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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021227011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-27
- Monat1902-12
- Jahr1902
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BezugS.PreiS In der Hauptexpcdition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hm>S ,/L 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich ./i 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: IvhanniSgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FMalrrprdMoner»: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Künigspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Sttaße 8. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: Earl Duncker, Herzgl.Bayr.Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4603. Morgen-Ausgabe. WpMcr TagMatl Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates nnd des Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Nazeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RcdaktionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 80.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlnß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Sir. 858. Sonnabend den 27. Dezember 1902. 86. Jahrgang. Amtlicher Teil. Bekanntmachung, Neujahrsschalterdieust lei den Leipziger Postanstaltcn. Am 1. Ianuar werden die Bries- «ud Grldschaltcr der Leipziger Postämter von 8 bis 9 Uhr Borm. nnd von 11 bis 1 Uhr Mittags geöffnet sei». Leipzig, 11. Tczember 1902. Kaiserliche Ober-Postdirectio». LNIirix. Bekanntmachung. Bei dem unterzeichneten Hauptzollamte sollen Montag, den 29. Dezember d. I., BormtttagS von 11 Uhr ab etwa 100 Flaschen deutscher Traubenschaumwein (überwiegend von Söhnlein L Co.) in der Revisionshalle für Niederlagcgüter — Georgirtng 17 im Hofe links — partienweise unter den im Termine bekannt zu gebenden Bedingungen meistbietend öffentlich versteigert werden. Leipzig, am 19. Dezember 1902. Königliches Hauptzollamt I. — Büttner. Gr. Konkursmaffe-Versteigermlg. Am Montag, den 29. d. Mts., nnd folgende Tage, je Bormittags von 10—2 Uhr, sollen in Leipzig-Anger, Brcitcstrasze 6, im Laden, im Auftrage LeS Konkursverwalters Herrn Paul Gottschalck die zur Steinbach'lchen Konkursmasse gehörigen Colonialivaare», Eon- scrvcn, Cigarren, Lvcmc, Cognac, div. Liköre, Pnnschcsscnzen u. s. w. öffentlich gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, Len 27. December 1902. Localrichter. Königin Carola-Gymnasium. (2. Stualsghmuasinm, Tüdvori.ndt.) Anmeldungen von Schülern (llcr—VI) sür Ostern 1903 werden am 7. Januar 1903 2 - 6 Uhr, am 9. 4—6 Uhr, am L<>. 11—1, 4—6 Uhr im Dienstzimmer des Unterzeichneten (Elisen- straße 62, I.) entgegengenommen. Borzulegen ist Tausichein (bez. Geburtsurkunde oder Familien stammbuch), Impfschein, letztes Schulzeugnis. Tie Schuler sind womöglich vorzustellen. Prof. vr. Voxel, Rektor llcs. Die öffentliche Meinung in Sachsen 1806-18l2. i. Neber die Frage, was öffentliche Meinung sei, ist schon viel gestritten worden, eine allgemein klare Antwort gibt cs wohl kaum darauf, weil eö zu viele öffcniliche Meinungen gibt. Immerhin kann man sich heutzutage ein Urteil darüber nn großen und ganzen bilden, weil Zeitungen der ver schiedensten Parteirichlungcn erscheinen, die mehr oder weniger die Meinung eines Teils der Bevölkerung wiedcrgeben. Eine spätere geschichtliche Würdigung unserer heutigen Verhältnisse wird dann freilich kritisch sichten, und an der Hand des Verlaufes der Entwicklung mit historischem Sinn eine I Scheidung treffen zwischen dem, waS als Meinung anzu- ! sehen ist, und dem, waö nur an der Oberfläche schwimmt, und Partei- und urteilslos in hunderttausenten von Druck schriften ohne Einfluß gedruckt wird, und mehr zur Ver wirrung als zum Ausdruck der Meinung beiträgt. Zum wesentlichen mußte auch der Verfasser der Schrift „Die öffentliche Meinung in Sachsen während der Jahre 1806 ins 1812", Paul Nühlmann, seine Forschungen auf die Press: der damaligen Zeit auSdehncn, doch bot sich ihm in den zeit genössischen Memoiren, in Briefen und Aussprüchen, in Reden und Gedichten ein großes ergänzendes Material. Die Schrift selbst ist das erste Heil der von Prof. Dr. Lamprecht bei Andreas Perthes in Gotha berausgegcbenen „Geschichtlichen Untersuchungen", die an erster Stelle bestimmt find, Arbeiten aus dem historische» Seminar der Universität Leipzig auf zunehmen. Im Jahre 1812 gab eS in Sachsen 47 periodische Blätter, davon erschienen 19 in Leipzig, die mehr oder minder poli tische Nachrichten enthielten, von den 28 außerhalb Leipzigs berauSkommenden Blättern beschäftigten sich nur 11 mit Politik, die anderen 17 waren entweder reine Inseraten blätter oder Lokalanzeiger. So kann daher Leipzig in dieser Beziehung als der Hauptsitz der selbständig geäußerten politischen Meinung gelten. Eng verknüpft nut der Leipziger Presse jener Zeit ist der Name Bergt, vr. pliil. 6t zur. Adam Bergt war 1769 in Heinichen bei Zeitz geboren. Er starb 1834 in Leipzig als Privatlebrer. Er war, so ichildcrt Nühlmann ibn, Philosoph nnd Historiker, ein warmer Verehrer KantS und ein guter Kenner der neuesten Zeit geschichte, besonders der franwsischen Entwickelung, lebte in Leipzig als vielgeschäftiger Publizist, zu geheimer Besorgnis der sächsischen Zensur und zum bitteren Aerger der fran zösischen Spione sich bald unter dem Namen eines vr. Heinichen, Frey, Albrecht uiw. verbergend. I>^ der Ueberschätznng der öffentlichen Meinung ganz ein Sohn seiner Zeit, strebte er darnach, die Zeitungen aus Anekdoten- uud Jnseratenkollektioncu zu „Organen des Zeitgeistes, Les VoikswillcnS" um'»schaffen. Er verließ deshalb den rem referierenden Cdarakler und schrieb, die Zeitereignisse be urteilend, Leitartikel im modernen Sinne. Diese Neform- idee suchte der vielgewandte Mann .nach einander in säst allen Leipziger Zeitungen dnrchzusühren; und so lange er die Nevaktionsgeichäste führte, balle die betreffende Zeitung ein ganz anderes Aussehen; jedoch, sobald er seine Tätigkeit ciniiellte, sei es anS Gründen der Zensur oder aus persönlichem Interesse, sofort sank das Blatt wieder herab zum Nachrichten- und Inseratenkouipilalorium. Zn Anfang unserer Periode gab Bergt ein Blatt heraus: „Ter europäische Aufseher". Der „Aufseher" muß viel ge lesen worden fein, denn Bergk nennt sogar „die Prinzen eines großen Reiches, sowie die Minister zwei ter mächtigsten Staaten" unter seinen Lesern. Wegen seiner ciitschiedenen Sprache zu gunsten ter preußisch-deutschen Sache, sowie wegen seiner franzosenfeindlichen Haltung ninßle Bergk beim Ein rücken der Franzosen nach der Schlacht von Jena flüchten, er hielt sich als vr. Albrecht in Pirna versteckt, seine Zeitung wurde am 22. Oktober 1806 von der Leipziger Bücher kommission verboten. Jedoch schon am 14. November 1807 tündigt er in der „Leipziger Zeitung" an, daß er eine Halv- wochenfchrist: „Der enropäische Beobachter", bei Gerhard Fleischer erscheinen lassen werde. Als Tendenz gibt er an: „Wir wollen belehren, crmnniern, trösten und das Gemüt der Deutschen zu dem Stolze erbeben, der sich für sie als ein Männervolk ziemt". Diese für jene Zeil kühne Sprache, der ähnliche Tiiel, die Talsache des gleichen Redakteurs veran laßten sofort das Verbot der neuen Zeitung durch die Bücher kommission, erst das Versprechen des Verlegers Joachim, raß die Leitung genau den Zeitverhältnissen angepasst werben sollte, sicherte dem neuen Unternehmen die Lebensfähigkeil. Aber bereits nach einsäbnger Dauer, nach neun Nummern des Jahrgangs 1809, slellle der „Beobachter" sein Erscheinen ein. Ob Abonnentenmangel oder Zensurschwierigkeilen die Ursache waren, gelang nicht sestzustetlen. Unter Bsrgkschem Einfluß stand auch das „Leipziger Tage blatt: Ein Tageblatt für Einheimische und Auswärtige", das seit dem 1. Juli 1807 diesen neuen Titel anstatt des alten „Leipziger Intelligenzblatt" führte und in dieser Form feit 1763 bestand. Nach der Ankündigung wollte es bringen, „was das Her; erfreut, den Verstand belehrt, die Einbildungskraft angenehm unterhält". Es beabsichtigte in erster Linie Lokal blatt zn sein, doch tollte nicht ausgeschlossen sein, „was deutsche Sitte, deutsche Denkart und deutschen Gemeingeisl nährt". Die Ankündigung, urteilt Nühlmann, versprach natürlich mehr, als sie halten konnte. Nur der lokale Eharakter, mit Tor zetteln, Toten und Fremdenlisten, mit Pleßfehven in städtischen Angelegenheiten blieb von Anfang an derselbe. Ter politische Inhalt verschwand nach BergkS Austritt aus der Redaktion (Anfang 1809) immer mehr, an die Stelle der Bergischen Leitartikel traten dürftige, den französischen Blättern ent nommene Nachrichten und Anekdoten. Hier ausgeschieben, trat Bergk im Februar 1809 in die Leitung eines Wochenblattes ein: „Leipziger Fama oder Jahr buch der merkwürdigsten Lebensbegebenheiten." Dieses Blatt, ursprünglich „Der gemeinnützige Leipziger Zeitungs mann", eine gedrängte, für daö niedere Publikum berechnete Inhaltsübersicht der „Leipziger Zeitung", stehl tchon ans der Grenze zwischen den eigentlich politischen und den schöngeistigen Zeitschriften. Es bringt zwar politische Nachrichten, namentlich in Form von Briefen aus Berlin Paris, W en nsw., hat aber neben den lokalen Nachrichten eine besondere Vorliebe sür alle Merkwürdigtci'.en, besonders physikalischer und meteorologischer Natur. Neben diesen eigentlich politischen Zeitschriften beschäftigt sich das Heer literarisch-schöngeistigen Wochenschriften nur nebenbei mit Politik. Theoreliich, ihrem Programm nach, rst sogar bei einigen die Aufnahme politischer Dinge nicht erlaubt, so z. B. bei der Mahlmannschen „Zeitung sür die elegante Welt": „Alles, was in die Politik oder eigentliche Schul gelehrsamkeit emschlägt, bleibt vom Plane dieser Blätter ausgeschlossen." In Wirklichkeit ließ sich jedoch ein solch icharscr Schnitt garnickt durchführen. Es finden sich Gedickte politischen Inhalts, Gedanken antiker Schriftsteller, aus gewählt in Rücksicht auf die politische Tageslage u. s. w. Auch von diesen Zeitschriften sind mehrere mit dem Namen Bergks eng verbunden: „Die Allgemeine Modenzeitung", eine Zeitschrift sür die gebildete Welt, von Bergk 1811 gegründet, die „Minerva" von Archenholz, die Bergk seit 1811 leitete, die „Morgen- und Abendblätter", von ihm l810 inS Leben gerufen und die „Sammlung von Anekdoten und Eharatterzügen, auch Relationen von Schlachten und Gefechten", von l805—l812 von Bergk geleitet. Ferner kommen noch in Frage: die Mahlmannsche „Zeitung für die elegante Welt", die von dem bekannten Leipziger Pädagogen Dolz herauszegebcne „Neue Jugendzeitung", das „Historische Handbuch für die Jugend" von Dyck, beide mit ziemlich viel politischem Inhalte, ferner der „ArguS oder der Mann mit hundert Augen" und endlich der „QuodlibetariuS oder der Erzähler an der Pleiße". Wir haben hier eine längere Stelle auS Rühlmanns Schrift mitgeteilt, hauptsächlich deSkalb, um einer Probe seiner knappen und doch vielsagenden Schreibweise zu geben, um dadurch uniere Leser mit der Leipziger Presse jener Zeit bekannt zn machen. In Dresden erschien überhaupt kein politisches Blatt und sonst nur in Planen, Schneeberg und Zittau. In Plauen war es der „Voglländische Anzeiger", !N Schneeberg der „Erzgebirgische Anzeiger", in Zittau war man politisch sehr tebbaft. Es erschienen dort neun Zeit schriften, davon 5 politische, jedoch war der Inhalt nach einem damaligen Urteile bückst unbedeutend. Neben der politischen Presse spielten GelegenheitSschristen, Broschüren, Aufrufe, Proklamationen eine Rolle. Der Eharakter des sächsischen Volkes war damals streng dynastisch und Liefe dynastifche Treue äußerle sich in der An hänglichkeit an Friedrich August. Das ganz; Denken und Handeln in polnischer Bezievung war vom Willen des Fürsten abhängig. Er war im wahren Sinne deS Wortes der Landes vater. Die Mensche» jener Zeit waren durchaus konservativ und diese Eigenichafk äußerle sich damals in einem, jedem Fremden auffallenden Widerwillen gegen jede, auch die kleinste Veränderung und Verbesserung. Der scharfblickende Rühle von Lilienstern bezeichnet die Sachsen und von riesen speziell die Dresdener als „rem alten Herkommen und der väter lichen Sitte außerordentlich zugetan". Besonders ausgeprägt muß dieser stark konservative Sinn bei dem Landvolk und den niederen Ständen gewesen sein; denn von ihnen sagt ei» englischer Reisender: „Sir übertreffen die niedrigen Volks klassen aller anderen Länder in unvernünftiger und hart näckiger Anhänglichkeit an alte Forme» und Mißbräuche." Aus diesem zähen Festhalten am Alten ist auch der stark ständische Zug des Adels und die einseitig starre Luther- orthodoxie der Geistlichkeit zn verstehen, beides Eigenschaften, die sich auch durch die Tage des nivellierenden Nationalismus erhalten halten und die «ich beide in der politischen öffent- lichcn Meinung noch der napoleonischen Tage als wesentliche Faktoren erweisen sollten. Neben diesem konservativen Zuge kann man, besonders deutlich seit der Reformation, unter den Obersachsen eine Neigung zur theoretischen Spekulation beobachten. Ob dies in einer speziellen Begabung des obersächsischen Stammes hierfür seinen Grund habe, ob z. B. die Mischung des mittel- und niederdeutschen mit dem sorbischen Blute sie erzeugt habe, diese schwierige Frage braucht nicht erörtert zu werden, jedenfalls ist die Tatsache unumuößlich, daß im Vergleich Mit anderen deulschen gleich großen Gebieten eine außergewöhnliche Fülle von scharf denkenden und bahn brechenden Köpfe» aus Oberiacksen hervorgegangen ist: ein ThomasiuS, ein Pufendorf, ein Leibniz, ein Lefsing, ein Fichte. Iu einer auf empirischer Vergleichung ruhenden Schilderung res sächsischen VolkscharakterS heiß, eS: „Man wird kaum zu viel sagen, wenn man die Sachsen den höchstbeanlagteu der norddeui'chen Volksstämme nennt." Feuilleton. Migräne. Tic Migräne tritt iu Gestalt eigentümlicher nervöser Anfälle von außerordentlich heftigem halbseitigen Kopf schmerz ans, begleitet von beständiger Brcchneignng, Wür gen und schließlichem Erbrechen und andern nervösen Er scheinungen. Sie wiederholen sich nach mehr oder minder regelmäßigen, etwa vierwöchigen Pansen. Der Zustand, der nach Aussage jedes Beteiligten meist ein ganz außer ordentlich fataler ist, währt stunden-, ja selbst tagelang, um plötzlich, wie er kam, und spurlos zu verschwinden, nur eine begreifliche Abgeschlagenheit und Mattigkeit des ganzen Körpers hinterlassend. Allerdings pflegen den Krauten gewisse Erscheinungen, die dem Anfall vvrausgehen, zn warnen nnd ihn aus das Kommende vvrznbereiten — Erscheinungen, die bald jeder an Migräne Leidende sehr wohl kennt nnd beachtet. Ein allgemeines Unlnstgcfühl befällt die Kranken, sie klagen über Druck nud Schwere im Kopf, zuweilen über Ohrensausen, Flimmern vor den Augen, Schwindel; leich tes Frösteln stellt sich ein, und nun läßt der eigentliche An fall nicht mehr lange auf sich warten. Der Migränckvpsschmcrz sitzt in der Stirn über dem Ange oder in der Schläfe der einen Äopshälstc, und zwar im Gegensatz zu Kopfschmerzen anderer Herkunft iu der Tiefe des Schädelinncrn, obwohl auch eine deutliche Uebercmpsindlichkeit der Kopf- und Gcsichtshaut, beson ders des Haarbvdens, gegen leichte Berührungen besteht. Er ist dumpf nnd bohrend, zuweilen wird jeder Pnlsschlag im Kopf als peinigende Schmcrzempfindiing verspürt. Dabei ist der ganze Kopf von einem höchst lästigen Druck eingenommen, als wollte er den Schädel zersprengen. Be merkenswert sind ferner ost eine ausfallende Bläffe nnd Külte der Haut der befallenen Kopshälfte. Diese eigen tümliche Hautkältc kann sich anch ans den übrigen Körper ansdehnen, derart, daß zuweilen die Temperatur in der Achselhöhle nm 2 Grad 0. niedriger liegt, als die dcS Körpcrinncrn. Im Gegensatz hierzu tritt bei andern viel mehr eine dunkle Rötung aus mit Hitzcgcsühl nnd Schweiß bildung. Diese Erscheinungen rühren offenbar von einem nervösen Reiz auf die Blutgefäße her, unter dessen Beein flussung sie sich dort krampfha't zusammcnziehen — hier er weitern. Wahrscheinlich im Zusammenhänge hiermit siebt eine interessante Beobachtung: Hebt man bei der mit Bläffe und Kälte verbundenen Migräne einen Druck auf die der schmerzenden Kopfhälfte entsprechende große seitliche Halsschlagader aus, deren Puls mau stets deutlich fühlen kann, dann nimmt der Kopfschmerz nm ein bedeutendes an Intensität zu, im Gegenteil tritt ein sofortiger Nachlaß der Schmerzen ein, sobald die Schlagader der entgegengesetzten Leite zusammengepreßt wird. Bei der mit Rötung und Wärme verbundenen Form ist das Phänomen gerade um gekehrt. Es kann sich jeder an Migräne Leidende diese Tatsache im geeigneten Falle zn Nutze machen, unr muß er auf die richtige Wahl der Halsseitc Bedacht nehmen. Uebrigens nehmen solche Patienten schon unwillkürlich eine ganz bestimmte Kopfhaltung ein; die einen beugen den Kopf nach rechts oder links, andere nach vorn oder rückwärts und behaupten, sich in dieser Stellung relativ am wohlstcn zn befinden, offenbar weil hierbei ein Druck auf die betreffende Halsschlagader ansgeübt wird. In dessen ist das geschilderte Verhalten des Blutgesäßsnstems keineswegs stets vorhanden oder so deutlich ausgeprägt — oft kombinieren sich beide Formen der Migräne und er geben je nach dem individuellen Falle ein besonderes Bild. Die erwähnten Magensumptome bilden jedoch einen integrierenden Bestandteil jedes Migräneanfalls, fehlen sie, so ist fast mit Sicherheit auf ein andersartiges Leiden zu schließen. Ter Anfall selber erreicht schließlich mit ein- oder mehrmaligem Erbrechen stark sauren Magen inhalts seinen Höhepunkt, nm daun aber rasch zu Ende zn gehen. Länger dauernde Magenstörungen bleiben nicht znr.ück, ein Beweis dafür, daß das Erbrechen ein vom Gehirn ansgclöstcr reflektorischer Vorgang ist, bei dem der Magen selber nicht mitcrkrankt ist. Die Migräne tann^nch als sogenannte Angeumigränc austreten, deren charakteristisches Snmptvm in dem Auf treten eines strahligcn, lebhaft flimmernden Sternes vor dem Auge besteht, welcher bald einer rundlichen Ver dunkelung des Gesichtsfeldes weicht — ähnlich der Er scheinung, die durch grell ins Auge fallendes Sonnenlicht entsteht; es stört dann ein dunkler, runder Schatten beim Sehen, der bald ivieder verschwindet. Mit Verblassen dieser Bcrdnnkelnng im Gesichtsfeld tritt der topische Migräneanfall mit Kopfschmerz und Erbrechen ein. Diese Form der Migräne hat insofern einen ernsteren Eharakter, als die begleitenden Nervenstörungen mannigfaltiger und schwerer sind. Es treten Angenmnskellähmungcu, vor übergehende leichte Vertaubungen und Bewegungs störungen an den Extremitäten nnd Sprachstörungen auf; cs kann sogar die Migräne — allerdings nur in seltenen Fällen — in eine Art epileptischer Krampfanfälle über gehen. Die Migräne ist eine nicht seltene Form, in welcher die krankhafte Schwäche und Reizbarkeit unsere- Nerven systems — eine keineswegs glänzende Errungenschaft un serer modernen sozialen Verhältnisse — in die Erschei nung tritt, zugleich aber anch der Ausdruck einer krank haften Veranlagung der Gesamtkvnstitntivn des betreffen den Menschen. Wir sinden zwar Migräne auch bei Glie dern völlig gesunder Familien, indessen häufiger in solchen mit mehr oder minder starker nervöser Veranlagung; insbesondere ist die Migräne selber außerordentlich ver erblich, und zeigen sich ihre ersten Anfänge oft schon in der Kindheit, meist in den Entwickclnngsjahren, nm erst mit beginnendem Alter nachznlassen. Die zuweilen be obachteten in späteren Jahren cinsctzendcn migränearti gen Anfälle, welche meist Begleiterscheinungen anderer Orgaiierlranknngcn sind — z. B. der Gicht, des Rheuma tismus, chronischer Nerveutrankheiten, auch schwerer Nerven- lind Geisteskrankheiten — nnd hier nur ein Glied in der Kette des von dem Gruudlcidcn bedingten Symp- tvmcnkompleres bilden, gehören nicht eigentlich hierher, vielleicht auch nicht die oben beschriebene Augenmigränc, welche möglicherweise nur eine unter dem Bilde der Migräne sich äußernde Epilepsie darstellt. Vielfach hört man die Meinung anssprecheu, daß gegen Migräne „kein Kraut gewachsen" sei — das mag in selte nen, ganz schweren Fällen zntressen — in den allermeisten entschieden nicht, ttnser Arzneischatz enthält vorzüglich wirtende Mittel, welche den Anfall unterdrücken oder wenigstens lindern können; ich nenne nur Antiporiu, Phenacetin. Ehiuin, Evfeiu und die Brvmsalze. Es komim nur darauf an, sie rechtzeitig, d. h. vor Beginn des Anfalls, zu gebrauchen, wobei die warnenden Stimmen, die ihm vvrausgehen, uns ante Dienste leisten. Daneben ver mögen die Anwendung von Eis auf den Kopf, besonders bei der mit Rötung und Wärme einbergeheuden Migräne form, Druck aus die betreffende Halsschlagader, ein fest nm den Kops gelegtes Tuck oder ein heißes Fußbad den Anfall selber zn lindern. Besonders hervorbebcu null ich ein sehr einfaches Mittel, das in zahlreichen Füllen ausge zeichnete Dienste leistet — es ist dies ein prompt wirkendes Abführmittel, das aber einige Stunden vor Ausbruch des Anfalles einznuehmen ist. Eine ganze Anzahl der Migrä niker leidet nämlich au hartnäckiger Darmträgheit, ver bunden mit Stauungen im Pfortader-Kreislauf: Hämor- rhoidalbcschwcrdeu, leichter Leberanschwcllung und zn reichlicher Magensäurebildnng. Bald sind cs schwäch liche, blasse und schlechtgcnährtc Individuen mit dar- uicdcrlicgeudcn Stosfwcchsclprozessen — bald im Gegen teil vvllsastige Personen. Hier erscheint der Anfall wie eine Art Selbstvergiftung des Körpers mit Stoffen aus dem stagnierenden Darmtnbalt, die bet genügender An- hättsung im Blute einen Reiz auf das Zentralnerven system ansuoeu und so den Migräneansalk auslöjen. Eine schnelle Beseitigung dieser Stosse vermag den Anfall zn unterdrücken. Ueberbanpt ist eine systematische Verhütung der Anfälle durch Bekämpfen bestehender organischer Anomalien von großer Bedeutung; so erzielt im vor liegenden Falle eine je nach Konstitution des Erkrankten mehr oder minder durchgreifende Karlsbader, Kissinger oder Maricnbader Kur oft glänzende Resultate. Stets aber muß eine kräftigende Allgcmeinbchandlung in erster Linie sichen: Eisenpräparate, Seebäder, Ge- birgs- oder Landaufenthalt, methodische und verständig dnrchgcführte Kaltwasserkuren — vor allem kalte Ab reibungen, kühle Touchen oder Uebcrgießnngcn — kör perliche Hebungen, Diätkuren, Enthaltung von Alkohol des Tabalrauchens, eventuell eine vollständige Verände rung der ganzen Lebensweise im Verein mit möglichster Fcrnhaltnng geistiger Ueberansrrengnngen und Er regungen bilden ein Rüstzeug, mit dem man der Migräne nicht bloß, auch der Nervosität im allgemeinen hart zusctzcn kann. Heilige Pflicht aber ist cs für Eltern, insbesondere sür solche, die an Migräne oder Nervosität leiden, schon frühzeitig den unheilvollen Einfluß dieser Plagegeister auf ihre Kinder mit allen ihnen zn Gebote stehenden Mitteln zu verhüten zn suchen. Es handelt sich nm das Lebens- gküct des K indes, das unter dem vergiftenden Atem der nervösen Veranlagung verdorren kann. Hier dürfen keine äußeren Rücksichten in Frage kommen. Vor allem ist der zn frühzeitige Schulbesuch schwächlicher Kinder zu vermeiden — man lasse ihnen noch ein bis zwei Jahre länger volle Freiheit, Hetze sie nicht während der Schulzeit und wecke nicht »»zeitigen Ehrgeiz! Man sorge sür viel Bewegung im Freien, regele die Diät, die eine möglichst vegetabilische sein soll, beachte die Tätigkeit des Darms und Härte das Kind durch vor'ichtiee Anwendung kalten Wassers ab. Leider gestatten die hochgespannten Anfor derungen unserer Schule nickt immer, auf derartige schwächliche, nervös veranlagte Kinder die nötige Rück sicht zu nehmen; indessen wird es der verständige Lehrer ost verstehen, in Erkenntnis der großen Verantwortung, die auf ihm ruht, körperlich und geistig schwächer veran lagten Kindern die Wege zu ebnen und sie geistig und körperlich zugleich zn fordern. Daß die Schule selber eine Musteranstalt sein muß, auch in lmgienischer Hinsicht, und daß keine Kosten zu hoch sein dürfen, um sie ans die Hohe möglichster Vollkommen heit zu bringen, ist selbstverständlich — übergibt ihr doch das deutsche Volk das Beste, was cs hat — seine Kinder. Leipzig-Gohlis. vr. weck. O. v. R ü t-.
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