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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021217025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-17
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Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates nnd des Volizei-Ämkes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem RedakttonSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach« richten (S gespalten) 50 L>. Dabellarischer nnd giffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nnr mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderuog 70<-> Ännahmeschluß für Artigen: Abend-AnSgab«: Vormittag- 10 Uhr. Morges-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Sir. 841. Mittwoch den 17. Dezember 1902. 88. Jahrgang. Die Exekution gegen Venezuela. Offiziös wird der „Köln. Zig." auS Berlin gemeldet, daß bis zur Stunde im Gegensatz zu anderen Meldungen kein auf ein Schiedsgericht binau-laufender Vorschlag der Vereinigten Staaten vorliege. Es ist vielmehr anzunelnnen, fährt das Blatt fort, daß Bowen seiner Regierung den Vorschlag Castros mitteilte, die ihn dann an Deutschland und England über mittelte. So lange Castro in Venezuela sich so gebartet, wie er eS jetzt tut, bürste bei einem solchen Vorschläge nicht viel herauSkommen. Da Deutschland und England es auf keine Verwickelung mit Venezuela abgesehen haben, sondern nicht- anderes wollen, al- die Erfüllung ihrer gerechten Forderungen, so würde grundsätzlich gegen kein Verjähren etwa- eiuzuwenden sein, von welchem man mit Zu versicht annehmen könnte, daß es die Angelegenheit den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprechend regeln wird. Ob ein solcher Weg durch die Vermittelung eines fremden Staate- gesunden werden kann, darüber ist beute nocl. kein Urteil zu fällen. Es wird von der Entwickelung der Dinge abhänzen, deren Einzelheiten man unmöglich vorauejehen kann. Deutschland hat jedenfalls die sachliche Erfüllung seiner Forderungen im Auge und für Deutschland liegt kein Jnteresie vor, den Gang der Ereignisse übermäßig zu be schleunigen. Wir können warten, zumal bei jener Stellung, welche Castro sehr unbequem ist und mit jedem Tage noch unbequemer werden wird. Mit der zu erwartenden Ablehnung des Schiedsgerichts und vielleicht selbst der eventuellen Annahme desselben tritt die Aufgabe der völligen Durchführung der Blockade der Hauptbäfen Venezuelas in den Vordergrund. Dieselbe kann bei den Häfen La Guayra und Puerto Cabello durch die „Vinela",den „Panther", den„Falken",den„Stofch" und den eng lischen Kreuzer„CbarybdiS" bereits als gesichert gelten und hat mit dem Verbot für Handelsschiffe, in den Hafen von La Guayra einzulaufen und dort zu entfrachten, tatsächlich begonnen. Allein so wirksam auch eine enge Friedensblockade, die den Serhandel Venezuelas mit dem AuSlande völlig unterbände, als PreisionSmitlel auf die Regierung des ersteren und das gesamte Land erscheint, so ist doch anderseits nicht zu verkennen, daß mit der Besetzung und Beschlagnahme der Zollämter, deren Goldbestände jedenfalls rechtzeitig von den Beamten Castros fortgeschafft sein dürften, nur dann ein greifbares materielles Resultat erzielt zu werden vermag, wenn auch ferner dort Zölle erhoben werden und eingehen. Dies schließt aber die Fortsetzung des Seehandelsverkehrs Venezuelas mit einer gewissen Kon trolle und daher eine sehr erhebliche Modifizierung der Friedensblockade in sich, denn andernfalls wäre die Maßregel der Beschlagnahme der Zollämter zwecklos. Dieselbe könnte daher, wenn sie anders Einnahmen ab werfen joll, nur darin bestehen, daß, bei ungehinderter Fortsetzung de- SeehandelSverkehrs, die Zölle von den ein- und auslaufenden Schiffen nacd wie vor, jedoch von den Koalierten erhoben und kontrolliert und mit Beschlag belegt werden, und daß man, um dies durchführen zu können, jeden SeebandelSverkehr, der sich den Zollabgaben entziehen will, d. h. den Schmuggel, durch die Schiffe des alliierten Geschwaders zu verhindern sucht. Die Zollein- nahmen Venezuelas betragen jährlich etwa 20 Millionen BolivareS oder Francs und betrugen, obgleich im laufenden Jahre infolge der Unruhen beträchtlich zurückgegangen, noch im Monat Oktober in La Guayra 780 000 BolivareS. Wir würden es daher bei Annahme eines derartigen Ver fahrens mit einer ganz neuen und milden Form der Friedensblockade, und zwar lediglich einer Zollkontrolle und Beschlagnahme derZölle, zu tun bekommen. Dieselbe würde aber auch mit dem Entschluß der Washingtoner Regierung überein- stimmen, die im Fall einer Blockade dem amerikanischen Handel etwa auferlegte Be'chränkungen nicht anzuerkennen und damit zugleich der Neigung der neutralen Staaten Rechnung tragen, in neuerer Zeit überhaupt eine Friedensblockade nicht anzuerkennen, da die Blockade nicht nur die Angehörigen des blockierten Landes, sondern auch die Neutralen in ihren Interessen und in der Ausübung ihres Verkehrs empfindlich schädigt. Mit einer derartigen Modifizierung der Blockade stimmt jedoch auch überein, daß bis jetzt keine Blockade- Erklärung der alliierten Mächte veröffentlicht wurde, die in der Regel möglichst schnell und allgemein zu er folgen pflegt. Die Blockade müßte auch eine effektive, d. h. durch eine nach Zahl und Ausstellung dem beab sichtigten Zweck entsprechende dauernde Stationierung von Schiffen ober auch von Landbatterien so gestaltete sein, daß sie den Durchbruch ohne schwere Gesabr, in der Regel wenigstens, behindert und demnach eine wirk same ist. Bei der gewaltigen Ausdehnung des venezo lanischen Küstengebiets von etwa 300 deutschen Meilen und seinen 32 Häsen und 50 Buchten erscheint jedoch die effektive Blockade dieser sämtlichen Häfen mit der zur Zeit verfügbaren Schiffszahl und auch ein ausreichendes Abpalromllieren der gesamten Küstengewässer nach Blockadcbrecbern nicht durchführbar, so daß es sich unter diesen Umständen nur um die Besetzung der Haupthäfen und der Zollämter und deren Kontrolle und die Beschlagnahme ihrer Zoll-Eingänge handeln könnte. Allerdings sind dies die Punkte, nach denen die wenigen Eisenbahnen Venezuelas ihre Zweige von Caracas nack La Guayra, von Valencia nach Puerto Cabello, von Barquisimeto nach Tucacas, von Guapa nach Porto Carenero und von Barcelona zur Küste senden, und sie bilden daher mit ihren Hafeneinricktungen die wichtigsten und schwer zu um gebenden Stellen für die Vermittelung des Seehandels. Immerhin aber vermag sich bei der Unmöglichkeit, die gesamte lange Küste genau zu kontrollieren, dem Schmuggelbandel mit der Union, den Antillen und den amerikanischen Staaten eventuell ein weites Feld zu eröffnen. So lange aber die Blockade von den Aliierten nicht formell verfügt und erklärt ist, dürfte anzunehmen sein, daß sie nur in der modifizierten Form der Beietzung der Zollämter und der Kontrolle der einlaufenden Schiffe sich vollziehen wird. Man neigt neuerdings, namentlich in der englischen Presse, vielfach zu der Auffassung, Präsident Castro folge bei seinem schroffen Auftreten nur dem Druck der öffentlichen Meinung in Venezuela, wo heute der Intervention des Auslands gegenüber alle Parteien in der Bereitschaft, den heimischen Boden und die Unabhängigkeit zu verteidigen, einig seien. Allein einerseits steht dem gegenüber, daß, wenn auch der bisherige Führer der Auf ständischen, das Haupt der Plantagenbesitzer, und selbst ein solcher, General MatoS, Venezuela nack der Niederwerfung seines Aufstandes verließ, doch andere Häupter seiner Partei, wie General Rolando und Don Leyra, wie bereits von uns berichtet, sich von neuem ei hoben baben, da sie, nachdem Präsident Castro nunmehr seiner Flotte beraubt ist, Aus ¬ sichten für ihre Sache erblicken. Anderseits aber wird Präsident Castro in der englischen Presse als ein Mann von glühendstem, weit über die Grenzen seines Landes binauSgebenbem Ehrgeiz geschildert, welcher nichts weniger plane, als ein großes siidamerikanischeS Reich, bestehend aus den Republiken Venezuela, Columbia, Ekuador, Bolivia und Peru, zu gründen, dessen Meeresküile die ganze Südküste des Karaibischen Meeres von der Grenze Guyanas bis zur Landenge von Panama, sowie die Hälfte der Küste des Stillen Ozeans in Süd amerika umfassen würde. Castro, heißt es, wünsche der Diktator Südamerikas zu werden. Wenn diese und die sonstige bisherige Charakteristik des Präsidenten zutrifft, so dürfte ihm allerdings kein Opfer zu teuer sein, die für die Befriedigung der Ansprüche der Mächte eintretenden Elemente der besitzenden Klassen in Caracas und die ihm feindlichen Plantagenbesitzer niederzuballen und, indem er sich auf die untersten Schichten der Nation stützt, ia Venezuela Zustände zu schaffen, die, wie berichtet wird, in der Hauptstadt sich bereits denen der Kommune nähern sollen. Schiffsbcwcgnngen. * La Gnnyra, 16. Dezember. („Reuters Bureau") Gestern früh sind die englischen Kriegsschiffe „CHarybdis" und„Qu ait" hier eingetroffen. Es entstand große Erregung; der Befehlshaber der Festung ersuchte die Konsuln von Frankreich, Spanien und Holland, im Fall einer Landung englischer Truppen zu intervenieren und einen Angriff auf das Fort zu verhüten, da er Befehle erhalten habe, den Platz zu räumen, aber, wenn er angegriffen werde. Las Fort verteidigen würde. Die englischen Kriegsschiffe sind indessen um 5 Uhr nachmittags wieder abgefahren. Die Forderungen Italiens. * Washington, 16. Dezember. Der italienischeBot- schafter Mayor des Planches erklärte heute bem Staats sekretär Hay, daß Italien gehofft habe, ebenso wie Frank reich, eine befriedigende Regelung der Forderungen an Venezuela zu erlangen. Es habe daher eine in entschiedenen aber höflichen Worten gehaltene Note, nachdem Deutschland und England die Ultimaten gestellt baben, an Venezuela gerichtet, aber keinerlei energische Maßnahmen in Erwartung einer Antwort Venezuelas angewandt. Der Ton der Antwort, in welcher die italienischen Forderungen abzelehnt wurden, sei aber für Italien durchaus beleidigend gewesen. Italien, sab sich daher genötigt, sich den Flotten demonstration Deutschlands und Englands anzu schließen. Das Verhallen Italiens findet im Staats departement volle Billigung. Der italienische Botschafter gab dem Staatssekretär Hay die Zusicherung, daß Italien genau nach der Auslegung bandeln werde, die Präsident Roosevelt der Monroedoctrin gegeben hat. Haltung der Bereinigten Staate». * Washington, 16. Dezember. Im Marinedepartement wird es entschieden sür unrichtig bezeichnet, daß an das nord atlan tische Geschwader oder an die vereinigten Geschwader unter Admiral Dewey seit der Abreise der Geschwader aus den Vereinigten Staaten irgend ein Befehl ergangen sei. Es wird betont. Dewey könne über «eine Schiffe frei verfügen, was die Vorgänge in Südamerika betreffe. — Präsident Roosevelt hatte eine lange Besprechung mit den Kabinettsjekrelären über die Lage in Vene zuela. Es wurde kein Beschluß gefaßt, der etwa geeignet wäre, die bisher beobachtete Haltung zu ändern. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Dezember. Zentrum und Zolltarif. Daß das Zentrum sich mit seiner Mitwirkung beim Zu standekommen des Zolltarifs brüstet und sich seinen An hängern als die Fraktion empfiehlt, ohne die im Reichs tage nichts zu stände kommen tonne, ist begreiflich. Aber wenn die „Köln. Volksztg." aus dieser Mitwirkung die Notwendigkeit des Zentrums für eine fernere gedeihliche Entwickelung der deutschen Politik folgert und die Vor herrschaft des Zentrums im Reichstage gewissermaßen als den parlamentarischen Jdealzustand betrachtet wissen will, so muß man dagegen energisch Einspruch erheben. Dies tut denn auch der „Schwab. Merkur", in dem er ausführt: „Allerdings, im gegenwärtigen Reichstag kann das Zentrum seiner zahlenmäßigen Stärke nach die Führung bean spruchen; aber man muß sagen, daß es sich der ihm daraus erwachsenden Pflichten gerade in der Zollcmgclcgenheit höchst mangelhaft entledigt hat, was umsomehr auffallen muß, als das gesamte Zentrum notorisch seit Jahren auf die For derung verstärkten Zollschutzes eingeschworcn war. Nach der langen Vorbereitung auf das Zollreformwcrk mußte man er warten, daß das Zentrum diese Sache, sobald sie an den Reichs tag gelangte, mit aller Energie in die Hand nehmen und nach einem wohldurchdachten Plane durchführen würde. Tas Zentrum ist dieeinzigc Partei, von der man weiß, daß sie durch eines ihrer hervorragendsten Mitglieder mit dem Reichskanzler eine ständige persönliche Verbindung unterhält. Sodann stand das Zentrum seit Jahren mit den Konservativen einerseits und den Nationalliberalcn anderseits auf so gutem Fuße, daß cs geradezu selbstverständlich erschien, cs würde als bald nach der Einbringung der Tarifvorlagc an diese Parteien mit bestimmten Vorschlägen hcrantrctcn. So hätte die Vcr ständigung der der Zollrcform freundlich gesinnten Parteien unter sich und mit der Regierung in wenigen Wochen, höchstens Monaten erreicht werden und dem Reichsparlamentarismus eine Summe von Skandal erspart werden können, die bis vor kurzem niemand für möglich gehalten hätte. Indes, das Zentrum verzichtete, indem es den Vorsitz in der Zolltarifkommission ablehnte, auf die von ihm erwartete energische Führung und ließ die Dinge treiben. Nahezu ein volles Jahr hat vergehen müssen, bis es sich ernst haft auf seine Führcrpflicht besann. Inzwischen aber hatte der Reichstag ein gut Stück seines Ansehens einaebüßt. Daß es soweit kommen konnte, war mit die Schuld des Zentrums. Freilich, nicht daß es gewöhnlicher Pflichtver- gesscnhcit zu zeihen wäre! Nein, es hat nicht anders gekonnt, weil es in sich selbst nicht einig war. Und das ist die immer wiederkehrende Erscheinung! Keine andere Partei ist so ungleichartig zusammengesetzt wie das Zentrum. Zusammcngehaltcn werden diese heterogenen, viel fach auscinanderstrcbendcn Elemente nur durch das gemeinsame Interesse der k a t h o l i s ch e n K i r ch c. Aber nur sehr allmählich bringt sich dies Interesse in den einzelnen politischen Fragen zur Geltung, und so kommt es, daß die Entscheidung des Zen trums regelmäßig erst auf allerlei Umwegen und nur mit Hängen und Würgen erreicht wird. Von einem aus die I Tauer befriedigenden Zustand ist das, unter dem nationalen I Gesichtspunkte betrachtet, so ziemlich das Gegenteil." F-ttilleton. Khenania sei's Panier! Roman aus dem Studentenleben von Arthur Zapp. Nachdruck vervolrn. DrittesKapitel. An diesem und am folgenden Tage machte Kurt Graven horst vor dem Hause in der Villenstraße „Am Stadtpark" wiederholt Fensterpromcnaden. Aber cs gelang ihm nicht, die schöne Radlerin z» sehen. Dagegen war an einem der Fenster der Parterrewohnung ein blonder Mädchcnkopf ein paarmal sichtbar geworden und hatte den artigen Gruß des Rhenanen mit holdem Erröten entgegengenommcn. Das war Klara Hellwig, die jüngere von den beiden Töchtern des Hausbesitzers. Kurt Gravenhorst lächelte halb voll Genugtuung, halb peinlich berührt. Die blonde Klara würde sein wiederholtes Erscheinen nnn sicherlich auf das Konto ihrer Anziehungskraft setzen. Er hatte ihr auf den Bällen des verflossenen Wintersemesters den Hof gemacht, und das lebhafte, gefallsüchtige junge Mäd chen hatte sich offenbar nicht gerade unangenehm davon berührt gefühlt. Im Gegenteil, sie hatte mit ihm gescherzt und gelacht und süße Blicke getauscht, und hatte alle die kleisien Künste mädchenhafter Koketterie aufgcbotrn, um einen möglichst fesselnden Eindruck auf ihn auszuüben. In, die Blondine besaß eben ein anderes Temperament, als das brünette Fräulein Wrcdenkamp und betrachtete cs als eine Auszeichnung, wenn ihr ein Angehöriger des schneidigsten Korps der Stadt Artigkeiten erwies. Aber gerade das zurückhaltende nnd herbe Wesen der stolzen Radlerin forderte ihn heraus, erregte seine Phantasie und stachelte seine Eitelkeit nnd sein Selbstgefühl auf. Wenn sich nur erst eine Gelegenheit bieten würde, sie wiederzu sehen! Da zuckt plötzlich eine Hoffnung in ihm auf. Am Sonn abend beginnt der akademische Tennisklub seine dies jährige Frühjahrssaison. Die beiden Schwestern Hellwig gehören zu den eifrigsten Tennisspielerinnen. Werden sie ihre Freundin, Fräulein Wrcdenkamp, in den Ctlub ein führen? Diese aussichtsreiche Hoffnung erfüllt ven Studenten mit gärender Ungeduld, und er kann kaum den Sonnabend Nachmittag erwarten. Sorgfältiger, als sonst, macht er Toilette. Wohlgefällig betrachtet er sich im Spiegel. Der Helle Flanellanzug steht ihm gut, das frisch gebügelte, schneeweiße Oberhemd und der statt der Weste um den Leib geschlungene breite Seidengurt gibt ihm etwas Flottes, Frisches; die gelben Schnürstiefel mit den Gummisohlen sitzen faltenlos nm den hochspannigen Fuß. Dazn das braune, leichtgelvcktc Haar unter der Hellen Sportmütze, die lustigen braunen Augen, der keck cmporgcwirbeltc, starke Schnurrbart — wahrhaftig, er kann sich, ohne ein gebildet zu sein, gestehen, daß er mit keinem der Kommili tonen den Vergleich zu scheuen braucht. Er ist der Erste auf dem Tennisplatz; nach ihm kommen ein paar andere Korpsbrüder, ein paar alte Herren und Konkneipanten — unter ihnen Baumeister Rusche — und fast als letzte erscheinen in Begleitung ihres Vetters, Pank Bergers, die beiden Schwestern Hellwig und mit ihnen Fräulein Else Wrcdenkamp. Kurt Gravenhorst Hütte laut aufjnbeln mögen. Mit strahlendem Gesicht geht er den Damen entgegen und be grüßt ste artig. „Meine Freundin kennen Sic schon", redet ihn die er rötende Klara Hellwig an. „Jawohl, ich habe den Vorzug, gnädiges Fräulein." Hildegard Hellwig, die ältere der beiden Schwestern, lächelt. „Fräulein Wrcdenkamp hat uns erzählt, wie ritterlich Sie ihr beigestandcn haben." Der Rhenanc empfindet, wie ein Hochgefühl in ihm emporsteigt, und blickt dann keck zu der Radlerin hinüber. „Sehr liebenswürdig von Jhnen.^nädiges Fräulein", richtet er das Wort an sie, „daß Sie das kleine Erlebnis der Mitteilung für wert hielten und sich meines Namens dabei erinnerten." Sic begegnet seinen leuchtenden Blicken mit ruhigem, gleichmütigem Antlitz. „Oh — ich habe ein gutes Gedächtnis —" entgegnet sie, „auch für die unbedeutendsten Vorfälle." Er beißt sich auf die Lippen; die kühle Art, mit der sie seinen Uebcrschwang abwehrt, verletzt ihn. Ein wenig betreten, sicht er nach der Seite; die Augen des Bau meisters haften spöttisch auf ihm. Und jetzt tritt der Konkneipant der Rhenanen, der älteste unter den anwesen den Tennisspielern, einen Schritt vor. „Ich denke, wir Beginnen, meine Herrschaften." Und sich an Fräulein Wrcdenkamp wendend, fügte er hinzu: „Darf ich Sie bitten, meine Partnerin zu sein, gnädiges Fräulein?" „Lehr gern, Herr Rusche", entgegnet sie und tritt an seine Seite. Zornig, enttäuscht blickt Kurt Gravenhorst drein. Die Paare beginnen sich aufzustellcn. „Wir spielen doch gegeneinander, Klara?" sagt Fräu lein Wrcdenkamp zn ihrer Freun.din. Die kokette Blondine nickt und räuspert sich. Kurt Gravenhorst rasst sich zusammen. „Darf ich bitten, gnädiges Fräulein ?" Klara Hellwig strahlt und belohnt ihn mit ihrem süßesten Lächeln. Und nun beginnt das Lpiel. Mit brennendem Aerger empfindet der Rhenanc, daß ihn seine sonstige Gewandtheit heute ganz im Stiche läßt. Er ist zerstreut und schlägt mit einer Ungeschicklichkeit, die mehr als einmal das neckende Lachen seiner Partnerin erregt. Seine Blicke hängen wie bezaubert an der Gegnerin jen- scits des Netzes. Sie ist die Anmut und Grazie selbst. Ihre schlanke, elscnhaftc Gestalt springt geschmeidig bald hier-, bald dorthin, und die kleine, weiße Hand und der prächtig modellierte runde Arm führen das Rackett mit einer Kraft, die er der zierlichen Erscheinung nicht zngctraut Hütte. Dabei findet sic noch Zeit, mit ihrem Partner Bemer kungen auszutanschcn, die er nicht verstehen kann. Wohl aber sicht er, daß der Baumeister seine verbindlichste Miene aufsteckt und den Galanten spielt, er, der den ganzen Minter über Hildegard Hellwig mit Eifer gehuldigt hat. Es hat ganz den Anschein, als ob es auch ihm die neue, stolze, hoheitsvvlle Erscheinung angetan hat. Und weiter glaubt er die Beobachtung zu machen, daß sic dem Bau meister liebenswürdiger begegnet, als ihm. Oder spiegeln ihm das sein Aerger und die leise sich in ihm regende Eifer sucht nur vor? Nach dem Spiel geleiten der Baumeister und Kurt Gravenhorst die Damen nach Hause. Dem Baumeister ist es glücklich gelungen, an die Seite der schönen Brünetten zu gelangen, während der Rhenanc sich in stillem Aerger mit der Gesellsä-ast der blonden Klara und ihrer Schwester begnügen muß. Erst vor dem Hellwigschen Hause gelingt cs ihm, ein paar Worte mit Else Wrcdenkamp zu wechseln. Ja, sie reicht ihm sogar liebenswürdig die Hand. „Hoffentlich werden Sie das nächste Mal besser ab schneiden", sagte sie mit freundlichem Lächeln. „Wir dürfen also darauf rechnen, das gnädige Fräulein in nächster Woche wieder auf dem Tennisplatz zu sehen?" wirft er mit verhaltener Freude ein. Sic nickt. „Gewiß, ich komme." „Dann werde ich mir alle Mühe geben, mir für meine heutige Niederlage Revanche zu holen. Vielleicht darf ich darauf rechnen, daß mir das gnädige Fräulein als Part nerin dazu behülflich sind?" Er sicht sie zugleich mit einer ihm ganz ungewohnten bittenden nnd zugleich zaghaften Bescheidenheit an. Sic aber lächelt huldvoll. „Sehr gern .... Also ans Wiedersehen!" Er grüßt, ganz glücklich, und wirft dann aus den neben ihm stehenden alten Herrn der Frankonia einen schaden- frohen Blick, und hat dabei die Gönngtunng, zu sehen, daß sich Herr Rusche ärgerlich ans die Lippen beißt. An demselben Abend findet nm 8 Uhr die zweite offi zielle Kneipe der Woche statt. Der heutige Kneipabend er hält eine besondere Weihe dadurch, daß ein paar Füchse, die schon vor der Kneipe in einem Ertrakonvent das „Burschen-Etzamcn" bestanden haben, »ich mit aller vom Komment vorgeschriebenen Feierlichkeit zu Burschen hcrauspaukcn sollen. Neben dem Fuchsmajor, der ihre Erziehung geleitet nnd sic in die lstehcimnisse des Komments cingcwciht hat, marschieren sic auf und heben mit kräftigen Stimmen alö Solo das Lied vom krassen Fuchs an: „Ich bin als krasser Fuchs daher In diese Stadt gekommen. Noch ist das Herz mir zentnerschwer Vom Abschied und beklommen. Ich weiß noch weder Gicks noch Gacks Von euren Lebenssitten, Drum, ihr Orakel des Geschmacks, Will ich um Lehre bitten."
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