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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190309206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030920
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030920
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-20
- Monat1903-09
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1903
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sirr Nachweisungen und Offertenanuahme 95 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabr, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Auzeigeu: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonntag den 20. September 1903. 97. Jahrgang. Unsere Oostabonnenten bitten wir das Abonnement auf das IV. Vierteljahr im Interesse pünktlicher Weiterlieferung jetzt zu erneuern. Neu-Abonnenten machen wir darauf auf merksam, daß jedes Postamt sowohl Bestellungen auf Vierteljahrs-Abonnements zum Preise von Mk. 4.50 für das Vierteljahr wie auch Monats-Abonnements zum Preise von Mk. 1.50 für den einzelnen Monat entgegennimmt. Wem haben wir die großpolnische Bewegung in Oberschleßen M verdanken? Don einem katholischen Rektor in Oberschlesien erhalten wir folgende Zuschrift: Die Wogen, die die ReichStagSwahl verursacht hat, haben einen ruhigeren Charakter angenommen und an jene be wegten Tage erinnern unS Oberschlesier nur noch der Laura- Hütter Krawall und da» Wahlergebnis. Oberschlesien, Ka bis dahin trotz der polnischen Sprache seiner meisten Bewohner als reich-treu und deutsch galt — wie die- auch maßgebende Kreise bestätigen —, ist Plötzlich vor dem ganzen deutschen Reiche als „polnisch" (auch in seiner Gesinnung!) gebrandmarkt worden. In RegierungSkreisen ist man Über diese- Resultat paff und spürt eifrig den Gründen nach, die e- verursacht haben. Allenthalben sucht man nun den „Hetzern, Polenaposteln, großpolnischen Agitatoren" und wie sie sonst noch heißen, die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben, aber wir, die wir jahrelang in den hiesigen Verhält nissen leben und durch unseren Beruf ein Verständnis und offene- Auge für die Vorgänge auf diesem Gebiete haben, wissen genau, wem die Hauptschuld beizumessen ist. Lange vorher, §he man nur eine Ahnung von „Groß polen und Hetzern" hatte, bestand hier die polnische Be wegung. Zwar werden dies heute die Schuldigen in Abrede stellen und sich schließlich gegen den Vorwurf energisch ver wahren, aber viele Tatsachen reden noch heute — nachdem man in diesen Kreisen bereits mit Bedauern eingesehen hat, in welches Fahrwasser man hineingeraten, und nachdem auch schon so mancher von den ehemaligen Polenfreunden andere- Sinnes geworden ist — eine zu deutliche Sprache, als daß man die Schuld auf andre abwälzen könnte. Wer vor einigen Jahren in unsre katholischen Kirchen kam, der konnte von der Kanzel herab immer wieder die Mahnung vernehmen: „Eltern, lehrt euere Kinder polnisch lesen und schreiben, denn von der deutschen Sprache verstehen sie doch nicht-, und lest nur polnische Zeitungen!" Letztere, deren eS zu jener Zeit nyr sehr wenige gab und die fast alle von den Geistlichen redigiert oder doch wenigsten unterstützt wurden, wiederholten diesen Ruf in jeder Nummer. Und er verhallte nicht im Winde! Zwar waren die meisten Eltern dazu nicht im stände, denn sie konnten zwar polnisch (wasserpolnisch!) sprechen, aber nur sehr schlecht lesen und fast gar nicht schreiben, aber eS fanden sich bald HUlfsbereite Seelen: die Geistlichen benutzten — und tun es vielfach noch heute! — den Beicht- und den Kommunionunterricht dazu! Da wurde nicht gefragt, in welcher Sprache das Kind oder die Eltern diesen Unterricht wünschten, sondern alle (mit Ausnahme der Beamten kinder) mußten am polnischen teilnehmen. Hier wurde dann in einigen Monaten zusammengerissen, was die Schule in achtjähriger, mühsamer Arbeit aufgebaut hatte! Da die Kinder von der hochpolnischen Sprache und dem Lesen keine Ahnung hatten, wurden polnische Lese- und Sprach stunden eingesetzt. Ja, manche Geistliche dehnten den Beicht unterricht aufs ganze Jahr aus, um nur recht -roße Erfolge im Polnischen zu erzielen. Und dies -eschah in den Schulräumen! In der neuesten Zeit hat sogar ein Pfarrer, dem in seiner neu über nommenen Parochie die polnischen Sprachkenntnisse der schul entlassenen Jugend zu mangelhaft erschienen, sich diese auf die Pfarrei kommen lassen, um dort nochmals polnischen Religionsunterricht zu treiben — denn sein Vorgänger hatte diesen Unterricht deutsch erteilt! — So mißbraucht man den Religionsunterricht und so stellt man sich in den Dienst der polnischen Sache! Obgleich die Geistlichen immer von sich sagen, daß sie di« geborenen Pädagogen seien, so mußten sie doch er fahren, daß auch für sie die Kunst ein Ende hat. Manche Kinder, die auch in der Schule nichts leisteten, machten im Polnischen — trotz ihrer polnischen Abstammung — nur sehr gering« Fortschritte. Der Pfarrer oder Kaplan stand anfangs ratlos vor ihrer Schwachheit; doch er wußte sich zu helfen: er überwies sie dem deutschen Beichtunterrichte! Es ist bei unS eine allbekannte Tatsache, daß Kinder, die infolge ihrer schlechten Begabung nur bis auf die Mittelstufe gekommen sind, am deutschen, während die der Oberstufe am polnischen Beichtunterricht teilnehmen. Kann eS einen krasseren Beweis für die Arbeit der Schule, aber auch einen beschämenderen für die deutsche Sache geben? Aber noch andere Umstände mögen zeigen, wie die ober schlesischen katholischen Geistlichen mit den Polen sympathi sieren und dem Deutschen absichtlich entgegenarbeiten, obgleich so mancher von ihnen da- Amt eines Ortsschulinspektors bekleidet. Unsere Kinder werden in das Verständnis des deutschen Kirchenliedes eingeführt, doch kommen nur die wenigsten in die Lage, es einmal anwenden zu können, denn unsere Geistlichen dulden in der Kirche kein deutsches Lied, ja sogar bei den sogenannten Schulmessen wird polnisch gesungen. ES gehören sogar die Fälle nicht zu den Seltenheiten, wo die Geistlichen bei der Trauung oder Beerdigung von Lehrern und anderen Beamten die deutschen Gesänge direkt verboten haben! Die deutschen Katholiken werden hier überhaupt von der Geistlichkeit als fünftes Rad am Wagen betrachtet. Sie müssen es sich zur hohen Ehre rechnen, wenn Sonntags einmal bei einer stillen Messe deutsch gesungen werden darf oder wenn schließlich alle 4 Wochen eine deutsche Predigt gehalten wird. Und dazu sind sie in den Gemeinden zu Hunderten und Tausenden vertreten! Daher befremdet es jetzt auch niemanden mehr, wenn ihn der Priester polnisch anredet, ihm auf eine deutsche Frage polnisch antwortet oder ihm auf „Guten Morgen", „Gnten Tag" rc. mit „Nawiess" (d. h. in Ewigkeit) dankt. Ist es da also zu verwundern, wenn die Verhältnisse sich so gestaltet haben, wie sie gegenwärtig liegen, und wenn die „Polenapostel" einen wohlvorbereiteten Boden für ihre Be strebungen fanden? Wir wollen zur Entschuldigung der Geistlichen annehmen, daß sie nur aus pekuniären Rücksichten in der polnischen Sache Spanndienste leisteten; aber heute ist diese Bewegung zur großpolnischen und weit mächtiger geworden, al« sie sich jemals träumen ließen. Ihre mahnenden Stimmen zur Umkehr verhallen wirkungs los und es paßt daher so recht Goethes Wort auf sie: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht tos! Oie Kehrseite -es k. und k. Armeebefehls. Wir erhalten zur Lage folgendes Stimmungsbild aus Wien, 18. September: Unter dem tiefen Eindrücke des kaiserlichen Armee befehls aus dem Manöverlager von Ehlvpy steht ganz Oesterreich vor der Einberufung des Reichsrates. Erst jetzt, nachdem die erste freudige Aufwallung über die ent schlossene Kundgebung gegen die ungarische Obstruktion verflogen ist, mischen sich in das von jenseits der Leitha herüberschallende Wutgeschrei auch in Oesterreich Stimmen ernstester Besorgnis, daß die diesseitige Reichshälfte jetzt erst recht vor einem kalt LLcomxii stehe, daß der Schwer punkt der Monarchie zwar jetzt wieder von Pest nach Wien verschoben sei, mit ihm aber auch die ganze Wucht der Der- antwortlichkeit für die Zukunft wieder auf Oesterreich falle. In dem militärisch-politischen Pronunctamento, durch das der oberste Kriegsherr gleichsam auf sein Schwert schlug: Hier ist mein gutes Recht! — glaubt man die ge schickte Hand des Herrn v. Koerberzu erkennen. Jeden falls war es ein sehr geschickter Schachzug, durch die ganz unerwartete Einberufung des Reichsrates das immer stürmischere Verlangen Oesterreichs nach seinem Parla mente zu befriedigen, seinen Entschließungen aber gleich zeitig durch eine imposante Kundgebung des Monarchen vorzugreifen und Richtung zu geben. Das kam Schlag auf Schlag und zeigt unsere Monarchie wieder als das Land der Unwahrscheinlichkeiten und staatsstreichartigcn Ueberrumpelungen. Eine solche Ueberrunrpelung -er öffentlichen Meinung liegt vor. In allen an der Erhal tung der HeereSeinheit und damit der Festigkeit des Drei, bundes beteiligten Kreisen hat dieses „Bis hierher und nicht weiter!" mit Recht freudigen Widerhall gefunden. Aus der Wendung des Armeebefehls „gemeinsam und ein- heitltch, wieeS i st" geht sogar hervor, daß die Magya ren nicht einmal die ihnen vom gewesenen Ministerpräsi denten gemachten Zugeständnisse (Magyarisch in den Militärunterrichtsanstalten und bei den Militärgerichten usw.) erhalten werden. Aber abgesehen davon, daß der Kaiser diese Kundgebung auch für das ihm unterstehende Heer nur nck pvrsouaiu abgegeben und Wünsche ausgedrückt hat, die nicht über sein hoffentlich noch recht fernes Grab hinausretchen, muß Oesterreich jetzt erst recht all seine kalt- blutige Besonnenheit zusammcnnehmen, um nicht in einer freudigen Gemütsauswallung das Recht des Kaisers mit einem vielleicht verhängnisvollen Opfer an Gut und Blut zu bezahlen. Der Ausgleich! Das ist der unheimliche Schatten, den Oesterreich schon heute hinter der geretteten Heeres- einheit auftauchen siebt, die Oesterreich schon jetzt mit der Zurückbehaltung des dritten Jahrganges murrend bezahlt. Die Ratgeber des Monarchen, die ihn veranlaßten, gleich, sam vor den Augen des Verbündeten «ine politische De. rqonstration ersten Ranges vor Europa auszufllhren, gleichzeitig der wankenden liberalen Partei Ungarns gegen die wilde Obstruktion Halt zu geben und überdies in Oesterreich die gerade während des Hochwassers durch die Zurückbehaltung ihrer Sühne doppelt hart getroffene bäuerliche Bevölkerung durch einen patriotischen Appell zu beschwichtigen, glaubten damit offenbar drei Fliegen mit einem Schlage zu treffen. Aber nach allen Erfah rungen ist zu befürchten, daß die kaiserliche Willenskund gebung, die einem Notrufe an den Reichsrat gleichkommt, auch jetzt wieder nur in den Herzen der Deutschen Wider hall finden und sie verlassen werde, in edler Gefühlsaus,- Wallung abermals, vielleicht sogar auf 20 Jahre hinaus, einen Ausgleich mit Ungarn zu bewilligen, -er Oesterreich schon so furchtbar geschädigt hat, baß der Ruf: „Kein Aus gleich mehr, los von Ungarn!" heute schon allgemein als das einzige Rettung-mittel wider die dualistische Aus- beutung durch den immer größenwahnsinniger und kost- spieliger werdenden Nachbarstaat angesehen wird. Die neuerliche Durchdrückung dieses mörderischen Avarentributs unter Ausnützung der augenblicklichen Stimmung ist das nächste Ziel der Koerberschen Taktik und zugleich die Gefahr, gegen die sich voraussichtlich schon in den nächsten Tagen größere Volks- und Paria- inentskundgebungen wenden werden. Schon di« kurze viertägige Reichsratstagung vom 23. bis zum 27. Sep tember, der man soeben noch ein obstruktionslvses Da. sein prophezeite, kann angesichts der neuen Sachlage Ueberraschungcn bringen. Die Entdeckung einer neuen geheimbündlerischen Omladina unter den Tschechen Prags deutet darauf hin, daß das Slawentum, das sich jetzt sogar mit den Magyaren verbindet, unausgesetzt weiter wühlt. Diese konsequenten Reichszerstörer, die sich durch die kaiserliche Kundgebung auch in ihren autonomen Heereswünschen betrogen fühlen, werden sich di« Zu stimmung zum Ausgleiche jetzt um so mehr mit natio nalen Entschädigungen auf Kosten der Deutschen bezahlen lassen. Und die Deutschen selbst sind leider zur Stunde noch unschlüssig, ob sie mehr dem Zuge des Herzens folgen sollen, der sie zu einer Beendigung der Krisis um jeden Preis hindrängt, oder dem kalten Gebote der politischen Vernunft, den Ausgleich unter allen Um ständen zu verwerfen und an dem „Los von Ungarn" f«st- zuhalten. Noch immer klingt den Oestcrreichcrn trotz -cs kaiser lichen Armeebefehls die Versicherung des Grafen Apponyi vom 23. Juli d. I. in die Ohren, daß zwar heute von Ungarns König «in Nachgeben nicht zu er warten sei, daß aber (diese Worte wurden mit brausenden Eljenrufen dos Parlaments ausgenommen) die Krone dem einmütigen Wunsche Ungarns sich schließlich doch nicht endgültig widersetzen werde und die ungarische Dienstsprache früher oder später denn doch zur Geltung kommen müsse. Der Vordersatz dieser anscheinend wider spruchsvollen Prophezeiung ist bereits «ingetrvffen, sie schließt aber die Erfüllung auch des Nachsatzes nicht aus, denn mehr als je richten sich die Hoffnungen der Magyaren auf die Person des künftigen Monarchen, der in der Einleitung des Armeebefehls gleichsam als der künftige Schicksalsträger der Armee vorgcstellt worden ist. Wenn diese Hoffnungen sich bald erfüllen sollten und inzwischen der Ausgleich erneuert werde, dann wäre trotz der kaiserlichen HeereSproklamation die Bahn wieder frei, wie sie Ungarn wünscht: Nicht nur sein eigenes National heer zu erhalten, sondern die für Ungarn allein un. erschwinglichen Kosten auf zehn, vielleicht zwanzig Jahre hinaus von den neuerlich düpierten Oesterreichern mit- bezahlen zu lassen. Deutsches Reich. -r- Berlin, 19. September. (Ein Fall praktischer Iesuitenmoral.) Professor Böhtlingk hat im Verlauf eines SiihnetermineS, der anläßlich seiner Klage gegen den klerikalen „Badischen Beobachter" soeben stattfand, auf die maßlosen Verdächtigungen der Gesamtheit aller national liberalen Professoren durch das Karlsruher Zentrumsorgan bingewiesen. Jene Verdächtigungen bestanden in der ver leumderischen Behauptung, daß dem Kampfe der national liberalen Professoren gegen den Ultramontanismus nicht politische sondern schäbig-materielle Motive zu Grunde lägen. Der „Bad. Beobachter" hat diese Gehässigkeiten an leitenderStelle veröffent licht, trotzdem versichert das genannte Blatt, damit gar nicht ferne Meinung, sondern die eines „ultramontanen Pro testanten" wiedergegeben zu haben, der an der Spitze des Artikels ausdrücklich als Verfasser genannt sei; und weil die Redaktion des „Badischen Beobachters" den Aufsatz ihres Gewährsmannes in einer Anmerkung „als beachtenswertes Urteil" bezeichnete, so sei hierdurch angezeigt, daß die Re daktion jenen Artikel nicht als ihre Meinung veröffentlicht habe. In Wirklichkeit bedeutet der redaktionelle Zusatz im „Badischen Beobachter" lediglich eine Verschärfung des Umstandes, daß solche Hetzerei von dem maßgebenden Organ des badischen Zentrums an leitender Stelle zum Abdruck gebracht wurde. Selbst einschränkende Bemerkungen der Redaktion etwa des Inhalts, daß sie sich nicht mit dem Artikel indentifiziere, würden der Tat sache des Abdrucks nicht den Charakter eines Aktes der gröbsten konfessionellen Gehässigkeit genommen haben; denn ein Parteiblatt druckt nicht ab, was eS nicht in der Haupt sache billigt. Die Hauptsache in jenem ganzen Artikel aber bestand in der Ausführung, daß die kirchenpolitische Haltung der nationalliberalen Professoren durch gemeinen Neid aus die Leistungen ihrer katholischen Mitbewerber und durch die Sorge um die Sicherung des fettesten Happens bestimmt sei. Redet sich jetzt das Karlsruher ZentrumSorgan in der ooen geschilderten Manier heraus, dann beweist eS damit in der Sache gar nichts, sondern liefert lediglich einen Beitrag zur praktischen Iesuitenmoral. js Berlin, l9. September. (Dienstverträge Minder jähriger.) Minderjährige bedürfe» bekanntlich, nm in Dienst oder in Arbeit treten zu können, der Ermächtigung durch de» Vormund oder den sonstigen gesetzlichen Ver treter. Dieser ist befugt, nach eigenem Ermessen bezüglich des Abschlusses von Dienstverträgen Einschränkungen geltend zu machen, die sich auf die Person des Dienst herrn, mit dem ein Dienstvertrag eingegangen werden darf, bestehen oder auch die Zeitdauer de- Dienst. Verhältnisses und den sonstigen Inhalt des Dienstvertrage betreffen können. Demnach entbehrt eine Bestimmung des Vertrages, welche der erfolgten Einschränkung zu- widerläuft, der Rechtsgültigkeit, wobei eS unerheblich ist, ob der Minderjährige bei Abschluß de- Vertrage- über die erteilte Ermächtigung und ihre Einschränkung der Dienstherrschaft gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Unrichtig ist auch die Annahme, daß der gesetzliche Vertreter verpflichtet sei, der Dienstherrschaft Mitteilung über die Einschränkung der von ihm erteilten Ermächtigung zu machen. Vielmehrverliert der geschlossene Dienstvertrag, wenn eine in ihm enthaltene Bestimmung der Einschränkung der Er mächtigung nicht entspricht, seine Wirksamkeit entweder ganz oder zum mindesten, soweit die Bestimmung in Frage kommt, welche der erfolgten Einschränkung zuwiderläuft. Der Dienst- Herrschaft, die durch unrichtige Angaben über die erteilte Ermächtigung und ihre Einschränkung getäuscht ist, steht nur ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der auf eine dem Inhalte des Vertrage- nicht entsprechende Ver dingungsfreiheit begründet werden kann. — Auf die in letzter Zeit sehr im Schwange befindliche Präsidentenraterei kommt die „Köln. Ztg." noch einmal folgendermaßen zu sprechen: Der Reichsgerichtspräsident. Manche Blätter sind unerschöpflich im Nennen von Kandidaten, sobald irgend ein wichtigerer Posten in der Reichs- oder Staats- .Verwaltung frei wird. Neuerdings haben sie 'sich das Reichs gericht und das Reichsjustizamt zum Tummelplatz der aus schweifenden Phantasie erkoren. Jedes Blatt hat seinen Lieb lingsjuristen, den eS zum Nachfolger de- hochverdienten Reichsgericht-Präsidenten Wirklichen Geh. Rat- vr. v. Oehl- schlaeger aus eigener Machtvollkommenheit ernannt sehen möchte, so müssen bereits der Ober - Reichsanwalt vr. O!-Hausen, der bekannte Kriminalist, und natürlich auch unser rheinischer OberlandcsgerichtSpräsident vr. Hamm wieder mit ihrem Namen herhalten, und für letzteren ist bereits ein Nachfolger in der Gestatt eines vortragenden Rats im Justizministerium entdeckt. Auch der Staats sekretär des Reichsjustizamts vr. Nie der ding, der, soweit wir wissen, zur Zeit sich auf einer Urlaubsreise befindet, ahnt schwerlich, welch Damoklesschwert über seinem Haupte von manchen Blättern auf gehängt ist; auch für ihn hat ihre Phantasie bereits einen Nachfolger in dem Reichsgerichtsrat Kaufmann gefunden, der von Nieberding seit einigen Monaten berufen worden ist, bei den Vorkonferenzen zur Beratung der Grundzüge einer Neuregelung des Strafprozesse« den Vorsitz zu führen — eine schwierige und arbeitsreiche Aufgabe, die diesen tüchtigen Kriminalisten voraussichtlich noch mehrere Jahre überreichlich beschäftigen wird. Wir begnügen uns damit, diese Erfindungen als solche zu kennzeichnen, denen jede tatsächliche Grundlage fehlt. — Die freisinnigen Vertrauensmänner im Landtagswahl kreis Kiel-Neumünster hatten vorige Woche die Stellung de- Abg. vr. Barth zur Sozialdemokratie gebilligt, doch war be- kanntlich die dissentierendeMinderheit sehr groß. Deshalb hat sich vr. Barth jetzt entschlossen, in Kiel nickt wieder zu kandidieren. Die Kandidatenfrage soll aus dem Parteitage in Neumünster entschieden werben. — Von der preußischen Kanalvorlage glauben die „Münch. Neuesten Nachr." nach Mitteilungen „au- Kreisen, die mit der Regierung Fühlung haben", versichern zu können, sie würde erst dann in Form einer Vorlage an den Landtag gelangen, wenn im Reiche die Erneuerung der Handelsverträge als gesichert zu betrachten sei. — Noch skeptischer lautet, was der „Hannov. Anz.", der in der Kanalfrage gut unterrichtet zu sein scheint, schreibt: „Wie uns von Berlin versichert wird, dürfte, so lange der gegenwärtige Reichskanzler am Ruder ist, eine Klärung der Kanalfrage nicht zu erwarten sein. Herr v. Bülow sei als vorsichtiger Mann, der sich nicht gern in die Nesseln setzt, kein Freund des Kanals. Auch der Kaiser, der einst so energisch für den Kanal eingetreten ist, interessiere sich augenblicklich nicht mehr besonders für die Frage. Nur Minister Budde Hat dem Kanal die früheren Sympathien bewahrt; gegen die mächtigeren Einflüsse von oben ist er aber machtlos." Der hannoversche Politiker Wallbrccht wollte vor einigen Jahren den Kanal aus Privatmitteln bauen, allein Herr v. Miquel lehnte daS Projekt ab, da ein solch großer Ver kehrsweg nur dem Staate gehören dürfe. Seitdem ruht da- Projekt, wenn auch tatsächlich nach dem „Hann. Anz." In dustrielle und Finanzmänner sondiert worden sind, ob sie sich gegebenenfalls an dem Bau mit angemessenen Summen be teiligen würden. Mehr könne man auch nicht tun, so lange die Regierung nicht erkläre, auf die Ausführung ihres Plane verzichten zu wollen. Diese Erklärung werde sie jedoch schwerlich abgeben; Graf Bülow wolle die Frage versumpfen lassen, um dann noch immer sagen zu können, „seinerzeit" werde sie schon wieder lebendig werden. — Wie es jetzt heißt, weilt Herr v. Witte doch noch in Berlin, aber mit den Handelsvertrag-Verhandlungen soll seine Anwesenheit nicht in Zusammenhang stehen. Der russische Ministerpräsident hat an hiesigen amtlichen (stellen keine Bruche gemacht. — Staatssekretär v. Tirpitz vom Reichsmarinramt ist hier wieder eingetroffen. * Danst-, 18- September. Am 21. d. M. treffen avch der Reichskanzler Graf v. Bülow, Kriegsminister v. Einem und Finanzminister v. Rheinbaben hier ein. Nach der Denk- malsenlhullung ist im Generalkommando eine Konferenz. Gnesen, 19. September. (Privattelegramm.) Ja dem gegenwärtig hier verhandelten Flucht begünstig» ngs- Prozesse (eS handelt sich um die Begünstigung der Flucht der Piasecka wegen des Wresckener Sckulkrawallö — Red.) sprach der Staatsanwalt heute den Verdacht aus, die An geklagte» hätten die Piasecka deshalb »ach Galizien erodiert,
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