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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031008018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-08
- Monat1903-10
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Ja, Pius X. verwahrt sich im Gegensätze zu seinem Vorgänger ausdrücklich gegen die Erwartung, er strebe weltliche Ziele an. „Der eine oder der andere", heißt e» in der Enchklika, „wird in unserer Seele geheime Be strebungen zu entdecken suchen, um sie auf weltliche Ziele und Parteiwünsche zurückzuführen." Gegen diese Unterstellung verwahrt sich nun der neue Papst mit aller Entschiedenheit, indem er, „um jeder nichtigen Erwartung vorzubeugen", er klärt, daß «r vor der menschlichen Gesellschaft nur Diener Gotte- sein wolle und sein werde, besten Willen auszu führen er eingesetzt sei. PiuS X. will ein unpolitischer Papst, lediglich oberster Seelenhirte sein. Mit klaren Worten spricht er es aus, daß seine Aufgabe sein wird, alles in Christo herzustellen (iustaurars onmiL iu 6ftristo, Epheser I, 10), und zu dieser schweren Aufgabe fordert er die Hülfe der Oberhirtrn, der Geistlichkeit und der ganzen katholischen Christenheit. AlS seine besonderen Programmpunkte bezeichnet er: Heilighaltung der Lehren des Evangelium- und der Kirche, insonderheit von der Heiligkeit der Ehe, der Kindererziehung, vom Güterbesitz und -Gebrauch, von der Achtung der Obrigkeit, endlich die Herstellung guten Einvernehmen- zwischen den verschiedenen bürgerlichen Ständen gemäß christlicher Lehre und Sitte. DaS ist, so weit nicht etwa ein Protest gegen die Civilehe angede utrt sein soll, alle» sehr schön und gut und mutet an wie eine Predigt. Allein man gebe sich nicht allzu hochfliegenden Hoff nungen hin. Der Verwährung gegen di« Insinuation im Eingänge der Enchklika, der Papst verfolge weltliche und politische Ziele, folgt am Schluß die nicht minder deutliche Forderung, daß „die von Christus eingesetzte Kirche völlige Unabhängig keit von jeder äußeren Herrschaft genießen müsse" („äeders Lcclosinm Plena tntegraqus libsrtnt« krui nee alisaae äowivatiani sudjioi"). Eben diese Frei heit beanspruche der Papst. ES ist richtig, ein PiuS IX. und Leo XIII. würden sich hier unverblümter auS- gedrückt und offen das Klagelied von der Gefangenschaft de- Nachfolger- Christi angestimmt haben, indessen: der Protest gegen den jungen italienischen EinhritSstaat, der dem Papst« da- Patrimonium kotri und „damit seine Unabhängigkeit raubte", fehlt doch nicht ganz, wenn er auch verhüllt und ge mildert erscheint. Daß PiuS die zur Wahrung der heiligsten Rechte der Religion und zur Förderung de» Wohle» und der Sicherheit (!?) der Völker notwendige „Nichtunterwerfung unter eine fremde Gewalt" al» (inItalien) nichtvorhanden ansteht, geht daraus hervor, daß er, wie er ausdrücklich sagt, sie beansprucht. Daß Piu» X. in dieser Hinsicht im Grunde seine» Herzen- genau so denkt wie seine Vorläufer, da- weiß man ja au« seinen ersten Handlungen al» Papst. Er hat den Segen nicht von der äußeren Loggia au» gespendet, er hat der italienischen Regierung seine Thronbesteigung nicht angrkündigt, er hat seinen Nuntius Lorrnzelli nach Rom gerufen, damit er nicht dem König von Italien bei besten Besuch in Paris zu begegnen braucht, und es war ein Märchen, daß er eine Reise nach Monte Casstno machen würde. Vorschnelle Beurteiler haben in der Enchklika schleunigst eine radikale Abfertigung eine- jedweden politischen Katholizismus zu finden geglaubt. Aber in derselben Kundgebung bespricht der Papst eingehender da» poli tische Parteiwesen, sondert dir „Ordnung-Parteien" als besondere Gruppe au-, teilt aber auch hier wieder ein in solche Ordnungsparteien, deren Hoffnungen und Arbeitenv ergeblich sind, und in solche, welche allein Frieden bringen können, weil sie „Gott anhängen". Wird man in Deutschland unter dieser Beschreibung nicht die deutsche Zentrumspartei herau-erkennen wüsten? So kann man sich auch nicht wundern, wenn dieser scheinbar „unpolitische und parteilose" Papst jenen Absatz mit dem nicht mißzuver- stehenden Befehl an die Geistlichkeit schließt: „Diese (Gott anhängenden Parteien) müssen daher auf alle Weise unterstützt und gefördert werden." Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren: eS geht ein innerer Widerspruch durch die Enchklika, und eS drängt sich der Verdacht auf, daß Piu« X. eS gegenwärtig für opportun gehalten hat, nrdl «t ordt zu verkünden, Zweck und Ziel der Papstkirche sei nicht da» Streben nach weltlicher Macht, sondern die Heiligmachung (wir gebrauchen absichtlich nicht da- protestantische Heiligung) der ganzenMensch- heit, vielleicht in der Hoffnung, sich den Zutritt zur ersteren zu erleichtern, nachdem der Polterer PiuS IX. und der Scharf macher Leo XIII. absolut nicht- erreicht hatten. Wie dem auch sei: ganz verzichtet auch Piu- X. nicht auf den Protest gegen den Quiriual »nd kann e« auch nicht. Wenn er e- doch glauben sollt«, so wndrn ihn di« Irsuitrn, die Jahr hundert« lsnst 5t« katholische Kirch« und dt» Vatikan b» ?7. Jahrgang. Donnerstag den 8. Oktober 1903. herrscht haben, bald eine- anderen belehren. Möglicher weise ist ihm schon der Schluß der Enchklika, der mit auf fallendem Hiatus plötzlich und unvermittelt von der Auf forderung zum Gehorsam gegen die weltliche Obrigkeit zum Verlangen des „nso «udjioi lloderv alisuae ckommatioui" von den Jesuiten — widerwillig — in die Feder diktiert worden. Gegen den Protestantismus als das „Gift der Völker" zu Wettern, wie Leo XIII. in jeder seiner Kundgebungen ex üatüsclra, hat PiuS X. gleichfalls für unangebracht gehalten, aber wenn er eine sehr scharfe Tonart gegen den Rationa lismus und den „Semirationali-mus" anschlägt, so ist es dem Kundigen nicht verborgen, daß er damit doch den Protestantismus meint. Deutsches Reich. /». Berlin, 7. Oktober. (Theodor Storm auf der Anklagebank des KlertkalismuS.) Eine schwere Gefährdung des Seelenheiles der katholischen Volksichüler in Straßburg ruft -en „Elsässischen Volks boten auf die Scharrzen. Für die Straßburger Schul bibliotheken ist nämlich Theodor Storms Schrift „Pole Poppenspäler" angeschafft worden, und darin erzählt ein Protestant von der Geschichte seiner Verheiratung u. a. folgendes: „Lisci war, wrc ihre Eitern, katholisch,- daß aber das ein Hindernis für unsere Che sein könne, ist uns niemals eingefallen. In den ersten Jahren reiste sie wohl zur österlichen Beichte nach unserer Nachbarstadt, wo eine katholische Gemeinde ist; nachher hat sie ihre Kümmernisse nur noch ihrem Manne ge beichtet." — Der klerikale „Elsässische Volksbote" nimmt „gern" (?) an, daß die vorstehende Stelle bei der Ein führung des Buches übersehen worden sei; wäre aber der katholischen Jugend bewußtermaßen „eine derartige Nahe legung der gemischten Ehen und geringschätzige Würdi- gung -er Beichte" als geistige Kost vorgesetzt, dann wäre ein energischer Protest am Platze. Hoffentlich würden nun die nötigen Maßregeln getroffen, „sonst müßte von anderer Stelle aus dagegen eingeschritten werden, daß man gleichsam amtlich der katholischen Jugend ihre Religion verhöhnt". — Die Erregung, mit welcher der „Elsäst. Volksbote" aus diesem Anlaß über „verwerfliche Schülerlitcratur" zetert, ist fachlich ganz gegenstandslos. Daß von katholischer Seite, sowohl von Männern wie von Krauen, die Verschieden heit der Konfession nicht als Ehehindernis betrachtet wird, ist selbst in unseren Tagen eine tausendfach erhärtet« Tatsache. Und als Tatsache darf man auch die Angabe des Dichters betrachten, seine Ltsei sei wohl in den ersten Jahren zur Osterbeichte in die Nachbarstadt gereist, später aber nicht mehr. Bon einer Verhöhnung der katholischen Religion kann also sicherlich nicht gesprochen werden, so weit der Dichter in Frage kommt. Vollends ungeheuer lich mutet dieser Vorwurf gegenüber der Schulbehörde an, die für die Schülerbibliotheken eine Schrift auschaffte, an der nur engherzigster KonfcffionalismuS im Bunde mit den klerikalen Schulaspirationen Anstoß zu nehmen ver mag. Gerade jetzt, wo die Schulfrage durch die preußisch« Landtagswahlbcwegung wieder ein erhöhtes Interesse be ansprucht, verdient der Straßburger Vorfall seiner symptomatischen Bedeutung halber Aufmerksamkeit. -i- Berlin, 7. Oktober. (Ein welfischer Epilog zum nationalliberal en Delegiertentage.) Ein leitender Artikel des welfischen HauptorganS nimmt mit jugendlicher Lebhaftigkeit — wir glauben eS deshalb dem Verfasser gern, daß er „Iung"-Hannoveraner ist — Stellung gegen den nationalliberalen Delegiertentaa nnd insonderheit gegen zwei Aeußerungen der Herren Wallbrecht und Basser mann. Herr Wallbrecht hat sich gestattet , auf daS beiläufig ja erst in dreizehn Jahren stattsindende fünfzig jährige Jubiläum der Einverleibung Hannovers in da» Königreich Preußen hinzuweisen und zu behaupten, daß diese- dann auch von den Hannoveranern gefeiert werden würde. Dem gegenüber redet der lebhafte Jüngling „meinen sehr verehrten Herrn Wallbrecht" persönlich an, ob er denn nicht wisse, daß bei der letzten Reichstagswahl hunderttausend hannöversche Männer wiederum Protest gegen die Einverleibung eingelegt haben und daß jeder Hannoveraner sich danach sehne, sein altes Fürstenhaus zurück zu erhalten. Daran, daß noch eine ganz stattliche Anzahl von Hannoveranern am Welsentume festhalten, zweifelt weder der mit den Verhältnissen seiner Heimat doch gewiß vertraute Herr Wallbrecht, noch sonst ein Politiker. Aber einmal stellen die hunderttausend welfischen Stimmen noch nicht ein Fünftel der Stimmen der wahlberechtigten Einwohner der Provinz Hannover dar und zum zweiten ist da« Welfen- tum im Rückgänge begriffen und wird bi- zu dem von Herrn Wallbrecht bezeichneten Tage noch weiter zurückgegangen sein. Der Jung-Hannoveraner spricht zwar von dem starken Nach- wüchse seiner Partei und dem mangelnden Nachwuchse de- NatwnalliberaliSmuS, aber daß er damit die Tatsache auf den Kopf stellt, zeigt sich gerade in dem Wahlkreise de- von ihm angegriffenen Abgeordneten Wallbrecht. Vor rund einem Menschenalter (1874) brachten die Welfen nahezu 7000 Stimmen im Wahlkreise Hameln auf, ein halbe- Menschenalter später waren eS nicht mehr 6000, und bei den letzten allgemeinen Wahlen kaum 3000. Die Welfen also haben innerhalb dieser 30 Jahre mehr als die Hälfte ihrer Stimmen im Kreise Hameln eingebüßt. Die National liberalen brachten 1874 «800 Stimmen auf, wäbrrnd sie diesmal 7600 erhielten. Wir sehen also eine Zunahme und wenn diese auch nicht bedeutend ist, so muß man auf der anderen Seite berücksichtigen, daß der 1874 noch nicht existierende Bund der Landwirte diesmal ebenso wie schon 1888 den Nationalliberalen nahezu 3000 Stimmen entzogen hat. Im anderen Falle wären aut 10 000 national liberale Stimmen abgegeben worden, d. h. e- hatte seit 1874 eine «ativnalliberale Zunahm« um etwa 30 Proz., eine »elfisch« Abnahme um mehr al- LV Proz. stattgrsuadta. Die Wähler von 1903 aber sind doch der Nachwuchs der Wähler von 1874. Wo ist also der stärkere Nachwuchs? Und wie steht e s angesichts dieser Tatsache und der weiteren Tatsache, daß di« Nationalliberalen die Zustimmung zu den Geschehnissen von 1866 auf ihre Fahne schreiben, mit der Behauptung, daß jeder Hannoveraner sich nach dem Welfenhause zurückfehne? Herr Bassermann hatte behauptet, in Süddeutschland sei da- Gefühl lebendig, daß mit den preußischen Landtagswahlen wiederum einStück deutscher Geschichteentschiedenwäre; der Jung-Hannoveraner glaubt dies« Behauptungmit derBemrrkung widerlegen zu können, daß in Süddeutschland Preußen vielfach mit Schimpfnamen belegt werde. Hinsichtlich der Logik scheint der „Iung"-Hannoveraner schon mehr „Windel"-Hannoveraner zu sein, sonst müßte er doch einsehen, daß die teilweise in Süddeutschland gegen Preußen gehegte Animosität mit der Richtigkeit der Bassermannschen Behauptung gar nichts zu tun hat. Ob Feind oder Freund Preußens, so wird doch jeder nicht gar zu junge Politiker einsehen müssen, daß die Entscheidung über die parlamentarischen Geschicke eines Bun desstaates, der um ein erhebliches größer ist, als alle übrigen Bundesstaaten zusammengenommen, für ganz Deutschland von Bedeutung fft. H Berlin, 7. Oktober. (Mcnschenmaterialzur deutschen Besiodelunader Os» marken.) Al» die Staat-regterung sich entschloß, da» Hauptgewicht der Oskinarkenpolitik mkf eine vermehrte Nnsieblungstätigkeit zu legen, wurden tn vaterländisch gesinnten Kreisen, wie von gegnerischer Seite Bedenken geäußert, daß es der An, siedelumgskommMon wenn nicht an ausreichenden Mitteln, so doch an dem nötigen >Menschenmaterial fehlen könnte, nm den Besiedelunasvlan tn vollem Umfange zur Ausführung zu bringen. Auch wurde behauptet, daß dieser Mangel an geeigneten deutschen Siedlern dazu führen könnte, aus die Parzellierung der angekausten Güter zu verzichten und diese Güter, so weit sie sich dazu eignen würden, in Domänen oder fiskalische Güter umzuwandeln. Angesichts der tatsächlichen Verhältnisse besteht weder di« eine, noch die andere Behauptung zu Recht. Abgesehen davon, daß aus dem Gebiete der deutschen Bundesstaaten ein« das Maß des Erfüllbaren weit übersteigende Zahl von Anträgen um Ueberlassu-mr von Landbesitz vorliegt, stellt auch die Zuwanderung deutscher Siedler auS dem Auslande, wobei in erster Linie Rußland und Oester reich-Ungarn in Betracht kommen, der Ansiedelungs kommission deutsch« Elemente im Uebermaße zur Ver fügung. Galizien allein besitzt eine deutsche Bevölke rung, auf die die Ansiedelungskomm-ission unter Umständen -urückgretfen könnte, von erheblicher Stärke. Nach dem Krakauer „Przeglad Wzcckvolski" wurden während der letzten Volkszählung in Galizien 211782 Personen ge zählt, die sich zu Hause der deutschen Sprache bedienen. Lemberg hat 200 000. Krakau 7000 deutsch-sprechende Ein wohner. Das deutsche Element beträgt tm Kreise Bt-ala lWestgalizien) 18,78 Prozent, tn den ostgalizischen Kreisen Dolina 18,4 Prvz., Nadmorny 12,81 Proz., Korsowo 12,02 Prozent, Sniatyn 11,58 Proz. und Kolomca 10,02 Proz. der Gesamtbevölkerung. Mehr als 8 Proz. beträgt di« deutsch, sprechende Bevölkerung in acht Kreisen, und zwar in Drohobycz 8,89 Proz., Boho-Lrodc-any 8,8 Proz., Stryj 8,84 Proz., Iaworow 7Z8 Proz., Brody 8,43 Pro-., Lwow 8,94 Proz., PrzeworSk 6,86 Proz. und Alt-Tambvr 8,61 Prozent der Gesa-mkbevölkerung. In weiteren zwölf Kreisen beträgt der Prozentsatz der deivtschsprechenden Be völkerung 2 bis 4 Prozent. Di« Anzahl -er tn den Dörfern und kleinen Städten Galiziens ansässigen deutschen An- siedler wird auf 100 000 angegeben, unter -denen nach -dem Status vom Jahre 1900 über 48 800 Protestanten waren. Ohne Ansehen der Konfession scheint sich unter der deutsch sprechenden Bevölkerung Galiziens tn der letzten Zeit in sofern ein Wandel vollzogen zu haben, al» die Deutschen, besonders unter dem Eindrücke der energischen Ostmarken. Politik -er preußischen Regierung, auf der einen Seite sich mehr und mehr von den Polen zurückziehen ioud mit der ruthentschen Bevölkerung zusammengehen, ander, seits aber auch vielfach sich zur Auswanderung nach W e st- preußen und Posen entschließen. Wie sehr diese ab wandernde deutsche Bevölkerung und ihre zumeist land wirtschaftlich« Tüchtigkeit und Tätigkeit geschätzt wird, geht aus der Tatsache hervor, daß all« von den Deutschen ver lassenen Besitzungen von Rutbenen übernommen werden, eine Erscheinung, -er gegenüber von polnischer Seite zur Gründung einer polnischen Landbank nach dem in Preußen bestehenden Muster ausgefordert wird. Danach erscheint eß ausgeschlossen, daß die preußische Anstede- lungSkvmmissivn um da- zur vollständigen Durchführung der in -Aussicht genommenen deutschen Besiedelung er- forderliche Menschemnaterial jemals tn Verlegenheit kommen könnte. * Berlin, 7. Oktober. (Die sozialdemoktratischen Reich-tag-Mandate.) Im Gegensätze zu seinen frei konservativen Parteifreunden und chrer Presse, denen keine Uebertreibung der unmittelbaren sozialdemokratischen Gefahr groß genug und kein Umsturzgesetz scharf genug ist, vertritt vr. Otto Arendt neuerding- eine bemerkenswert ruhige Auffassung, die er durch eine nüchterne Bettachtung der Wahlstatistik stützt. Gr gibt im „Tag" folgende Zusammen stellung von Wahlgruppen nach dem Verhältnis der sozial demokratischen zu der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen: Von 100 Stimmen waren sozialdemokratisch: insgesamt sicher vor der Sozial- demokratie 252 Wahlkreise. iu-arsamt gefährd«» 88 Wahlkreise. insgesamt von d«r Sozial- demokratie zurückzuarwtnnen 44 Wahlkreise. sicherer sozialdemokrat. Besitz 13 Wahlkreise. Dazu bemerkt der Abg. vr. Arendt: Würde die Sozialdemokratie all« Mandate ,«- wiaueu, in den«» si« ItzstL »ehr als «in Drittel 0 —1 Proz. in 25 Wahlkreisen 1 —5 - - 50 O 5 —15 . - 77 W 1b -2b - - 52 B 25 —33'/ . -50 B 33'/.—-0 . . 40 B 40 —45 . . 24 B 4Ü —50 . .24 50 -55 . .26 W 55 -60 - . 18 B über 60 - - 1« O der Stimme« erhielt — «in uude»kba»«r Fall — so hätte sie immer erst 145 Mandate, »nd selbst wenn ihr alle Mandate zufirlen, in denen fie mehr »l« ein Viertel der Stimmen hatte, so würde sie mit 195 noch nicht die Mehrheit erreichen. Gerade dir Wahlen von IS08 aber beweisen, daß die Sozialdemokratie die errungenen Mandat« nicht al- dauernden Besitz ansehen kann. Betrachten wir dir verlorenen Mandate tm einzelnen, so ist besonder« bemerkenswert, daß r» sich dabei zum Teil um allen sozialdemokratischen Parteibesttz handelt und daß dir Niederlage nicht auf einen Rückgang der soztaldemo- kratischen, sondern auf ein Anwachsen der staat»erhalt«udr» Stimmen zurückzuführen ist, also auf di« Grgrnbewegung, deren Beginn die sichere Gewähr dafür gibt, daß da- deutsche Volk die sozialdemokratisch« Gefahr all- sich selbst heraus überwinde« wird. Diese Zuversicht steht in schärfstem Gegensatz zu dem stürmischen Verlangen der freikonservativem Preffe «ach neuen Ausnahmegesetze». * Berlin, 7. Oktober Einige Stilproben »ad Offenherzigkeiten au- dem „Geaossen"-Lager: Kautsky in der orthodoxen „Neuen Zeit": „Ein nette» Sümmchen von Doppelzüngigkeit, Gewissen losigkeit und innerer Haltlosigkeit ist bisher schon in den persönlichen Au»«inand«rsrtzungrn in der Sozialdemokratie an den Tag gefördert worden und da» Endergebnis noch gar nicht abzu sehen". KautSky fordert, daß „alle Elemente, denn Unsauberkeit erwiesen ist, ohne jede Rücksicht auf ihn Stellung in der Partei ausgrschtrdeu werden". Ohne sittliche Reinheit finke „die Partei herab zu einem bloßen Apparat zur Fabrikation von Re- daktrurposten und Mandaten". Die „Leipziger Bolk-ztg." schreibt von Heine« „Der erfahrene Kriminalist scheint von seinen Klienten etwa- gelernt zu haben. Er ist, nachdem er überführt fft, geständig, da» Komplott gegen Mehring rtngrfädelt zu haben, kleidet jedoch diese» erzwungen» Geständnis i« die srrcheu und feigen Zynismen der Gaunersprachel" Der revisionistische Karlsruher „Volk-freund" erläßt einen Aufruf „an die Parteigenoffen", iu dem e- heißt: „TS hat sich eine förmliche Cam artlla gebildet, die jedem die sozialdemokratische Ueberzeugung «nzweifelte, der nicht ans da» Dogma einer Theorie zu schwören bereit war, di« in letzter Linie nur eine Prognose, «ine Prophezeiung ist, über deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit kein Mensch etwa» Bestimmte» Vorher sagen kann." Der Gewerkschaftsführer „Genosse" v. Elm schreibt iu den „Soz. MonatShft.". „Lor allem aber: Sind unsere wirtschaftlichen Organisationen schon mächtig genug, um ein» Reorganisation der Gesell schaft durchführen zu können? Bebel glaubt e». Er Wirst un» vor, wir kennen die „„Volksseele"" nicht. Wenn e- nur ans daS Gefühl ankomme, freilich, dann hätte er Recht. Ein« Rede Bebels in einer großen Volksversammlung wirkt elektrisierend, berauschend auf di« Massen. Aber wir, di« wir jahraus jahrein die Kleinarbeit in Gewerkschaften nnd Genossenschaften verrichtet haben, wir kennen die Massen besser, wir wissen, daß noch eine gewaltige Erziehungskraft notwendig ist, mn dieselben zu befähigen, sich selbst regieren zu können. Wir habe» in unseren Organisationen große Fortschritte gemacht, aber es wäre geradezu vermesse», wollten wir behaupte», unser« wirtschaftliche Machtposition sei stark genug, um die Umwandlung der bürgerliche» in di« sozialistische Gesellschaftsordnung herbeiführen zu können." In der schon in einem Telegramm erwähnten gestrigen „Genoffen"-Versammlung de- 2. Berliner Wahlkreises, in der di« Mißtrauen-resolution gegen Heine, Bernhard, Braun und Göhre fast einstimmig angenommen wurde, hat auch Bebel wieder eine Diktatorenrede gehalten, deren Kraft stelle lautet: „Wenn man, wie ich, «och so mancherlei weiß, wo hinter de» Kulissen vorgegangen ist, wa» aber nicht ge- sagt werden kann, so möchte mau mit der Keule drein- schlagt», daß die Fetzen fliege«. Ich gebe Harden voll ständig Recht, daß er al-Angeklagter Gebrauch von Privat briefen und Privatgesprächen macht. Die von ihm an gegriffenen Genossen haben sich nicht genügend verteidigen können. Nachdem ich jetzt da- „Für" und „Gegen" studiert habe, muß ich mein in Dresden über Harde» abgegebene» Urteil revidieren, bi« aber leider nicht in der Lag«, mein« dort über die bekannten Genossen geäußerten Ansichten zu korrigieren. (Hört!) Harden durste erwarten, daß er dort von seinen bisherigen Intimen nicht besudelt nnd verleugnet wurde. Würde ich heute noch einmal in Dresden zu sprechen haben, würde mein Urteil »och vi«l »«rnichtender anSfalleu." (Großer Beifall.) DaS Schönste aber haben wir unS bis zuletzt aufaespart; es ist eine Stelle au- dem erwähnten Kaut-khgchen Aufsatz« in der „Neuen Zeit". Er meint nämlich, daß man dem „Genossen" gegenüber wahrhaft sein müsse, und fährt dann wörtlich fort: „Dem Feinde gegenüber hat man dies« Pflicht nie anerkannt". Hiernach begreifen wir erst aan», weshalb die Sozialdemokrat« für die Aufhebung daß Iesnitengesetze- find. D Berlin, 7. Oktober. (Telegramm.) Der Studien gesellschaft für elektrische Schnellfahrten ging folgende» Telegramm de- Kaffer« »u: „Ich danke für die Meldung von der Erreichung einer Geschwindigkeit von 201 Kilometern und gratuliere der Studienaesellschaft und der FirnM Siemen« L Halske zu dem schönen Erfolae, de» deutsch» Tatkraft und Beharrlichkeit damit errungen haben". k) Berit», 7. Oktober. (Telegramm.) Der,Meich»anzeiger" verösstntlicht di« verleih»«« de» Kronen-Ordeu» 2. Klass« au »en früh««» Vtzrprästdenteu de» Reichstage» vr. »Freße- WelNie«, Bautdirettor Bßssnn-Gchmeri» und Domäuenrat Rettich» Rostock. Der .Fleich-aNzetger" schreibt ser»»i Wwfess«, R«tzW
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