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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031009012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-09
- Monat1903-10
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Dabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen unk Offertenannohme 2» L, (excl. Porto) Extra-Beilagen (gesalzt), «ur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuog SO.—, mit Postbesörderuug ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormMagS 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an di« ExpedUton zu richten. Die Erpeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig. Nr. 514. Freitag den 9. Oktober 1903. 97. Jahrgang. Die diesjährigen Flottenmanöver. 8. Die Herbstttbungen unserer heimischen Schlachtflotte bilden den Abschluß der Ausbildungszeit, die für die ein» -einen Schiffe und deren Besatzungen, wie im Heere, im Oktober jedes Jahres beginnt. Sie fordern das allge meine Interesse in um so höheren Maße heraus, als sie annähernd ein Bild von der Tätigkeit geben, die unserer Wehrkraft zur See im Kriege zufallqu wird. Ueber die einzelnen Manövertage sind eingehende Berichte halbamt licher Art erstattet worden, die jetzt bet E, S. Mittler L Sohn als besondere Schrift mit ansprechenden Marine bildern erschienen sind. Auch für den Nichtfachmann sind diese Berichte außerordentlich interessant, denn sie be handeln außer den eigentlichen Manövern auch die Bor bereitungen dazu, das Leben an Bord, den Maschinenbe trieb, kriegsmäßige Kohlcnübernahme und dergleichen. Bon hoher Bedeutung sind die bei den Manövern ausge- führten Kämpfe um Kiel mit ihren Vorstößen gegen die Küstemverke, den Landungsmanövern und dem Angriffe auf die Befestigungen, die mittels Scheinwerfern und Drahtsperren in umfassender Weise ausgestattet waren. Die strategischen und die taktischen Manöver der Herbst übungsflotte brauchen an dieser Stelle nicht weiter er- örtert zu werden, wohl aber scheint dies bezüglich der Manövererfolge notwendig Von vorherein muß hierbei darauf hingewtesen werden, daß nur bet einem Torpedo boots-Nachtangriffe ein Torpedoboot am iS. August er heblich beschädigt wurde) sonst ist während aller gefähr lichen Nachtmanöver und auch bei Tage nicht ein einziger Zusammenstoß von Schiffen oder Booten vorgekommen. Es ist dies eine höchst erfreuliche Tatsache, die beweist, daß unser Seeofsizierkorps in der Manövrier fertigkeit eine vorzügliche Ausbildung aufweist, die sich im gleicher Weise auf das übrige Personal bis zum jüngsten Matrosen und Maschinisten erstreckt. Aber auch für unseren einheimischen Schiff-- und Ma schinenbau legten die Manöver ein anerkennendes Zeugnis seiner Vortrefflichkeit ab: weder an den Ma schinen noch an den Kesseln sämtlicher 40 bis SO Schiffe und Fahrzeuge, die an den Manövern teilgeuommen, sind irgend welche Betriebsstörungen vorgekommen. Von den bet solchen Manövern so oft gehörten Fahrstörungen, Rohrbrüchen ober Kesselzusainmenbrüchen, ist keine Rede gewesen, und alles dies bei großer Dauerfahrt, bei schweren Stürmen, bei täglichem Wechsel der Geschwindigkeik, von langsam auf äußerste Kraft. Hierdurch ist der Beweis er bracht worden, daß unsere Marine über ein vorzügliches Jngenieurkorps verfügt, das mit dem Ersätze der Segel durch Dampf und Elektrizität einen hervorragen den Platz mit höchster Verantwortlichkeit in der Führung der Kriegsschiffe eingenommen hat. Diese haben sich namentlich in den großen Linienschiffen im Laufe der Zett zu vollständigen schwimmenden Festungen ent wickelt, und zwar nicht bloß in bezug auf Artillerie und Panzer, sondern auch hinsichtlich aller modernen und ma schinellen Einrichtungen» sowie Betriebswerkstätten jeder Art, wie man sie in gleicher Vollkommenheit kaum ün einer mittleren Stadt vorftmden wird. Daß die sehr empfind lichen Torpedoboote bei dem schweren Wetter einige geringfügige Schäden erlitten haben, ändert azr dem Ge- samturtetle nichts. Jedenfalls war die Schulung der großen Torpedoboote in allem, was Manövrieren und Seetüchtigkeit anbelangt, geradezu überraschend. Das bei der Marine eingeführte Signalwesen von den einfachen Flaggensignalen und den Winkerflaggen bis zur Funkemtelegraphie hat sich ganz vortrefflich be- währt ' für -en SchifiSbienist ist eine Anzahl von Horn- sig-nalen zur zweckmäßigen Anwendung gelangt, wie solche auf den Kriegsschiffen fremden Marinen schon seit längerer Zett im Gebrauche sind. Der ganze SchtffSdienst und die Ausbildung der Mannschaften ist mehr denn je dem einen Ziele zugewandt, die Flotte kriegsbrauchbar und jederzeit kampfbereit zu machen und zu erhalten. Die Wirkung der Geschütze, sowie der Torpedowaffe läßt sich bet Len Manövern nicht zeigen, hierzu sind di« Schieß übungen da, welche durchweg gute Erfolge gezeitigt haben. Ob im Ernstfälle die großen Schiffe di« Landung und die Hafeneinfahrt, wie beim Manöver erzwungen haben würden, ist doch sehr die Frage? jedenfalls würde e» ohne schwerste Opfer an Schiffen und Besatzung nicht möglich geworden sein, zumal der dicke Pulverdampf au» dem Schwarzpulver der Manäoevuru nitton im Ernstfälle fehlt und sich nicht als deckende Maske auf dem Wasser lagern kann, wie dies bei den UeVungen der Fall war. Einen Haupterfolg aller dieser Manöver erblicken wir aber darin, daß die UeVutigSflotte nun endlich alS ,/a k - tive Schlachtflotte" im Dienst gehalten wird; -er Flottenadmtral bleibt also künftig während des ganzen Jahre» auf dem Flottenflaggschtffe eingefchtfft und sein Stab bildet zugleich den Stab für da» erste Geschwader. Hoffentlich kann auch das zweite Geschwader bald aus wirklichen Schlachtschiffen aufgestellt werden; dann ver- ügt das Deutsche Reich über eine aktive Schlachtslotte, die ein ansehnliches Gewicht in die Wagschale zur Erhaltung des Friedens werfen kann» Heraus aus der Gleichgültigkeit! Unter dieser Überschrift veröffentlicht heute die Berliner „Nat.-lib. Korr." einen Artikel, der die bürgerlichen Wähler Preußens auffordert, sich die bürgerlichen Wähler des Herzogtums Sachsen-Meiningen, nicht aber die des Königreichs Sachsen als Vorbilder bei den bevorstehen den Landtagswahlen dienen zu lassen. Das ist eine bittere Pille für die bürgerlichen Urwähler unsres engeren Vater- andeS; da sie aber vielleicht — große Erwartungen hegen wir freilich nicht — heilsam wirkt, so sei sie hiermit verab reicht. Der Artikel lautet: „In Sachsen-Meiningen haben die Ergänzungswahlen zum Landtag stattgefunden. Es besteht in diesem Bundesstaat ein dem Reichstagswahlrecht gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht. Die Sozialdemokraten konnten ihre bisher innegehabten 7 Mandate behaupten; sie hatten aber auf die Eroberung von 3 weiteren Sitzen im Landtage gerechnet. Die bürgerlichen Parteien Sachsen- Meiningens haben also wenigstens dem weiteren Vordringen der Sozialdemokratie trotz des direkten und geheimen Wahl rechts Einhalt zu gebieten vermocht. Im Königreich Sachsen cheinen sich jedoch die bürgerlichen Parteien auf ein rückständiges Wahlrecht zu verlassen, dessen Aenderung im liberalen Sinne jetzt nachdrücklichst von den sächsischen National liberalen gefordert wird. Die am Montag erfolgten Wahlen für die dritte Wählerklasse legen ein betrübendes Zeugnis -ür die Gleichgültigkeit der Wähler aus den bürger lichen Parteien ab. So beteiligten sich im ersten Land- tagswahlkreiS Dresden-Altstadt von 9638 stimmberech tigten Urwählern nur 3S00 an der Wahl; mit Ausnahme eines Bezirkes, in welchem eine Nachwahl vorgenommen werden muß, sind in allen Bezirken von diesen 8500 Urwähler« sozial demokratische Wahlmänner gewählt; eine ähnliche Gleichgültigkeit zeigten die Wähler in Dresden-Neustadt, wo sich von 11883 timmberechtigten Urwählern nur 4952 einfandrn und meist sozial demokratische Stimmen abgabrn; auch in Dresden-Neuftadt- Land und inLeipzig drangen die sozialdemokratischen Wahlmänner infolge der Lauigkeit der bürgerlichen Wähler durch; letztere ruhen allzu bequem auf dem bestehenden Land tags-Wahlrecht aus und scheinen die Mahnungen aus den letzten Reichstagswahlen spurlos an sich vorüb er gehen zu lassen. Gerade auch von diesem Gesichts punkte aus müssen alle Bestrebungen, welche auf eine Be schränkung des Neichstagswahlrechts hinauslaufcn, auf das schärfste bekämpft werden; eine solche Aenderung würde die bürgerlichen Parteien nur noch zu größerer politischer Gleich gültigkeit führen. Wir pflichten deshalb den Ausführungen der Wochenschrift „Freistatt" in welcher vr. Johannsen lAugsburg) in einem Artikel über das „Reichstagswahlrecht als Einigungs mittel" sich äußert, in deren wesentlichem Inhalt bei. Der Ver fasser schreibt zu Schluß seiner Betrachtungen: Im bestehenden Wahlrecht liegt etwas, was den politisch Strebenden anspornt, die entgegengesetzte Anschauung anderer Volksgenossen innerlich zu überwinden; durch das Wahlrecht wird der Liberalismus immer von neuem angetrieben, sich nicht damit zu begnügen, einige Gesetze zu machen oder die Oberfläche des Volkslebens nach seinem Sinne zu gestalten, sondern auch die untersten Schichten mit dem liberalen Gedanken zu durchdringen und den klerikalen Geist in den Herzen aller, auch der Dümmsten und Aermsten, zu überwinden. Wie wenig der Liberalismus in den letzten 40 Jahren zu diesem Zwecke getan und erreicht hat, ist bekannt; soll seine Faulheit durch eine Wahlrechtsänderung noch gestärkt werden? Soll man ihm als Ruhelager den Diwan eine» „bequemeren" Wahlrechts unterschieben? In ähnlicher Richtung, wie die Ausführungen des Herrn Vr. Johannsen-Augsburg, bewegt sich die „Zeitbetrachtung" des Reichstags-Abgeordneten Prinz zu Schvnaich-Larolath. Er sagt u. a. in Beziehung zur Sozialdemokratie und bürgerlichen Gesellschaft: „Nichts würde verfehlter, nichts unrichtiger sein, als gegen die Sozialdemokratie mit Ausnahmegesetzen vorzugehen oder zu meinen: mit einem sogenannten Umsturzgesetz ließe sich das Nebel ans der Welt schaffen, ließen sich die Wogen der Sozialdemokratie glätten und etndämmen. Kein größeres Unglück würde es geben, als wenn sich der An- Hänger und Mitläufer der Sozialdemokratie der Verdacht oder gar die Ueberzeugung bemächtigen sollt«, al» würden si« mit zweierlei Maß gemessen, al» sei die Justiz für sie eine ander«, al» wäre ihnen gegenüber jede» Mittel «klaubt, als wären st« vogelfrei. All da» würde st« noch mehr dem Baterlande ent fremden, ihr« Abneigung, ihren Haß steigern, ihre Gemüter verbittern, ihr Denken verwirren. Diejenigen, die sich di« Aufgabe stellen, Unfrieden z« säen, Erbitterung zu erregen, hätten gewonnenes Spiel. Die bürgerliche Gesellschaft muß sich fester aneinander schließen, muß versuchen, daS Trennend« je länger je mehr in den Hintergrund treten zu lassen und da» Gemeinsame zu betonen. Di« Lieb« zum Baterlande wird auch hier den Mitgliedern der vrrschied«nrn Parteien den rich tigen Weg wessen. Wo rin Will« ist, da wird auch ein weg gefunden werden. I« mehr feiten» der Regierenden alles ver mieden wird, was den sozialdemokratischen Mühlen Wasser zu- führt, je sorgfältiger man darauf bedacht sein wird, die Erschei nungen in unserem öffentlichen Leben zu vermeiden, welche geeignet sind, Mißstimmung zu erzeugen, je peinlicher man darauf halten wird, daß gleiche» Recht für alle gelte, daß jedem das Seine werde, desto größeren Abbruch wird man der Sozialdemokratie zufügen." Dann aber weist Prinz Schönaich-Carolath mit voller Be rechtigung auf die rastlose Tätigkeit und die Opferwillig keit der Sozialdemokraten hin: „Welche Opferwilligkeit unter den Genossen, selbst unter den Aermsten, vor allem aber welche Disziplin! Welche Bereitwillig keit, allwöchentlich den von Parteiwegrn anferlegten Bettag an die betreffenden Kassen abzuführen! Dabei keine Klage über diese Vergewaltigung — stummer Gehorsam. Aufgabe aller Nichtsozialdemokraten ist es, die Augen zu öffnen und die Dinge anzusehen, wie sie wirklich sind. Mchts Verderblicheres würde es geben, als eine Bogel Sttauß-Politik. Kein größerer Fehler, als sich einzureden, es wäre anders, es stände noch so wie vor einem Dutzend Jahren. Die Dinge haben sich vollkommen verändert und reden eine beredte Sprache, die nicht zu überhören ist." Diesen Mahnruf von neuem zu wiederholen, gibt uns die bet i)en Wählern der dritten Klasse in Sachsen zu Tage getretene betrübende Gleichgültigkeit Veranlassung. Der weitaus größte Teil jener säumigen Wähler sind wahrscheinlich Nicht-Sozialdemokraten; denn die Sozialdemokraten hätten bei ihrer troffen Organisation nicht geduldet, daß fast '/» der Wählerzahl zu Hause geblieben wären." Der Verfasser hat augenscheinlich die in der zweiten und in der ersten Klasse erzielten Resultate noch nicht gekannt, sonst würde er nicht nur von der betrübenden Gleichgültigkeit der Wähler der dritten Klaffe reden. Und einer scheint ihm unbekannt zu sein, daß diese Gleichgültig- eit ganz wesentlich auf den Mangel an Organisation rurückzusühren ist, an dem alle bürgerlichen Parteien im Königreiche Sachsen, am allerschwersten leider die national liberale, leiden. Gerade bei unserem „rückständigen" Wahlrechte, das die Lauheit begünstigt, macht sich dieser Mangel am empfindlichsten bemerklich. Er wird aber auch dann, wenn es gelingt, eine Reform des geltenden Wahl rechts durchzusetzen, bemerkbar bleiben und zu immer neuen Enttäuschungen führen, wenn nicht auch im Schaffen und Beschäftigen umfassender Organisationen die bürgerlichen Parteien Sachsens dem von der Sozialdemokratie gegebenen Beispiele folgen. Deutsches Reich. /?. Berlin, 8. Oktober. (Zur Arbeiterhinter- bliebenen-Bersorgung.) Das neue Zolltarif gesetz bestimmt, wie erinnerlich, daß gewisse Zollmehrein- nahmen für die Zwecke der Witwen- und Waisen- Versicherung, die spätestens bis 1910 einzufiihren ist, aufgesvart werden müssen. Diese Versicherung bald in Angriff zu nehmen, rät auf gründ praktischer Erfahrungen Sophie Susmann in der „Sozialen Praxi s". Da mit aber die Kosten im Beginn nicht zu hoch seien, geht ihr Vorschlag dahin, vor der Hand nur füretnen Teil derHinterbliebenen die Versicherung einzufiihren und erst nach und nach sie auf alle Arbeiterwitwen und -Waisen auSzubchnen. Die alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Witwe habe die Rente nicht dringend nötig, zumal da die Alters- und Invalidenversicherung für einen Teil der Witwen, soweit sie schon bei Lebzeiten des Mannes ober nach seinem früh erfolgten Tode für den Lebensunter, halt arbeiten mußten, in Wirksamkeit trete. Dagegen er scheine die Versicherung der Halbwaisen als die dringendste Aufgabe der Hinterbltebenenfürsorge, sowohl um der Kinder willen, als auch der Mütter wegen. Eine Witwe mit Kindern verheirate sich keineswegs häufig. Ihre Aufgabe bleibe dann, zugleich den Mutterberuf -u erfüllen und Evnährertn der Kinder zu sein. Die Er- füllnng dieser Aufgabe sei aber um so schwerer, als heute nur die Unfallversicherung der Witwe mit Kindern eine Jahresrente nebst bedeutendem Sterbegelde gewähre; solche Versorgung werde nur einer kleinen Zahl von Ar beiterwitwen und -Waisen zu teil. Anfänge einer Hinter- bliebenenversorgung fänden sich zwarschon in einer An zahl von Gemeinden, und staatliche Werke, sowie einige Großindustrielle sorgten musterhaft für die Hinterbliebenen ihrer Arbeiter. Aber die meisten Arbeiterwitwen seien doch genötigt, sich an die Gemeinde um Beihülfe zur Er nährung der Kinder zu wenden, und weil die Beihülfe in Form der öffentlichen Armenpflege gewährt werde, sei da- mit eine gewisse Deklassierung der Empfängerinnen ver- bunden. Darum empfehle sich gerade hier die Reichsver sicherung, deren Renten, wenn nvöglich, höher sein müßten, als die Unterstützung, die heute die Gemeinde der Witwe für ihre Kinder gewährt. --- Berlin, 8. Oktober. lEngland.Rutzlanhund die preußische Polenpolitik.) Just um dieselbe Zeit, da vom Baume des Zentrum» ein polnisches Blatt nach dem andern abfällt, läßt das leitende Zentrumsorgan mittelbar zwei Gründ« gegen die prsnßische Polenpolitik fallen, mit denen e» »st genug Stimmung zu machen ver sucht hat. Hergeholt waren diese Gründe au» dem Ge biete der auswärtigen Politik. Ein Zusammengehen Deutschlands mit England hat die „Kölnische BolkS- Leitung" wiederholt wegen der preußischen Polenpolitik kür höchst erschwert, ja für ausgeschlossen erklärt. Denn die „Bergewaltiguna" der preußischen Polen ziehe die öffentliche Meinung Großbritannien» von Deutschland ab. Nun hat es ja nicht an deutschfeindlichen Londoner Blättern gefehlt, welche über die preußische Polenpolitik, insbesondere über die Wreschencr Vorfälle, sich entrüsteten. Nie wenig aufrichtig ober jene Entrüstung gewesen ist, da» erkennt jetzt auch die „Köln, BlkSztg." au» dem Borgehen Englands gegen die italienische Sprache in Malta. Hier bat England da» Italienische al» „Staatssprache" aus drücklich bestätigt; aber al» ein englischer Oberst vor Ge richt die italienisch« Verhandlungssprache abgelehnt hatte und darauf durch UrteilSspruch ins Unrecht »«setzt war, übertrug der Kolonialminister Chamberlain gang einfach dem Gouverneur von Malta das Recht zu Ver fügungen in der Dprachenfraae. ordnete die sofortige Ein führung des Englischen als obligatorischen Lehrgegenstand in den maltesischen Schulen an und bestimmte, daß von 1915 ob das Englische allein auf Malta Gerichtssprache sein sollte. Und damit nicht genug: da der gesetzgebende Körper wegen der Einführung des Englischen in die Schulen das gesamte Unterrichtsbudget ablvhnte, hob Chamberlain den ganzen gesetzgebenden Körper aus und ersetzte ihn durch eine neue Vertretung, deren Mehrheit von der Regierung ernannt ist! Man wivd zugestehen, baß die preußische Polenpolitik mit diesem Vorgehen Eng lands gar nicht in einem Atem genannt werden kann, da sie sich durchaus in den Bahnen der Gesetzmäßigkeit be wegt. Die „Köln. Volksztg." sieht sich denn auch zu dem Geständnis genötigt, daß nach englischer Auffassung ein großer Unterschied gemacht werde, wenn von Seiten Eng lands etwas geschehe, was man einem ausländischen Staate zum Borwurfe anrechnet. Ob das leitende Zen trumsblatt nach solchen Erfahrungen mit der Aufrichtig keit der englischen öffentlichen Meinung in Sachen der preußischen Polenpolitik aufhüren wird, im Hinblick auf jene öffentliche Meinung und ihre Rückwirkung auf die internationale Politik die preußische Polenpolitik zu be kämpfen, muß man abwarten. Betreffs des Antipoden Englands aber, in Bezug auf Rußland, gibt da» rheinische Zentrumsorgan jetzt ebenfalls einen Stanb- mnkt aus, von dem aus es die „hakatistische" Polenpolitik iekämpfte. Und zwar handelt es sich dabei ism die Be- muptung, daß der preußische ..HakatismuS" die Polen dem Panslawismus in die Arme treibe. Heute schränkt die,FÜln. BolkSztg." diese Auffassung dahin ein: Rußland mache infolge der preußischen Polenpolitik mrr in antt« »eutschem, nichtinallrusfischemSinne Geschäfte. Es bleibe unerörtert, wie viel oder wie wenig das gegen über der Haltung des maßgebenden Rußland zu bedeuten hat. Der Kardinalpunkt für die Gestaltung der russisch polnischen Beziehungen kommt übrigens aus diesem An lasse selbst in der „Köln. BolkSzta." zu seinem Rechte, näm lich di« Verschiedenheit des Religionsbekenntnisse». Gerade in letzter Zeit hat die panslawistische Mowoj« Wremja" den Vatikan heftig angegriffen «r»b die Bil dung einer selbständigen polnischen Bolk»kirche gefordert. Die „Köln. VltSztg." faßt solche Korberang wohl mit Recht als das Dlittel für die Ueberführung der Polen -ur russi schen Orthodoxie auf — und deshalb erkennt sie mit einem Male, daß ihre wiederholte Ankündigung, die preußische Polenpolitik schließe den slawischen Ring gegen Deutsch land zusammen, mit den Tatsachen nicht im Einklang« steht. Wie lange diese Erkenntnis vorhalten wird, das dürfte von dem Erfordernis klerikalen Entgegenkommens gegenüber dem Polentume abhängig sein. — Im Hinblick auf die Nebenbeschäftigung der Beamten hat der preußische Minister der öffent lichen Arbeiten an die königlichen Eisenbahndtrektionen einen Erlaß gerichtet, der nach der „Ztg. d. Verein» deutscher Sisenbahnverwattungen" lautet: „Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß DtaatSeisenbahubeamte einem Gewerbetreibenden, der Lieferungen für di« StaatSbahnverwaltuna ausführt. Privatkunden argen Zahlung einer Provision zugefüyrt haben. Zur Ueber- nähme einer derartigen Nebenbeschäftigung würde an sich nach 8 18 der gemeinsamen Bestimmungen für all« Be amten im StaatSetserrbahndienste die schriftliche Genehmi gung der vorgesetzten Effenbahnbirektion erforderlich ge wesen sein, die von den Beamten jedoch nicht nachgesucht worden ist. Die Genehmigung hätte aber auch versagt werben müssen, da e» nicht angängig ist, baß Beamte eine Nobenbeschäftigung ftir einen Gewerbetreibenden au»- üben, der mit der StaatSeisenSahnverwaltung in geschäft lichen Beziehungen steht." — In einer Polemik gegen die „Franks. Ztg.', welche behauptet hatte, daß unter der Ministerprasidentschaft des Grafen Bülow der Mittellandkanal wohl nicht zustande kommen würde, hatte di« „Nat.-Ztg." behauptet, daß Kon servative und Sozialistentöter in letzter Zeit mit allen Mitteln auf den Sturz de» Grafen Bülow hin- arbeitrten, um an dessen Stelle einen „starken Mann' zu bringen. Darauf antwortet nun die „Kreuz-Ztg.': „Hier wird allgemein den Konservativen „Ministersttirzerri" dorgeworfen. Es widerspricht ab« den konservativen Grundsätzen, direkt oder indirekt die Stellung eine» Minister» zu untergraben. Die Ernennung und Verabschiedung von Ministern muß der Ini tiative Seiner Majestät des Königs Vorbehalten bleiben. E» gibt allerdings einige agrarisch« Kreise und auch leider ver einzelte konservative, die auS verschiedenen Gründen auf Einsetzung eines anderen Ministerpräsidenten dringen. Konservativ ist diese» Verb alten nicht, und die Partei muß sich ver bitten, kür solche Wünsch« verantwortlich gemacht zu werden." Also doch! — Im Landtagswablkreise Teltow-Beeskow-Char- lottenburg ist es über die Kandidatenfraae zu einem schweren Konflikt zwischen dem gescbästsführendea Ausschuß der Freisinnigen Volkspartei und der lokalen Parteiorganisation gekommen. Während die letztere aufs eifrigste die Kandidatur de» vr. Arthur Bern stein betreibt, lehnt di« freisinnige Heutralleitnng jede Verhandlung und Verbindung mit diesem ab, la die freisinnigen Abgeordneten Eugen Richter und vr. Müller, die dem Kreise als Urwähler anaehören, ver breiten die Erklärung, daß sie außer stände seien, solchen Wablmännern ihre Stimme »u geben, die sich verpflichten würden, vr. Bernstein zu wählen. Jetzt erhebt vr. Bern stein auch schwere Anklagen gegen den freisinnigen Abg. Kopsch, der vor der ReichStaaSwahl im Kreise Toraau- kiebenwrrda davor gewarnt hab«, ihn (vr. Bernstein; zu wählen; Kopsch habe zu den BertranenSmännern gesagt: „Ihr werdet doch Bernstein nicht wählen, er ist doch eia Jude!' Als man Herr» Kopsch ent- aegenhielt, daß vr. Bernstein Mitglied der kirchlichen Gememdrwrperschaften der evangelischen Trinitatiskirche in Eharlottrnburg sei, habe Kopsch erklärt: „Mag sein, dann
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