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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021229024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-29
- Monat1902-12
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Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannahme 25 L, (excl. Porto). Grira-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne PostbesSrderung «0.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgade: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbro" >n geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhc Druck und Verlag vou E. P olz in Leip i z. Str: 880. Montag den 29. Dezember 1902. 86. Jahrgang. Venezuela-Schiedsgericht. * Präsident Roosevelt hat eS abgelehnt, als Schiedsrichter in dem Streit zwischen Venezuela und den europäischen Mächten zu fungieren, und dir letzteren haben sich nun ent schlossen, da«Haager Schiedsgericht anzurufen, ein Borgeben, dem auch Castro sich, wenn auch unter Winkelzügen, anschließen dürfte, nachdem er schon ,u Beginn des Streites daS Eingreifen eines Schiedsgerichts erbeten hatte. Zwar ist Benezuela keine Signatarmachl des Haager Kongresses, allein das schließt nicht auS, daß cS an den Schiedsspruch des Haager Tribu nals appelliert. Völkerrechtlich siebt ihm der Weg dazu offen. WaS die Formalitäten anlang», so ist zunächst eine Einigung — eompromiskuw — unter den streitenden Parteien darüber nötig, ob und unter welchen Voraussetzungen man da« Schiedsgericht anrufen wolle. Der Artikel 31 deS Haager Abkommens vom 29. Juli 1899 bestimmt darüber: „Die Mächte, welche die Schiedssprechung anrufen, untrrzeichnrn eine besondere Urkund« (Schiedsvertrag), worin der Streitgegenstand, sowie der Umfang der Befugnisse der Schiedsrichter klar bestimmt werden. Liese Beurkundung schließt die Verpflichtung der Parteien in sich, sich dem Schiedssprüche nach Treu und Glauben zu unterwerfen." Die Parteien können sich allerdings im SchiedSvertrage Vorbehalten, die Nachprüfung (Revision) des Schieds spruchs zu beantragen, die sich jedoch nur auf die Ermittlung einer neuen Tatsache gründen kann. Die amerikanische Regie rung ist nun gegenwärtig bemüht, ein derartiges comxromisbum herbeizufübren. Nach rrner Washingtoner „Laffan"-Meldung hat Staatssekretär Hay Deutschland und Großbritannien er sucht, sich mit der Anregung de« amerikaniichen Gesandten in Caracas, Mr. Bowen, einverstanden zu erklären, daß dieser nach Washington komme, um dort Venezuela in den Verhandlungen wegen deö Schiedsgerichts zu vertreten. Staatssekretär Hah hat ferner den Präsidenten Castro er sucht, Mr. Bowen als bevollmächtigten Vertreter Venezuelas zu autorisieren. Die verbündeten Mächte werden sich bei den vorläufigen Verhandlungen über ein Abkommen wegen eines Schiedsgerichts durch ihre Botschafter in Washington ver treten lassen. Einigen sich die Großmächte mit Venezuela dabin, den Streitfall dem Haager Schiedsgerichte zu unterbreiten, so würde daS weitere Verfahren klar vorgezeichnrt sein. Nach Artikel 23 des genannten Abkommens hat jede Signatar macht höchsten« vier Personen von anerkannter Sachkunde in Fragen de« Völkerrechts zu benennen, die sich der höchsten sittlichen Achtung erfreuen und bereit sind, ein Schieds richteramt zu übernehmen. Die so benannten Personen sind unter dem Titel von Mitgliedern des SchiedShofe« in eine Liste einzutragen, die allen Signatarmächten durch das Bureau mitgeleilt worden ist. AuS diesen Schieds richtern werden Diejenigen erwählt, die den Gerichts hof für den Einzelsall bilden. Jede Partei ernennt zwei, und diese wählen gemeinsam den Ob- manu. Bei Stimmengleichheit wird die Wahl de« Obmannes einer dritten Macht übertragen. Kommt eine Einigung hier über nicht zu Stande, so bezeichnet jede Partei eine andere Macht, und die Wahl des Obmannes erfolgt durch die so be zeichneten Mächte in Uebereinstimmuug. Nachdem das Schiedsgericht so gebildet ist, teilen die Parteien dem Bureau ihren Entschluß, sich an den ScbiedSbof zu wenden, und die Namen der Schiedsrichter mit. DaS Verfahren ist eingehend Fsttillatsn. HI Nhenanill sei's Panier! Roman auö dem Studcntenleben von Arthur Zapp. Nachdruck vrrd-trn. In seiner Bude stellte er den Wecker, der auf dem Nacht tisch am Bett stand, auf sechs Uhr, dann entkleidete er sich und warf sich behaglich stöhnend in die weichen Kissen. Er schlief auch im Umdrehen ein. Wie lange er geschlafen, wußte er nicht, plötzlich weckte ihn ein lautes Klopfen an seiner Tür, die er niemals zu verschließen pflegte, und gleich darauf polterte ein kräftiger Schritt ins Zimmer. „Sägmüller! Altes Haus, schlafft du schon?" Der Gerufene setzte sich mit erschrockenem Ruck in seinem Bett auf. „Wer ist denn da?" „Ich bin's: Berger!" „Was willst du denn — jetzt, zu nachtschlafender Zeit ?" „Ich wollt' dich nur um eine kleine Gefälligkeit bitten. Kannst du mir nicht deinen „Krafft-Ebing, Lehrbuch der Psychiatrie," auf einen Tag pumpen?" Zornig zeterte der nmsonst Gestörte los: „Und deshalb weckst du mich aus dem Schlaf? Hatte denn das nicht Zeit bis morgen?" „Verzeihe", sagte der andere ganz bescheiden, „aber ich wollte noch heute Nacht 'n bißchen darin ochsen. Na, gib mir das Buch, lieber Kerl!" Dem alten Burschen blieb nichts übrig, er warf sich in seinen Schlafrock, trat an sein Bücherregal nnd händigte dem anderen das verlangte Werk auS. „Dank' dir auch schön!" sagte dieser und ging. Brummend suchte Sägmüller wieder sein Lager auf, und schon ein paar Minuten später verrieten die lauten, gurgelnden Töne, daß er den unterbrochenen Schlummer wieder ausgenommen hatte. Ja, ein Traum begann sogar ihn lieblich zu umgaukeln. Ihm träumte, daß die an mutige kilin Hospital:» bet ihm war und auf dem Sofa neben ihm saß. Sie hielten sich Hand in Hand, sahen einander liebe-selig in die Augen und tauschten zärtliche Ltebesworte. Und nun beugte er sich zu ihr hinab, und feine Lippen suchten die ihren, aber da trat plötzlich fein geregelt. Die Beschlußfassung erfolgt geheim, nach Stiinmen- mehrbeit. Jede Partei trägt ibre eigenen Kosten und die des Schiedsgerichts in gleichem Anteil«. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Dezember. Parteipolitisches. Der Führer der Reichspartri, Abg. v. Kardorsf- Wabnitz, hat bekanntlich in einer der letzten Sitzungen deS Reichstags vor den Ferien angckündigt, daß er sich eine Aus einandersetzung mit dem Bundeder Landwirte Vor behalte. Diese Auseinandersetzung ist nun erfolgt und sie ist, nachdem die BundeSfübrer inzwischen ihre Knegsersiärung erlassen, in schärfeier Weise ausgefallen, als es vielleicht ur sprünglich in der Absicht deö Herrn v. Kardorff gelegen batte. Er bat nicht nursür feinePerson denAuStritl aus dem Bunde erklärt, sondern es auch für „selbstverständlich" erklärt, baß seine Parteigenossen dem Bunde nicht mehr angrhören. So würbe der Führer der Reichöpartei schwerlich sprechen, wenn er seiner FraklionSgenossen nicht sicher wäre. Man wird also auch dem Austritte der Abgeordneten Graf Arnim, Bauer meister, Graf Bernstorff-Laucnburg, v. Christen, Doerksen, Gamp, Haacke, Holtz, Nauck unv Scherre entgegensehcn müssen. Wer dann von den Wählern dieser Herren bem von ihnen gegebenen Beispiele folgen wirt, muß abgewartet werden. Ieeensalls aber ist die Absage, die die Bundeesübrer schon jetzt er fahren haben, von erheblicher Bedeutung und wohl geeignet, die Herren zu ernstlicher Prüfung ihres Verhaltens zu ver- anlailen. Man wird ja bald nach den parlamentarischen Ferien zu erkennen Gelegenheit haben, wie bie Erklärung deö Herrn v. Kardorff gewirkt bat. Auch darauf darf man ge spannt sein, wie lange die während der letzten Akte der Zolltariftragikomödie tu Hellen Flammen aufgelodene Liebe der Herren vou der Freisinnigen Vereinigung zu der Sozialdemokratie Vorhalt. Schon appliziert deren Groß inquisitor KautSky durch einen „Springflut" überschrie' cn Artikel der „Neuen Zeit" den beißen Herzen der Herren vr. Barth nnd Genoßen einen eiskalten Wasserstrahl. Natür lich kommt in diesem Artikel der gesamte Liberalismus sehr schlecht weg, denn es heißt von ihm: „Für bürgerliche Illusionen mag eS eine bittere Ent täuschung sein, daß die Reaktion den deutschen Ccheinkonstilu- tional'SmuS einmal so gezeigt ha», wie er ist, splitterfaiernackt, ohne allen Flitter. Daher die krampfhaften Be mühungen der Eugen Richter und Konsorten, lieber jede Schmach junkerlicher Knechtschaft auf sich zu nebmen, als zu enthüllen, wie schwach die Konsti tution VeS Reichstags ist und wie morsch da« parlamentarische Geiüste, woran die Worthelden deS Liberalismus ihre Turn künste zeigen." Und an anderer Stelle wird gesagt: „Zerstört ist damit auch der Glaube an die Ehrlichkeit und Kampffähigkeit deS Liberalismus, an daS gefährliche Trugbild der „großen Linken", in der LaS klassenbewußte Proletariat mit dem bürgerlichen Radikalismus aus Du und Tu stehen, wenn nicht gar — und in der Praxis würde es immer nur hierauf hinaus- kommen — sein« Schleppe tragen soll. Der schmähliche Ber- rat, den die verschiedenen liberalen Fraktionen, die National, liberalen um Bassermann, die Freisinnigen um Eugen Richter und auch die süddeutschen Demokraten um Haußmann — in der Krisis Vater dazwischen, packte ihn an der Schulter, schüttelte ihn tüchtig und rief mit zorniger Stimme: „Kerl, Donnerwetter, du schläfst ja, als wolltest du überhaupt nicht wieder aufwachen!" Ein abermaliges kräftiges Schütteln brachte den jäh Erwachenden endlich zur Besinnung. Erschreckt fuhr er in die Höhe. „Was — was ist denn?" stammelte er, noch unter der Einwirkung des Traumbildes stehend. Da erschallte ein bekanntes, bierhetseres Organ neben ihm: „Na, höre 'mal, du hast einen gesunden Schlaf! Ich bin's, Gerhard. Ich wollte mir nur eine Frage ge —" „Zum Donnerwetter, wie kommst du denn hier herein?" unterbrach der alte Bursche, zum vollen Bewußt sein kommend, wütend. „Na, einfach durch die Tür — sie stand ja offen. Den Hausschlüssel habe ich mir von unserem Fuchsmajor ge liebelt — du weißt ja, er wohnt parterre." In Sägmüller stieg der Zorn immer heftiger auf. „Jh, da soll doch gleich —" Er zündete ein Streichholz an und sah nach der Uhr. „Zwölf! Was füllt dir denn ein -?" Der andere schlug ihm beruhigend auf die Schulter. „Immer gemütlich! Ich hab' ja nur eine kurze Frage. Wir wollen nämlich morgen eine Bierreise nach Hoppers- dvrf unternehmen, und da wollte ich dich nur fragen, ob du mitmachst — natürlich doch?" „Ich denk' ja gar nicht dran!" „Aber so sei doch kein Laubfrosch! Ich sage dir. cs wird famos. Unser alter Herr kommt auch mit." Der alte Bursche faßte mit drohender Gcberde nute: das Bett; der andere schwang sich lachend von dem Beil rand, auf -em er gesessen, in die Höhe und lief zur Tür. „Um sechs Uhr früh geht's los. Kommst du mit?" „Daß dich -er Teufel —7 Der Stiefelknecht flog krachend gegen bie Tür. Aber der andere war noch rechtzeitig aus der Stube heraus, nur sein boshafte- Gelächter schallte herein; dann polterte er die Treppe herab. Sägmüller aber raste wütend tm Zimmer herum. Solch' eine Schwefelbande! DaS -war natürlich abgekartetes Spiel. Warum hatte er auch die dumme Gewohnheit, sich nicht einzuschltcßen. Na, zum Glück ließ sich bas nachholen. Der dritte würde ver gebens Einlaß begehren. Aber wo war denn der ver wünschte Schlüssel? Sr pflegte ihn doch immer auf den Tisch zu legen. Wie rveggezaubert. Luch in keiner Tasche deS Zolltarifs an den arbeitenden Klassen geübt haben, bleibt ihnen unvergessen." Diese Ausführungen entsprechen der Haltung der sozial- demokratischen ReichSiagSsraktion, bie eS bekanntlich an gröb lichen Beschimpfungen deS Heirn Eugen Richter und aller anderen, die nicht ihres Willens waren, nicht fehlen ließ, so daß Eugen Richter nickt mehr von seinem Platze sprechen konnte, sonder» die Tribüne besteigen mußte. Kommen so Nativnalliberale, Freisinnige Volkspartei und Süddeutsche Volkspartei in dem Urteil der svzialbemoki arischen Partei sehr übel weg, so hätte man wenigstens glauben dürfen, daß da« Fähnlein der Aufrechten, die Herren Barth, Pachnicke, Gotbcin, Brömel und Noesicke, sich den Tank der Genossen durch ihre allezeit vorhandene HüliSbereitschaft für Herrn Singers Wünsche verdient hätten. Aber weil gesehll; die Aermsten ernten nur Spott. Von ihnen beißt eö: „Freilich kann man sagen. Laß die Freisinnigen um Barth und Schrader sich doch bester gehalten halten. DaS ist richtig: sie haben in anerkennenswerter Weise gezeigt, waS der Liberalismus heutzu tage noch im besten Falle und unter den günstigsten Umständen leisten kann — als ehrliche uud geschickte Hülsstruppe der Sozialdemokratie." Also „Hülsstruppe der Sozialdemokratie." DaS ist der Dank für diejenigen, die da glaubten, dem deutschen Liberalismus aufzuhelsen, wenn sie über die Wadenstrümpfe Wasserstiefel anzogen unv hinter Herrn Singer hermarschierten. Die freisinnige Bereinigung müßte jede Spur von Selbst achtung verloren haben, wenn sie auch nach dieser Er nüchterung ihr Werben um die sozialdemokratische Gunst noch forlsetzte. NcichStagsdiätcn und Lojtaldcmokrattr. Man sollte meinen, daß die — inzwischen übrigens wieder bestrittene — Nachricht von der Absicht der Regierungen, endlich den Wunsch des Reichstages aut Gewährung von Diäten zu erfüllen, von den Sozialdemokraten mit bellem Jubel begrüßt werden würde; baben sie doch von jeher Diäten verlangt unv würde doch ihr Parteisäckel mehr als der jeder anderen Partei entlastet werden, wenn die ReichstagSabgeord- nelen ox olüoio Diäten erhielten. Aber nein; was von den Negierungen ausgeht, muß verdächtigt werden, und so schreibt denn die „Sächsische Arbeiterzeitung": „Kompemationen auf dem Gebiete des Wahlrechts bleiben uns ja voraussichtlich erspart — ober der Hungertarif, für dessen Zu- slandebringen die ausschlaggebende Brotwucherpartei mit den Diäten belohnt werden soll, ist ja Compensatio» genug." So viel Worte, so viel Unsinn. Bon eines Kompensierung de« „Hungertariss" mit den Diäten hätte nur die Rede sein können, wenn die Regierung sich zur Bewilligung von Diäten zu einer Zeit bereit erklärt hätte, wo der Zolltarif noch in Frage stand. Nachdem er bewilligt worden ist, bat die Regierung es ja gar nickt nötig, zu „kompensieren". Ebensowenig aber wie als Kompensation wäre bie Bewilligung von Diäien als Belohnung für die „ausschlaggebende Brotwucherpartei" anzusebcn. Man weiß, daß die große Mehrheit der beiden konservativen Parteien auch heute noch dein Gedanken der Diäten unfreundlich gegen übersteht, uud e« wäre doch eine besondere U igeschicklichkeit der Negierung, wenn sie sich al« Belohnung für eine Partei, die fürd.en Zolltarif gestimmt bat, gerade eine solche Gabe auswählte, die anderen Parteien, die ebenfalls für daS Zustandekommen des Tarifs «ingelrelen sind, unerwünscht wäre. Das sozialistische — nirgends. Sollte ihn einer von den beiden Schelmen mitgehcn geheißen haben? Berflirt! WaS nun? Aber da war doch noch ein Riegel an der Tür . . . Hm! Das Ding regte und rührte sich nicht, so sehr er auch schob und zerrte. Wahrscheinlich verrostet in jahrelanger Ruhe. Er nahm das Licht vom Tisch und leuchtete. Jh, solche freche Hallunken! Da waren sie in seiner Abwesenheit auf seiner Bude gewesen nnd hatten eine Schraube in die Tür gedreht, dicht am Riegel, und nun war es unmöglich, das Ding in Bewegung zu setzen. Wenn er nur einen Schrau benzieher gehabt hätte! Aber jetzt, in der Nacht, war eS ausgeschlossen, das nötige Handwerkszeug zu erlangen. Na, den Spaß wollte er ihnen aber doch verderben. Flugs packte er mit beiden Händen den schweren Sofatisch und rückte ihn an die Tür, die zum Glück nach innen zu öffnen war. Auf den Tisch stellte er, um ihn zu beschweren, noch ein paar Stühle, auf die er die gewichtigsten seiner Bücher legte. Tann warf er sich nrit zufriedenem Schmunzeln wieder in die Federn. Der Aergcr aber gährtc noch nach in ihm, so daß er wohl eine Viertelstunde brauchte, bis es ihm gelang, an den unterbrochenen Schlummer wieder anzuknüpfcn. Plötzlich weckte ihn ein furchtbares Gepolter, so daß er mit einem Satz aus dem Bette sprang. Tie Stühle sausten von dem Tisch und schmetterten mit lautem Gckrach auf den Boden. Der Tisch fing an zu wackeln und sich schurrend fortzubewcgen, und nun öffnete sich langsam die Tür, und durch den Spalt erklang eine lachende Stimme: „Nanu! Hast du dich verbarrikadiert, Säg- Müller? Mach' doch 'mal auf, altes Haus!" Der Gefoppte stieß einen unartikulierten Laut aus und griff nach einen, der auf der Diele liegenden Stühle. „Wir haben nämlich eil,c Wette gemacht, da wollte ich dich zum Schiedsrichter anru —" DaS Weitere erstickte in dem Getöse, das der mit großer Vehemenz an die Tür geworfene Stuhl verursachte. Und gleich darauf ertönte das schrille Organ der Phileuse: „Was gibt's denn? Was ist denn das für ein Lärm in der Nacht?" rief Frau Schütze. „Fst's bei Ihnen, Herr Sägmüller? Können Sie sich wieder einmal nicht ins Bett finden?" Der alte Bursche schlich beschämt, cntnttchtert, nur noch leise knurrend, zu feinem Lager zurück. Bon draußen klangen polternde Schritte und unterdrücktes Lachen Verein, da» sich auf der Treppe verlor. Zugleich wurde Dresdener Blatt widerspricht sich übrigens selbst, denn e« sagt unmittelbar vor der Verdächtigung, daß die Bewilligung im Zusammenbang stehe mit den, bekannten Wunsche des Kaisers nach antisozialistischcn Arbeiterkandidaturen. Dieser Wunsch steht nicht im mindesten Zusammenhänge mit der Zollfrage, sondern wurde ausgesprochen in Verbindung mit der Hetze deö „Vorwärts" gegen den verslorbenen Geheimrat Krupp. Tie Ausbildung der englischen Marineoffiziere. Zu der seit längerer Zett in England lebhaft erörterten Frage der Ausbildung und dienstlichen Verwendung der englischen Marineoffiziere hat nunmehr der erste Lord der Admiralität in einer dem Parlament vvrzulcgcnden Denk schrift den Standpunkt der obersten Martncbchördc zum Ausdruck gebracht. Während gegenwärtig die verschiede nen Ofsizierökategoricn in vollständig gesonderten Lehr gängen ihre Ausbildung erhalten, sollen nach den Be stimmungen der Admiralität zukünftig Deckoffizicre, In genieure, Offiziere der Schiffsarttllcrie uud der Marine infanterie unter denselben Bedingungen, wie jetzt die See kadetten, zwischen dem 12. und 13. Lebensjahre cintrctcn und bis zur Beförderung zum Offizier, also bis zum 19. oder 20. Lebensjahre die gleiche Ausbildung genießen. So dann erfolgt die Einteilung der Offiziere für den Dienst auf Teck, im Maschinenraum usw., wobei cs dem einzelnen nach Möglichkeit srctgcstcllt wird, die ihm zusagende Kate gorie selbst zu wählen; allerdings sollen diejenigen, die sich für jeden Ticnstzwetg zur Verfügung stellen, bet der Be förderung bevorzugt werden. Die tiefeinschncidcnde Wir kung dieser Bestimmungen, die Mitte nächsten Jahres in Kraft treten sollen, gegenüber den jetzigen Verhältnissen zeigt sich besonders in der e r h e b l i ch v e r l ä n g c r t e n militärischen und seemännischen Ausbil dungszeit. Ter Teck- und Frontoffizier wird in Zu kunft, ehe er seine Funktionen an Bord eines Linienschiffes übernimmt, eine siebenjährige gegen eine jetzt ssH Jahre dauernde Ausbildungszeit durchgcmacht haben, die Offiziere der Marineartillerie nnd die Ingenieuroffiztere, die nach ihrem Uebertritt in die betreffende Kategorie noch einen zweijährigen Sonderkursuö zu absolvieren haben, werden sogar auf einen neunjährigen Ausbil- duugSgang, also das Doppelte der gegenwärtig erforderlichen Zett, zurückblicken können. Mit dieser Ent scheidung der Angelegenheit hat die oberste Martnebehördc Großbritanniens einen Standpunkt eingenommen, der zwischen dem von den ersten militärischen und maritimen Autoritäten geäußerten Ansichten etwa die Mitte hält. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß die ungleich längere Dauer der dienstlichen Vorbildung hebend auf die Qualität der Marineoffiziere aller Kategorien wirken und die Gesamt heit ihrer Leistungen steigern wird. Ob aber daS Lnstem eines überwiegend gemeinsamen Lehrganges der Offiziere den Aufgaben entspricht, die für den Ernstfall in Einzel positionen und im Verbände an die leitenden Kräfte ge stellt werden müssen, bleibt allerdings eine Frage, die nur durch die Erfahrungen der Praxis entschieden werden kann. Suglandfeindlichc Bewegung auf Cyper«. Wie in den letzten Jahren auf Malta, so macht sich jetzt auch auf der allerdings erst seit dem Berliner Vertrage von England „gepachteten" Insel Cypern eine england feindliche Bewegung geltend. Eine dafelibst vor kurzem erschienene Flugschrift, die von vr. Lanttis verfaßt drüben die Tür ins Schloß geworfen; die Phileuse schien sich zurückzuzichen. Karl Sägmüller saß aufrecht in seinem Bett. Er zündete die Kerze an. Halb eins! Seufzend kletterte er aus dem Bett und begann sich anzukleidcn. Einzu schlafen war unmöglich. Zu heftig gürte der Zorn in ihm. Dazu die Besorgnis, daß nach einer halben Stunde ein Vierter erscheinen und ihn aufs neue wecken würde, und daß auch Frau Schütze und Lieschen wiederum aus dem Schlaf geschreckt werden könnten. Das beste war, er ging auf die Straße hinunter, und suchte durch einen Spaziergang das aufgeregte Blut zu beruhigen. Schlafen konnte er ja vorläufig doch nicht. Und wenn nach einer halben Stunde ein vierter Kommilitone bei ihn, erscheinen würde, sand er das Nest leer, und die Rollen der Foppen den und des Gefoppten waren diesmal vertauscht. Ter alte Bursche lächelte vergnügt vor sich hin, während er leise hinausschlich. Tranken ging er aufs Geratewohl dahin, seinen Gedanken nachhängend, ohne auf den Weg zu achten. Nack einer Weile blieb er verdutzt stehen. Brausender Sang drang an sein Ohr. Instinktiv war er die bekannte Straße gegangen, nnd nnn stand er vor dem Kneiplvkal der Nhcnania. Und drinnen erklang cs im frohen Gelage aus den Kehlen begeisterter Burschen. „Wir dcutscl-cu Studenten, wir fühlen so kühn In Herzen und Händen die Jugend crglübn. Wir schwingen den Hicber so flott und so frisch, Und schwingen noch lieber den Becher am Lisch. Wir deulscken Studenten, wir dulden es nicht. Wenn einen lvir fänden mit trübem Gesicht. Wir rufen ihn alle in unsere Rechn, Beim fröhlichen Schalle mit fröhlich zu sein —" Dem alten Burschen klopfte das Herz hochauf, seine Brust dehnte nnd weitete sich seine Augen erglänzten, und wie ein umvidcrstehlicher Lockruf wirkte cs auf ihn: „Wir rufen ihn alle in unsere Rechn, Beim fröhlichen Schalle mit fröhlich zu sein." Znm Henker! Konnte er denn nicht einmal eine Aus nahme machen? War er denn schon ganz und gar zua- verknöchcrtcn Philister geworden? Mit kräftigem Anlauf eilte er die paar Steinstuken zn dem Lokal hinauf, und als er eintrat, wurde gerade die letzte Strophe gesungen. Ein allgemeines lautes „Halloh" empfing ihn. Karl Sägmüller drohte den bösen Iungburschen, die daran schuld waren, daß er, anstatt in Morpheus' Annen zu liegen, sich wieder an die Knetptafel setzte, mehr tm Scherz
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