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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031005020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-05
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Nintsölatt des Hönigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Antes und -es Notizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Nr. 51)7. Montag den 5. Oktober 1903. Druck und Verlag von L. Polz i» Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 75 H vor den Familcennach- richten (S gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sitt Nachweisungen und Offertenauuahme LS H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung SO.—, mit Postbesärderung ^l 70.—» Änuahmeschluß für Anzeige«: Lbead-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morge»-Au«gab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abeuds 7 Uhr- 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Oktober, l Militär- und AivilpensionSwcscn. Wenn eS in absehbarer Zeit im Reiche zu einer Reform deS Militärpensionswesens kommt, deren Dringlichkeit von nationalliberaler Seite seit Jahr und Tag und besonders durch den beredten Mund deS Grafen Oriola immer wieder in das Bewußtsein der Jetztzeit zurückgerufen worden ist, so läßt sich nicht bestreiten, daß dieser Schritt auch für die Ordnung des CivilbeamtenpensionswesenS Folgen haben wird. Wie flZ. mitgeteilt wurde, handelt es sich bei der Reform der Militärpensionsgesetzgebung nicht sowohl, darum, die Maximal grenze der Offiz,erspensionen höher hinäufzuschieben, als viel mehr, denjenigen Offizier besser zu stellen, der sozusagen mit doppelten Ruten gepeitscht wird, wenn er in verhältnismäßig jungen Jahren sich genötigt sieht, seine Laufbahn abzubrechen und nach dem Stande der jetzigen Gesetzgebung seinen Dienst jahren entsprechend mit einer Pension furlieb zu nehmen, die ihm eine Aussicht auf annähernd ausreichende Bestreitung seines Lebensunterhaltes um so weniger bietet, als er meist darauf angewiesen sein wird, seine noch der Erziehung be dürfenden Kinder auf Schulen oder in Pensionen zu schicken. Es war unbedingt notwendig, nach unten hin eme Er höhung der Pensionssätze in Aussicht zu nehmen. Ob das in der den gesetzgebenden Faktoren des Reiches demnächst zugehenden Vorlage in ausreichender Weise geschehen ist, muß abgewartet werden. Wenn aber die Reform des Militär- pensionSwesenS nicht ohne Rückwirkung auf die der Zivil beamtenpensionsgesetzgebung bleibt, so liegt auf der Hand, daß im Civildixnst viel seltener Pensionierungen eintreten, wenn die Beamten erst eine verhältnisinäßig kurze Reihe von Dienstjahren hinter sich haben. Deshalb verliert aber der selbst in beschranken. Umfange ein tretende Fall der notwendigen Pensionierung eines Civil- beamten nacheinervcrhältnismäßia kurzen Reche von Dirnst- MM^üchckWWU^seiner Härte für den Betreffenden, so lange ebenso wie im Militär- auch im Eivildienste die Be messung der Höhe der Pensionssätze nach unten eine unzu längliche ist. Nach oben hin scheint eine anderweite Ab grenzung der Militärpensionen nicht in Aussicht genommen ru sein. Es fragt sich aber, ob in Bezug auf den Civildienst nicht ein anderer Modu« geboten ist. Nicht selten kommt es vor, daß ältere Beamte und selbst Minister einem Eintritt in den Pensionsstand um deswillen mit Scheu entgegensehen, weil die Höhe der Pensionssätze eine schier unerträglich niedrige ist. Freilich darf man sich der Einsicht nicht verschließen, daß bei der jetzigen Finanzlage die Aussicht auf eine baldige Besserung sehr gering ist. Es rächt sich eben auch auf diesem Gebiete die Lässigkeit, mit der die Finanzpflege im Reiche seit einer ganzen Reihe von Jahren betrieben worden ist. Bebel hat ja in Dresden Unsinn ge sprochen, als er behauptete, das Reich könne seine Lieferanten nicht bezahlen; aber daß es seine Beamten nicht in würdiger Weise zu pensionieren vermag, ist leider eine nicht weg zuleugnende Tatsache. Offiziöse Wahlwinke. Die „Nordd. Allaem. Ztg." bespricht in einem Rückblicke auf die verflossene Woche auch die bisher für die preußi schen Landtagswahlen erschienenen Wahlaufrufe der Parteien. In Bezug auf die Konservativen gibt daS halb amtliche Blatt die Auslassungen der „Kreuzzeitung" darüber wieder, daß die Partei ein besonderes Programm für die Landtagswahlen nicht erläßt. Der Wahlaufruf des Zentrums wird nur in seinem ersten Teile besprochen, der Hauptbestandteil über die Kirchen- und Schulpolitik höflich übergangen. Ueber die Po len Politik des Zentrums bemerkt daS Blatt: „Mit Entschiedenheit werden die grobpolnischen Bestrebungen als landesverräterisch zurückgewiesen und die Mitwirkung des Zentrums am Schutze des Deutschtums in den Ostmarken unter der Be dingung der Wahrung berechtigter Forderungen der Polen in Bezug auf die Religion, Muttersprache und volkstümlichen Sitten zugesagt. Da berechtigte Ansprüche der Polen von der preußischen Staats regierung in keiner Weise verletzt worden sind und dies auch in Zuknnft sicher nicht geschehen wird, so darf man wohl die Erwar tung hegen, das Zentrum von heute ab im Kampf« für das bedrängte Deutschtum auf Seite der Regierung zu finden." Wenn das wirklich die Erwartung der maßgebenden Kreise sein sollte, so dürften sie sich einer erstaunUchen Selbsttäu schung hingeben. Endlich wird den preußischen National liberalen folgende halbamtliche Belehrung erteilt: Der von der Telegiertenversammlung in Hannover beschlossene Wahlaufruf der nationalliberalen Partei schlägt außerordentlich scharfe Töne an gegen die angeblich in Preußen von den Konser- vativen und dem Zentrum drohende Reaktion. Die Reden und Beschlüsse des Drlegiertentages zeigten durchweg den gleichen Zug. Vereinzelt wurde sogar die Ansicht laut, die Partei solle eher mit der Sozialdemokratie, als mit dem Zentrum paktieren. Ein Ge danke, der zum Teil schon in Resolutionen sogenannter jungliberaler Bereinigungen Ausdruck "gewönne» hat. De- Delegiertentag hat dies« Anschauungen nachdrücklich zurückgewiestn und den Kampf gegen die Sozialdemokratie, dieser in Wahrheit rückschrittlichen Partei, al« nationale und liberale Pflicht erklärt. Trotz der scharfen Worte, die in Hannover gefallen sind, und trotz der geharnischten Er klärungen in dem Wahlaufrufe wird man sich hoffentlich auf national liberaler Seite im Lande bewußt bleiben, daß die Gegenwart dazu drängt, dem einigenden Moment im Lager der bürgerlichen Parteien gegenüber dem gemeinsamen Feinde ein stärkere- Gewicht bei- zulegen, als dem trennenden. Durch diese Belehrung wird man fast zu dem Schlüsse gedrängt, die „Nvrdd. AUg. Ztg." und ihre Hintermänner meinten, eS handle sich nicht um Wahlen zum preußischen Adgeordnetenhause, sondern um Reichstagswahl en. Bei diesen könnte von einem allen bürgerlichen Parieren gemein samen Feinde die Rede sein, denn allen diesen Parteien hatte die Sozialdemokratie den Krieg erklärt. Bei den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhause aber fällt mit der Gefahr eines bedrohlichen sozialdemokratischen Wahlsieges auch die Pflicht einer gemeinsamen Abwehr dieser Gefahr fort. Dafür aber droht eine solche durch den Zusammenschluß der Hochkonservativen und des Zentrums und durch die Unter stützung der klerikalen Forderungen auf dem Gebiete der Kirchen- und Schulpolitik durch die Hochkonservativcn. Und zwar droht diese Gefahr allen Liberalen. Trotz der Mahnung der „Nordd. Allgem. Ztg." wird daher hoffentlich keine der liberalen Parteien kurzsichtig genug sein, das, was sie vom Zentrum und dessen konservativen Freunden und Bundes genossen trennt, zu vergessen. Erfreulicherweise deuten denn auch alle Anzeichen darauf hin, daß die liberalen Parteien das sie Trennende vergessen, um gemeinsam der ihnen allen drohenden Gefahr zu begegnen. Daß sie nicht töricht genug sein werden, zum Kampfe gegen die Reaktion die Hülse der reaktionärsten aller Parteien, der sozialdemokratischen, zu suchen, darauf kann sich die „Nordd. Allg. Ztg." trotz des Herrn vr. Barth verlassen. Englische Armeercorgantsatton. Die Enthüllungen der zur Untersuchung deS südafrika nischen Krieges eingesetzten Kommission über den bedenklichen Zustand des englischen Feldheeres und die unglaublichen Mängel in Verwaltung und Organisation werden noch ein bemerkenswertes Nachspiel haben. Auf Veranlassung der ^rin^ I-eaMs wird in der zweiten Hälfte deS Oktober eine Protest versammlung abgehalten werden, an der eine Anzahl von Parlamentsmitgliedern, Gilbert Parker, Major Evan Gor- don, die Kapitäne Jesiel und Lee, Major Seely u. a. teil nehmen werden. Auch die Angestellten mehrerer StaatS- werkstätten haben um Zulassung zu der Versammlung gebeten und wollen sich durch ihre Delegierten an den Ver handlungen beteiligen. Än 3 Resolutionen, die der Ver sammlung rurAnnahme empfohlen werden sollen, wird die unver zügliche Vornahme einer Reform des Kriegsamtes und der Armee als ein vitales Bedürfnis der Nation be zeichnet und die Bildung eines Sachverständigen - AuS- jchusses gefordert, der die Arbeiten aller bisher mit der Untersuchung des Kriege« und der Armeereform befaßten Kommissionen, die Debatten im Parlament über den gleichen Gegenstand eingehend prüfen und danach praktische Vorschläge zur Abstellung der vorhandenen Mißstände machen soll. Vor allem soll darauf hingewirkt werden, daß die Bestimmung aufgehoben wird, nach welcher der Oberstkommandierende der Armee, wenn er in Konflikt mit der Anschauung des Kriegs ministers gerät und von seinem Posten zurücktritt, auf seine Gehaltsbezüge Verzicht leisten muß, eine Un annehmlichkeit, der sich natürlich so leicht niemand aussetzen will. Die Liga vertritt die Anschauung, daß zu allererst hier Wandel geschafft werden müsse, wenn ein von privaten Interessen unabhängiges Wirken des Oberstkommandierenden ermöglicht werden solle« — Uebrigens hat Lord Strathcona, der der UntersuchungSkommission angehörte, den Gerüchten wider sprochen, nach denen ein zweiter, bisher geheim gehaltener Bericht der Kommission existiere, der für da« Kriegsamt noch unangenehmere Einzelheiten als der erste enthalte. Aber auch so werden die für die Protestversamm lung angekündigten Redner dafür sorgen, daß die Unfähig keit de» KrieaSamteS und der ihm unterstellten Behörden noch einmal in aller Breite erörtert wird. Die Aktion Rußland« vntz Oesterreichs auf de« Balkan. Nach den Besprechungen, die in MUrzsteg zwischen dem Grafen Goluchowski und dem Grafen Lambsdorff stattgefunden haben, wurde von den Regierungen Oesterreich- Ungarns und Rußlands beschlossen, an die beiderseitigen Botschafter in Konstantinopel, Frhr. v. Calice und Sinow- jeff identische Telegramme abzusenden, die aus dem Französischen übersetzt, folgenden Wortlaut haben: „Sie sind kürzlich beauftragt worden, zu erklären, daß Oesterreich-Ungarn und Rußland an dem Werke der Beruhigung, das sie unternommen haben, festhalten und auf ihrem zu Beginn des Jahres ausgearbeiteten Pro gramme beharren, ungeachtet der Schwierigkeiten, die der Durchführung sich bisher entgegenstellten j denn, in der Tat, während einerseits die revolutionären ComttS« die Unruhen ber- vorgerufen und die christliche Bevölkerung der drei VilajetS davon abgehalten haben, an der Durchführung der Reformen mitzuwirken, haben anderseits die Organe der Pforte, die mit deren Anwendung betraut waren. eS dabei allgemein an dem wünschenswerten Eifer fehlen lassen und sind von dem Geiste, der diese Maß regeln eingeaeben hat, nicht durchdrungen gewesen. Um nun ihren festen Entschluß darzulegen, auf der vollständigen Durchführung jener Re formen zu bestehen, die von der Pforte ange nommen worden und bestimmt sind, ine allgemeine Sicherheit zu gewährleisten, einigten sich die beiden Re gierungen über eine wirksamere Art der Kontrolle und Ueberwachuug. Sie werden in dieser Beziehung unver züglich eingehend Instruktionen erhalten. Wenn die beiden Mächte auch daS Recht und die Pflicht der Pforte in vollem Umfange anerkennen, die durch die aufrührerische Agitation der ComitLS veranlaßten Unordnungen zu unterdrücken, beklagen sie, daß die Unterdrückung von Ausschreitungen und Grausamkeiten begleitet war, unter denen die friedliche Bevölkerung zu leiden gehabt hat. E» scheint ihnen deshalb dringend geboten, den Opfern der bedauerlichen Vor gänge zu Hilfe zu kommen. Die obenerwähnten Instruktio nen werden Sie auch von den Einzelheiten der Humanitären Aktion unterrichten, die sich zum Zwecke der Unterstützung der aller Existenzmittel beraubten Bevölke rung, zur Erleichterung der Repatriierung und Wiederherstellung der durch Brand zer störten Dörfer, Kirchen und Schulen notwendig erweist. Die Regierungen Oesterreich-UngarnS und Ruß lands hegen die feste Hoffnung, daß ihre beständigen Be mühungen da« Ziel, in den schwergeprüften Provinzen dauernde Beruhigung herbeizuführen, erreichen werden, und ind überzeugt, daß ihre unparteiischen Ratschläge an allen enen, an die sie gerichtet sind, im eigenen Interesse werden ge hört werden. Im Auftrage Sr. apostolischen Majestät, meines siohen Herrn (so schließt das an den Frhrn. v. Calice ge richtete Telegramm des Grafen Goluchowski) fordere ich Sie auf, Vorstehendes der ottomanischen Regierung mitzuteilen, nachdem Sie sich mit dem russischen Kollegen, der identische Instruktionen erhält, ins Einvernehmen gesetzt haben werden." Feuilleton. Das neue Modell. 4s Roman von Paul OSkar Höcker. Nachdruck verboten. Kerkhövts hatten ein kleines Häuschen mit Borgarten an der äußeren Promenade von Chateau-Lanney inne. Der Baumeister hatte cs selbst aufgeführt, im einfachen Landhausstil, als er seine endgültige Anstellung als Leiter -er Kabrikfiliale hier erhalten hatte. Im Giebel lagen nur zwei Stuben, die er für seine beiden Töchter eingerichtet hatte. Für Marion, die ältere, die sich aber schon vor sieben Jahren, gleich nach Fertig stellung des Hauses, verheiratet hatte, und für Liselotte. Von ihrem Fenster aus hatte Liselotte die Aussicht nach der Botrange, dem etwa 700 Meter hohen Gipfel des hohen Benn. Malerisch im herkömmlichen Sinne war das Bild durchaus nicht, denn das Plateau senkte sich im Osten und Südosten ganz allmählich in kaum nennens werten Abstufungen zur Eifel, bloß im Norden setzte eS mit einem scharfen Rand zum Tiefland ein. Sowohl daS Hohe Benn, als auch die beiden langgezogenen Flächen zwischen den Waldungen an der belgischen Grenze und dieSseitS von Euper waren mit Torfmooren bedeckt. Es war im ganzen eine recht unwirtliche Gegend, die oft wochenlang in Nebel gehüllt blieb. Noch nie hatte Liselotte die Einsamkeit und Ab geschiedenheit ihres Daseins in dem kleinen Grenz städtchen so drückend empfunden, als in diesen Tagen. Mit ihrer Mutter verband sie die zärtlichste Liebe; allein ein rechtes Verstehen existierte nicht zwischen ihnen. Frau Kerkhövt war eine freundliche, weichherzige Frau. Gleich ihrem Gatten hatte sie keinerlei Feinde, aber auch tiefere Freundschaft verknüpfte sie mit keinem der Orts- angehörigen. Denn sie galt allgemein für ein wenig wunderlich. Es war ihr in der Tat von Jugend auf der schwärmerische Hang zum Romantischen eigen. Wie ihr Gatte, ob er gleich längst mitten im Favriktretben stand, sich noch immer mehr als Künstler fühlte, so hatte auch sie gewissermaßen ein zweites poetisches, ein inner liches Leben geführt, daS neben dem prosaischen, dem wirklichen, einherging, wie ein sich von der Kindheit in ihr Alter fortspinnendes Märchen. Sie las viel Romane — das wär der einzige LuxuS, den sie sich, an ein hartes, arbeitsreiches Leben gewöhnt, gegönnt hatte. Aber sie la» sie nicht nur, sie erlebte sie auch — wenigsten» für sich, 1« ihrer etwa» krausen Ideenwelt. Als ihre beiden Töchter noch klein waren, hatte sie einen großen Einfluß auf sie ausgeübt. Die war eine phantasierciche Märchenerzählerin gewesen, sie hatte das kindliche Dasein ihrer beiden Mädchen mit allerlei poetischen Scheingestalten erfüllt. In verschiedener Weise hatte das auf deren Gemüt eingewirkt. In Marion hatte es die Lust am Fabulieren, zugleich aber auch die Sehn sucht nach der Verwirklichung all des Glanzes erweckt, den die mütterliche Erzählungskunst in den stillen Däinmerstunden hcrvorzuzaubcrn wußte. Auf Liselotte hatte die Poesie reiner gewirkt, hatte sinnigere Eigen schaften wachgerufen; aber die Enttäuschung, die ihr, als sie groß geworden war, ebenso wenig erspart blieb, als der älteren Schwester, hatte sie ernster gestimmt. Es kam hinzu, daß Liselotte mit ihrer musikalischen Begabung sich in ihren Entwickelungsjahren ein Feld eroberte, auf bas ihr keines ihrer Anverwandten zu folgen wußte, auch die Mutter nicht. Liselotte war geistig hinausgcivachsen über ihr welt fremdes Mütterchen, das immer Romane laS oder ins geheim erlebte, ober hier und dort witterte. Sie zürnte sich oft selbst, baß sie sich bas eingestand; aber sie hätte der ernste, offene, ehrliche Chkrakter nicht sein müssen, nm sich der Täuschung ihrer Kinderjahre noch länger htnzugcbcn. Ein tiefes SNitleid fühlte sie jetzt mit -cm Vater. Kerkhövt hatte in uncrmiidlicher Arbeit all seine Kräfte für den ihm ursprünglich fremden Fabrikbetrieb eingesetzt, er hatte das Werk zur Blüte gebracht, aber der klingende Lohn blieb ihm auS, weil er viel zu gewissen haft gewesen war, als daß er gewisse Konjunkturen für seinen eigenen Vorteil auSgenutzt hätte. Die Aussteuer seiner ältesten Tochter hatte größere Baropfer von ihm gefordert, als seine Einkünfte ihm zu bringen eigentlich gestatteten. So hatte er gerade in den letzten Jahren mit nicht unerheblichen Geldsorgen zu kämpfen gehabt. DaS hatte ihn mürbe gemacktt, ihn vor der Zeit verbraucht. Wie ein letztes Verhängnis war da nun noch der Fabrik brand hinzugekommen. Während die Herren in Vaters Arbeitsstube ver handelten» saß Liselotte bei -er Mutter in der Küche. Das kleine Krauchen mit dem graumelierten Haar, dem rosigen Gesicht, der Brille mit den großen Gläsern, durch die die gutmütigen alten Kinderaugen so naiv-ver wundert in die Welt blickten, hantierte geschäftig herum. Es war eine Schwäche von Krau Kerkhövt, daß sic, ob gleich ein Dienstbote gehalten ward und Liselotte sich stetig zur Hülfe bereit zeigte, fast jede Hausarbeit, die über die gröbsten Verrichtungen htnauSging, selbst vor nehmen wollte. « Sie sprachen nun über die mutmaßlichen Ergebnisse der Unterhandlung drinnen. Aufgebaut ward die Fabrikfiliale hier in Chateau. Lanney nicht wieder, so viel war bereits durchgcsickert. Aber vielleicht betrauten die Belgier -en langjährigen Leiter -er Filiale mit der Neueinrichtung eines Betriebe» an anderem Orte. So niedergedrückt Frau Kerkhövt von dem Brand- Unglücke und dem schlechten Gesundheitszustände ihres Mannes gewesen war,' sobald es an ein AuSmalen etwaiger Zukunstspläne ging, belebte sich ihr ganzes Wesen wieder. Matt lächelnd sagte Liselotte endlich, indem sie ihr wehrte: „Ach, Mütterchen, du schwärmst wieder, und dann wird die Enttäuschung um so größer. „Ei, ihr Mädels", ereiferte sich Frau Kerkhövt, „ich weiß gar nicht, wie ihr seid. Ihr habt euch nie so recht auf etwas freuen können wie ich! Immer eure Gorge: am Ende ist's doch nicht möglich, am Ende kommt noch etwas dazrvischenl Da wird man aber nie seines Lebens froh! Ich sage: wenn auch nichts daraus wird, so habe ich doch wenigstens die Vorfreude gehabt!" In dieser Theorie spiegelte sich wirklich ihre ganze Charaktcranlage wider. Liselotte konnte mit ihr nicht darüber rechten; sie wäre sich auch grausam vorgekommen, hätte sie der Mutter mit noch ernsteren Worten die Vag heit ihrer Hoffnungen dargelegt. Aber immer drückender, immer beengender legte sich die bange Sorge um die Zukunft auf ihre Seele. Die Konferenz der Herren dehnte sich endlos in die Länge. Liselotte hielt cs im Hause schließlich nicht mehr aus. Sie nahm Hut, Schirm und Handschuhe und ging ins Freie. Zum Abtciplatze wagte sic sich nicht. Sie konnte, die Trtkmmerstättc, an dir voraussichtlich Vaters ganze Carriere begraben lag, nicht mehr sehen. Dennoch mußte sie immer daran denken. Und stet» erinnerte sie sich dabei des jungen Pionieroffiziers, der in der verflossenen Nacht so mutig und siegesbewußt am Fuße der Ruine ausgehalten hatte, der durch sein tapferes Verharren an der exponierten Stell« ein so un- verbrüchliche» Vertrauen in die Kraft und Wirkung seiner Erfindung bewiesen hatte. „Ja, dem Mutigen gehört die Welt", sagte sie zu sich AlS sie von ihrer einsamen Wanderung zurückkehrte, fand sie die Mutter in hellen Tränen vor. Liselotte wußte sofort, daß di« Verhandlungen mit den Belgiern ein schlechte» Resultat ergeben hatten. Do war e» denn auch. Die Finna hielt sich an den Kontrakt, wonach dieser -ei elementaren Ereignissen solcher Art, wie sie hier vorlagen, al» gelöst zu betrachten war. Das Brandunglück bedeutete für die Brüsseler ein brillantes Geschäft — für Kerkhövt Brotlosigkeit. Man zahlte ihm eine JahreSgage ans; mehr erklärte mau nicht tun zu können. „Ich bin jetzt siebcnundsechzig Jahr", sagte -er Bau- meister halblaut, wie zu sich selbst, „da hält e» schwer, wieder wo ander» den Anfänger zu spielen, den Lehrling oder -an Kommis — den Untergebenen." Bet Tisch warb nur wenig gesprochen, jede» hing seinen Gedanken nach. Nachmittags wurde -te Konferenz fortgesetzt. Liselotte wollte eS vermeiden, den fremden Herren im Hause zu begegnen. Sie ging daher zu Frau DauS. Der Abtei- platz war jetzt, wo die letzten Zeugen der Bauherrlichkeit vergangener Jahrhunderte dem Erdboden gleich gemacht waren, kaum wieder zu erkennen. Das Pionierkommando sollte schon diesen Abend da» Städtchen verlassen; die Auf- räumungSarbeiten fielen nicht ins Bereich ihrer Pflichten, die Besitzer der Fabrik mußten vielmehr in Gemeinschaft mit der OrtSbehörbe die notwendigen Arbeitskräfte aus dem Civilstande hcranztehen, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Im Hotel Lion b'or, da» am Abteiplatz, gegenüber der Pension der Frau Daus, lag, hatte sich ein stattlicher Kreis Bürger um Leutnant Donat versammelt. Auch die Belgier ließen sich ihm in der Mittagspause, die ihre Ver handlung mit Kerkhövt und den Behörden unterbrach, vorstellen, um ihm für seine Hülfe zu danken. Mtttwald hatte ihn drüben gleichfalls aufgesncht und war dabei Zeuge der Ovationen geworden, die dem entschlossenen Vorgehen der gut disziplinierten Pioniere und seiner Führung, sowie seiner persönlichen Tüchtigkeit und Um- sicht baryebracht wurden. AlS der Zeichenlehrer aü» -em Hotel zu Kiner Schwester zurückkchrte, bei der er Liselotte vorfand, er- zählte er -en Damen ausführlich von dem gewaltigen Aufsehen, das die Anwendung deS neuen Sprengmittel bet sämtlichen Fachleuten erregt hatte. „Ich habe selbst ein Stück davon in der Hand gehabt", berichtete er. „Un- es ist nicht etwa ein Pulver; «» ist eine gallertartige Masse, die nicht einmal -rennt, wenn man sic mit einem Streichholz a-w-ünden wollte. Auf unsere Bitte hat Donat da» Experiment drüben au* geführt." „Und der Erfolg nützt ihm, glauben SieN fragte Liselotte gespannt. »He l-üie gestern, er könne damit unter Um-»«-«« ein Mück machen", warft Frau Dau» ein. lFortsetzmr» folgte
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