen Ablaß ausgeschrieben. Leo X. erneuerte ihn im Jahre 1514 behufs Weiterführung -eS Baues und übertrug den Mi» noriten di« Verkündigung d«r betreffenden Bullen. Päpstlicher Oberkommissar für daS nördliche Deutschland wurde Erzbischof Albrecht von Mainz. Dieser wollte nun die günstige Gelegen heit des Ablasses benutzen, um die Schulden zu bezahlen, die er für die nach Rom zu entrichtenden Palliengelder bei den Fug, gern in Augsburg gemacht hatte. Für das Mainzer Erzstift beliefen sich die Palliengelder damals auf nicht weniger als 20 000 rheinische Gulden, welche von den einzelnen Land- schaften„des Stiftes aufgebracht werden mutzten. Binnen eines Jahrzehnts war die ungeheure, die Erbitterung des Volkes er regende Summe schon zweimal entrichtet worden. Darum hatte das Domkapitel bei der neuen Erledigung des Stuhles im Jahre 1514 nach dem Tode Uriels von Gemmingen das Aner bieten Albrechts, er selbst wolle, wenn man ihn zum Erzbischof erwähle, die Kosten des Palliums tragen, freudig angenommen und auf ihn sämtliche Stimmen vereinigt. Albrecht entlieh die Gelder von den Fuggern, und diese wurden auf das Ansuchen seiner Unterhändler beim Papste für die Rückzahlung derselben auf die Hälfte des Ertrags der Jndulgenz-Einkünfte angewie sen, während die andere Hälfte der Kirchenfabrik von St. Peter in Rom zufallen sollte. Das unwürdige Geschäft wurde schon im April 1515 abgeschlossen, kam aber erst im Jahre 1517 zur Ausführung." Au anderer Stelle, Seite 77, kommt Janssen auf diesen Ablaßhandel zurück und sagt, „daß schwere Mißbräuche vorkamen, und daß das Auftreten der Prediger, die Art der Darbietung und Anpreisung des Ablasses mancherlei Aergernis erregten". Nachdem in solcher Weise die Vorgänge von der katho lischen Wissenschaft behandelt und in aller Offenheit ab fällig beurteilt worden sind, konnte in der Tat -er Ver öffentlichung der sozusagen rechnungsmäßigen Belege über den Vertrieb des Ablasses auch für die weitest gehende Emvfindlichkcit nichts mehr entgegenstehen. Wenn die Schulteschcn Forschungen nicht vorzeitig in die Oeffent- lichkeit gezerrt worden wären, so würde die Veröffent lichung selbst außerhalb der fachwtstenschaftlichen Kreise wahrscheinlich geringes Aufsehen gemacht und die Tat sache der Veröffentlichung würde schon an sich die Vor würfe ausgeschlossen haben, die jetzt bet dieser Gelegenheit zu Unrecht erhoben worden sind. So die neue Version, die nur das Eine unklar läßt, warum der Herr R«i chs k a nzl«r wochenlang, ohne eine Silbe zu erwidern, die Darstellungen der „Deutsch-evan gelischen Korrespondenz" und der „Saale-Zeitung" hat durch die Presse gehen lassen. Er ist doch sonst nicht so und hat einen gewaltigen Dementier-Apparat zur Hand. Wem galt die Rücksicht, die er sich bei seinen, Schweigen aufcrlegtc? Ter Wahrheit wurde durch dieses Schweigen sicherlich ebensowenig gedient, wie dem Grafen Bülow selbst, wenigstens in den Augen seiner protestan tischen Beurteiler. Ucbrigenswird er doch noch zu einer Erklärung sich genötigt sehen, denn derG ewährsmann der „Saale-Zeitung" hält seine Behaup tung in allen wesentlichen Punkten auf recht. Er erklärt den offiziösen Darlegungen gegenüber: „Wir halten demgegenüber unsere früheren, von der ge samten Presse aufgenommenen Mitteilungen von Anfang bis zu Ende aufrecht, auch was den Passus anlangt, daß Professor Schulte von Berlin aus eine amtliche Weisuüg erhallten Hatz, über die gefundenen Ablaßrechnungen vor läufig zu schweigen. Das offiziöse Dementi verfährt nach berühmten Mustern und haft hinter das Wort „Igno rieren", um das Publikum irrezuführen. Ob die Weisung wörtlich so oder „Verschweigen" oder sonstwie gelautet hat, tut ja gar nichts zur Sache. Die Hauptsache ist, daß diese Weisung auf Schultes Anfrage hin erfolgt ist. Das Dementi hält sich auch sonst an die bekannte Schablone und dementiert, was gar nicht gesagt ist. Auch wir waren über zeugt, daß die Sache nunmehr ihren instanzengemäßen Gang gehen würde, weil die Reichsregierung sonst gar zu sehr bloß gestellt werden würde. Das Kuratorium, bestehend aus Geh! Rat Koser in Berlin, Geh. Rat Schmidt vom Kultus ministerium und dem Freiherrn v. Hertling (den, obwohl er in Bayern tätig ist, der Reichskanzler für das preu ßische Institut berufen hat), wird sich vermutlich ganz nach dem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats richten, in dem übrigens auch außer Harnack und den Professoren Max Lenz und Tangl aus Berlin und (bisher) dem neuen Direktor des Instituts Prof. Kehr der stramm ultramontane Prof. Dit trich in Braunsberg sitzt. Daß also künftig die Angelegenheit im Sinne rein wissenschaftlichen Interesses durchgeführt werden würde, braucht nicht bezweifelt zu werden. DaS ändert aber nichts an der Tatsache, daß mit seinem ultramontanen Schützling Prof. Schulte der Reichskanzler sich gründlich in die Nesteln gesetzt hat und daß er im Gegen sätze zu -em Jesuiten Ehr!« d«n Aufschub der Schulteschcn Veröffentlichung verfügt hat. Wir wollen an nehmen, daß er es nur im Sinne de« Instituts getan hat, weil er fürchtete, der Vatikan könne Schwierigkeiten bezüglich der ferneren Benutzung der vatikanischen Archive machen. Daß er sich darin verrechnet hat, beweist die Erklärung Ehrles, die Veröffentlichung habe gar keine Bedenken. Diese Tatsache mag für den Reichskanzler recht unangenehm fein. Sie bietet aber noch immer keine Rechtfertigung dafür, diejenigen, die schwarz schwarz und weiß iveiß nennen, der freien Erfindung zu bezichtigen." Deutsches Reich. -r- Berlin, 16. September. (Ultramontaner „Pro testantismus".) Das leitende Organ deS badischen Zen trums, der „Badische Beobachter", erfreut sich inFällen dringenden Bedarfs der Mitarbeiterschaft eine« „ultramon tanen Protestanten", dessen Aufgabe eS ist, die Polemik gegen die politischen Widersacher des KlerikaliSmu« auf den Gipfel drr Gehässigkeit zu bringen. 2m Dieustr dieser wahrhaft erhebenden Aufgabe hat sich jetzt der mit Namen leider nicht genannte Gewährsmann deS Karlsruher Zentrums blattes den Evangelischen Bund zur Zielscheibe seiner Anwürfe auserkoren. Als Ursache der Begründung des Evangelischen Bundes nennt der kundige Dhebaner klipp und klar den Neid auf die wissenschaftlichen Er folge der Katholiken. Dieser Neid habe die Kerntruppe im Evangelischen Bunde, die „Nationalliberalen Mandarinen", in Schrecken versetzt. Natürlich sei der Neid ein „gar zu ge- meinerBeweggrund", um sich zu ihm vor aller Welt zu bekennen; darum habe man die Maske des Evangeliums sich umgebunden und sich Kämpfer gegen Rom genannt. „In Wahrheit aber", so fährt der ultramontane „Protestant" deS „Badischen Beobachters" fort, „sind die geistigen Führer der Bewegung nichts anderes als politische Streber und Scharlatane, die sich mit einem Auguren-Lächeln grüßen, wenn sie zum Kampfe gegen Rom auffordern und dabei tatsächlich an die fetten Weideplätze im Staate denken, die sie sich, ihrer Sippe und Nachkommenschaft für alle Zeiten sichern möchten. Wenn sie guter Laune sind, sagen sie das sogar offen heraus. Nicht der Glaube, sondern der beste Happen macht die Menschen fanatisch." — DaS Bedenken eines etwaigen kritischen Leser«, weshalb bei einem so schlechten politischen Manöver zahlreiche evange lische Pastoren mitwirkten, bringt unser ultramontaner „Protestant" durch die einfache Erklärung zum Schweigen: die Pastoren „sind eben jene, die niemals alle werden", und die „schon um ihrer lieben Frauen willen, von denen sie sich . . durchaus nicht trennen wollen, das römische Papsttum mit Mißtrauen betrachten". — Damit eS bei solcher Beschimpfungen allgemeinen Charakter« nicht bewende, werden von unserem ultramontanen „Protestanten" gegnerische Politiker wie die Redakteure Rippler, Engel und Graf Hoensbroech noch als einzelne Persönlichkeiten mit Schmutz beworfen. Die letzte Würze aber erbält diese Gift mischerei von der Redaktion des „Badischen Beobachters" durch die Anmerkung, daß „vielfache Verbindungen mit protestantischen Kreisen" ihren Gewährsmann in den Stand setzten, ein „beachtenswertes Urteil über die treibenden Kräfte" zu fällen! — Bekanntlich gehört es längst zu den Gewohnheiten der Zentrumsprefse, gerade die vom Evan gelischen Bunde ausgehende Bekämpfung des KlerikaliSmus als gehässig binzustellen und im Gegensätze dazu das von katholischer Seite beobachtete polemische Ver halten als musterhaft zu rühmen. Die Berechtigung für solches Eigenlob wird angesichts der vorstehenden Leistung des „Badischen Beobachters" wenigstens diplo matischen Zentrumsorganen, wie die „Köln. Volksztg." zweifelhaft erscheinen muffen. Es sollte uns jedoch gar nicht wundern, wenn in Bezug auf die oben wiedergeHebene Gift mischerei des „Bad. Beobachters" von klerikaler Seite erklärt würde, daß es sich dabei gar nicht um ein katholische- Ver schulden bandele, da ja ihr Urheber ein „Protestant" sei! Vielleicht entschließt sich der Protestant des „Badischeu Beobachters" selbst, seinen Gönnern auch diesen Liebesdienst noch zu leisten — damit das Maß voll werde. 6.8. Berlin, 15. September. (Die abstinenten „Ge nossen".) Die Abstinenzbewegung unter den sozialdemo kratischen Arbeitern macht immer größere Fortschritte, der sozialistische deutsche Arbeiter-Abstinenlen-Bund hat sich jetzt schon zur Herausgabe eines eigenen Organs „Der abstinente Arbeiter" aufgeschwunaen. Leider weht durch die spalten dieses Organs ein so hetzerischer Geist, wie er uns selbst in sozialdemokratischen Agitationsblättern selten begegnet. So heißt es in dem Blatte: „Die bürger lichen Abstinenz-Organisationen verfolgen natürlich reak tionäre Nebenzwecke, sie tagen in Lokalen, welche der klaffenbewußten Arbeiterschaft nicht zur Verfügung sieben." Und in diesem Tone geht eS weiter. Selbstverständlich haben nach der Behauptung des nüchternen Organs die ostelbischen Konservativen und Liberalen ihre Wahl zum Reichstage nur dem Schnaps zu verdanken. „Durch Berauschung, die eine Lähmung der kritischen Funktionen deS Gehirns darftellt, wird der ausgebeutete Arbeiter in eine augenblickliche rosige Stimmung versetzt, die ihm die klare Erkenntnis seiner Lage raubt. Wurde eS gelingen, die ostelbischen Arbeiter dem Schnapsgenuffe zu entfremden, sie dauernd nüchtern zu machen, dann würden sie da- Unwürdige ihrer Lage und die Knechtung durch die Agrarier viel eher und stärker empfinden und zweifellos zaker danach streben, ihr geistiges und wirtschaftliches Joch abzuschütteln". So sehr man mit Bestrebungen, die auf eine Einschränkung deSAlkobolgenufseS hinzielen, sich befreunden muß, so entschieden muß man doch diese Art der Agitation verurteilen. Ueber- haupt scheinen die alkoholfeindlichen Sozialdemokraten nicht viel bessere Brüder als ihre alkoholfreundlichen Genossen zu sein. Trotz mehrmaliger Aufforderung hat nämlich eine ganze Anzavl von Abstinenzlern Listen resp. Geld nicht ein gesandt. Da ihnen die Energie und die klare Urteilskraft durch Alkohol nicht lahm gelegt ist und sie ein williges Werkzeug für den feudalen Ausbeuter nicht geworden sind, so ist ihre Saumseligkeit schwer verständlich, wenn man nicht annimmt, daß di« Säumigen von der Partei schon viel zu sehr auSgeplündert sind, um nickt säumig im Bezahlen sein zu müssen. (D Berlin, 16. September. (Telegramm.) Der .Reichsanzeiger" gibt erneut die Bekanntmachung deS Krieg«- Ministeriums bekannt, nach der den Unteroffizierei! und den Mannschaften die Teilnahme an Versammlungen und Festlickkeiten ohne dienstlicke Erlaubnis, sowie die Betätigung einer revolutionären «cfinnung und da« Halten und die Verbreitung sozialdemokratischer Schriften »er holen ist. C> Berlin, 16. September. (Telegramm.) Das LaudgerlcktI Berlin verbandelte heute gegen den Schriftsteller Panl Koch und den Rechtsanwalt Eduard Jüngst wegen B«scht»»smia »er jüdischen Religion. Unter Anklage stand die Broschüre Koch« „Der Ritualmord, eine Forderung de« alt« Testaments'^ die »ach- weisen will, daß auch die heutigen Inden den Rttnalmord noch als Gebot ihrer Religion anerkennen müssen. Line Anzahl Exemplare der Broschüre war von der Geschäftsstelle der „Deutschen
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