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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031006014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-06
- Monat1903-10
- Jahr1903
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Aber der Sozia lismus ist ja keine nationale, sondern eine internatio. na le Partei, und so sind auch die Genossen zivischcn Pyrenäen und Bogesen den Einflüssen unterworfen, die für die universelle Gestaltung der Partei maßgebend sind. Die „Weltwende", die sich nach Meinung de» deutschen parteioffi-iösen „Vorwärts" am IS. Jmtt in Deutschland vollzogen hat, ließ di« französischen „Revolutionäre" Mor genluft wittern. Jaurös merkte sehr wohl die Gefahr, die von Lieser Gelte her für die französischen Revisionisten heranzog. Gehr grün waren die deutschen Unentwegten dm, Führer d«S Bloc im Palais Bourbon schon nie ge. wesen. Herr Jean Jaurd» hielt daher schon vor der Dresdener Tagung dm Deutschen eine ernste Predigt, in der er sie ermahnte, sich an seiner Weisheit ein Beispiel zu nehmen. Nur in dem Zeichen LasalleS, Schweitzer- und des großen Jean JaurdS würden sie siegen. Herr JaurvS, der sich so gerne reden hört und dessen salbungs volle Redeweise aus die französischen Genoffen immer sol chen Eindruck macht, glaubte durch diesen Angriff gegen die Berliner Ultras den revisionistischen Teil der Partei MstWFäPlan. Der <S ieg Bebels hat ihn nun in «ine «agc gebracht, und die „Revolutionären" Haven nicht versäumt, die Schlappe des verhaßten „Waden- ftrümpfler»" auszunützen. In den letzten Tagen sand in Reims der Kongreß der „Wasserstiefler" statt, und in allen Tonarten wurde der Stea Bebels und KautSky» als Erfolg auch der französischen J-ntranfigenten hingestellt. Uebrigens ging es tm Wintercircus der alten fran zösischen Krönungsstadt recht manierlich zu. Das kam aber wohl daher, daß die Mohn roten ganz unter sich waren, kein rosenroter «Ministerieller störte den Areopag der Revolution. Kriegslustig war di« Stimmung genug, und wäre einer vom Heerbann -er Jaur-S und Mtllerand aus getreten, hätte man ibn in Reims wohl nicht glimpflicher behandelt, wie dir Revisionisten in Dresden behandelt wurden. Sonst bot sich das bekannte Bild. Das „?rvI8tsires cke laus Iss pa^s unisssr-vous" ließ auch hier die Herzen höher schlagen. Sämtliche Star» der Partei waren aufgeboten un- gaben mehr oder weniger schöne Reden zum Besten. Vor allem wurden die alten Doktri näre und Marxisten Guesde und vasarque und dann Äail- lant mit Begeisterung begrüßt. Millerand ivurde in oou- tumaoiarn wegen der «Metzeleien von Ehalvn «nd Mar tinique" verurteilt und -le Ohnmacht der Radikalen und der Ministeriellen ein kür alle Mal« umviderleglich—denn es war niemand zum Widersprechen da — festgestellt. Baillant feierte die Einigkeit der GueSdtsten und Blan- quisten und die ,-Diktatur des Proletariats". Jules Gu«»de erzählte Erinnerungen auS seinem Leben und das Ganze klang in «inen Triumphgesang aus das Wort KautskyS aus: „Die alte Taktik -er Partei und die neue Taktik der Partei, das ist dasselbe!" Auf Vorschlag Guesdes und BaillantS gingen dann Telegramme an die Berliner Parteimatadore ab. Kurz: man war einig, einig, einig — obwohl doch die kleine Grupp« der Intransigenten eigentlich wiederum aus drei Parteien besteht, -en sozia listischen Revolutionären, -er französischen Arbeiter partei und -er kommunistischen Vereinigung. Sin neues Parteiprogramm wird auSaearbeitet und die Beteiligung sowohl am nächsten internationalen Gozialistentag in Amsterdam im August ISO» wie an den Borberatungen in Brüssel beschlossen Damit hat sich -1r Partei gleichsam von neuem organi siert un- von nruem zu -en kommenden politischen Kämpfen ihr blutrotes Banner entrollt. Das wir- den Herren Jaur-S und Millerand sicherlich sehr unangenehm sein, und der neue Aufschwung der revolutionären Rich tung wir- auf -er titt«rmMonal«n Tagung tn Amster dam die Lage zu Ungunsten der französischen Revisionisten verschieben. Das ist für den eitlen und ehrgeizigen Führer dieser Partei fatal. Wir glauben aber, baß man, selbst wenn eine erhebliche Stärkung »er radikalen Kom munisten in Frankreich eintreten sollte — was doch erst abzuwarten ist —, daß selbst dann dt« Lage dn der f ra n- zösisch«n Politik sich für die Sozialdemokrat«» nicht in nennenswerter Weis« verschieben wirb. In der Republik ist der sozialistische Opportunismus seit nun Mehr als vier Jahren hoffähig geworden. Herr Millerand war Minister, -er Radikal-Sozialist Baudin war Minister, Herr tzaurbS ist Vizepräsident der Kammer Und der anerkannte parlamentarische Führer des Bloc, -er Rs-i«rung»«spr-»u i» Pvai» vm»r»s«. D«r ewig, Dtenötag den 6. Oktober 1903. 97. Jahrgang. Kuhhandel zwischen der Negierung ustd den Sozialdemo kraten hat dem roten Parteiprogrannn all« Härten und Ecken abgcschliffen und Herr Jaurö» sitzt Mit ebenso viel Anstand im Präft-entensefsel, wie nur irgend ein Ver treter der „reaktionären Philtstermafse". Dafür hat die Regierung auch Konzessionen auf Konzessionen gemacht, und wenn diese holde Eintracht einmal au» dem Leime gehen wollte, warf man sich gegenseitig eine Hand voll Kongregantsten zum Verspeisen vor und -er Friede war wieder hergestellt. Die Ministerien Waldeck, EombcS und vielleicht auch noch die nächsten dann kommenden sind nun einmal auf diese BundeSgenosicnschaft fest genagelt. Da» wird vermutlich erst anders werden, wenn die sich langsam vorbereitende Reaktion einmal wieder ans Ruder kommt und die übermütigen soziali stischen Promethiden in die Nacht der Hölle hinabstößt oder wenn — wa» freilich nicht anzunehmen — eine ge waltsame Erhebung -eS Volke» die Sansculotten von der mohnroten Farbe und vom äußersten Berge auf den Thron heben sollte. Vorläufig wurstelt man so mit einander weiter fort. Die Zeit der Ministerherrlichkeit de» Herrn Millerand bat gezeigt, daß ein sozialistischer Minister weder im Guten noch im Schlechten da» ist, wa» man von einem solchen Wundertier erwarten konnte. ErPat keinen fetten Bourgeois an die Laterne hängen und die benachbarten Ministerien nicht mit Petroleum begießen lassen. Als er ging, war aber auch anderseits die Lage der Arbeiter nicht um ein Haar besser, als vor seiner Zeit. Die „Arbeits räte", die er durchgesctzt, und auf die er so große Hoff nungen gebaut hat, taugen nicht»; die Altersversicherung der Arbeiter hat er nicht durchzuführen vermocht. Die Streiks verliefen tn dieser Zeit genau so wie sonst, und -Wischers Ef Arruzvt und Hennebout ist verzweifelt wenig Unterschied tn der Sache selbst zu finden. Die sozialistische Partei, die in Wahrheit seit etwa zwei bis drei Jahren am Ruder ist, zeigt einen geradezu trostlosen Mangel an gesetzgeberischer Initiative und hat auch noch nicht ein einzige», wirklich arbeiterfreundliches Ge setz burchgebracht, wa» sich auch nur im entferntesten mit der deutschen sozialpolitischen Gesetzgebung vergleichen lassen könnte. Dafür schlügt man seine Zeit mit partei politischen HandelSgeschästchen mit den Nachbarparteten tot. Ueber ein kleine» wird auf der ganzen Linie von Herrn Bourgeois, Über Eombe», Elsmenceau, Vveö Guiot bis zu JauröS kein Unterschied mehr zu erkennen sein. Uns Deutschen kann solcher Revisionismus schon recht sein und ist uns jedenfalls lieber, wie die Herrschaft der „Mohnroten". Wo aber bleibt da — so darf man -um Schluffe fragen — der S o zi a li»mu S ? I'. Jur kommenden Einstellung der Rekruten. Ein alter Offizier schreibt -er „Köln. Zeitung": Nach meiner Ansicht werben alle Anstrengungen, die Soldatenmißhandlungen zu beseitigen, erfolglos bleibett, weicki man nicht nach zwei Richtungen hin mit dem jetzigen System bricht. Ich bin weit entfernt davon, einen Haupt mann, der die Pflicht der Beaufsichtigung seiner Unter gebenen in so unglaublicher Weise vernachlässigt hat, wie es in einem der letzten Fälle geschehen sein muß, in Schutz zu nehmen — im Gegenteil, wer nicht im stände ist, diese erste Torge für feine Untergebenen zu erfüllen, kann in einer so verantwortlichen Stellung nicht belasten werden. Aber da» System, den Kompagntechef für alles und jedes verantwortlich z« machen, hat eine solche Nervosität, eine solche Furcht vor dem frühzeitigen Ende der Laü'bahn her vorgerufen, daß aus diesem Grunde leicht ein Auge zuge drückt wird, wodurch die Lawine in» Mollen kommt, anstatt daß durch rücksichtsloses Einschreiten da» Uebel im Keime erstickt würde. Nehmen wir nur an, der Kompagniechef — tn einer kleinen Garnison —, dem eben der Vorwurf gemacht worden ist, daß er nicht verstände, in genügender Weis« für -en Nachwuchs seine» Unteroffizierkorp» zu sorgen, sieht, daß ein Unteroffizier in der Erregung einen Mann schlägt. Jetzt soll er nicht nur hingehen und -en Unterossizier melden, mit dem nachher nicht mehr kapitu liert wird, so daß er noch weniger Untervfftziere hat, fon- dern er soll auch noch in der Furcht leben, daß da» Der- gehen de» Unteroffiziers ihm selbst mit zur Last gelegt wirb? — Und da» geschieht bei der heimlichen Ausstellung der QualisikationSverichte, diesem Ueberbleibsel aus alter Zettl Welcher Charakter gehör» dazu, um nicht menschlich zu bandeln! Jeder tn der Armee zur Kenntnis kommende Mtßhandlungsfall wird sogleich vom Kommqnbeur mit den Hauptleuten, meist auch mit dem ganzen OsfizierkoroS, dann mit -en Unlerofsizieren besprochen. Jeder «tn-ein« Vorgesetzte bemüht sich, -en Unteroffizieren auf das ein gehendste klar zu machen, wie verwerflich solche» Tun ist. wie töricht auch, denn alle», wa» ein Unteroffizier in schwerer DiensteSarbeit sich bis dahin errungen hat, ist verloren, weil es kaum noch einen Regimentskommandeur in der Arme« geben wird, der eine wettere Kapitulation mit einem Unteroffizier bestätigt, ber wegen Miß handlung Untergebener vestraft wur»e. Sie hören es fortwährend, und doch wagen einzelne immer wieder solche Scheußlichkeiten, und diese kommen erst durch die Verzweiflungstaten -er Mißhandelten an» Tageslicht, warum? — weil die Belehrungen sich nicht auch in ge nügender Weise aus di« Mannschaften erstrecken, oder, wenn es geschieht, die» nickt in Gegenwart -er Vor- gesetzt«« «rsolgt, so -aß keine Klarheit herrscht. Da liegt des Pudels Kern. Ick möchte bezweifeln, baß dem un glücklichen Füsilier Hill jemals in Gegenwart des Unter offiziers Breidenbach, was schon am ersten Tage des Diensteintritts Hütte geschehen müssen, klar gemacht worden ist, daß die Erfüllung der Dienstpflicht eine Ehrenpflicht jedes deutschen ManneS sei und der ehrenvolle Berus de» Soldaten durch ehrenwidrige Behandlung desselben nicht herabgowürdigt werden dürfe. Ich kann e» nicht genua betonen: in Gegenwart ber Offiziere an der Unteroffiziere müssen die Kriegsartikel und die Beschwerdevorschrift dem Rekruten am ersten Tage von dem Kompagntechef selbst tn ausreichen der Weise klargelegt werden. Der Soldat muß sofort er- fahren, baß er sich selbst ber Ehre begibt, wenn er sich eine ehrenwidrige Behandlung gefallen läßt; baß er nicht nur seiner selbst willen, sondern auch der Allgemeinheit deS Ansehens deS Standes wegen jede Ausschreitung der Vor gesetzten, und nicht nur an sich selbst, sondern auch an anderen, zur Meldung bringen muß. Der Hauptmann muß ihm versichern, baß er sich seines fortdauernden Schutzes erfreut, auch dann, wenn der Rekrut etwa eine solche Meldung erstattet hat; bah er die Mittel besitzt, ihn der etwaigen Nachsucht eine» bestraften Vorgesetzten völlig zu entziehen. Dieses Verfahren heißt nicht Miß trauen säen, sondern Klarheit schaffen. Welcher Unter offizier wird dann wagen, einem so mit Vertrauen zu seinem Hauptmann ausgerüsteten Manne zu sagen: „Du darfst nicht melden, wenn ich dich schlage", wie es im Fall Breidenbach geschehen ist? Wo war bas Vertrauen der Mannschaften? Und wie die Rekruten misten müssen, daß niemand sie ungestraft anrühren darf, so muß ihnen auch klar gemacht werben, baß ihre Vorgesetzten von dem besten Willen beseelt sind, daß diese einen sehr schweren, verantwortungsvollen Stan- Haven, daß daher der Kompagntechef auch verpflichtet ist, das An- sehen und die Achtung dieser Vorgesetzten in besonderer Weise zu schützen, besonders denjenigen Leuten gegenüber, welche durch Trägheit und bösen Willen die Ausbildung erschweren, schon deswegen, damit diese Vorgesetzten, welche keinerlei Strafgewalt besitzen, nicht durch Anwendung von Mißhandlungen zur Selbsthiilfe schreiten. Ferner mache man den Unteroffizieren zur Pflicht alle besonderen Eigenschaften der Rekruten, Wider- Willigkeit, Unsauberkeit, Mangel an geistiger und körper licher Anlage usw. sogleich zur Meldung zu bringen; ge gebenenfalls gehe man stets auf Grund der eigenen Beob achtung auf ihre Meldung durch Erteilung von Verwar- nungen, Belehrung, Ansehen von Nachhülfe bezw. Be strafung ein, damit die Unteroffiziere bauernd das Gefühl der Unterstützung ihre» Kompagniechefs in ihrem schweren Amte und das Bewußtsein haben, daß ihr Ansehen den Mannschaften gegenüber hochgehalten wird. Das ist das Verfahren, welches ich lange Jahre hindurch erprobt habe. In jeder Beziehung muß Klarheit geschafft werden; jeder, Rekrut und Vorgesetzter, muß wissen, woran er ist. Man glaube nicht, daß dadurch da» Ansehen ber Vorgesetzten leide, baß man dadurch fortwährende Unannehmlichkeiten gäbe. Wo alles rechtlich und offen zugeht, da ist auch nichts zu fürchten. In vielen Truppenteilen wird tm Laufe der ersten Tage die Meldung von den Kompagnien gefordert, daß die Rekruten über die Kriegsartikel und das Beschwerderecht belehrt worden sind. Man mache diesen Befehl allgemein un- erweitere ihn dahin, baß die Belehrung und Aufklärung kn Gegenwart der Offiziere und -er Unteroffiziere zu erfolgen hat und auch im Laufe derDtenstzeit wiederholt werbe. DenKompagVieches mache man nur verantwortlich, wenn er es an der nötigen Belehrung und Beaufsichtigung der ihm anvertrauten Kompagnie hat fehlen lasten. Ich bin ber festen Ueber- zeugung denn die Erfahrung bat es mich gelehrt —, daß man auf diese Weife diese scheußlichen, fortgesetzten Miß handlungen zum völligen Verschwinden bringen wir- und daß auch die in der Erregung begangenen mehr und mehr eingeschränkt werben. Deutsche- Reich. -r- verliu, ö. Oktober. (Kein konservativer Wahlaufruf.) Die ,^reuzzeitung" gibt sich Mühe, da» Ausbleiben eine» konservativen Wahlaufrufe» für die preußischen Landtagswahlen zu motivieren; aber man kann nicht sagen, daß sie viel Glück damit hätte. Selbst die ihr politisch sehr nahe stehende „Deutsche Tageszeitung" kann den von der „Kreuzzettung" angeführten Haupt grund, daß nämlich schon in dem konservativen Wahlauf rufe für die Reichstagswahlen zugleich aus dir Landtags wahlen Bezug genommen worden sei, nicht als triftig an erkennen; das agrarisch« Blatt sagt: „Die Erörterungen in der Presse beweisen, daß Wahlaufrufe schnell in Vergessenheit geraten. Don den breiten Wählerkreisen draußen pslegen sie noch schneller vergessen zu werden, als von der Presse." Nock weniger zutreffend aver ist die Behauptung der „Kren-zeitung", daß, was die Stellungnahme zu den Parteien crnvelange, daran seit den Retchsragswahlen nicht viel geän-ert sei und daß der Grundsatz des konservativen Reickstagswahlaufrufes, den Kampf wesentlich gegen di« sozialdemokratisch« Partei zu richten, ebenso für die Landtaa-wahlen Geltung habe. Nicht nur beschäftigen das prsußssch« Abgeordnetenhaus ganz andere Aufgaben als den Reichstag, Aufgaden, die völlig andere Parttikonsrellatiowen bedingen, al» die de» Reichstages, sondern auck die Stellung der Parteien zu einander und der Kamps gegen andere Parteien ist ein völlig verschiedener. Da» von der .Kreuzzettung" an- geführte Beispiel beweist am allerbesten dir Unbaltbarkeit ihrer Behauptung. Bet den ReichStagSwahlen mußte sttr die Konservativen allerdings -er Kamps gegen dt« Sozialdemokratie in allererster Reihe stehen, den»» di, Sozialdemokraten griffen eine große Zahl konservativer Siv« an, zum Teil ja auch mit Ersatz,. Bei den preu ßischen vandtagswahlen aber richtet sich der Kampf Ser Sozialdemokraten in erster Reihe gegen di« Ltderalen, und sc mehr die Konservativen die Sozialdemokraten ge währ«« lassen, desto.bessere Aussicht hakn sie, »on dem Eingreifen der Sozialdemokratie in den Wahlkamps Nutzen zu ziehen. Also auch dieser Grund, kann nicht stichhaltig für bas Unterlassen eines Wahlaufrufes sein. Uns scheint ein anderer Grund maßgebend gewesen zu sein. Ein konservativer Wahlaufruf hätte um die Kanalfrage kaum herumkommen können, und da für die Konservativen die Hülse der Land räte bei den Wahlen viel wichtiger und wertvollerist,alSderschönftegefchriebene Wahlaufruf, so wäre eS einigermaßen peinlich ge wesen, in dem Augenblicke, wo man sich aus die Beamten -er Regierung stützt, die Gegnerschaft zu der Regierung in einer wichtigen Frage im offiziellen Wahlaufrufe zu proklamieren. 0. 8. verliu, S. Oktober. (Bergarbeiterbewegung.) Die Leiter des deutschen sozialdemokratischen Bergarbeiter verbandes, die ReickStagsavgeordneten Hu 8 und Sachse, stimmen Judelbymnen an, weil ihnen die „sieghafte Gewiße hrit von dem unausbleiblichen Triumphe der Unterdrückten geworden sei. Und es läßt sich in der Tbat nicht leugnen, daß der Beraarbeiterverband in der letzten Zeit bedeutend erstarkt ist. Da» BerbandSorgan „Die Bergarbeiterzeitung", die im März 1902 40 000 Abonnenten zählte, hat deren jetzt angeblich 70 000. Und während der Verband daS Geschäfts jahr 1895 noch mit einem Defizit über 2000 aoschloß, hat er jetzt ein Vermögen von über 260 000 Am 26. September wurde der Grundstein zu einem groß artigen VerbandSkause gelegt. Die Mitzliederzahl ist ebenfalls stark im Wachsen; ,,e» gibt Bezirke und Ortschaften", so schreibt das BerbandSorgan, „wo die neuen Mitglieder dem Vertrauensmann förmlich in den Wca laufen . Auch deuten allerlei Anzeichen darauf, daß in zahlreichen Köpfen der Knappen die Ueberzeugung ich mehr und mehr festsetzt, der Verband könne jetzt siegre ck einen Streik durchführen. Allerdings sträuben sich die Lener deS Verbandes gegen einen solchen Schritt, weil fie für ihre Posten fürchten; aber dir große Erstarkung deS Verbandes vergrößert die Gefahr einer Eruvtion, einer umfassenden Lohn bewegung. Und unausgesetzt strebt der Vorstand des Ver bandes dahin, diesen noch mehr zu stärken. Hur Zeit ist er bemüht, dir Reservisten einzafangen. Zu diesem Zwecke hat er an die Vertrauensleute folgende Kundgebung gerichtet: „Achtung! Vertrauensleute! Die Reservisten kehren unter unS zurück, soweit sie nicht schon zurückgekehrt sind, und nehmen ihre srüKereTätigkeit auf derGruve wieder auf. Um diesen Kameraden den Eintritt in den Verband zu erleichtern, bat die letzte General versammlung beschlossen, daß alle Reservisten, die innerhalb vier Wochen nack ihrem Abgang vom Truppenteile sich dem Verband anschließrn, kein Eintrittsgeld zu zahlen brauchen. Dir Vertrauensleute müssen darum sofort an die Marssöbne herantreten und sie für den Verband zu gewinnen suchen, bevor sie von den Krieger- und sonstigen Klimbimvrreinen gekapert worden sind, von denen man sie nachher schleckt und nicht ohne Schaden für sie loSreißen kann". Die Krieger vereine mögen sich da« gesagt sein lassen. * Berlin, 5. Oktober. Zur Verbesserung de» Avancement« in der Armee schlagen die „Hamb. Nachr." vor: Die Erkaltung der Schlagfertigkeit der Armee ist da« oberste Gesetz. Daher ist die Besetzung aller Dienst stellen mit körperlich und geislia gleichmäßig leistungsfähigen Elementen die unabweisbare Pflicht der Heeresverwaltung. Um Vieser Pflicht zu genügen, ist es unvermeidlich, daß manche Härten unterlaufen; so vorzeitige Pensionierungen und kurzes Verbleiben der Offiziere m den höheren Stellungen der Armee, wobei sie in denselben kaum warm werden. Trotz dem stockt da« Avancement. Als Mittel zur Ausbesserung desselben wird da» in Aussicht stehende neue Militär- PensionS-Gesetz angesehen, und zwar in der Er wartung, daß e» durch dasselbe möglich wird, noch frühzeitiger als bisher Pensionierungen emtreten zu lassen. Eine andere Maßregel zur Verbesserung deS Avancement«, welche hiermit zum Vorschlag gebracht werden soll, wäre der Entschluß der Heeresverwaltung, in Zukunft sämtliche Stellen, welche bisher mit Offizieren zur Disposi tion besetzt wurden, in solche für aktive Offiziere umzu wandeln, welche ihr volle« Gebalt, ausschließlich der Pferde» gelber, weiter bezögen, und dir Bewilligung der zur Durch führung dieser Maßregel erforderlichen Kosten durch den Reichstag. Durch solche Maßregel würbe e» ermöglicht, Offizier«, welche fick nicht mehr voll für den Front dienst eignen, zeitiger als bisher in di« in Frage stehenden Stellungen überzufübren, während sie beute de» Pension-satze- wegen langer al« wünschenswert bei den Regimentern verbleiben und so da» Avancement der Uebriaen hemmen. Sie würden nach Ausführung unseres Vorschläge« mit ihren Kameraden weiter avancieren können, bi» sie sich eine zulängliche Pension verdient haben. So würde z. B. ein Hauptmann zweiter Klasse, welcher in die Stellung eine« BezirkSosfizierS einrückt, in dieser zum Haupt mann erster Klasse und zum Major aufrücken können und bei seiner Verabschiedung Vir Pension «ine» Slab»osfizierS erhalten, und auch ein Bataillonskommandeur, der die Stelle eine- Be- rirkskommandeur» übernähme, avancierte in dieser zum Oberst leutnant und Oberst und ginge mit der Pension des Regiments kommandeur» außer Dienst. Nicht allein daß Avancement aber würde durch solches Vorgehen aufaebesscrt, sondern e» kötmte sich auck di« Versorgung einer großen Anzahl Offiziere, welcke bisher kümmerlich war, zufriedenstellender gestalten. In Frage kämen bei dieser Neuordnung die Stellungen der Be- zirkskommanveure, der Bezirkßosfiriere und der Pfertevormust«- rungS-Kommissare, ferner die Kommandanten der Tru^pea- Uebuna-plätze, di« Vorstände der Artillerie-DepotS, die Offiziere zur Dl-dosition bei -en General-Kommando« und die als Platzmajore Verwendung findenden Offiziere. Selbstverständ lich wär« al» Ergänzung der Neugestaltung ferner eine Rege lung dahingehend notwendig, die Grenze zu bestimmen, di» zu welcher der Jnbaber der betreffenden reaktivierte« Dienststellungen noch avancieren und wie lange er die Stelle osiupieren darf. Zum Beispiel dürft« tin vezirk«»ffizier, der die Stellung al» Hauptmann erhält, nur bis zum Major, und als Mazor nur noch da« gesetzlich für die Erlangung der Pensionsberechtigung »mgeschrieben« Jahr tu feiner Stellan-
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