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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030926021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-26
- Monat1903-09
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NintsAatt des Königlichen Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS die 6gejpaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren sür Nachweisungen und Lsfertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung ./L 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Erpeditioa zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. W. Sonnabend den 26. September 1903. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 26. September. Das «aiserschlotz des „Vorwärts". Während gestern in Berlin die III. Strafkammer des Landgerichts I gegen die des groben Unfugs, der Majestäts beleidigung und der Beleidigung des Oberhofmarschalls v. Trotha angeklagten Redakteure des „Vorwärts" Leid und Kalinski verhandelte, die der Welt das angebliche Kaiserinsel-Projekt „enthüllt", wurde in der Redaktion der „Nationalliberalen Korrespondenz" folgendes Aufsätzchen geschrieben, das in interessantester Weise die Entstehung der neuesten Variante des „Vorwärts" über jenes angebliche Projekt erklärt: „Am Dienstag veröffentlichte der „Vorwärts" in seinem ersten Beiblatt eine Skizze, überschrieben „Ein Kaiserschloß". Seit diesem Tage schreien sich auf allen Straßen Zeitungsträger heiser: „Sensationelle Nummer des „Vorwärts" . . . „Zwinguri" „Die Kaiserinsel" .... „Das Kaiserschloß"! Tie auf die Sensation berechnete Dienstag-Nummer des „Vorwärts" findet reißenden Absatz; die Buchdruckern des sozialdemo kratischen Zentralorgans macht die glänzend st en Ge schäfte. Der „Vorwärts" will mit der Veröffentlichung seine Legende von der „Kaiserinsel" wieder auffrischen. Tie Ab bildung der Skizze ist derartig zugestutzt, daß man meinen könnte, wie auch der „Vorwärts" bemerkt, der Platz, auf dem in der Abbildung das Kaiserschloß sich erhebt, „könnte" Pichels- werd er sein! Jedenfalls beabsichtigt der „Vorwärts", diese Skizze mit seiner Legende über die „Kaiscrinsel" in Zusammenhang zu bringen und jene Legende wieder von neuem zu beleben. Zum mindesten aber mußte man glauben, der „Vorwärts" habe die Originalskizze in seiner Redaktionsmappe und sie solle ihm als „Beweismaterial" in dem bevorstehenden Prozesse dienen. Der „Vorwärts" hat sich aber dadurch der gröbsten Täuschung schuldig gemacht, daß er einfach die Angabe der Herkunft der Skizze unterschlug, obwohl er geheimnisvoll andeutete, er kenne den Architekten, der die Skizze gezeichnet habe. Wir sind in der Lage, den Schleier des Geheimnisses zu lüften und der elenden Sensationsmacherei des „Vorwärts" wenigstens betreffs der „Kaiscrinsel" und des „Kaiscrschlosses" ein Ende zu bereiten. Die vom „Vorwärts" wiedergegebene Skizze befindet sich im Farbdruck im letzten Heft der „Architektonischen Rund schau" und stammt von dem talentvollen Architekten Emil Högg. Herr Högg wurde erst durch die Besprechung der „Vorwärts"- Skizze durch die Presse auf die Wiedergabe derselben im „Vor wärts" aufmerksam und bekam diese Reproduktion erst gestern zu Gesicht. Er sandte sofort dem „Vorwärts" eine Aufklärung über den wahren Sachverhalt. Vielleicht hat die Redaktion sie zu spät erhalten genug, wir vermissen den Abdruck dieser Er ¬ klärung im heutigen „Vorwärts". Sie lautet: „Meine Skizze zu einem Kaiserschloß ist ein Jdealent- wurf ohne irgend welchen tatsächlichen Hinter grund, so wie wir mit Monumentalaufträgen leider nicht überhäuften Architekten sie seit Otto Rieth zu zeichnen pflegen, um unseren Schaffensdrang wenigstens auf dem Papier be ¬ tätigen zu können. Der Farbendruck im letzten Heft der „Architektonischen Rundschau", welcher Ihrer übrigens sehr nett dargestellten Wiedergabe zu Grunde liegen dürfte, zeigt besser als diese, daß mir für mein Kofferschloß eine südliche Landschaft vorschwebte. Emil Högg, Berlin." Der „Vorwärts" hat also einen beliebigen, bereits ver öffentlichten Jdealentwurf herausgegriffen und zu seinen Sensationszweckeu ausgebeutet. Kein Mensch wird sich über die Absicht dieser Veröffentlichung irgend einer Täuschung hin geben können." Wie mit dieser Höggschen Skizze wird es fick wahrschein lich auch mit den Grundlagen verhalten, auf denen der „Vorwärts" seine „Enthüllungen" über das Insel-Projekt aufgebaut hat. Leider hat die gestrige Gerichtsverhandlung, in der auch Herr Högg vernommen wurde, vertagt werden müssen. Es würde ein köstliches Zusammentreffen gewesen sein, wenn gestern gerichtlich hätte festgestellt werden können, daß die Redakteure des „Vorwärts" auch dieses Projekt irgendwo „gesunden", nach ihrer Weise zugeslutzt und für ihre edlen Zwecke ausgebeutet hätten. lieber die beabsichtigte Einführung von Rohrrücklauf geschützen erhält die „Nat.-Ztg." aus Essen die nachstehende Mitteilung, die das Blatt aber nur mit allem Vorbehalte wiedergeben zu sollen glaubt: „Wie wir erfahren, wird dem Reichstage im nächsten Frühjahr eine Vorlage zugeben, die 12 brS 15 Millionen fordert für die Einführung der Rohrrücklauf geschütze. Die während der Kaisermanöver mit diesen neuen Geschützen erzielten Resultate waren zufriedenstellend, sie dienen mit den vorhergegangenen Schießversuchcn (in Meppen usw. in Gegenwart des Kaisers) als Unterlage zu der neuen Vor lage. — Bekanntlich sollen die jetzt im Gebrauch befindlichen Geschütze in Rohrrücklaufgefchütze umgearbeitet werden. Diese Acnderung kostet für jedes Geschütz etwa 2000 so daß mit dem eben erwähnten Betrag die ganze Artillerie, sonx'.t sie in Betracht kommt, renoviert und verbessert werden kann, eine Summe, die wegen der großen Wichtigkeit der Rokrrück- laufgeschütze nicht sehr groß genannt werden kann. Soweit wir informiert sind, sind an den in Betracht kommenden Stellen alle Vorbereitungen für eine schnelle Erledigung der Geschützänderung getroffen worden. Neben den staatlichen Geschützfabrikcn wird die Firma Krupp dewHauptanteil an der Arbeit haben. Bekanntlich arbeitet diese Firma seit längerer Zeit an Rohrrücklaufgeschützen für auswärtige Staaten, wie Schweiz, Schweden usw." Ein sozialistisches „Minimalprogramm". Vom 27. bis 29. September wird die s o z i a l i st i s ch e Partei Frankreichs in Reims einen Kongreß ab halten, dessen Aufgabe die Beratung eines Parteipro gramms ist. Die „sozialistische Partei" jenseits der Vo gesen besteht aus den Guesdistett und den Blan- anisten, die einerseits zwar dem bürgerlichen Staate Reformen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter ent reißen wollen, anderseits aber nnter keinen Umständen an der Regierung teilnehmcn und sowohl die Bewilligung des Budgets wie Bündnisse mit bürgerlichen Parteien verwerfen. Dem Kongreß in Reims liegt der Entwurf eines sogenannten Minimalprogramms vor, dessen wichtigste Punkte auch in Deutschland Beachtung verdienen: lehren doch solche Entwürfe, wohin die sozia ¬ listisch: Reise geht. Das französische Minimalprogramm zerfällt in einen politischem, einen wirtschaftlichen und einen kommunalen Teil. Im politischen Teile wer den gefordert: schrankenlose Preß-, VersammUvngs- und Bereinsfreiheit, Abschaffung der öffentlichen Schuld und des Kultusbudgets,' Rückgabe sämtlicher Kirchen- und Klvstergüter, bezw. -Betriebe, an die Nation, Abschaffung des stehenden Heeres; Selbstherrlichkeit der Gemeinde in Verwaltung, Finanzen und Polizei. Im wirtschaft lichen Teile werden gefordert: wissenschaftlicher und ge werblicher Unterricht aller Kinder auf Kosten der durch Gemeinde und Staat vertretcmcn Gesellschaft; Einführung des gesetzlichen Achtstundentages und eines gesetzlichen Lohnminimums, welches letztere jährlich von den Ar beiterdelegierten oder von den Gewerkschaften festgestellt wird; Verbot des Zwischeuunternchmertums; Abschaffung der Beerbung in Nebenlinien, Beschränkung der Beer bung in direkter Linie zu gunsten der Nation oder der Gemeinde; Zuriicknahine dos Eigentums der Banken, Eisenbahngesellschaften und Bergwerksbesitzer durch die Nation. Im kommunalen Teile des Minimalpro gramms werduw gefordert: Bezahlung der gemeinderät- lichen Funktionen und Bezahlung der Arbeiterbeisitzer der Gewerbcgerichte; Schaffung von unentgeltlichen Wäsche reien und Brausebädern; unentgeltliche ärztliche Pflege; Kommunalisierung der Apotheker»; unentgeltliche juristi sche Ratserteilung; Einrichtung von Gemeindearbeitsnach weisen unter ausschließlicher Leitung durch die Gewerk schaften; unentgeltliche Lieferung von Schulbüchern, un entgeltliche Speisung der Schulkinder, unentgeltliche Kleidung der Schulkinder. — Wie man sicht, lausen die Forderungen des französischen Minimalprogramms in Staat, Wirtschaftsleben und Gemeinde darauf hinaus, daß die Masse herrscht und zum großen Teile von der Gesamt heit erhalten wird. Da es sich vorläufig nur um ein Mi nimalprogramm handelt, kann die bürgerliche Gesellschaft dem französischen Plane entnehmen, was nach Ansicht der sozialen Demokratie schon gegenwärtig durchgefsthrt wer- den soll. Der Entwurf eines französffchen Maximal Pro gramms liegt zur Zeit, soweit die Guesdisten und Blan- quisten in Frage kommen, nicht vor; aber schon der oben skizzierte „Minimalprogrammentwurf" genügt zur Kenn zeichnung dessen, was die sozialistische Partei Frankreichs erstrebt. Das Verstcckspicl mit Kanada. Der zwischen Chamberlain und dem Untcrhaus- mitgliedc Black geführte Briefwechsel über die zoll politische Selbständigkeit Kanadas zeigt von neuem das kindische Versteckspiel, welches Chamberlain bezüglich der staatsrechtlichen Stellung Kanadas zu betreiben beliebt. Chamberlain leugnet in den Briefen, davon etwas ge wußt zu haben, daß die kanadische Regierung mit Deutschland direkt verhandelt habe. Demgegenüber ist die Tatsache festzustellen, daß im Jahre 1897 gelegentlich der Teilnahme Lauriers an der Regierungsjubilüums- feier zwischen Laurier und Chamberlain ein amtlicher Notenaustausch stattfand, in welchem Chamberlain namens der englischen Regierung Kanada ausdrücklich das Recht zuerkannte, selbständig handelspolitische Verhandlungen mit anderen Staaten zu führen. Gerade diese Anerkennung der zollpolitischen Selbständigkeit Kanadas hatte zur Folge die Kündigung der eng lischen Handelsverträge mit Deutschland und Belgien, da nunmehr Kanada seine Handels verträge selbst schließen wollte. Ebenso wußte Chamber ¬ lain sehr genau, daß Kanada mit Deutschland in Ver handlungen eingetreten war; denn gerade er trat da zwischen und veranlaßte die kanadische Regierung zum Abbruch der Verhandlungen, mit dem Versprechen, Eng land werde sehr schnell mit Deutschland einen neuen Handelsvertrag abschließcn und dabei für Kanada eine viel günstigere Stellung schaffen. — Daß aber Chamber lain es noch immer wagt, diese in den kanadischen Zeitungen wiederholt fcstgestellte Tatsache, selbst einfluß reichen englischen Parlamentariern gegenüber, abzu streiten, bildet einen lehrreichen Beitrag zu dem politi schen Charakterbilde des vormaligen Kolonialsekretärs. Die Orientwirrcn. Der Erzbischof von Canterburn hatte an den Premier- Minister Balfour einen Brief gerichtet, in welchem er die wachsende Sorge der Mitglieder der anglikanischen Kirche zum Ausdruck brachte, daß keine Maßnahme versäumt werde, die zur Verringerung der Leiden der makedonischen: Bevölkerung dienen könne. Hieraus hat Balfour in einem Schreiben geantwortet, in welchem er sagt, er sympathisiere durchaus mit den Empfindungen des Schauders und der Entrüstung, welche die gegenwärtige Lage in Südosteuropa erwecke, und könne wohl den Wunsch verstehen, durch eine öffentliche Versammlung oder sonst wie der Mißbilligung vffenenAusdruck zu verleihen,welche die ncuerenEreignisje to bedauerlicherweise rechtfertigten. Wenn indessen der ö st erreichisch-ungarisch-russische Reform plan von der Pforte ernstlich durchgeführt und von den in Frage kommenden Völkerschaften aufrichtig angenom men worden märe, wären der Welt die Greuel erspart ge blieben, deren Zeuge sie seither gewesen sei. Während sich die Pforte, wie gewöhnlich, ausweichend und hinzögernd verhalte, sei die Verantwortlichkeit der Revolutionäre in der Tat groß, denn diese hätten sich mit Vorbedacht ans Werk der Gewalttaten genracht, um Gewalttaten hervor- znrufen. Die beste Hoffnung für die Behandlung des verwickelten Problems liege in dem fortdauernden Zu sammenwirken Rußlands und Oesterreich-Ungarns, daS die anderen Signatarmächtc des Berliner Vertrages durch ihre Unterstützung stärken und dem sie mit ihrem Rate bcistehen. Jene Mächte besäßen einen unvergleichlichen Einfluß auf die sich bekämpfenden Kräfte auf dem Balkan. Keine anderen Nationen oder Gruppen von Nationen könnten das Werk so gut vollbringen, und es könnte es überhaupt keine vollbringen, wenn Oesterreich-Ungarn und Rußland argwöhnisch oder feindselig gesinnt seien. Es sei dies einer der Fälle, wo zwei Mächte für Durch, führnngszwecke stärker seien als drei und in der Tat jede Vermehrung in der Zahl eine entsprechende Vermin- dernng der Wirkungskraft bedeute. — Das „Reutersche Bureau" erfährt: Der britische Botschafter O ' C o n n o r ist von seiner Regierung beauftragt worden, der Pforte ebne Erklärung abzugeben, dahingehend, daß weder die Türkei noch Bulgarien die Unterstützung der britischen Regierung erwarten dürften bei offenem oder geheimen Widerstande gegen die Ausführung der bereits bekannt gemachten Reformvor- schlüge. Diese Reformen stellten nach Ansicht der britischen Regierung das Mindestmaß dessen dar, was man fordern müsse. Die bisher unternomenen Schritte zur Verwirk lichung der Reformen seien selbst unter voller Berücksich tigung der Schwierigkeiten der Lage beklagenswert un. zureichend. Es müßten bei weitem raschere und wirksamere Maßregeln- verlangt werden, als sie die türkischen Be- Feuilleton. 2ij Ingeborgs Kinder. Roman von Margarete Böhme. Sial!>.ri!ä Verbote- „Gelt, ich habe ein Glück gehabt?! Fein, was? Die Frau Baronin ist zu mir, wie zu ihrer Schwester, sag ich dir. Keine Spur von Stolz. Sechzig Mark Lohn im Monat und viel Geschenke, und sehr viel Trinkgeld. Gestern abend erst zehn Mark von einem Herrn. Unter drei gibt keiner, dem ich den Ucberzieher anhclfe. Du .. . denk' mal! Bahne hat dreitausend Mark herausgerückt. Gestern hat mir der Advokat geschrieben, ich soll kommen und das Geld bei ihm abheben, und etwas unterzeichnen, daß ich keine Ansprüche mehr an Bahnc habe, und ihn in Zukunft nicht mehr belästige. . . ." „Ich bitte dich, Anna! Wie kannst du dir nur solche Schmach antun, und dir von dem Leutnant Geld geben lassen!" „Ach was! Das verstehst du nicht. Du hast immer so verdrehte Ansichten, da» kommt von deiner Schreiberei. Die Art Leute sind alle ein bißchen verrückt. Meine Baronin, weißt du, kann nachts nicht gut schlafen, und da muß ich mich oft zu ihr setzen und ihr etwas vörlescn, oder ihr dies und das erzählen, und da habe ich ihr auch mal meine Geschichte vorgetragen, und dafür hat sic sich sehr interessiert. „Hören Sie, Anna", sagte sie, „das brauchen Sie sich nicht gefallen zu lassen, den Mann können Sie verklagen, von wegen gebrochenen Ehever- sprechens, der muß berappen. Und ist ganz einerlei, wenn er Ihnen begegnet, gnckt er Sie doch nicht mehr an, so nicht, und so nicht! Und das Geld ist heutzutage nicht so leicht verdient, können Sie mir glauben, Anna", sagte sie, „wenn Sie nur ein paar Tausend Mark heraus schlagen, nachher können Sie lachen. Gehen Sie nur zu dem Doktor Fabriani, der ist ein schneidiger Advokat, wenn Sie den haben, da können Sie schwarz wie ein Mohrenmensch in den GerichtSsaal gehen, der wäscht Sie so weiß, daß Sie wie Lohengrins Schwan wieder raus kommen." Da bin ich denn hin und krieg nun richtig das Geld. DaS ist eine Gescheite, die Frau Baronin. Du ... was die Braut von Bahne ist, die muß auch nicht recht was Genaues sein, sonst hätte die das nicht so ruhig einge steckt, daß ich ihren Bräutigam in ihrer Gegenwart ver möbel " „Du?" „Ja, freilich. Gleich am ersten Tage bin ich hin und -ab' ihm in Gegenwart seiner Liebsten und dem ollen Kommißvater eine Maulschelle runtergehauen, die nicht von schlechten Eltern war. Nachher haben sie mich raus geschmissen, aber seine Maulschelle hat er weggchabt. . . . Na, mir war auch mächtig misepetrig zu Mute, darfst mir's glauben. Ich wäre in die Spree gegangen, wenn nicht gerade der nette Mensch, der vr. Sonntag, der erst bei dir war, des Weges gekommen wäre. Und der hat cs mir dann ausgeredct und mich aufgeheitert, und mir wieder Mut gemacht zum Leben. Weißt du was, ich glaube, er -hatte es eigentlich auf dich abgesehen, aber er sagte, ich gefiele ihm eigentlich noch besser. . . . Mehr Blut, mehr Leben Nimm's nicht übel. Die dreitausend Mark leg ich mir hübsch auf die hohe Kante, man kann nicht wissen, wie man's braucht." Anna hatte sich allmählich in eine gemütliche, mitteil same Stimmung hineingeschwätzt, „die Herrlichkeit hier könnte einmal plötzlich zu Ende gehen", -sic dämpfte ihre Stimme zum Flüstern, „denn weißt du, von allem, was dn hier sichst, gehört uns nicht der Besenstiel hinter der Tür zu eigen; ist alles dem Markiewicz, der hat die ganze Woh nung eingerichtet, auf Miete, oder Abzahlung, was weiß ich. Ich glaube, mit dem Baron ist das so 'ne Sache, manchmal verdient er viel, manchmal gar nichts, wie cs kommt. Vorige Woche war er vier Tage hier, 'n alter Knacker, verhutzelt und verrumpelt, wie 'ne Dürr- birne — brrr — den möcht ich nicht." „Höre, Anna, wäre es nicht besser für dich, du suchtest dir eine andere Stellung?" „Ach wo, fällt mir nicht ein. So gut bekomme ich'S nirgends. Keine Probe Arbeit, viel Trinkgeld, viel Präsente." „Tu sagtest aber doch selbst, daß die Herrlichkeit eines Tages zn Ende sein könnte " „Nun ja. Bis dahin halte ich eben ans. Ich bin keine von denen: heute hier, morgen da. Ich kann Stellen halten." Die Unterhaltung zog sich eine Weile so hin. Vor stellungen und Anführungen seitens Tbnras, ausweichende Entgegnungen auf Annas Seite. Thyra konnte nicht recht unterscheiden, ob Annas anscheinende Unbefangen ¬ heit echt oder erkünstelt war. Mit der Tür ins Haus fallen und Anna Fabrianis Aeußerungen über die Baronin miedcrzugeben, schien ihr auch nicht rötlich. Als das Mädchen schließlich ungeduldig und endlich grob wurde, gab sie ihre Bemühungen auf. Annas guter Stern mochte sie vor dem Verderben bewahren, mensch lichem Einfluß war sie unzugänglich. Auch der Hinweis auf ihren alten, in Ehren ergrauten Vater nützte nichts. „Sie sollten mich nur hcimholen kommen! Vorn rein, hinten raus!" Nun denn, in Gottes Namen. Wer nicht will, der hat gegessen. Thyra nahm den Eindruck mit, daß Annas Schicksal, wenn sie lange in diesem Hause blieb, besiegelt sei. Da sie sich nicht raten lassen wollte, war ihr nicht zu helfen. Thyras Arbeit war in den letzten Wochen etwas lang samer vorangcgangen; jetzt machte sie sich wieder tüchtig dahinter. Herr Bergmann war mit der Handlung sehr zufrieden und stellte weitere „Bestellungen" im Laufe des Sommers in Aussicht. Fritz ließ sich nur selten, eigentlich nur Sonntags sehen. Thyra erfuhr einmal unter der Hand, daß Leise mann ihn sehr bevorzuge, und er bei den Damen des Geheimrates in Kusekoffs Stelle gerückt sei. Obwohl sie eigentlich nichts darin fand — er konnte sich den Damen nicht wohl entziehen, wenn sie ihn in Anspruch nahmen —, schmerzte es sie doch, daß er selber nie etwas davon er wähnte. Warum und wozu die Geheimniskrämerei? Der fremde Einfluß, den sie van Anfang an gehaßt und ge fürchtet, nahm allgemach eine andere, sie beunruhigende Gestalt an. Besonders nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, lag ihr, albdrnckartig. die Vorahnung von nahen dem Unheil auf der Brust. Sie fürchtete für Fritz und wußte nicht was. Der Gedanke, daß sie ihn verlieren könnte, schnürte ihr den Hals zlrsammen, ranbte ihr den Atem Es mar ja im Grunde so töricht. Beim Hellen Tages licht schüttelte sie stets die Sorgen ab. Seltsam mußte es eigentlich auch erscheinen, saß sie — obgleich Fritz nun onknnt bei den Damen Leiscmann mar — oft bei den Einladungen des Geheimrates über gangen wurde. Sie selber machte sich freilich wenig daraus. Sic hatte diese Gesellschaften nachgerade bis oben hinaus satt. Wenn sie darüber nachdachtc, was sic in diesen Gcsellschastsschichten zu finden erwartet mtd was sie gefunden hatte, brach sich eine Regung lustiger Selbst ¬ ironisierung bei ihr durch. Wie der Naturforscher mit der Botanisierkapsel über der Schulter in hochgelegene Ge filde klettert, in -er Hoffnung, dort eine üppige und inter essante Flora zu entdecken, so war sie hinauSgezogen, — und wie kärglich war die Ausbeute, die sie heimbrachte: Kräuter und Unkräuter, wie sie überall zu finden sind, auf jeder Wiese, jedem Wegraine, an jeder Gartenhecke, vielleicht im ganzen ein wenig geiler und bunter, viel blättriger .... vom Standpunkte des Botanikers au- eher degeneriert als veredelt .... und außer diesen noch einige Exemplare gefährliches Gift und Sumpf pflanzen, die zum Glück nicht in jedem Boden gedeihen, aber von den ertrmnnten Wunderblüten — gleich prächtig an Farbenschmelz wie an Wohlgeruch — nach denen sie gefahndet, keine Spur..... Die „oberen Zehntausend" begannen sie zu langweilen. Sie suchte anderen Anschluß, andere Kreise. Zuerst ihre Bcrufsgenossen und Berufsgenossinnen. Es hatte sich eben eine neue schriftstellerische Ver einigung gebildet, der sie beitrat. Einige sichtbar zu Tage tretende Mängel in den bestehenden alten Verbindungen und in zweiter Linie die ziemlich hohen Mitgliederbeiträge derselben, hatte zu dieser Neugründung geführt. Der Verein zählte bereits eine Menge Mitglieder, von denen allerdings nur wenige es bisher zu einem gewissen An- sehen gebracht hatten; die Mehrzahl bestand aus noch un bekannten Größen, aus jungen, ruhmhungerigcn Ta lenten, ans „Werbenden". Ter Verein, er nannte sich „Polyhymnia", hielt seine Sitzungen im Künstlerlmuse in der Bellevuestraße ab. Diese Versammlungen, denen Thyra wiederholt bei wohnte, stimmten sie nachdenklich. Unter der Menge Menschen, die da zusammcnströinte, war auch nicht Einer und nicht Eine, der, respektive die nicht nach eigener felsenfester lkebcrzengung die Anwartschaft ans Unsterb lichkeit in der Tasche trug. Ein förmlicher Meteorregen von blendenden Geistern mußte sich über das neunzehnte Jahrhundert ergossen haben, wenn jeder mit seiner un- umstößlichcn Meinung von der eigenen Größe im Recht war. Oder sollte sich hier und da doch Einer irren, war doch am Ende viel Simili darunter? — Und sie machte ferner die Beobachtung, daß in diesem Kreise — dessen Angehörige angeblich alle idealen Bestrebungen nach gingen — -das heilige Ellbogenrecht gerade so gut zu Hause war, wie in dem Konkurrenzkämpfe anderer Be, rufsarten. Daß auch hier Einer den Andern puffte,
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