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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031007016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-07
- Monat1903-10
- Jahr1903
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Tabellarischer und Ziffernlatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannnhme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohu« Postbesörderung -sl «0.—, mit Postbesörderung 70.—> Annahmeschlub fLr Äuzeigeu: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr- Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeige« sind stet- an die Expedition zu richten. Di« Spedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck «ad Verlag von L Potz i«Leipzig. Nr. 510 Mittwoch dm 7. Oktober 1903. 87. Jahrgang. Girondisten und Dantonisten in Deutschland. Als der Abgeordnete Bernstein vor Wochen in einer Abhandlung über die Vizepräsidentensrage die Zeit der ersten französischen Republik zum Vergleiche heran zog, da ahnte er wohl nicht, Laß heute die Geschichte jener Zeit in noch viel größerem Umfange zum Vergleich heran gezogen werben kann; freilich nicht, wie es Bernstein tat, für die Schwäche des Königtum- gegenüber der siegreich vorbringenden revolutionären Partei, sondern vielmehr für die Schwäche und Zerklüftung innerhalb dieser revo lutionären Partei, der Bernstein selbst angehört. Zur Zeit der ersten französischen Republik waren Girondisten und Dantonisten einig in dem Hasse gegen das Königtum, aber zugleich waren sie von wütendem Haffe gegeneinander erfüllt, weil die Girondisten ver gleichsweise gemäßigt waren. Dafür wurden sie von den Dantonisten aufs Schaffst geschickt) einige Monate später wurden die Dantonisten von der noch radikaleren Gruppe RobeSpterres um einen Kopf kürzer gemacht und wieder einige Monate später mußte Robespierre das Blutgerüst besteigen, «eil nunmehr wieder ein Umschwung zu Gunsten der gemäßigteren Elemente stattgcfunden hatte. Die Girondisten innerhalb der deutschen Sozialdemo kratie stehen schon auf den ersten Stufen zum Blutgerüste. Der Abgeordnete Göhre hat den Selbstmord dem Henkerstode vorgezogen, indem er fein durch jahrelange persönliche agitatorische Bearbeitung seines Wahlkreises errungenes Mandat niederlegte; der Abgeordnete H ilde n bra n d - Stuttgart soll dieselbe Absicht haben; der Abgeordnete Braun-Frankfurt a. O. wird von allen Seiten derart von seinen Parteigenoffen angegriffen, daß ihm kaum etlvas anderes als die Mandatsnieder- legung übrig bleiben wir-, und der Abgeordnete Heine hat zwar am Dienstag voriger Woche ein Vertrauens votum von seinen Wählern herausgedrnckt, aber Bebel gibt seine Versuche, diesem ihm verhaßten Gegner unschäd lich zu machen, nicht auf. Interessant ist es, daß Robespierre-Bebel dabei nach derselben Taktik verfahren will, wie die Schreckensmünner der ersten französischen Revolution. Er erkennt die Vcr- fammlung, die seinem Gegner Heine das Vertrauens votum gegeben hat, nicht an, sondern verlangt, Laß eine neue Versammlung, in der er das große Wort führen will, nur von „organisierten" Parteigenoffen ge bildet werde. In derselben Weise verfuhren die Schreckensmänner, indem sie zu Versammlungen und bei wichtigen Sitzungen des Konvents eine zuverlässige Knüppelgardc mitbrachten, die den gemäßigteren Gegner einschüchterten. Schon auf dem Delegiertentagc hatte die Bebelsche Richtung dafür gesorgt, daß zahlreiche Wahl kreise durch „zuverlässige" Delegierte vertreten waren, und jetzt, wo es ernsthaft an die Abhalfterung der un bequemen Gegner gehen soll, wird Herr Bebel wohl noch sorgfältiger verfahren. Einstweilen ist ihm der Sieg, wenigstens in Nord deutschland, ziemlich sicher, weil die Girondisten im großen und ganzen mit den „Akademikern" identisch sind und weil die Massen, die zum fanatischen Hasse gegen den Besitz erzogen sind, instinktiv auch den geistigen Besitz Haffen. Wir zweifeln also trotz des dem Abgeordneten Heine erteilten Vertrauensvotums nicht daran, baß, wenn innerhalb -er sozialdemokratischen Wählerschaft, die am 18. Juni ihre Stimmen auf Heine vereinigt und ihm zum Siege verhalfen hat, ein Plebiszit zwischen Heine und Bebel veranstaltet wirb, der erstere mit Pauken und Trompeten durchfällt. Und doch sollte Herrn RobeSpierre-Bebel ein wenig davor bange sein, daß er früher oder später dem Schicksale seines ihm geistig überlegenen französischen Vorbildes verfällt. Die Menge geht mit dem Hasse — das ist richtig, aber noch gewisser ist eS, daß sie mit dem Er folge geht. Gesetzt, Heine und Braun sähen sich in der Tat veranlaßt, ihre Mandate niederzulegen, so wäre es selbstverständlich, daß dann an ihrer Stelle Kandidaten ausgestellt würden, die sich unbedingt unter Bebels Dik tatur zu stellen bereit erklärten. Ist eS dann aber absolut gewiß, daß diese Kandidaten gewählt werden? Der Wahlkreis Frankfurt a. O. war bis zu den diesjährigen Wahlen noch niemals im Besitze der Sozialdemokratie, und auch diesmal hat der Sozialdemokrat in der Stich wahl nur mit einigen hundert Stimmen gesiegt. Den Wahlkreis Berlin HI haben die Sozialdemokraten dies mal allerdings im ersten Wahlgange gewonnen, aber noch bei den vorigen Wahlen fiel er ihnen erst in der Stichwahl zu. Ist nun auch in diesen Wahlkreisen die Bebelsche Richtung viel stärker als die gemäßigte, so steht eS um die Aussichten der Bebelsche» Pagoden doch herzlich schlecht, wenn die Gemäßigten und die Mitläufer, an gewidert von der vebelschen Tyrannei, sich der Stimme enthalten. Brächte nun Bebel da» Kunststück fertig, durch die HtnauSgraulung seiner Gegner eine Anzahl sozialistischer Wahlkreise den bürgerlichen Parteien in die Hände zu vielen, so würde er für seine „Genoffen" nicht mehr den Zauber deS „Organisators deS Siegeö" haben. Er würde nnerhalb der Partei nicht mehr August der Starke sein, vndern August mit einem ganz andern Beinamen. Wer weiß, wann die deutsch« Sozialdemokratie ihren 10. Ther midor haben wird! Deutsches Reich. * Leipzig, 6. Oktober. Ueber die Stellung der rreußischen Regierung, insbesondere deS Minister präsidenten Graf v. Bülow, zur Kanalvorlage rbält die „Berl. Börs.-Ztg." „von parlamentarischer Seite" olgende Information: „Als die Nationalliberalen in ihrem Wahlaufruf die unverkürzte Wiedereinbringung der Kanalvorlage als eine der ersten Forde rungen der Partei im Landtag bezeichneten, da griff die gegnerische Presse die Sache auf und daher das Für und Wider in der Presse. Wie die Nationalliberalen dazu kamen, den gedachten PasfuS in ihrem Wahlaufruf so stark zu betonen, das ist die Frage. Aber auch dies ist kein Geheimnis. Und für diejenigen, denen gegenüber es ein solche- ist, sei der Wahrheit entsprechend festgestellt, daß kein Zweifel an der Einbringung vorherrscht; denn Graf v. Bülow, der deutsche Reichskanzler, selbst hat sich in ge dachtem Sinne zu nationalliberalen Parlamentariern ausgesprochen. Wir erwähnen die- nur darum, um dem Gerede Nichtinformierter ein Ende zu machen und dem Lande die Gewiß heit zu geben, daß der Forderung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, so weit es an der Regierung liegt, Rechnung getragen werden wird. Hieraus ergibt sich, daß die Vorlage auch den Mittelland-Kanal enthalten wird." Auch unter Voraussetzung der Richtigkeit der hier auf- zestellten Behauptungen sehen wir keinerlei Ursache, unsere im letzten Abendblatte dargelegte Auffassung der Situation, soweit die preußische Regierung in betracht kommt, zu revi dieren. Es läßt sich überdies nur schwer die Vermutung unterdrücken, daß die so merkwürdig rechtzeitige minister präsidiale Erklärung ein kleines Mittel zur Beeinflussung des Tones im nationalliberalen Wahlaufrufe war. Selbst der Ministerpräsident kennt ja wohl die Stärke und Schwäche der Nationalliberalen: ihre Bereitwilligkeit, zu gunsten der Staatsinteressen ihre eigenen zu vernachlässigen. 6. 8. Berlin, 5. Oktober. (Wirtschaftliche Ver änderungen in Berlin.) Daß die Frauenarbeit im Zunehmen begriffen ist, ist bekannt; es ist ja eine alte Klage gewisser Agitationskreise, daß die weiblichen Arbeiter, weil sie billiger sind, immer mehr die männlichen verdrängen. Speziell in Berlin hört man diese Klagen heständig. Hier ist in der Tat die Frauenfabrikarbeit in gewaltiger Steigerung begriffen. Während 1892 unter 1000 Arbeitern nur 240 weibliche waren, stieg diese Zahl 1901 auf 307 und betrug 1902 325; es wird also fast ein Drittel aller Fabrikarbeit in Berlin von Frauen verrichtet. Das ist ein bemerkenswerte« kultur historisches Moment. Bemerkenswert ist aber auch das folgende: 1892 wurden in Berlin und Charlottenburg 100 321 männliche und 31 753 weibliche Fabrikarbeiter gezählt, 1901 102 100 männliche und 71 662 weibliche im Aufsichtsbezirke Berlin, Charlottenburg, Schöneberg und Nix dors, 1902 in demselben Bezirke 146 095 männliche und 70 446 weibliche. Es ist also seit 1892 eine Abnahme von circa 16 000 männlichen und 1000 weiblichen Arbeitern zu verzeichnen. Hieraus geht hervor, wie richtig die alte An nahme ist, daß in Zeiten geschäftlicher Flaue die Fabrik herren sich lieber der männlichen Arbeiter als der weiblichen entäußern. Die Zahl der Fabriken war seit 1892 ebenfalls in rapider Steigerung begriffen; in dem genannten Jahre wurden 4412 fabrikmäßige Betriebe gezählt, die bis zum Jahre 1901 auf 10 740 anwuchsen. Im Jahre 1902 sind aber fast 1700 fabrikmäßige Betriebe verschwunden, denn es wurden nur noch 9096 gezählt. Es muß also ein kleiner Krach, der äußerlich allerdings nicht sehr bemerkbar geworden ist, an dem wirtschaftlichen Organismus von Berlin gerüttelt und 1700 schwächere Existenzen vernichtet haben. -r- Berlin. 6. Oktober. (Blamage über Blamage.) DaS Zentrum holt sich in Oberschlesien eine Blamage nach der anderen. Nachdem bei den Reichs tagswahlen im Wahlkreise Kattowitz ein radikaler Pole an die Stelle des früheren Zentrumsabgeordneten ge treten ist, hat sich der einflußreiche leitende Redakteur deS gemäßigten polnischen Organs Oberschlestens offiziell vom Zentrum loSgesagt und letzt^ soll gar der im Wahlkreise Beuthen-Tarnowitz in der Stichwahl gegen einen Sozial demokraten gewählte Zentrumsabgeordnete Krolik beab sichtigen, sein Mandat niederzulegen, um entweder einem nationalpolnischen Kandidaten Platz zu machen oder sich selbst al- Pole wieder wählen zu lassen. Die Größe der dem Zentrum damit zugefugten Blamage übersieht man am besten, wenn man sich der eigen artigen Geschichte der Kandidatur Krolik« erinnert. Mit Rücksicht auf die scharfe Agitation der radikalen Polen in mehreren oberschlesischen Wahlkreisen glaubte das Zentrum den Polen da« Wasser abgraben zu können, wenn es in Beuthen-Tarnowitz einen Mann polnischer Abkunft und Ge sinnung al« Zentrumskandidaten aufstellte. Vergeben beschwerten sich die deutsch gesinnten Katholiken des Wahlkreises darüber, daß die Kandidatur Krolik« doch nur eine maskierte polnische Kandidatur wäre; da« Zentrum blieb fest und behielt die Kandidatur KrolikS bei, so daß die deutsch gesinnten Katholiken sich ge nötigt sahen, der offiziellen ZentrumSkandidatur eine eigene gegenüber zu stellen. In der Stichwahl siegte dann Krolik dadurch, daß die radikalen Polen entgegen ihrer Abmachung mit der Sozialdemokratie ihn unterstützten, weil sie wohl wußten, weß Geiste» Kind er wäre. Die Spekulation hat sich al« richtig erwiesen, denn wenn sich jetzt Krolik als Pole aufstellen läßt oder wenn ein anderer Pole aa seiner Stelle kandidiert, so ist der polnische Sieg gesichert, weil das offizielle Zentrum durch seine Agitation für Krolik und gegen den deutsch gesinnten katholischen AmtsgerichtSrat Anteß in ganz vortrefflicher Weise den Boden für die polnische Saat bereitet hat. Wir können nur wiederholen, was wir schon vor den Wahlen so oft gesagt haben: das Zentrum in Oberschlesien wird deutsch sein oder es wird nicht sein. Wenn eS so weiter zwischen Deutschen und Polen laviert wie bisher, wird eS nicht nur der deutschen Sache schweren Nachteil «fügen, sondern auch sich selbst. Die Ersatzwahl in Beuthen dürfte de« Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung liefern. * Berlin, 6. Oktober. (Zentrum und Evangelischer Bund.) Um ihre Leser in dem Glauben zu erhalten, die katholische Kirche werde in Deutschland von allerlei Feinden bedrängt und bedürfe zu ihrer Verteidigung der Zentrums partei, ist die klerikale Preffe in jüngster Zeit eifrig be müht, den Vorwurf der Störung des konfessionellen Friedens von sich auf die Protestanten und insbesondere auf den Evangelischen Bund abzuwälzen. Da ist denn doch daran zu erinnern, daß der Evangelische Bund nicht bloß ein halbes Menschenalter später als die Zentrumspartei sondern gerade deshalb gegründet worden ist, um die durch die Fortschritte des politischen Katholizismus gefährdeten deutsch-protestantischen Interessen gegen das Zentrum zu vertreten. Die Gründung des Evangelischen Bundes er folgte am 5. Oktober 1886 in Erfurt, also vor genau 16 Jahren, zu einer Zeit, als das Zentrum bereits eine starke parlamentarische Machtstellung im Reiche sowohl wie in den beiden größten deutschen BuudeSstaaten, Preußen und Bayern, erlangt hatte, und die Regierungen anfingen, ihm ein großes Entgegenkommen zu beweisen. Im Evangeli schen Bunde suchte man dem landeSkirchlich und auch sonst innerlich gespaltenen deutschen Protestantismus ein Organ zur Wahrung seiner gemeinfamen Interessen zu schaffen, ohne dabei an eine Bedrohung der katholischen Religion zu denken. Der Zweck war lediglich die Verteidigung, nicht der Angriff. Daß dem Zentrum der Bestand eines solchen Bundes em Dorn im Auge ist und daß seine Organe jeden Mißgriff, den sich einzelne Mitglieder deS Evangelischen Bunde« haben zu schulden kommen lassen, zu Angriffen auf den Protestan tismus auszubeuten suchen, ist erklärlich, aber darum doch nicht der Billigkeit entsprechend. Gerade wer, wie wir, die zunehmende Verschärfung der konfessionellen Gegensätze beklagt und bekämpft, hat die Pflicht, die Schlachtstellung der strei tenden Kräfte so darzustellen, wie sie ist, und die Schuld dort zu suchen, wo ste in erster Linie gesucht werden muß. (Allgem. Ztg.) G Berlin, 6. Oktober. (Telegramm.) Der „ReichSanz." veröffentlicht eine Verfügung vom 27. September, betr. die see mannsamtlichen und konsularische« Befugnisse, sowie da- Berordnungsrecht der Behörden in den Schutzgebieten von Afrika und der Lüdsee. — „Mut, Herr Bebel!" überschreibt die „Magdeb. Zeitung" folgende boshafte, aber gerechtfertigte Aufforderung: Herr Bebel kennt wohl die Redensart von den großen und den kleinen Dieben: die einen hängt man, und die anderen läßt man laufen. Herr Bebel aber hätte es sich früher wohl nie zugetraut, selber nach diesem Grundsätze zu handeln. Jetzt handelt er in der Tat darnach. Unter den kleinen Parteigöttern will er eine fürchterliche Musterung halten. Genosse Göhre ist schon „geflogen", und die Heine, Braun, Bernhardt sollen nachfolgen. Warumabermacht sichHerr Bebel nicht an Herrn v. Vollmar heran? Fehlt ihm der Mut? Herr Bebel weiß doch, daß in München der „Kopf de« Wurmes", des revisionistischen Wurmes, sitzt. Warum tritt er nicht nach diesem Kopf? Hat Herr Bebel Angst vor dem Giftstachel des ehemaligen „Jesuitenzöglings"? Und Ge- noffe v. Vollmar ist doch nicht nur der Führer de- sogenannten Revisionismus, er ist auch Jahre hindurch der Tischgenosse des Herrn Harden gewesen. Dazu schweigt der Genosse Bebel, der in Dresden jeden für „moralisch tief gesunken" erklärte, der sich von Herrn Harden auch nur ein paar Blätter weißes Papier einräumen ließ? Eigentlich spielt bei den gegen wärtigen Streitigkeiten innerhalb der Sozialdemokratie Herr Bebel die traurigste Rolle, der gegen die kleineren Genoffen loSfährt und vor dem Genossen Vollmar doch so schön zu kuschen weiß. — Am 1. Oktober d. Jr«. sollten die gesamte« neue« Bahnhofsanlagen in Hamburg dem Verkehr übergebe« werden. Es werden aber mindestens noch zwei Jahre vergehen, bis der Bau so weit gediehen ist. So sieht man vom Hauptbahnhof Steintor, über dessen Fassade man sich jetzt noch streitet, nicht« weiter als etliche eingerammte und mit Zement verkleidete Pfäkle; auch die Ueberfuhrungen und Brücken sind in ihrer baulichen Ausführung noch sehr weit zurück. Die Gleise der Lübecker Bahn sollten bereits im Vorjahre in die Verbindungsbahn Hamburg-Altona hinein geleitet werden, aber man wartet noch heute darauf. Die langen Viadukte Uber den Hannoverschen Bahnhos und den ehemaligen Berliner Bahnhof sind noch lange nicht fertig. Der Bau dauert bereit« vier Jahre! Die „Volkszeitung" berichtet von einer interessanten Bemerkung des Kaiser« über den Zentralbahnhof. Nach diesem Blatte soll der Kaiser, al« ihm der Entwurf voraelegt wurde, „Einfach scheußlich!" darunter geschrieben haben. — Zu den scbönen Worten des Kardinal,Erz bischofs Fischer in Köln: „Ein große» Unglück für da» deutsche Vaterland ist die »Spaltung der beiden christ lichen Konfessionen. Vielleicht gefällt es «Gott, dem All mächtigen, wiederum, wie ehedem, ein einheitliche», christ liches Volk herzustellen. Wir Menschen können dazu nächt» tun. Wir müssen nur bemüht sein, die Gegensätze nicht noch zu verschärfen und die Kluft nicht zu erweitern. Wer da» dennoch tut, begebt ein Verbrechen, sa einen Verrat am deutschen Vaterland«", schreibt die „Kirchl. Gegenw.": „Die Zunge ist ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Aber diese großen Dinge müssen getan werden. Fangen wir also bet den Toten an und gestatten wir jedem evan gelischen Toten aus katholischem Friedhof« eine ganz ehrlich« Begräbnisstätte. Da» wäre so ein kleiner Anfang; er ließe sich vielleicht aus dem EichSfel.de machen. Und dann nebmen wir uns einmal vor, in kein« Mischehe mehr hinetnzureden, sondern die religiöse Er ziehung der Kinder lediglich -en Eltern zu überlassen. Vielleicht vertr«en sich dann nach und nach die anderen Leute. Und sollte irgend eine Gesellschaft daran sein, diesen Frieden zu stören — uns fällt so beiläufig die Gesell schaft Jesu ein — dann wollen wir mit vereinten Kräften diese Gesellschaft uns vom Leibe halten. Wir glauben, der Herr Erzbischof kann bei allen solchen FriedenSbestrebungen der Hülfe der Evangelischen sicher sein. Aber eS wird wobl anders kommen. Die ganze schöne Rede ist in usnm imperatori« st velpkini gehalten. Auch die „Norddeutsche" wird sich daran erbauen und nun nächstens den Mut finden, die Verräter am Vaterland« unter den bösen Protestanten zu suchen." — Zur Aussperrung der Metallarbeiter meldet die „Staat-bürger-Ztg.", mehrere kleinere Fabriken hätten mit den Streikenden Verhandlungen angeknüpft. * Oldenburg. 8. Oktober. Der Oberlehrer vr. Ries, der Verfasser der Aufsehen erregenden Artikel im „Oldenburg. Residenzboten", ist wegen einer schweren Er- krankung seines Vaters, -cs Ministerialsekretärs Ries, entgegen -em Beschluss« der Staatsanwaltschaft gegen eine Kaution von 5000 am Sonnabend aus der Haft ent- lassen worden. Der Sohn hat seinen Vater allerdings nicht mehr lebend angetroffen, da letzterer schon am Sonn abend früh gestorben war. * Münster, v. Oktober. Die Enthüllung de» im Schloß garten aufgestellten Ketteler-DenkmalS ist, weil ver schiedene Persönlichkeiten, darunter Graf Waldersee, verhindert waren, vom IS. auf den 28. Oktober verlegt worden. * Halle, 5. Oktober. Der freisinnige Verein der Liberalen de« hiesigen Wahlkreises acceptierte, der „Saale zeitung" zufolge, den Vorschlag des bisher bei den Landtags wahlen mit Len Konservativen verbündeten National liberalen Vereins betreffs eines gemeinsame« Vor gehen« bei den Landtagswahlen und ernannte eine« Delegierten für die zu treffenden Vereinbarungen. (-) Erfurt, k. Oktober. (Telegramm.) Der Herzog Karl Eduard von Sachsen-Eoburg-Gotha traf heute vor mittag 10 Uhr von ReinhardSbrunn in Erfurt ein und besuchte die kunsthistorische Ausstellung. Während deS anderthalbstündigen Aufenthalte« gab der Konservator Professor vr. Voß die kunstgeschichtlichen Erläuterungen. H Eisenach, 5. Oktober. Die durch daS Großherzogliche Staatsministerium ausgesprochene Amtsentsetzung deS bisherigen Ersten Bürgermeisters vr. jur. Georg von Fewson bildet begreiflicherweise da- Gesprächsthema in allen Kreisen der Stadt. vr. v. F. ist nahezu drei Jahre oberster Leiter von Eisenach gewesen. Er steht im 40. Lebens jahre. Seine gymnasiale Vorbildung genoß er in Danzig, seinen Studien lag er ob auf den Universitäten Berlin, Bonn und Leipzig; seine beiden juristischen Prüfungen be stand er mit Auszeichnung in Leipzig und Dresden. Seit 1890 gehört er dem Kommunaldienst an ; 6 Jahre war er in Leipzig tätig als Ratsreferendar und Ratsassessor. 1896 wurde er zum Ersten Bürgermeister von Apolda und 1900 als Nachfolger deS nach Cassel berufenen Ober bürgermeister- Müller zum Stadtoberhaupt von Eisenach gewählt. Im Frühjahr d. IS. erfolgte bekanntlich seine Verurteilung zu 2 Monaten Gefängnis, weil er zwei unter Sittenkontrolle stehende Mädchen, die über Urlaub auS- geblieben und von der Polizei zur Anzeige gebracht worden waren, nicht der Staatsanwaltschaft zur Bestrafung über wiesen, sondern mit einem Verweise selbst bestraft hatte. Gegen dieses Urteil hat vr. v. F. Berufung eingelegt, die noch aus steht. Obgleich daS Strafkammerurteil also noch nicht rechts kräftig ist, bat der hiesige Gemeiuderat das Ministerium, ohne Berücksichtigung deS AuSgangS der Berufung, die Ab setzung de« vr. v. F. auSzuspreche«. Die Körperschaft glaubte aus der Gerichtsverhandlung zur Genüge eine laxe Handhabung der Polizeigewalt nach den verschiedenen Richtungen hin als erwiese« und sah besonders in dem günstigen Zeugnis, welches vr. v. F. einem zweimal wegen Diebstahls vorbestraften Polizeiwacht meister zu seinem weiteren Fortkommen dahin aus gestellt hatte, daß er ihm bescheinigte, er besitz« sein volles Vertrauen, grobe Pflichtverletzungen. DaS Ministerium stellte sich auf Grund eingehender Unter suchungen auf denselben Standpunkt und betonte in der Begründung der Amtsentsetzung, daß die Person des vr. v F. keine Garantie biete gegen fernere grobe Unge hörigkeiten und Pflichtverletzungen. Einem weiteren Anträge deS Bezirksausschusses, nach welchem die Absetzung des vr. v. F. auch deshalb zu erfolgen habe, weil es ihm an der erforderlichen Achtung zur Bekleidung seines Amtes fehle, wurde als unbegründet nicht stattgegeben. Mit der AmtS- entsetzung ist auch die Gehaltseutziehuug vom 20. Marz d. I. an ausgesprochen worden. * Aacheu, k. Oktober. Zu Ehren de« Erzbischof- Kardinal Fischer veranstaltete die Stadt Aachen heute im Ballsaale de- Kurhauses ein Festmahl, an dem di« Spitzen der Militär- und Zivilbehörden teilnahmen. Vor dem Sitz de- Kardinal- prangte der Aachener RatSsilber- schatz. Oberbürgermeister Veltmau brachte ei« Loch auf den Kaiser und den Papst an» und feierte den Kardinal. In seiner Erwiderung berichtete Kardinal Fischer, daß ihm Papst Pius in der Abschied-audienz gesagt habe, er werd« die guten Beziehungen, die zwischen seinem Vor gänger Papst Leo und dem Kaiser Wilhelm bestanden, stet- weiter pflege« «nd fördern. (Köln. Ztg.) * Frankfurt a. 5 Oktober. Der Eharita-.Ver- band für da» katholische Deutschland begann heute abend seine achte Tagung mit eiarr Festversammlung im dichtaefülltea Saalbausaale in Auweseuheit der Land- gräfin von Hessen und de» Bischof- von Limburg, unter Vorsitz de- Fürsten Löwenstein Nachdem der Oberbürgermeister Ad icke» die Versammlung «amen« der Stadt begrüßt hatte, sprachen Professor Nix über Ursprung und Au»dehnung der Eharita», Pater Dalmatiu« über
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