Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021216024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-16
- Monat1902-12
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
879', unternch;cn, welch« Halt««- di« Beritntgt«« Staaten beobachten würden, falls Italien dringender Weise die Regelung seiner An» Iprüche hinsichtlich Venezuela» verlangen sollte. Politische Tagesschau. * Lei-zig, 16. Dezember. Die weitere« A»sg«-e« -es Reichstags. Der Umstailb, baß die Zollopposttion mit Austiahme der beiden BolkSparteien den Kamps um den Zoll tarif in einen Kanipf um die Zett verwandelt batte, bat dem jüngsten Reichstags-Tagungsabschnitte seinen außerordentlichen, ja sensationellen Charakter ausgeprägt; er hat aber auch dazu geführt, daß erreicht worden ist, was noch beim Beginne der Verhandlungen als völlig unerreichbar erachtet «erde. Hatte doch der Präsident -es Reichstages -amals im Seniorcnkvnvent sich dahin ausgesprochen, daß vor der Wethnachtspause auf keinen Fall mehr als die zweite Lesung der Zvlltarifvorlagc er ledigt werben könne, die dritte Lesung dagegen nach Ab schluß der Etatsberatung im Slpril zu erfolgen haben werde. Daß entgegen dieser allgemein geteilten An nahme jetzt die Zolltarifvorlage im Reichstage verab schiedet werden konnte, ist von größtem Vorteil für unser ganzes Erwerbsleben, denn es eröffnet sich jetzt die sichere Aussicht, ungleich früher, als eS andernfalls möglich ge wesen wäre, zu festen und stetigen Zuständen in Bezug auf unsere Handelsbeziehungen zum Auslände zu ge langen. Mit dieser Aussicht wird zweifellos auch das Ver trauen in unser Erwerbsleben zurückkehren und damit die Voraussetzung für die Uebcrwindung der jetzige,! Stockung in der Industrie, in Hattdel und Verkehr ge schaffen sein. Eiu weiterer Vorteil der -er Obstruktion zu dankenden raschen Erledigung der Zolltarifvorlage ist darin zu erblicken, daß zwischen dem Abschlüsse der Ver handlungen und den bevorstehenden Reichütags- wahlenein längerer Zeitabschnitt liegt und demzufolge diese Wahlen nicht unter dem unmittelbaren Eindrücke aufstachelndcr Scencn erfolgen, wie sie in den letzten Wochen im Reichstage sich abgespielt haben. Endlich ist durch die definitive Erledigung der großen gesetzgebe rischen Zlufgabe der Zolltarifvorlage freie Bahn für die ruhige Erledigung der gewöhnlichen Geschäfte des Reichs tages geschaffen. Der R e i ch s h a u s h a l t s p l a u wird mit der Ruhe und Sachlichkeit beraten werden können, welche die schwierige Finanzlage des Reiches er heischt- Wenn es auch noch nicht die Aufgabe dieser Tagung des Reichstages sein wird, endgültige Beschlüsse über die Ordnung der Reichsfinanzen zu fassen, weil man dazu erst den Betrag der Mehreinnahmen aus den Zöllen in Folge des neuen autonomen Tarifs übersehen muß, so wird man sich doch über das Verhältnis der ordentlichen Einnahmen zu dem ordentlichen AuSgabebedarfe des Reiches völlig klar werden müssen und so -en Roden für tene definitiven Beschlüsse zu ebnen haben. Daß, abgesehen von dem Reichshaushaltsetat dem Reichstage nur noch die dringlichsten gesetzgeberischen Vorschläge unterbreitet wer den, liegt auf der Hand. Zn diesen dürfte aber jedenfalls die Novelle zum Börse ngeseye gehören Sie bildet bis zu einem gewissen Grade eine Ergänzung der Zolltarifvorlaqe: wenn in dieser gleichmäßig die Inter essen der Landwirtschaft und der Industrie gewahrt sind, und wenn man von ihrer Verabschiedung eine Besserung unseres Erwerbslebens erhoffen darf, so bildet hierfür doch eine entsprechende Berücksichtigung -er Bedürfnisse des Handels, insbesondere auch unserer Bank- und Börsemvelt, eine unerläßliche Voraussetzung. Nur wenn auch dieses wichtige Glied unseres heimischen Erwerbs lebens mit voller Kraft mitzuarbeitcn im stände ist, wird sich die Gesundung unserer Verhältnisse in der erwünschten Weise und in dem erwünschten Tempo vollziehen können. Deshalb ist es unerläßlich, daß in unmittelbarem Zu sammenhänge mit der grundlegenden Neuordnung un serer Zoll- und Handelsverhältnisse auch dazu geschritten wird, wenigstens diejenigen Bestimmungen deS Börsen- gesetzeS einer Revision zu unterziehen, welche dazu ge führt haben, Treu und Glauben, die Grundlagen des ganzen Handels, vielfach in bedenklicher Wesse zu er schüttern, dadurch die Tätigkeit unserer Börsen lahm zu legen und ihre Bedeutung für das heimische Erwerbs leben zu vermindern. Man wird vertrauen dürfen, daß dieselbe Mehrheit, welche mit solcher Energie für die Interessen der Industrie und der Landwirtschaft bei den Zolltarifverhandlungen zu sorgen gewußt hat, auch den Handel und seine Bedürfnisse berücksichtigen und ihm durch die Beseitigung der am schwersten empfindlichen Bestim- nmngen des BörsengeetzeS sein Recht zu teil werden lasten wird. Alsdann wird man zweifellos von der jetzigen parlamentarischen Kampagne den Beginn einer wicber- aufsteigenden Bewegung in unserem ganzen Erwerbs leben datieren können. Zentrum und Sozialdemokratie. Unter den Vorwürfen, die der nationalliberalen ReichStagSfraktion wegen ihrer Stellungnahme in der Zoll» tariffrage von link-liberaler Seit«, ja auch aus de« eigenen Lager berau-, gemacht werden, spielt ein« besondere Rolle der, die Fraktion habe sich durch diese Stellungnahme einer .reaktionären Masse" eingefügt und, eutgrgrn den in Eisenach betonten Grundsätzen, vom Zentrum und den Konservativen sich ins Schlepptau nehmen lasten; ihre Selbstän- bigkeit sei versvielt und künftig würden sie tun und lasten wüsten, waS die klerikal-konservativen Herren deö neuen Bündnisses verlaagten. Wir haben diesen Vorwurf schon wiederholt als unberechtigt rurückzewiesen und die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Tatsachen ihn bald genug widerlegen würden. In zwischen wüsten auch den Blindesten die Augen darüber auf gegangen sein, daß wenigstens die in der Zolltariffrage auf der Seite der Reichstagsfraktion stehende nationalliberale Presse nicht- weniger als gesonnen ist, den kirchenpolitischen Forderungen dcS Zentrums auch nur um Haaresbreite nach- zugrben. Die nationalliberale ReichStagSslaktion denkt nicht anders. Und das Zentrum sorgt selbst dafür, daß der „Zöllner bund" seine Wirksamkeit nicht weiter erstreckt, als eben auf die Zollfragen, und daß die Nationalliberalen, selbst wenn sie eS nicht wollten, bei anderen Fragen ihre eigenen Wege gehen wüsten. So besonders den Sozialdemokraten gegenüber, die bekanntlich vaS Zentrum hier belämpst, um seine „Reichsfreundlichkeit" zu beweisen, und dort unterstützt, um mir dem „roten Gespenst«" die Regierungen zu erschrecken. Dasselbe Spiel wird voraussichtlich bei den bevor stehenden NeichStagSwahleu trotz aller gegenteiligen Behauptungen in Baden gespielt werden. Dort baden bekanntlich die Sozialdemokraten bei den letzten NeichStagSwablen drei Wahlkreise, die früher liberal vertreten gewesen waren — zwei nationalliberal, einer freisinnig —, erobert und zwar dank der Hilfe des Zentrums. Man glaubte nun vielfach, daS Zentrum, LaS inzwischen mehr als jede andere Partei ge legentlich der Kämpfe um den Zolltarif mit der Sozial- demotratie aneinander geraten ist — wir erinnern nur au die Scene zwischen Herrn Bachem und den Sozialdemokraten —, werde sich diesmal gegen die Sozialdemokratie wenden. Nach einer Auslassung deS führenden ZentrumSblatte« muß man anderer Ansicht werden. Die „Kölnische Volkszeitung" schreibt nämlich: „Trotz aller Agitationen werden die Sozialdemokraten Neu» rroberungen an Mandaten in Baden jedenfalls nicht machen, wohl aber dürften sie ihre drei bisherigen Mandate behalten, obwohl ihnen das Karlsruher Mandat obgenoinmen werden könnte, wenn die bürgerlichen Parteien sich verständigte»; doch dahin dürfte «S kaum kommen. DaS Zentrum beabsichtigt, in Karlsruhe und Mannheim eigen« Kandidaten aufzustellen". Eine eigene Kandidatur deS Zentrums in Karlsruhe dürfte selbstverständlich nicht zur Erleichterung der Verstän digung zwischen den bürgerlichen Parteien in der Landes hauptstadt beitragen. Das Zentrum bat in Karlsruhe seit dem Jahre 1884 keinen eigenen Kandidaten mehr ausgestellt, so daß schon dadurch die Notwendigkeit einer eigenen Kan» vidatur verneint wird. Aber mag das Zentrum auch immer eigene Kandidaten aufstellen, so brauchte man die Lage doch keinesfalls so pessimistisch a»zuschauen, wie die „Kölnische Volks zeitung", wofern nur die bürgerlichen Parteien sich bei der Stichwahl auf ihre Pflicht besinnen. Im Wahlkreis Karls ruhe erhielten bei den letzten allgemeinen Wahlen die bürger lichen Parteien ja der Haup'wabl 15 600 Stimmen gegen 9000 sozialistische Stimmen. Dabei ist noch zu berücksichtige», daß die Sozialdemokratie diese 9000 Stimmen offenbar nur dem Umstande zu verdanken halte, daß von vornherein zahl reiche ZentrumSwähler für sie stimmten, denn sonst hätte die Partei, die zwischen 1890 und 1893 nur um 400 Stimmen zugenommen hatte, sicherlich nicht zwischen 1893 und 1898 um 3200 Stimmen zugenommea. Wie dem auch sei, aus dem PluS der bürgerlichen Parteien von 6600 Stimmen bei der Hauprwabl ergibt sich zur Evidenz, daß zum mindestens in KarlSrube die Sozialvemokratie nickt wieder zu siegen brauchte. ZnPsorzheim betrug der Vorsprung der bürger lichen Parteien bei der Hauptwahl allerdings nur eiwa 3000 Stimmen, aber auch diese Differenz sollte genügen, um bei den nächsten Wahlen den Wahlkreis in der Stichwahl, zu der es zweifellos wieder kommen wird, den Sozial demokraten abzunehmen. Weniger günstig liegen die Aus sichten der bürgerlichen Parteien in Mannheim. Hier ist von Wahl zu Wahl eine sprungweise Zunahme der Sozialdemokratie zu beobachten gewesen. Bei den Wahlen von 1887 erhielten sie wenig über 5000 Stimmen, im Iabre 1890 bereit- 8700, bei den Wahlen von 1893 über 10 000 und bei den letzten allgemeinen Wahlen 15 244 Stimmen. Die sozialdemokratische Stimmenziffer Halle sich demnach in elf Jahren um das Dreifache ver mehrt. Dem gegenüber ist keine Zunahme, sondern sogar eine — wenn auch geringe — Abnahme der bürgerlichen Stimmen zu verzeichnen gewesen; bei den Wahlen von 1893 wnrden in der Hauptwahl noch 18 800 bürger liche Stimmen abgegeben, bei den letzten allgemeinen Wahlen nur »och 17 800. So sinv also in Mannheim die Chancen der bürgerlichen Parteien, selbst wenn sie Zusammenhalten, nicht allzu groß. Die beiden anderen Wahlkreise hingegen könnten sehr wohl der Sozialvemokratie abgenommen werben. Der lchon jetzt zur Schau getragene Pessimismus der „Köluischeu VolkSzettung" zeigt freilich, daß dem badischen Zentrum nicht viel daran gelegen ist, dieses Resultat herbeizuführen. Für die Nationalliberalen ist dadurch von selbst die Not wendigkeit gegeben, ihre Wege allein zu gehen, iu Karlsruhe und Mannheim direkt gegen das Zentrum. Italien «u- die Handelsverträge. In -er gestrigen Sitzung der italienischen De - putiertenkammer führte in Beantwortung mehrerer Anfragen Minister .Prtnettt aus: Ich muß vor allem erklären, ich habe bisher keine amtliche oder halbamtliche Mitteilung, betreffend die Kündigung der gegenwärtig geltenden Han delsverträge erhalten, ich bin auch nicht im stände, hierauf bezüglich etwas vvrauszusagen, denn ich habe keine Kenntnis von der Absicht, die jede der andern Regierungen haben mag, ihren Vertrag zu kündigen oder nicht zu kündigen. Ich halte cs für nützlich, einen Irrtum zu zerstreuen, in den ich in dieser Kammer und anderswo oft diejenigen geraten sehe, die sich mit dem Gegenstände beschäftigen. Es ist nicht richtig, daß, wenn die Handelsverträge am 31. Dezember nicht gekündigt sind, sie als ein Jahr über die Ablaufsfrist verlängert angesehen würden und die Mitternacht Les 81. Dezember von den Interessenten mit all der Angst erwartet werben müßte, die ehemals das Herannahen des Jahres 1000 ver ursachte. Nein! Nach dem 31. Dezember kann täglich gekündigt werden» und die Verträge werden genau nach einem Jahre, vom Tage der Kündigung an gerechnet, ab laufen. Was die Zukunft anlangt, die auf dem so wich tigen Gebiete der Handelsbeziehungen unserem Lande be vorstehen kann, glaube ich, nichts an dem im Mai 1901 Ge sagten ändern zn müssen. Ich glaube nicht, daß wir sehr ernsten Schwierigkeiten in den d em u ä ch st i g c n B erh a n ü l u n g e u mit De u tf ch- land e n.t g e g e n g e he n. Ich bin noch tiefer, wie damals, überzeugt, daß die Grundlage zur Regelung der Handelsbeziehungen beider Länder keiner wesentlichen Aendernng unterworfen wird. sBravv! Sehr gut!) Der gegenwärtige Handelsvertrag mit O e st cr r e i ch - lk n g a r n ist — das darf man nickst ver gessen — bedeutend vorteilhafter für Oesterreich-Ungarn als für uns. Die in Oesterreich-Ungarn mit lauter Stimme die Kündigung -cs Vertrages verlangen, erheben, wie jedermann weiß, nur eine einzige Beschwerde, nämlich die bekannte Wein k lause l. Die Klausel in ihrem gegenwärtigen Wortlaute erfährt in Oesterreich, und besonders in Un garn, großen Widerspruch wegen des durch sie ein geführten ermäßigten Tarifs und weil Frankreich noch am 31. Dezember 1903 für Weine die gleiche Behandlung verlangen könnte, die cs sich verpflichtet hat, nicht vor dem 31. Dezember 1903 zn verlangen. Der Minister führte weiter aus: Sv weit Italien in Betracht komme, werde cs, obgleich der bestehende Vertrag kaum für Italien günstig sei, stets von dem Gefühl großer Mäßigung, welche seine Haltung in diesem ganzen Zeiträume handelspolitischer Streitigkeiten, der schon so lange anhalte, bestimmte, beseelt bleiben und den gegen wärtigen Vertrag nicht kündigen. Es komme -auf die Entscheidung, die Oesterreich- Ungarn treffen werde, nicht an. Wenn Oesterreich-Un garn den Vertrag kündige, würden die italienischen Ver treter in die Verhandlungen über neue Vereinbarungen den Geist hoher Billigkeit und den lebhaften Wunsch, zu einer schnellen Entscheidung zu kommen, mitbringen; aber sie würden nicht umhin können, alle Positionen des Ver trages einer Nachprüfung zu unterziehen, um zu einer neuen Einigung zu kommen. Unparteiisches und objektives Studium werde den vollen Wert der Ermäßigungen, den der Vertrag mit Oesterreich-Ungarn auf den bestehenden allgemeinen italienischen Tarif zusichcrte, derart ins rechte Licht setzen, daß man Italien, den freien Eingang seiner Weinerzeugnisse in Oesterreich- Ungarn nicht werde verweigern können. (Leb hafte Zustimmung.) Wenn man erwäge, daß allein in Holz und Pferden nach Italien für etwa 60 Millionen Lire größtenteils ans jenen Gegenden cingesnßrt werde, wo man am meisten gegen die italienischen Weine schreie, komme man zu der Ueberzeugung, daß amh bei dem jetzt geltenden italienischen Generaltarif, der außer dem mit Leichtigkeit durch ein einfaches königliches Dekret um 50 Prozent erhöht werden könne, Italien zu der auf ausgiebigen billigen Grundsätzen beruhenden Verhand lung gerüstet sei. Er glaube, daß der gegenwärtige ita lienische Generaltarif genüge, um eintretcndcn Falles als Grundlage zu Verhandlungen über einen neuen Vertrag mit derSchweizzu dienen. Wenn übrigens wider alles Erwarten die Aufstellung eines neuen GeneraltarifeS notwendig erscheinen sollte, könne er versichern, daß die zu diesem Zwecke beim Ministerium für Ackerbau und Handel gebildete Kommission alle erforderlichen Elemente derart zusammenbrachte, daß der neue Taris in kürzester Zeit aufgestellt und der Volksvertretung zur Genehmigung unterbreitet werden könnte. (Lebhafte Zustimmung ans allen Seiten.) — Die Fragesteller erklären, sic seien durch diese Information zufriedcngestellt. Und zufrieden können auch bi« Mehrhett-partete« -e- -rutsche« Reichs tages sein, denn aus PrtnetttS Erklärung ergibt sich» baß ihr soeben abgeschlossenes Werk wenigstens dem Abschluß eines neuen Handelsvertrages mit Italien keine ernsten Schwierigkeiten bereiten wird. Deutsches Reich. Berlin, 15. Dezember. (Kundgebungen aus der nationallideralen Partei.) In dru ernsten, stellen weise sogar sehr heftigen Erörterungen der Presse aus dem eigenen Parteilagrr, die sich nicht mit dem Borgeben der Mehrheit der ReichStagSfraklion einverstanden erklärt«», ist zugleich doch immer die Warnung vor Spaltungen aus getreten. Die Fälle deS Professor Lotz in München, der seinen Austritt aus der Partei erklärte, wie der Vorgang in Leer (Ostsriesland) stehen unserer Kenntnis nach ganz vereinzelt da. Von den Parteiblättern, die von Anfang an mit voller Offenheit, aber doch immer maßvoll und unter Würdigung der Lage, in der sich die Fraktion befand, ihre Kritik übten, schreibt heute die „Königsberger Allg. Zlg." am Schluß ihre- Leitartikels: „Solche Offenheit ist gerade im Jatereffe der oationalliberaleu Partei selbst; denn neben der öffentlichen Kritik gibt «S eine stille und viel gefährlichere: sie besteht darin, daß die Wähler sich von der Partei einfach abwenden. Allein nachdem diese öffentliche Aus sprache in sehr ernstem Tone stattgefunden, scheint unS die Sache auch endgültig erledigt zu sein. ES darf daran eriooert werden, daß die Herren Baffermann, Sattler usw. sich tatsächlich iu einer sehr schwierigen Loge befanden, als sie sich zu entscheiden hatten. Sie waren unmittelbar Zeuge, in welch empörender Art die Sozial» demokraten von der Macht der Obstruktion Gebrauch machten, und sahen nun iu dem Bedürfnis, diesen TerroriSmoS im Reichstag nicht auskommen zu lassen, keinen anderen AuSweg, als Len, welchen die MehrheitSparteien mit dem Antrag Kardorff rinschlogen. Wir zweifeln nicht, daß die starke Opposition, die ihr Berhalten innerhalb der naüonalliberalen Partei im Lande hervorgerufeo, die Herren davon überzeugt hat, daß eS für die nationalliberale Partei ver derblich sein würde, wenn sie ähnliche Enttäuschungen seitens ihrer Führer wieder erleben sollte, und sie werden daher gewiß selbst dasür sorgen, daß di« Wiederkehr einer derartigen Enttäuschung vermieden werde. DaS wird die beste Garantie dasür sein, um ernstliche Spaltungen innerhalb der Partei — vor denen wir dringend warnen — zu vermeiden und die Politik, wie sie in Eisenach betont wurde, zur Tat werden zu lassen". In völliger Uebereinstimmung mit unserer früheren Darlegung der Gründe, welche die Mehrheit der national- liberalen ReichStagSfraktiou zu ihrer Haltung notbwendiger Weise drängen mußten, entwickelt auch die „Köln. Zlg." noch mals diese Beweggründe und schreibt u. a.: „Sie (d. h. die Verständigen unter den Kritikern der Fraktion) richten deshalb ihren Tadel weniger gegen den Inhalt des Kom promisses, alS gegen die Art, wie man ihm parlamentarisch Geltung verschafft hat, hauptsächlich gegen die Einreihung deS Antrages Kardorff unter den 8 1 deS ZolltarifgesetzeS, also gegen die Enbloc» Annahme der KommissionSbelchlüsse. Die Sprecher der ReichstagS- sraktion haben nun selbst keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch sie dieses summarische Verfahren durchaus nicht alS das Ideal par- lamentaiischer Behandlung betrachten, aber da ihnen nur die Wahl blieb, ob sie in der parlamentarischen Werkstatt angesichts der mit allen Mitteln der Rücksichtslosigkeit kämpfenden Obstruktion Hammer oder Amboß sein wollten, so zogen sie eS vor, Hammer zu sein. Daß die Obstruktion sich nicht durch Schmeicheln und Streicheln mit Samthandschuhen zähmen ließ, hatte sie bewiesen; wen» daher der Zolltarif und mit ihm die Würde deS Reichstage«, soviel davon noch zu retten war, in Sicherheit gebracht werden sollten, so be durfte eS kräftiger Mittel. Man hätte zu dem Zweck die Geschäfts ordnung ändern können, aber man zog eS vor, einen Weg zn gehen, an dem man kein Verbot angeheftet sand und der deshalb, selbst wenn er eia Abweg von dem Branche deS Hause- ist, gangbar war. Es läßt sich ja darüber streiten, ob eS kein andere- Mittel gab, aber bessere Vorschläge wissen auch die Kritiker nicht zu machen, und wer es unternimmt, aus solchen Formalien den Vertretern im Reichstage einen Strick zn drehen, während sie in heißem Bemühen bestrebt sind, der Sache zum Siege zu verhelfen, der verrät, daß er entweder in seinem Herzen mit den Gegnern deS Zolltarifs im Bunde ist, oder daß sein politisches Verständnis über den ersten besten Strohhalm stolpert, den «S am Wege findet." Die unbedingten ZustimmuugSerklärungen zum Ver halten der RelchStagSfraktion mehren sich aber täglich; so ist auch aus Schweinfurt eine BertrauenSkuudgebung für die Fraktion gekommen. * Berit», 15 Dezember. Die Uebersicht über die namentlichen Ab st immun geu zum Zollt« rifgesetz in der Schlußsitzung deS Reichstag» am 13./14. Dezember liegt jetzt in vier Listen vor. Für de» Kompromißautrag Herold und Geuosseu haben gestimmt 32 Deutschkouser- vative, die gesamte NeichSpartei, daS Zentrum — außer dem Abgeordneten Szmula, der sich der Stimme enthielt — Trockenboden finden sie das Bett und das Sofa, das Bett sein siürberlich aufgeschlagen, Matratze und alle Kissen darin. Kurt Gravenhorst lacht, daß ihm die Tränen in die Augen steigen. Auch Frau Schütze macht gute Miene zum bösen Spiel; nur Lieschen Schütze, ein junges Mädchen Anfang der Awamig, blickt uttt betrübter und vorwurfs voller Miene auf den alten Burschen, der ingrimmig neben ihr stecht und in ohnmächtigem Zorn die Hände ballt. „Na wartet, Las sollt ihr mir büßen!" grollt er und nimmt sich vor, beim Frühschoppen Len übermütigen Jung burschen, die ihm diesen Poffen gespielt haben, ordentlich die Wahrheit zu geigen. Doppelt ärgerlich ist ihm, daß die „kilia bospitalis" Zeugin seiner Blamage ist, daß wieder einmal vor ihr seine Ohnmacht enthüllt ist, sich auf der Kneipe das richtige Matz aufzuerlegen. Wie oft hat er ihr nicht versprochen, mätzig zn sein und nicht über ein ge wisses Quantum hinauszugehen! Ihm liegt sehr viel an ihrer guten Meinung, denn er ist ihr zu Dank verpflichtet, und ihr liebenswürdiges, fitrsorgliches Wesen hat es ihm längst angetan. Jetzt verbirgt er seine Verlegenheit und sein schlechtes Gewissen unter einer eifrigen Geschäftigkeit. Mit lVravenhorstS und Frau Schützes Hülfe wird die Bett stelle auseinander genommen und die Matratze und das Sofa werben himnttergeschafft und an ihrem gewohnten Platz ausgestellt. Dann ziehen sich die Phileuse und ihre Tochter zurück. Karl Sägmttller steckt den hettzen Schädel, der ihm brummt, alS triebe eine Schar von Hornissen ihr Un wesen darin, in die kühlende Waschschüssel. Er hat eben seine Toilette vervollständigt, als Lieschen Schütze zurück kehrt und das Frühstück bring». Mit zart empfindendem Gemüt weitz sic den Wünschen ihres Mieters zuvor zukommen, indem sie ihm zugleich mit dem Kaffee den wohl tuenden Hering vorsetzt. Der alte Bursche ist gerührt. Zerknirscht und klein laut fragt er: „Sind Sie mir böse, «Fräulein Lieschen ?" Es zückt gar bitter um die Mundwinkel des jungen Mädchen-, und in ihren Mienen zuckt eS, als könne sie nur mit Mühe ein laute» Weinen zurückhalten. „Ich habe ja nicht das Recht, Ihnen Vorwürfe zu machen", erwiderte sie zurückhaltend. „Doch — doch", sagt er eifrig und hascht nach ihrer Sand, „doch Fräulein Lieschen! Ich weiß ja, Sie nehmen Anteil an mir" fährt er, ganz im Banne seines mora lischen Katzenjammers, fort, „mehr als ich cs verdiene. Aber wahrhaftig, Fräulein Lieschen, von heute ab will ich ein anderer werden. Sie sollen sehen, ich werde solide, ich setze mich auf die Hosen und ochse, und im nächsten Semester steige ich ins Examen." lieber ihr Gesicht geht ein frohes Aufleuchten. Sie glaubt immer noch an ihn, obgleich er schon so ost Besserung gelobt und eben so oft wieder in sein altes Bummclleben verfallen ist. „Werben Sie heute ins Kolleg gehen?" fragte sie schüchtern. „Gewiß, gewiß!" antwortet er und errötet unwillkür lich. Er hat noch gar kein Kolleg belegt, weil er die „un nötige" Ausgabe scheut. Die Quästur hat ihn schon zwei mal gemahnt. Jetzt nimmt er sich im stillen vor, das billigste „Pnbliktnn", das es gibt — es kostet nur fünf Mark für das ganze Semester — noch heute zu belegen. Er packt nun auch vor ihren Augen die Kollcgienmappc und geht, nachdem er sein Frühstück verzehrt hat, davon — zum Vor-Frühschoppen. Um elf Uhr kehrt er zurück. Gleich darauf erscheint Fräulein Lieschen abermals. „Die Waschfrau hat Ihre Wäsche gebracht", berichtet sie und legt eine Anzahl weißer Hemden, Kragen, Man schetten usw. auf -en Tisch. „Wie viel macht es denn?" fragt er mit unsicherer Stimme und greift in seine Tasche. Fräulein Lieschen aber macht eine abwehrende Hand bewegung. „Lasten Sic nur, Herr Sägmüller", sagt sie, „ich habe es ausgelcgt, Sie können cs mir ja am Ersten zurück erstatten." Er nickt sehr befriedigt, dann setzt er sich ostentativ an den altväterischen Schreibtisch und baut eine Anzahl Bücher neben sich auf. Leise, mit zufriedenem Ge sicht schleicht Lieschen Schütze aus dem Zimmer. Ihre schwärmende Mädchenphantaste gaukelt ihr allerlei lieb liche Zukunftsbilder vor. Karl Sägmüller geht ins Examen und besteht e- mit Glang — hat er doch bereit- nach dem sechsten Semester sein „Physikum" wirklich und wahrhaftig gemacht. Wie oft hat er nicht auf diese unbestreitbare Tat sache gepocht und sich selbst, sowie seinen immer ungedul diger mahnenden Vater damit getröstet! Nach bestandenem Examen läßt er sich in seiner Vaterstadt als Arzt nieder und dann, nach einiger Zett, nachdem er sich eine auS- könnnliche Praxi- erworben hat, gründet er seinen eigenen Herd. Die Wangen -er liebenden kilia Ko8pita1is röten sich und ihr stürmisch pochendes Herz erwägt die Möglich keit, daß sich dann ihre schönsten Träume verwirklichen können. Lieschen Schütze hat sich mit einer Handarbeit an dem Fenster des Wohnzimmers niedergelassen. Plötzlich fährt sie erschrocken in die Höhe. Ihr entsetzter Blick sieht, wie ein einfach gekleideter Mann mit energischen Schritten auf das Hans lossteucrt. Ein finsterer, entschlossener Zug beherrscht die grobgezeichneten Züge — sie erkennt es genau vom Fenster aus. Sie kennt den Mann und sein grobes rücksichtsloses Wesen. Wie der Blitz fährt sie zur Tür hinaus und hinüber in Herrn Sägmüllers Zimmer. „Herr Nenbert!" schreit sie hinein. Das Wort wirkt wie ein Alarmschutz auf den Studen ten. Er fliegt von seinem Stuhl empor, stürmt auf den Flur hinaus und klinkt auf Gravenhorsts Tür. Aber der Kommilitone ist nicht zu Harrse, die Tür verschlossen. „Wohin?" stöhnt der Student, während sich eine fieber hafte Angst in seinen verzerrten Mienen spiegelt. Nenbert ist sein Cigarren- und Tabakslieferant. Seine Rechnung bei ihm beläuft sich auf nahezu hundert Mark und er holt schon längst nichts mehr auf Pump von ihm. Ihre ge schäftlichen Beziehungen beschränken sich jetzt nur noch darauf, daß der gröbste aller Tretphilister immer unge stümer zmn Zahlen drängt. Aber woher Geld nehmen zum Schulden zahlen, wenn der von dem erzürnten Vater ver kürzte Wechsel kaum zum Bestreiten der unumgänglichen Ausgaben hinreicht? „Wohin?" stößt er in höchster Verzweiflung hervor, denn schon poltert der Ctgarrenfritze die Treppen hinauf. Lieschen öffnet schnell die Tür zu ihrer Wohnung. Zum Glück ist die Mutter in der Küche beschäftigt. Aufatmend stürzt sich der Bedrängte in da- Zimmer der Phileuse. Die opfermutige kilia ftospttalis aber bleibt draußen, um den Mahner zu empfangen. Mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln begrüßt sie ihn. „Doktor Gägmüller zu Hause?" fragt der Cigarren händler kurz angebunden. „Ich bedaure, nein. Bor einer Viertelstunde ist er ausgegangen." „So?" Herr Nenbert siebt die ihm Gegenüberstehende argwöhnisch von der Seite au. Daun schreitet er ohne weiteres auf die Bude des Studenten los. Will mich doch selbst 'mal überzeugen." Mit zornig gerunzelten Brauen steht er sich im Zimmer um. Wahrhaftig, zu spät! Mißtrauisch wirft er sich der Länge nach auf den Fußboden und späht unter Bett und Sofa. Wütend sich die Lippen vor ärgerlicher Enttäuschung zerbeißend, tritt er wieder auf den Flur hinaus. Schon steht er an der Treppe und Lieschen Schütze atmet er leichtert auf. Da plötzlich scheint ihm ein anderer Gedanke zu kommen und rasch, noch ehe ihm das entsetzte junge Mädchen zuvorkommen kann, tritt er in die Wohnung ihrer Mutter ein. Zitternd und beben- folgt sie ihm. Aber welch ein Wunder, von dem Gesuchten keine Spur! Herr Neubert forscht zornig im Zimmer umher, und wirft auch einen Blick in das Nebengemach, dann zieht er sich, an seinem Schnurrbart kauend, zur Tür zurück. Hier dreht er sich noch eimnal um. „Sagen Sie dem Doktor Sägmüller", ruft er wutent brannt, „daß ich wicderkomme, und -aß ich ihn schon ein mal erwischen werde, und wenn er dann nicht gutwillig zahlt, mache ich ihm einen Höllenskandal und ich geh' nicht eher weg, bis er wenigstens eine Abschlagszahlung ge leistet hat. Sagen Sie ihm das, dem — dem Studiosus niüil!" Damit schmettert er die Tür hinter sich ins Schloß und verschwindet. Fräulein Lieschen steht einen Augenblick wie betäubt und preßt ihre Rechte auf das wild pochende Herz. Dann späht sie ängstlich auf den Flur hinaus. Gottlob, der Schritt des TretphiltsterS verklingt auf der Treppe. „Herr Sägmüller", wispert sie, zurückkehrenb, und steht sich suchend im Wohnzimmer nm. Da öffnet sich die Tür des Kleiderschrankes und dnnkelrot, erhitzt kommt der alte Bnrsche zum Vorschein. „Ist er fort?" flüstert er. Sie nickt lächelnd. Aber schon im nächsten Augenblick verschwindet der freundliche Ausdruck von ihrem Gesicht und ein zwiespäliigcS Gefühl beschleicht sie. Sic weiß nicht, soll sie ihm zürnen oder Mtt(eid mit ihm haben. Verlegen, beschämt, daS Haupt auf die Brust sinken lastend, steht er vor ihr. Da siegt daS Mitleid in ihr. „Gehen Sie nur wieder an Ihre Arbeit!" sagt fie, ihm ermutigend zunickend. „Ich paffe auf." Und während er kleinlaut auS -em Zimmer schleicht, kehrt sie zu ihrem Stuhl am Fenster zurück, um weiter die Vorsehung für ihn zu spielen. » lFortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder