02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021224022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Tabellaiischer und Zissernsay entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Änzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 654. Mittwoch den 24. Dezember 1902. 88. Jahrgang. Die Exekution gegen Venezuela. Der „Time-" telegraphiert man aus Washington, 22. Dezember: „Der Vorschlag, daß Präsident Roosevelt als TchiedSrichter zwischen den Mächten und Venezuela wirken solle, befriedigt die Amerikaner auö mehreren Gründen und nicht nur, weil man in diesem Vorschlag eine Ver beugung vor Amerika siebt. Man nimmt hier an, daß der Vorschlag, dem Deutschland und Italien beitraten, in erster Linie von England auöging. Das ist eia weiteres Glied in der immer stärker werdenden Kette der Freund schaft, die England mit den Vereinigten Staaten verbindet, und man erblickt in dem Vorschlag weiter den besten Be weis dafür, daß die beteiligten Staaten von der Gerechtig keit ihrer Sache überzeugt sind.... Nicht in feindlichem Sinne, sondern al» gemeinsamer Freund der Streitenden, bat die Regierung darauf gedrungen, daß der Streit auf andere Weise als durch Waffengewalt beigelegt werden solle. Prä sident Roosevelt bat für Venezuela geredet. ES war und ist immer noch in gewißem Maße ein Schützling der Ver einigten Staaten. Man sympathisiert nicht mit seinen Methoden, aber die Sympathie ist eine geographische . . . Einige der politischen Freunde deö Präsidenten beeilen sich, zn erklären, dieser werde als »Herr Roosevelt" und nicht als „Präsident" da» Amt des Schiedsrichters annebmen. Man will auf diese Weise die Regierung der Verantwortung ent ziehen. ES ist aber nicht anzunebmen, daß drei Großmächte irgend eine Privatperson, mag dieselbe auch noch so hervorragend sein, zum Richter über ihre Forderungen macken würden. Sie wenden sich an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sein Widerstreben, das SchiedSamt zu übernehmen, bat erklärliche Gründe. Er schreckt nickt etwa vor der Verantwortung zurück, aber er bat viel leicht in Erinnerung, daß der Schiedsspruch deS Königs von Schweden in Bezug auf Samoa von vielen Amerikanern getadelt wurde, weil diese, zweifellos irrtümlick, annabmen, daß König Oskar unter deulschem Einfluß gehandelt habe... Der Präsident möchte ferner nicht über amerikanische Forderungen entscheiden. Endlich wünscht er keine Ge legenheit vorübergeben zu lassen, die dazu dienen kann, die Autorität deS Haager SckiedSgerickts als eines Schiedsgerichts für die ganze Welt zu stärken. Es steht ihm aber nichts im Wege, sich als Schiedsrichter deS Rats des Haager Gerichts zu bedienen. . . . Jeder Amerikaner ist stolz, daß die Mächte die Haltung und die Stellung Amerikas durch den SchiedSgerichtSvorschlag in so freundlicher Weise anerkannten." * New Hort, 23. Dezember. Eine Depesche auS Port of Spain meldet, daß das englische Kriegsschiff „Fantome" von der Sand bank im Lrinoco, auf die es in der Nähe von Barrancas geraten war, abgeschleppt worden ist, sich aber noch innerhalb der Barre befindet. Man hofft, daß daS Schiff über die Barre gebracht werden wird. * Rom, 23. Dezember. Die „Tribuna" schreibt, de Riva sei deshalb au- Caracas abberufen worden, weil er sich in seiner diplomatischen Tätigkeit mehr von den Launen Castros als von den Interessen Italiens habe leiten lassen. * London, 23. Dezember. Campbell-Bann er mann hielt in Dumserline eine Rede, in welcher er bezüglich der venezolanischen Frage aussührte, es sei ein unbedeutender Streit mit einem banke rotten und verwirrten Staate. Er habe nichts als Verurteilung für diejenigen, welche durch verletzende Schreibereien und bö e Stiche- leien zwischen England und Deutschland Zwietracht stisten. Wenn irgend ein Fall sich zur schiedsgerichtlichen Entscheidung eigne, so sei die Venezuela-Frage eia solcher. politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Dezember. Trr Bund ans dem Kriegüpfade Die Langmut, Weiche die „reinen" Konservativen den Führern des Bundes der Landwirte bisher bewiesen, hat diese nur noch angriffslustiger gemacht. Sie reisen umher, um Versammlungen abzuhallen, neue Anhänger zu werben und die alten „scharf" zu machen gegen alle Parteien, die nicht blindlings den Bunvesforderungen sich unteiwerfen. In einer dieser Versammlungen — in Braunschweig — hat Herr l)r. Diedrich Hahn erklärt: „Mit Leuten, welche die Uniform des Bundes tragen, aber von der Fahne weichen, wenn sie ihre Treue zeigen sollen, können wir keine Gemeinsamkeit haben. Die deutsch.soziale Partei hat sich dem Bunde bis zuletzt treu er- wiesen, in der konservativen Partei gibt es aber Männer, die sich wohl konservativ nennen, es aber nicht sind, wenn sie ihre konservative Gesinnung betätigen sollen." DaS wird selbst der „Kreuzztg." etwas zu bunt; sie ent- gegnet darauf: „vr. Hahn scheint den Bund der Landwirte auf die Notwendig, keit hinzuweijen, mit der konservativen Partei zu brechen und sich eng an die antisemitische Partei anzuschließen. Diese Haltung steht in starkem Widerspruche zu der Slimmuug, welche in der westpreußischen und in der ostpreußischen Provinzialversamm- lung des Bundes, namentlich in der letzteren, hcroorgetrcten ist. vr. Hahn hat den vielbesprochenen Ausruf deS engeren Bundes- Vorstandes mitunterzeichnet. Nach unserer Auffassung werden die beiden anderen Unterzeichner, die Abgg. Frhr. v. Waugenheim und vr. Roesicke, nicht umhin können, zu seiner Braunschweiger Rede Stellung zu nehmen." Mit dem Appell an die Herren v. Wangenheim und vr. Roesicke wird aber die „Kreuzztg." kein Glück haben; hat doch der erstere erst kürzlich in Königsberg erklärt, man müsse sich bei den Wahlen die einzelnen Konservativen daraufhin anseben, ob man ihnen seine «stimme geben könne. Und Herr Vr. Roesicke gibt weder Herrn vr. Hahn noch Herrn v. Wangenheim an Kriegslust etwas nach. Nun glaubt freilich die „Kons. Korr." die Bundesfüdrer mit einem Hinweis auf die Stimmung im Lande schrecken zu können, denn sie entgegnet auf die Versickerung der „Deutschen TageSztg.", cs gingen ihr aus allen Teilen des Landes aus den verschiedensten Ständen und Kreisen der Bevölkerung Zuschriften zu, die in sehr scharfen Ausdrücken die Haltung der konservativen FraktionSmebrheit mißbilligten: „Wir können — was wir sonst vermieden haben würden — mitteilen, daß auch an die Parteileitung und au uns zahlreiche Kundgebungen gelangt sind, in denen mit großer Eutrüstung und lebhafter Erregung die Er klärung des engeren Vorstandes des Bundes der Land wirte verurteilt wird. „Proben" ans diestn, doch wohl als vertraulich anzusehenden Schreiben zu veröffentlichen, liegt für uns zur Zeit kein Anlaß vor." Aber die Bundesfübrer befinden sich ja eben deshalb aus dem Kriegspfade, um die Stimmung im Lande sür sich zu beeinflussen, und bei ihrer Aaitanonsweise und bei dem Um stande, daß ihnen durch die Konservativen der Boden nur zu sebr geebnet worden ist, dürfen sie wohl auf Erfolge rechnen. Ob sie auf solche auch in klerikalen Wahlkreisen zählen dürfen, steht dahin. Jedenfalls machen sie, wie eine im heiligen Köln von Herrn vr. Hahn abgchaltene Versamm lung beweist, den Versuch, um noch ein weiteres Druckmittel auf die Konservativen zu erhalten. Daß die Bundesfübrer die Nationalliberalen samt und sonders über die Klinge springen lassen wollen, ist selbstverständlich. Aber das hätte nicht viel zu sagen, wenn nickt zu besorgen wäre, daß in nickt wenig Wahlkreisen die Konservativen, um nicht selbst die Rache der Bündler fühlen zu müssen, diese bei ihrem An stürme gegen die Nationalliberalen unterstützen. Den Nationallibeialen kann also nicht dringend genug empfohlen werden, sich bei Zeiten zu rüsten. Ltärkuug des TcutschlumS im Osten. In großpoinischcn und sozialistischen Blättern, die sich jedesmal zusamiuenfinden, wenn cS gilt, die Giöße und das Ansehen des deutschen Reiches herabzusetzen, wird an der Absicht der preußischen Negierung, den inmitten einer polnischipreckendc» Bevölkerung tätigen deutschen Beamten bestimmte Vorteile und Erleichterungen zuzuwenden, fort gesetzt eine abfällige Kritik geübt, lieber die Berechtigung des Vorgehens der Negierung ist kein Wort zu verlieren, denn die unerhörten Angriffe und Beschimpfungen, denen deutsche Lehrer und Beaune wiederholt auSgesetzt waren, leben in aller Erinnerung, und in ter großpolnischen Presse wird Tag für Tag jede staatliche Einrichtung, die geeignet ist, daS Deutschtum zu sörtern, als Vergewaltigung deö „polnischen" Elemenies bezeichnet unv besonders der Widerstand gegen die Schule und ihre Beamten den „polnischen" Ellern und Kunern zur Pflicht gemacht. Daß unter diesen Umständen die Ausübung der Berufstätigkeit nicht zu den Annehuilickkeilen gebört, daß vielmehr der beständige Kamps mit einer lysteniallsch anfgehetzlen Bevölkerung den deutichen Beamten entmutigen, veibillern kann und jedenfalls seine Kräfte weit mehr in Anspruch nehmen, muß als in Provinzen mit rein deutscher Bevölkerung, ist ebenso sicher wie die Not wendigkeit, daß dcnienigen Beamten, die ihr physisches Ver mögen und ihr nationales Empfinden dem Anstürme der groß- polnischen Bestrebungen wirksam entgegensetzen, eine staatliche Anerkennung zu Teil wird. Es muß aber sestgestcllt werden, daß nicht nur dis in staatlichen Stellungen und Äemtern tätigen Deutschen, sondern die Gesamtheit der deutschgesinnten Be völkerung in den Provinzen Westpreußen und Posen unter der künstlich bervorgerufenen und planmäßig genährten Un- leidlichkeit und Gehässigkeit ihrer polniichsprechenden Mitbürger zu leiden haben. In welcher Weise das feindselige Verhalten gegen das Deutschtum und seine Vertreter in der Provinz Posen geschürt wird, zeigt der Versuch eine- Organs der groß polnischen Propaganda, den polnischen Großgrundbesitzern das Recht der Anstellung und Beschäftigung deutscher Pächter, Verwalter usw. zu bestreiten und die Entlassung der in solcher Stellung befindlichen Deutschen zu verlangen. Das Blatt veröffentlicht ein genaues Verzeichnis derjenigen pol nischen Grundbesitzer, die „auf ihren Gütern deutsche Be vollmächtigte, Pächter, Veiwalter und Förster ernähren", und indem es im besonderen die aus den Radziwlllscken Gütern im Kreise Adelnau herrschenden Verhältnisse beleuchtet, kommt das Blatt zu dem Schlüsse, daß die polnnche Gesamt heit das Recht habe, zu verlangen, daß der Fürst, dem mit dem Vorsitze der Abgeordnetenfraktion die höchste Würde an vertraut worden, in seinen Besitzungen nickt ein Ernährer der Feinde sei. Die Veröffentlichung der Namen der polnischen Besitzer, die deutsche Pächter, Generalbevollmäcktigte und Guts verwalter beschäftigten, und solcher Magnaten, die angeblich durch ihre deutschen Beamten um Erbe und Besitz gebracht worden sind, beweist, daß man die Stellung dieser Deutschen untergraben und ihre Tätigkeit in Mißkredit bringen will. Dazu kommt, daß die deutsche Geschäftswelt gleichfalls unter den Folgen einer fortgesetzten Hetzkampagne zu leiden bat und in vielen Gegenden von der polnischen Be völkerung völlig boykottiert wird. Angesichts dieser Sachlage erscheint jede Maßnahme znm Schutze und zur Stärkung des Deutschtums, das allerwärtS und in allen deutschen Be völkerungskreisen durch die polnische Uebermacht aufs schwerste gefährdet ist, als einfaches Gebot der Selbsterhaltung, sowie als ein notwendiges Erfordernis der nationalen und kulturellen Mission, die das Deutschtum im Osten des Reiches zu erfüllen bat. Das System der ungarischen Pressprozeffe gegen dentschc Blätter ist aus Anlaß LeS letzten (am 15. ds. MtS. abgehandeltcu) dieser Prozesse sehr deutlich in die Erscheinung getreten. Angeklagt war der verantwortliche Redakteur der „Kron städter Zeitung", Hermann Schroff. Dem Staatsanwalt handelte es sich dabei, wie er offen eingestand, weniger um die Person des Angeklagten, als um die Feststellung dessen, daß die Fäden der Bewegung unter den südun gälischen Deutschen „bei den Siebenbürger Sachsen gesponnen Worten seien". „Wenn es sich nur um den Angeklagten Schroff und dessen fünf Artikel handel e," meinte der Staatsanwalt, „würde er vielleicht über die Sache kein Wort verlieren, aber hinter Schloss stebe ein ganzer gebeimer Bund." Kein Wunder, daß die Maroschvasarhclyer Geschworenen ans diese Weise gar bald dasGrusclnlernten und nicht etwa den unfaßbaren „geheimen Lund", sondern den Redakteur Schroff gründlich verurteilten; er erhielt ein Jahr StaatSgesängnis und 5000 Kr. Geld strafe zugeniesse». DaS Maximum der Geldstrafe für „Aufreizung gegen eine Nalionalitäl" beträgt eigentlich 2000 Kr.; damit aber die Slrase empfindlicher werde, wurde in sünf Artikeln fünfmalige „Aufreizung" konstatiert. Und Feuilleton. di Nhenania jn's panier! Roman auö dem Studcntenleben von Arthur Zapp. AawinlU veid leit. Else Wredenkamp atmete schwer, aber sic erwiderte nichts. „Ich keuue Misere Herren Studenten besser", fuhr die andere lächelnd fort. „Sie wissen ja: „Henk lieb' ich die Johanne, und morgen die Susanne, die Lieb ist immer neu, das ist «tudententreu". Nein, ich an Ihrer Stelle, ich würde mich eklatant rächen, ich würde ihm einen ordent lichen Denkzettel geben. Der eitle Herr verdient eine derbe Lektion. Also wissen Sie, was ich täte? Ich würde mir, wie gesagt, nichts anmerken lassen, und wenn ich dann den Herrn so weit hätte und er glaubte, er könnte es wagen, dann würde ich statt des erhvfsten Kusses —" „Nun?" fragte Klara, vor Interesse zitternd. „Ich würde ihm einfach —" Hildegard Hellwig machte eine nicht mißzuvcrstehende kräftige Bewegung mit der Hand. Else Wredenkamp schüttelte entschieden mit dem Kopf. „Schade", meinte Hildegard lächelnd, „schade, daß ich. es nicht für Sie übernehmen kann. Wav meinst du, Klara, mochtest dw nicht — ?" Sic sah die Schwester schalkhaft an. Diese brauste dunkelrot, verlegen auf: „Latz doch deine schlechten Scherze, Hildegard!" „Meinen Sie denn, datz er die Ohrfeige nicht ver diente?" wandte sich Hildegard Hellwig wieder an di.» Freundin ihrer Schwester. „Verdienen — schon", entgegnete diese und ihre Augen blitzten zornig, „gewiß verdiente er's, aber —" ,/Aber Ihnen fehlt der Mut." „DaS gerade nicht, aber ich finde es doch so —- so un weiblich." „Unwciblich?" protestierte Hildegard. „Wieso? Ich finde gerade, die verletzte Weiblichkeit verlangt, datz ein mal ein Excmpel statuiert wirb. Eine kleine Ernüchte rung, ein bißchen Demütigung könnten dem Herrn nicht schaden. Wissen Sie was — dazu könnten Sie sich wenigstens verstehen — wenn e» so weit ist, wenn Sie die Empfindung haben, nun wirb er Ernst machen, nun wird er riskieren, die Wette zu gewinnen, dann g^ben Sic uns, Klara und mir, einen Wink. Wir verstecken uns dann — wahrscheinlich wird sich das interessante Er eignis doch in irgend einem Varten ober Park oder der gleichen abspiclen — wir verstecken uns also irgendwo in der Nähe, und wenn er dann Miene macht —" die Sprechende spitzte sehr bezeichnend ihre Lippen —, „dann brechen wir, Ulara und ich, ans unserem Versteck hervor und lachen ihn aus, und er ist der Blamierte, Genas- führte. Na, was meinen Sie, ist das nicht eine famose Idee?" Hildegard Hellwig sah triumphierend zu Else Wrcden- kamp und von da zu ihrer Schwester hin. Klara zeigte eine zwiespältige Miene, die Acrger und Schrecken wider spiegelte und doch zugleich eine entschiedene Zustimmung ausdrücken sollte. Else Wredenkamp blickte noch immer vor sich hin und sagte nichts. „Nun, diese Genugtuung werden Sie sich doch gönnen?" meinte Hildegard Hellwig. „Oder meinen Sie, datz die Strafe zu hart wäre?" „Zn hart?" Else Wredenkamp machte eine sehr ener gische Bewegung mit dem Kopf und ihre Augen sprühten. „Keineswegs! Sie haben ganz recht, eine Zurechtweisung in irgend einer Form hat der Herr redlich verdient." Hildegard streckte freudig ihre Hand aus. „Also abgemacht!" Und als die andere mechanisch ihre Hand in die ihre gelegt hatte, fuhr sie lachend fort: „Ich freue mich schon auf das verblüffte Gesicht, wenn er anstatt des erwarteten süßen Kussss — na, vielleicht verstehen Sie sich doch noch dazu —", sie machte wieder eine kräftig zuschlagende Bewegung mit der Hand. „In der Hitze des Augenblicks kommt das vielleicht ganz von selbst . . ." Als Else Wredenkamp eine Viertelstunde später sich allein in ihrem Zimmer befand, machte sich die stille Er regung, von der sie sich während der Unterredung be herrscht gefühlt hatte, in einem ungestümen Ausschlnchzcn Luft. Sie warf sich auf das Sofa, verschränkte ihre Arme auf der Lehne und preßte ihr tränenüberströmtcs Gesicht dariuf. So weinte sie eine ganze Weile, als sic sich plötzlich verwundert, ärgerlich cmporrichtctc. Was denn? Warum weinte sie denn? Hatte sie denn einen Grund zu Tränen? War denn die ganze Geschichte überhaupt wert, daß sie sich darüber aufregte und Gedanken machte? Sie nahm mit krampfhaftem Eifer ein Buch zur Hand und versuchte zu lesen. Aber ihre Gedanken gingen doch wieder in eine ganz andere Richtung. Das Buch in den Schoß sinken lassend, starrte sie träumerisch ins Weite und sie rief sich alles das, was sie mit den beiden Schwestern Hellwig besprochen halte, ins Gedächtnis zu rück. Hatte sie recht getan, datz sie sich dazu verstanden hatte, ihrem Beleidiger gegenüber die Unbefangene zu spielen und die ihr von Hildegard Hellwig empfohlene Revanche nehmen zu wollen? Tin unwillkürliches Widerstreben regte sich in ihr, und ihr erster Gedanke, dem übermütigen Studenten stolz den Rücken zu kehren, wollte ihr doch als der angemessenere dünken. Aber während sic sich weiter in diese Idee vertiefte, kam eine lähmende, schwermütige Stimmung über sie. Ein Ge fühl unau'ssultbarer Leere und Ocde überwältigte sic bei dem Gedanken, Kurt Gravenhorst nie mehr begegnen zu sollen. Und zuletzt sprang sic heftig auf ihre Füße, und mit heißem Kopf, währens sich wieder die Tränen über ihre Wangen ergossen, ohne daß sic sich dessen bewußt war, stürmte sie durch das Zimmer. Nein, nein, nein! Einfach zu schweigen, die ihr widerfahrene Schmach ruhig hinzunehmen, schien ihr unmöglich. Hildegard Hellwig chatte ganz recht: irgend etwas mutzte gescktchcn. Ein heißes Sehnen nach Genngtnung siedete in ihr und sic fühlte erschauernd, mit einem merkwürdigen Gefühl süßer Genugtuung, datz sie ihn Hatzte mit aller Glut ihres leidenschaftlichen Herzens. * H ri- Kurt Gravenhorst war am nächsten Sonnabend der erste auf dem Tennisplatz. Als die drei jungen Damen erschienen, wunderte er sich im stillen über den ernsten, gemessenen, zurückhaltenden Gruß, der ihm von feiten Else Wredenkamps und Klara Hellwigs zu teil wurde. Trotzdem trat er lächelnd an die erstere heran. „Gnädiges Fräulein, ich mcliw mich wieder ganz ge sund und gestatte mir zugleich, Sie an Ihr Versprechen zu erinnern." „An mein Versprechen?" versetzte sie kühl, seinen Blick vermeidend. „Nun ja, Sic versprachen mir, mir als Partnerin zur Revanche zu verhelfen für die Niederlage, die ich bei unserem letzten Spiel erlitt." Sic zog ihre Augenbrauen in die Höhe; eine jähe Röte stieg ihr in die Wangen und cs hatte den Anschein, als ob sie ihm eine ablehnende Antwort geben wollte, da begegnete ihr Blick zufällig dem Hildegard Hellwigs. Der hochmütig zurückwciscnde Ausdruck wich aus ihren Mienen tünd sie nahm mit einem stummen Nicken ihres Kopses an. Baumeister Rusche war heute der letzte aus dem Platze. Er machte ein unangenehm überraschtes, verblüfftes Ge sicht, als er seinen Rivalen im Gespräch mit Else Wrcde,,- kamp sah. Aber niemand achtete darauf; man stellte sich auf und das Spiel begann. Es herrschte eine brückende Hitze auf dem sonnigen Platze und früher als sonst fühlte man sich ermüdet. „Kinder", erklärte Hildegard Hellwig in einer Pause in ihrer gemütlichen, jovialen Weise, „ich habe eine Idee: wie wär's, wenn wir, anstatt weiter zu spielen, in der alten Mühle einkehrten. Ich bin furchtbar durstig." Ter Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, bis ans Else Wredenkamp, die Lust zeigte, sich auszuschlictzcn. Aber Hildegard nmfaßtc sie schmeichlerisch. „Bitte, Elschcn, seien Sie keine Spielverderberin!' Tann beugte sie sich hinüber und wisperte ihr etwas ins Ohr, und mit einer nachgiebigen, resignierten Miene fügte sich die Widerstrebende. Tic „alte Mühle" war ein Vcrgnügungsort, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt. Ucber die Hälfte des Weges führte durch ein schattiges Wäldchen. Die Tennis fpiclcr gingen paarweise, wie sie gespielt hatten. Tie Unterhaltung zwischen Gravenhorst und seiner Begleiterin nahm einen merkwürdigen Verlaus. Anfangs gab ihm Else Wredenkamp nur einsilbige, kurze Antworten, und cs hatte ganz den Anschein, als langweilte sie das Gespräch, als müßte sie sich jedes Wort abguälen und förmlich über die widerspenstigen Lippen zwingen. Tann ans einmal wurde sie lebhaft, plauderte licberpswürbig und freundlich, als gewährte ihr die Unterhaltung mit ihm das größte Vergnügen. (Fortsetzung folgt.) Unter dem Lhriltlmum. Eine Weihnachtsgeschichte von O. Elster. Nachdruck verhole». Ein kräftiger Ruck Arnolds, und die Tiere standen zitternd still unter der Hand ihres Meisters. „Mir scheint", sagte Arnold ruhig, „wir siud vom rechten Wege abgekvmmeu. Wissen Sie, wo wir lins be ¬ finden, Hedwig?" „Nein!" „Ich will's Ihnen sagen: im Tcufelsmoor, auf dem Wege nach TodtenmooS. Tic Pferde haben instinktiv den ihnen bekannten Weg cingcschlagen." „Sv lassen Sie uns nmkehren." „Nein — wir fahren nach TodtenmooS!" „Herr Baron!" „Fürchten Sic sich?" „Nein! Aber ich halte Ihre Worte für einen schlechten Scherz!" „Weshalb? Möchten Sie TodtenmooS nicht kennen lernen?" „Was soll ich dort?" „Hedwig ... als Herrin dort einziehen . . „Nein — ich bitte, wenden Sie um! Ich lasse mich nichtzwingen —" „Wir werben sehen!"
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