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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030924013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-24
- Monat1903-09
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Wenn wir aus den mit der Absicht der Beleidigung gewählten Bezeich nungen die herausgreifen, mit welcher der Herausgeber der „Ankunft" bedacht wird, nämlich „Dtiefelleckcr Bis marcks", so geschieht dies weder in der Absicht, unsere Muttersprache durch solche Wortbildungen zu be reichern, noch um für Herrn H a r d« n eine Lanze zu brechen. Der genannte Ausdruck soll uns vielmehr dazu dienen, in Erinnerung zu bringen, weshalb die sozial demokratische Partei unserem ersten Kanzler einen so glühenden Haß entgegenbrachte und noch gegen ihn hegt. Leine Stellung zur sozialen Frage hat ja der Kürst in -en achtziger Jahren und früher wiederholt und unzwei deutig gekennzeichnet. Wenn aber trotzdem von der äußersten Sinken immer wieder behauptet wird, Deutsch- lands großer Kanzler habe jede soziale Regung zu unter- drücken gesucht, dann ist eS Pflicht, immer wieder darauf hinzuweisen, wie BiSmarck über die Lage des Arbeiters nnd deren Hebung dachte und seiner Ileberzeugung durch entsprechende Maßnahmen greifbare Gestalt zu verschaffen suchte. Schon bei der Beratung des Unfallversiche- rungS-GesetzeS erklärte Bismarck im Reichstage: „Es muß auch positiv etwas geschehen, um die Ursachen des Sozialismus, insoweit ihnen eine Berechtigung beiwohnt, zu beseitigen". Daß in früheren Jahren in Bezug auf Arbeiterfürsorge manches hätte geschehen können und ver säumt worden war, gab Bismarck auch selbst zu, erklärt es aber damit, daß er „nicht die Zeit dazu hatte, es kamen kriegerische Verhältnisse usw." Gleichwohl hielt er eS schon damals für die Ausgabe des Staates, «inguschreiten, und erklärte: ,^Jch halte eS für meinen Beruf, diese Fragen les war bet der Beratung deS Unfallversich.rungSgesetzeS am 2. April 1881) ohne Parteileidenschaft, ohne Aufregung — ich bedaure, daß die Partetfragcn so hineinspielen — in Angriff zu nehmen, weil ich nicht weiß, wer sie mit Erfolg in Angriff nehmen soll, wenn es die Reichsregierung nicht tut." Der Kanzler war also der Ucbcrzeugung, daß die Arbeiterfllrsorge nicht durch einzelne Stände oder Par- teien, also auch nicht durch die sozialdemokratische, geregelt werden könne und Laß es Aufgabe des Reiches sei, die Un- sicherheit der Existenz deS Arbeiters zu beseitigen und da- für zu sorgen, daß der Arbeiter „mit Zufriedenheit auf sein Alter und seine Zukunft blicken" kann. „Ich habe das Gc- fühl", rief Bismarck aus, „daß der Staat auch für seine Unterlassungen verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin nicht der Meinung, daß das „laisssr kairo, laimsr aller", das reine Manchestertum in der Politik usw. — daß das im Staate, namentlich in dem monarchischen, landesväterlich regierten Staate Anwendung finden könnte; im Gegenteil, sch glaube, daß diejenigen, die auf diese Weise die Einwirkung des Staates zum Schutze des Schwächeren perhorreszieren, ihrerseits sich Sem Verdachte auSsetzen. daß ff« die StLrke, die ihnen, sei es kapitalistisch, sei es rhetorisch, sei es sonstwie, Aeiwohnt, zum Gewinn eines Anhanges, zur Unter- Srückung der anderen, zur Anbahnung einer Privatherrschaft auSbeuten wollen und verdrießlich «erden, sobald ihnen dieses Beginnen durch irgend einen Einfluß der Regierung gestört wird." Wie man nach solchen Worten des Fürsten Bismarck noch behaupten kann, dieser sei ein Gegner der Sozial politik gewesen, wäre unbegreiflich, wenn man nicht wüßte, daß -en sozialdemokratischen Hetzern jedes Mittel zur Aufreizung der Mafien gegen die Stützen der Staats- und Gesellschaftsordnung recht ist. Für solche „Politiker" kann es natürlich nicht an genehm sein, wenn man sie daran erinnert, daß gerade Bismarck jener Staatsmann war, der Sozialpolitik ver langte, der gegen die Gesellschaft den Borwurf erhob, sic habe bisher außer der ordinären Armenpflege eine eigent lich« Verpflichtung den arbeitenden Klassen gegenüber nicht anerkannt, und der betonte, es müsse dafür gesorgt werden, daß jeder, „auch der ärmste Deutsch«, daS Ge fühl menschlicher Würde" behalten kann. Der Kanzler mahnte aber nicht nur die Gesellschaft an ihre Pflicht, sondern zeigte ihr auch den einzigen Weg zur Pflicht erfüllung. „DaS Ganze liegt in der Frage be gründet: hat der Staat die Pflicht, für seine Hülstosen Mitbürger zu sorgen, oder hat er sie nicht? Ich behaupte, er hat diese Pflicht, und zwar nicht bloß der christliche Staat, sondern jeder Staat an und für sich ÄS «ibt Zweck«, die nur der Staat in seiner Gesamtheit erfüllen kann. Zu diesen gehört auch die Hülfe der Notleidenden und die Verhinderung solcher be- rechtigter «lagen, wi« ff« das «trkltch nutzbar« Material Mr Ausbeutung durch Sie Eozialdemokratte ja In der Lat gibt. DaS ist die Staatsaufgabe, der wird sich der Staat nicht auf die Dauer entziehen können." Schon diese wenigen Ausführungen lassen deutlich erkennen, -aß Bismarck für eine Hebung der arbeitenden Klaffen mit aller Entschiedenheit eintrat. Noch mehr aber erhellt dies aus seinen Erklärungen gelegentlich der Ein führung des allgemeinen, gleichen, direkten Wahl rechts, -er Sonntagsruhe, der Besprechung des Antrages, betreffend den Normals rbeitstag, der Arbeiterfürsorge u. a. m. Ja selbst für Koalitionsfreiheit war der Kanzler zu haben, wenn dadurch eine erfolgreiche, dauernde Hebung der materiellen Lage der Arbeiterbovölkcrung zu erwarten gewesen wäre. Seine schließlich ablehnende Haltung kann nur auf Rücksichten beruht l-aben, auf die er gelegentlich der Beratung des Sozialistengesetzes hingewiesen hat, nämlich, daß man unterscheiden muß „zwischen den ehr lichen Bestrebungen nach Verbesserung des Loses der Arbeiter, die uns allen am Herzen liegen", und zwischen dem. was wir heute „zu unserem Bedauern und nnl Schmerz genötigt sind, unter dem Begriff „Sozialdemo kratie" zu begreifen". Es gilt eben zu beachten, daß „die Verbesserung der Lage der Arbeiter und die Frage der Sozialisten zwei Bestrebungen sind, die sich gegenseitig ausschließen". Daß der Fürst lediglich aus politischen Gründen sich gegen die Koalitionsfreiheit ablehnend ver hielt, kann auch daraus gefolgert werden, daß er jedes andere Mittel, die Lage der Arbeiter zu bessern, zu fördern suchte und für die berechtigten Forderungen der Sozial demokratie ein klares Verständnis und offenes Ohr hatte. „Sobald uns von sozialistischer Seite", erklärte er am 9. Oktober 1878, „irgend ein positiver Vorschlag entgegen träte oder vorläge, wie sie in vernünftiger Weise die Zu kunft gestalten wollen, um das Schicksal der Arbeiter zu verbessern, fo würde ich inich wenigstens einer wohl wollenden, entgegenkommenden Prüfung der Sache nicht entziehen und würde selbst vor dem Gedanken der Staatshülfe nicht zurückschrecken, um den Leuten zu helfen, die sich selbst helfen. . . . Ich wieder hole das nur, um die Ansichten zu bestätigen, die ich in der ersten Lesung ausgesprochen habe, nach denen ich vor 15 Jahren schon gehandelt habe, und um zu bekunden, daß ich noch, wenn nur ein ernster und positiver Antrag vorläge, der auf die Verbesserung des Loses der Arbeiter gerichtet ist, ein freundliches Ent- gegenkoinmen zeigen und ihn einer wohlwollenden und geneigten Prüfung des Reichstages und der gesetzgeben den Versammlung empfehlen werde." Sechs Jahre später gab Bismarck dieser seiner Ucbcrzeugung abermals Ausdruck mit den Worten: „Ich werde eine jede Be strebung fördern, welche positiv auf Verbesserung der Lage der Arbeiter gerichtet ist." Diesen Standpunkt hat der erste Kanzler immer ver treten. Was ihm die bittere Feindschaft der Sozial demokratie, die sich als Partei der Arbeiter bezeichnet oder doch deren Wahl zu wahren vorgibt, eingetragen hat, ist zweifellos die Tatsache, daß er ihre Führer schon bei Zeiten beim rechten Namen nannte, sic als verschleierte Propheten bezeichnete, die ihr wahres Gesicht sorgfältig verdecken, damit dessen Häßlichkeit nicht abschrccke. Noch mehr aber haßt ihn die Sozialdemokratie, weil er bestrebt war, vorhandene Schäden zu heilen und berechtigte Klagen zu heben; weil er den Reichsboten zurief: „Geben Sie dem Arbeiter das Recht auf Arbeit, so lange er gesund ist, sichern Sie ihm Pflege, wenn er krank ist, sichern Sie ihm Versorgung, wenn er alt ist, — wenn Sie daS tun und die Opfer nicht scheuen und nicht über Staats- sozialiSmuS schreien, sobald jemand das Wort „Alters- Versicherung" auSspricht, wenn der Staat etwas mehr christliche Fürsorge für den Arbeiter zeigt, dann glaube ich, daß die Herren (Sozialdemokraten) ihre Bockpfeifen vergebens blasen werden, daß der Zulauf zu ihnen sich vermindern wird, sobald die Arbeiter sehen, daß eS den Negierungen und den gesetzgebenden Körperschaften mit der Sorge für ihr Wohl Ernst ist." Gerade diese Stellung Bismarcks zur sozialen Frage hat ihn dem deutschen Bürgertume noch teurer gemacht, obgleich er diesem Lasten auferlegte. Bezeichnet nun des halb die „Arbeiterpartei" das Bürgertum als „Stiefel lecker Bismarcks", so beweist das nur, daß dieser Partei jede Spur von (Gerechtigkeitsgefühl und Dankbarkeit abgeht. Der Küstenschutz Englands nnd Frankreichs am Aermel-Kanal. Di« englische Prelle kommt innuer wieder mit Be friedigung auf die erst kürzlich von ihr verbreitete Nach richt zurück, daß die Forts an der Südküstc Englands, an der Mündung der Themi« und dem Kanal von Bristol, mit 200 modernen Geschützen schwersten Kalibers neu aus gerüstet worden seien, und daß die fortifikatorischen Ar beiten und die Neuarmierung der übrigen Befestigungs anlagen der englischen Küste ihren steten Fortgang nähmen, so daß in kurzer Zett England für jeden Gegner unangreifbar semacht sein werbe. Neben der interessanten Tatsache, die in diesen Meldungen bestätigt wird, daß die vorderste Verteidigungslinie des JnselreichS noch im Be ginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit Mittelalterlichen Kanonen bestückt war. und daß ferner ein nicht unerheb licher Teil von Befestigungsanlagen noch immer unvoll endet und ganz unmodern armiert ist, findet sich bei ge nauerem Studium zuverlässigster englischer Quellen über diesen Gegenstand noch ein anderes Moment von Wichtig keit, welches uns belehrt, daß ein Teil notwendigster Ver- teidigungsbauten noch nicht einmal begonnen ist. So meldet u. a. der vortrefflich informierte „Naval and Military Record", daß trotz aller Versprechungen zum Schutze des überaus wichtigen Hafens von Barrow-in- Furneß an der Westküste Englands noch nicht das mindeste geschehen und immer wieder nur von Plänen die Rede sei, deren baldige Ausführung bevorstehe. Und dabei steht fest, daß die Firma Vickers hier nicht nur mir ungeheuren Kosten eine Werst zum Bau größter Schiffe, sondern auch eine Geschütz- und Lafetten-Werkstatt, sowie Munitions depots angelegt hat, die in kurzer Zeit von der Seeseite aus in Grund und Boden geschossen werden können; sie müßte» um so leichter in Feindesland fallen, da auch die zugesagte Garnison noch immer nicht eingerichtet ist. Zieht man hierzu in Betracht, daß die die Themse- und Medway- Mündungcn trennenden Befestigungen auch heute noch un vollendet sind, daß die Arbeiten an dem an der Straße nach Dover vorgeschobenen Fort nur sehr langsam vorwärts schreiten, und daß vor allen Dingen di« großartigen Be festigungsanlagen von Dover, selbst bei emsigster Tätigkeit, schwerlich vor 1907 ganz fertig gestellt sein können, so ist es auffallend, daß die englische Presse so viel Aufhebens von der Ncubestückung einiger Forts macht und dabei gleichzeitig Nachrichten über den hohen Wert der Landes verteidigung verbreitet, der sich, bei nur oberflächlicher Kontrolle, auf ein ziemlich bescheidenes Maß zurückführen läßt. Daß Frankreich sich durch die Verbreitung solcher Nachrichten in seinen eigenen Maßnahmen zum Schutze der Nordküstc sehr wesentlich beeinflussen lassen wird, ist nach den uns von dort vorliegenden Mitteilungen wenig wahrscheinlich. Unbekümmert um das Verhalten des Rivalen jenseits deS Kanals beschäftigt sich der Oberste Kriegsrat in Frankreich schon lange eingehend und sachlich mit der Frage, wie der Küstenschutz Frankreichs im Aermel-Kanal wirksamer und zuverlässiger gestaltet wer den könne, als es zur Zeit der Fall ist. Bei diesem Be mühen und namentlich bei dem Wunsche, einen voll wertigen Ersatz für das heutzutage lange nicht mehr aus reichende Eherbourg zu finden, haben sich die Stimmen vieler einsichtiger Männer zu dem Vorschläge vereint, in Boulognc einen solchen Stützpunkt zu schaffen. Frei lich ist dieser Gedanke nicht ganz neu, vielmehr ist der Aus bau des Hafens von Boulogne schon seit länger als zwanzig Jahren beschlossene Sache, ohne daß die vereinbarten Ar beiten ganz zur Ausführung gelangt wären. Es scheint jedoch, als ob in die hier unterbrochene Tätigkeit nunmehr wieder Bewegung kommen sollte, nachdem das neu« Handclsflottengesetz zur Annahme gelangt ist, und auch die bisher abweichenden militärischen Ansichten zu der Auf fassung bekehrt worden sind, in Boulogne den geeignetsten Platz nicht nur zum Schutze eines zurückgeworfenen Panzergcschwaders, sondern auch als Operationsbasis bei Unternehmungen namentlich in der östlichen Hälfte des Aermel-Kanals zu sehen. Nicht zum mindesten aber wird ein starkes Boulogne deshalb von berufener Seite als die geeignetste Antwort gegenüber den Neubefestigungcn von Dover angesehen, weil dadurch die, eine beträchtliche Strecke längs der Küste lausende und von Paris herauf führende wichtige Eisenbahn nachdrücklichst geschützt und für beschleunigte Truppentransporte nach der Küste intakt er halten werden kann. Wenn es jemals zu einem Kriege zwischen England und Frankreich kommen sollte, so mag die Entscheidungsschlacht wohl im Mittelmeere geschlagen werden. Daß aber auch die beiderseitigen Küstenbefestigungen im Aermel-Kanal eine sehr große Rolle in einem solchen Kriege spielen wür den, dürfte sicher sein, und daher bleibt die Kenntnis von dem Stande dieser fortifikatorischen Anlagen stets eine aktuelle Frage. Deutsches Reich. 6. 8. Berlin, 28. September. (Die Erstarkung der sozialdemokratischen Gewerkschaften.) 19092 180^ haben die Streiks der sozialdemokratischen Gewerkschaften vom Jabre 1890 bis zum Schluffe des Jahres 1902 ge kostet. Es bat sich nun die sehr bemerkenswerte Erscheinung bemerkbar gemacht, daß die Gewerkschaften mehr und mehr in die Lage kamen, ihre Streiks aus eigenen Mitteln zu be zahlen. Während 1896 von den damaligen Streikkosten im Betrage von 3 042 950 die im Streik befindlichen Or ganisationen aus eigenen Mitteln nur 724 603 --- 24 Pro;, aufbrachten, wuchs infolge der Erstarkung der Gewerkschaften dieser Prozentsatz ini folgenden Jahre auf 62 Proz., im Jahre 1898 auf 70 Proz., im Jahre 1900 auf 84,4 Pro;, und jetzt im Jahre 1902 auf 91,2 Proz., denn von den Streikgeldern in Höhe von 2237 504 .4? brachten die im Streikt befindlichen Organisationen 2 041181 auf. Die Generalkommission der Gewerkschaften ist hierüber ganz besonders erfreut und Abg. Legien erklärt: „Wir finden darin die Gewähr, daß den Gewerkschaften trotz der Nieder lagen, welche sie in langen und schweren Kämpfen erlitten baden, die Zukunft gehört." ^ES ist ja begreiflich, daß diese Tatsache der Bestreitung der Streikkosten aus eigenen Mitteln die Gewerkschaftsführer mit stolzen Hoffnungen erfüllt; haben doch die Agitatoren unlängst erklärt, di« Stunde sei nabe, welche die LieblingSfordernngen der Gewerkschaften (Achtstundentag usw.) erfüllen werde; im „roten Wahl jahr" habe man andere Sorgen gehabt, sei man aber erst dieser Sorgen ledig, dann wrrde der wirt- slbaftliche Kampf aus der ganzen Linie entbrennen. Herr Legien schüttet nun zwar etwa» Wasser in den gärenden Most, indem er maynt: „Ruhig erwägend und die eigenen, wie die Kräfte d«S Gegners sorgsam prüfend, muß entschieden t werden, ob das letzte Mittel, das den Arbeitern zur Ver fügung steht, angewandt werden soll. Die Tatsache, daß voa 802 Streiks nur 350 ----- 43,6 Prozent für die Arbeiter er folgreich waren, mag ihn etwa» bedenklich machen. Aber die gewaltige, auch finanzielle Erstarkung der Gewerkschaften eröffnet für den Lohnkampf denn doch nicht unbedenkliche Perspektiven, da sie die Streiklust zweifellos steigert. Hoffentlich sorgen die Arbeitgeber dafür, daß ste zeitig gedämpft wird. Berlin, 23. September. (Ausdehnung des Inv a l i -e n v ers i che r u ng szwau g e S auf die Handwerker.) Aus eingehenderen Berichten über die Verhandlungen des letzten HandwerSkammertageS geht hervor, daß der Beschluß, betreffend di« Ausdehnung des Jnvalidenversicherungszwanges auf sämtliche Handwerker, nur von einer sehr knappen Mehrheit gefaßt worben ist. Dadurch wird bestätigt, worauf wir schon jüngst hinwiesen, daß im Handwerke selbst über diese Krage noch lange nicht eine Einmütigkeit herrscht, die zur baldigen Ergreifung positiver Maßnahmen, behufs Erreichung -eS gesteckten Zieles, auffordern würde. Ein großer Teil -es Hand werks will die Gleichstellung mit den Arbeitern, die sich in einer Jnvalidenzwangsverstcherung äußern würde, nicht. Hierauf brauchte allerdings von den gesetzgebenden Fak toren keine Rücksicht genommen zu werden, wenn die Er streckung der ZwangSversicheruna auf die Handwerker durchaus nötig wäre; denn selbstverständlich finden sich stets Elemente, die Neuerung«» Widerstand entgegensetzen. Aber einmal wird doch bedacht werden müssen, daß der widerstrebende Teil des Sandwerks in diesem Falle sehr groß ist, sodann ist den kleinsten Handwerkern auch jetzt schon im Jnoalidenversicherungsgesetze die Möglichkeit ge geben, der Berstcherungsvorteile teilhaftig zu werden. Diejenigen Elemente, aus die «S bei -er Versicherung in erster Linis ankommen würde, sind also schon heuie, wenn allerdings auch nicht zwangsweise, dem Gesetze unterstellt. Daß sie aber von der ihnen zustehenden Vollmacht in einem auch nur einigermaßen beirächtlichen Umfange Gebrauch gemacht hätten, wird niemand behaupten wollen. Den Reichszuschuß würden auch sie bei der Erlangung einer Rente erhalten. An einem Entgehen diese- den Arbeitern gleichfalls auf Kosten der Allgemeinheit gewährten Vor teils kann die Geringfügigkeit der Beteiligung an der In validenversicherung seitens des Handwerks also nicht liegen. Man wird deshalb schon zunächst noch eine weitere Klärung der Anschauungen fir -en Gandwerkerkreisen selbst abwarten müssen, ehe endgültige Entschließungen gefaßt werden. -7- Berlin, 23. September. (JesuitiSmus un katholischer Klerus.) In dem Borarlbergischen Feldkirch, wo der Jesuitenorden eine große Nieder lassung hat, haben in der vorigen Woche Pricsterexer- zitien stattgefunden, die vom Jcfuitenpaier Kollmann geleitet wurdsn. In süddeutschen Zentrumsblättcrn be richtet man hochersreut, daß der Erzbischof von Freiburg i. Br., vr. Nörber, an diesen Exerzitien sich beteiligie: alle Tage las der Erzbischof die Messe für die Exerzitanten, und am letzten Sonntag erteilte er allen 70 Teilnehmern an den Hebungen die heilige Kom munion. Wie viel unter diesen 70 Priestern gleich dem Erzbischof von Freiburg aus Deutschland stammten, wird nicht angegeben. Die Teilnahme des Freiburger Erz bischofs aber genügt schon, den Einfluß des Jesuitenordens auf unseren katholischen KleruS zu veranschaulichen. HI Berlin, 24. September. DaSProjekt eines Verbandes der polnischen kaufmänni schen Vereine wird demnächst eine weitere Förderung er, fahren. Nachdem von verschiedenen Setten bei dem vor bereitenden Ausschüsse zustknmende Aeußcrungen einge gangen sind, kündigt der „Dziennik PoznanSki" für die nächste Zeit einen allgemeinen Aufruf an, durch den eine Generalversammlung der polnischen Kaufleute aus dem „preußischen LandeSteil" nach Posen zwecks endgültiger Diskuiierung des Projektes und zwecks Begründung des Verbandes im Sinne der gefaßten Beschlüsse einberufen werden soll. Kommt dieser Ver bands wie mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, zu stände, so würde er nur in einer geschloffenen, greif baren Form zum Ausdruck bringen, was in Wirklichkeit längst existiert. Seit Jahren tritt die allpolnische Pro paganda dafür ein, daß kein Pole einen deutschen Ge schäftsmann unterstützen dürfe, und tatsächlich ist eS den Bestrebungen der in den einzelnen Städten bestehenden polnischen kaufmännischen Vereine gelungen, den Boykott gegen den deutschen Handels- und Kaufmannsstand fast vollständig durchzusetzen. Es ist daher nur da- Gebot der Selbsterhaltung und die Rücksicht auf die eigene Selbständigkeii, wenn die beutschsprechenbe Bevölkerung der Osttnarken dieser Bewegung gegenüber Front macht und sich gleichfalls in Vereine, Genossenschaften usw. zu sammenschließt. Leider ist zu befürchten, daß das schnelle Wachstum der Bevölkerung polnischer Zunge den gegne rischen Vereinigungen bessere Existenzbedingungen ver schafft und den polnischen Unternehmer-, Gewerbe- und Handwerkervereinen auf Kosten der Angehörigen deS deutschen Handels- und Handwerkerstandes größere Vor teile zmvendet. Gegen diese neue ernste Gefahr, die von polnischer Seite droht und zmn Teile schon in aller Schärse besteht, kann nur eine systematisch und-ielbewußt betriebene Ansiedelungstätigkeit schützen, die sich die Seh- haftmachung national gesinnter Deutschen und, soweit tunlich, die Erleichterung und Förderung ihrer wirtschaft- ltchen Stellung angelegen sein läßt. (7) Berlin, 23. September. (Telegramm.) Uni die telegrapbische Meldung von derTause deSKreuzer« „Berlin" ging dem Oberbürgermeister Kirschner folgende« Tele gramm de- Kaiser» zu: .Ich dankt Ihnen für die Mitteilung von dem StapeNans des Kreuzers „Berlin" und freue Mich, daß nunmehr ei» Schiff Meiner Flotte diesen Namen trägt. Ich hoffe, die« wird tinnentlvand zwischen der Rrichshauptstadi und der Marine bilden. Berlin kann stol« sein, daß «in Schiff der Kaiserlich« Marine sei«, Namen trägt."
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