01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031014012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903101401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903101401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-14
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Schuldfahiykeit. -i- Der Totschläger Divvoldist vom Gerichtshof« in Bayreuth in Übereinstimmung mit sämtlichen medizini sch en Lachverständig on für geistig zurechnungsfähig erachtet worden und die öffentliche Meinung ist, von gänz ver einzelten Stimmen abgesehen, einhellig in der Befriedi gung darüber, daß jenes Scheusal nicht ins Irrenhaus, sondern ins Zuchthaus kommt. Nachdem in Bayreuth die Praktiker gesprochen, hat eine grundsätzliche Erörterung derSchuldfähtgkeit im allgemeinen erhöhtes Interesse. Der Rostocker StrasrcchtSlehrer Fr. Wochen feld führt hierüber in der neuesten, im Erscheinen be griffenen Auflage der v. Holtzendorsfschen „Sncyklopädte der Rechtswissenschaft" u. a. folgendes aus: „Das Verbrechen setzt als Handlung einen Handelnden voraus. Dieser muß, da die straf rechtlich relevante Handlung eine willkürliche Körperbewegung enthält, die Fähigkeit besitzen, gerade solch« Körperbewegung vor- zunehmen. . . . Die Fähigkeit, willkürliche Körper- bewegungen vorzunehmen, ist die erste, aber nicht die einzige Bedingung für die Schuldfähigkeit. Es mutz noch weiter him-zukommen die Fähigkeit, dieWirkungen der Körperbewegung zu überschauen Wer nicht den Zusammenhang der Dinge zu begreifen vermag, kann auch nicht verantwortlich sein. Insofern gehört also zur Begehung eines Verbrechens ein gW»tsses Maß von In telligenz. Da nun für die Rechtsordnung die natürliche Wirkung nur tn ihrer rechtlichen Bedeutung in Be tracht kommt, muß der Täter fernerhin im stände sein, di« rechtliche Bedeutung -er von ihm verursachten Wirkungen einzqsehen. Etxre derartige Einsicht setzt eine mag schon mannigfache Kausalketten zu Überblicken, hat aber kaum ein Pfltchtbewußtsein und erwirbt noch später ein RechtSbewußtsein. Anlage und äußere Umstände können den Erwerb beschleunigen. Ein allgemeiner Zeit punkt, biS zu dem er vollzogen wäre, läßt sich nicht an geben. Doch läßt sich negativ ein Zeitpunkt bestimmen, bis zu welchem er noch nicht als vollzoggn erachtet werden soll. Das ist nach positivem Recht die Vollendung des zwölften Lebensjahre- ist 55, Abs. 1 Dt.-G.-B.). Erst von da ab gilt die Dchuldfäbiakeit al« vorhanden. Letztere besitzt also der geistig entwickelte, der Kindheit entwacUene Mensch. Die Gchukbfähiakeit kann nun. obwohl das KindeS- alter überschritten ist, ausnahmsweise fehlen. Die Gründe sind: 1) Verzögerte oder gehemmte geistig« Entwicklung. Genoß der Jugendliche keine gehörige Erziehung, so geht ihm vielleicht die Vor- stellung von der rechtlichen Bedeutung seiner Tat ab. Darum soll das Gericht bei einem zwölf bis achtzehn Jahre alten Jugendlichen tn jedem einzelnen Falle prüfen, ob eS die zur Erkenntnis der Strafbarkeit seiner Hand- lung erforderliche Einsicht besaß. Muß dies verneint werben, so ist der Täter -war freizusprechen, kann aber, da ein Erziehungsfehler zu Tage getreten ist, einer Er- ziehnngs- ober Besserungsanstalt überwiesen werden. >8 58 St.-G.-B.) In einem Erwachsenes ist die Entwicklung nicht abgeschlossen, wenn er wegen körperlicher Fehler der nötigen Er- Ziehung nicht hat teilhaftig werden können. Namentlich ist dies beim Taubstummen der Fall. Auch er kann deshalb nur dann verurteilt werden, wenn fiir die konkrete Tat die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht festgestellt ist. l8 58 St.-G.-B>) Sl-ndere Fälle gehemmter geistiger Entwickelung hat daS Gesetz nicht vorgesehen. Aber man wird 'nicht umhin können, sie per nnalogmm ebenso zu beurteilen 2) Mangelnde geistige Gesundheit. Gesundheit und Krankheit gehen oft unmerklich ineinander über. Schon darum kann die Schuldfähigkeit nicht durch jede geringfügige, sondern erst durch eine derartige krankhafte Störung der Geistestätigkeit ausgehoben werden, welche die freie DtllenSbestimmung, d. h. die normale Bestimmbarkeit durch Vorstellungen, ausschließt. (tz 51 St.-G.-B.) Die Störung ist entweder eine dauernde, wie bei Wahnsinn, geistiger Entartung, oder eine vorübergehende, wie bei Delirien und manche« VergiftungSzustänben. Ob die krankhaften Vorstellungen durch eine Störung des Denk ober des WtllenSvermögenS bedingt werben, ist gleich, gültig. Sie müssen nur die ganze Psyche ergreife«. Bloße Entartung des TrieblebenS bei völlig normalen Vorstellungen ist ei'n Unding. Der Begriff der Monomanien wird mit Recht verworfen. Nichtsdestoweniger aber ist die Krage der Schnldfähigkett von Fall zu Fall zn prüfen. Ebensogut wie die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Ein- sicht für das eine Verbrechen vorhanden sein und für -aS andere fehlen kann, ist eS stet« wohl möglich, baß jemand bei der einen Handlung durch krankhafte Vorstellungen be- herrscht wird, bei einer andern, um dieselbe Zett vorge nommenen, aber die Fähigkeit freier Willensbestimmung besitzt. Mit der Feststellung der Geisteskrankheit in einem Prozeß wird also keineswegs ein Privilegium für weitere Straftaten geschaffen Außer durch krankhafte Störung kann die normale Geistestätigkeit durch Bewußtlosig keit beeinträchtigt werden. Unter Bewutztlosig- krit ist hier eine nicht krankhafte Störung der Getstestätig- kett zu verstehen, bei welcher daS vorhandene Bewußtsein zu schwach ist, die Wirkung«» der Tätigkeit zu Überblicken. Sic ist regelmäßig eine vorübergehende, wie z. v. Schlaf, Schlaftrunkenheit, Ohnmacht, Somnambulismus, Hypnose, hochgradiger Affekt. Ein vorübergehender Zustand, in dem »1, Gchulbsähigkeit au-g »schloss«» ist, wir» bisweilen Der katholische Llerus und das UatiouaUrLtsprinzip. von dem allergrößten Interesse nicht nur vom deutsch nationalen Standpunkte, sondern auch von großen allgemeinen historisch-politischen Gesichtspunkten aus ist jene Protestversammlung, -te tn der vergangenen Woche von deutschen katholischen Geistlichen Böhmen« in Eger abgehalten worben ist. SO Priester, -enen weitere SO schriftlich ihre Zustimmung erklärt hatten, haben in sehr bestimmter Form gegen »te drohend« Tfchechtsierung des Prager Domkapitels remonstriert und dabei zugleich verlangt, daß bei der Schaffung neuer Bistümer in Böhmen auf die sprachlichen Grenzen Rücksicht genommen werbe. Man ««iß, baß der Klerus nicht nur Böhmens, sondern ganz Oesterreichs bei den schweren Kämpfen, -ie dort bas Deutschtum um seine Existenz zu führen hatte und noch hat, keine sehr schöne Rolle gespielt hat. Die Partei des KleruS, die katholische BolkLpartei, hat nur zu oft bei -en parlamentarischen Kämpfen gemeinsame Sache mit den fanatischen Gegnern des Deutschtums gemacht. Jetzt be sinnt sich der böhmische katholische Klerus auf sein Deutsch tum, weil ihm fette Stellen von tschechischen Geistlichen weggeschnappt werden. Wtr wollen aber gerechterweis« zugeben, »aß dieser materielle Grund nicht der einzige ist, der -te deutschen Geistlichen Böhmen« bei ihrem Protest geleitet hat. Sie erkennen vielmehr ganz richtig, baß die katholische Kirche als solche Gefahr läuft, wenn da- Tschechentum von den hohe» kirchlichen Behörde« begünstigt wird. Die, gelinde gesagt, unzuverlässige Haltung -er deutschen Klerikale« tn rrattonalen Frage« hat s««e „Los von Rom- gewisse Erziehung vorauS.^Ein mehrjähriges Kind ver> Bewegung", di« der kaMUHen Kirch« bereits viele Tausende von Seelen gekostet hat, zur Folge gehabt. Würben die wichtigen Aemter Innerhalb des katholischen Klerus tschechisiert und sähen die deutschen Geistlichen teil nahmslos dabet zu, so würde damit der „Los von Rom- Bewegung" neue Nahrung zugeführt werden. SS ist nicht ohne Humor, daß die katholische Geistlichkeit Böhmens, die selbstverständlich die „Los von Rom-Bewegung" mit allen Mitteln bekämpft, nunmehr tn einem gewissen Sinne diese Bewegung willkommen heißen muß, denn st« kann sich auf sie gegenüber den höchsten kirchlichen Stellen für die von dem deutschen Klerus erhobenen Forderungen berufen. Wir haben gesagt, daß der Schritt der brutschen katholischen Priester Böhmens nicht nur vom deutsch nationalen Standpunkte au» von Interesse ist. Noch vor kaum einem Jahrzehnt konnte die „Germania" sich darüber lustig machen, baß von deutscher Seite die For derung erhoben wurde, die deutschen Katholiken der Ost mark sollten bei politischen Wahlen die national«» Ge- sichtSpunkte berücksichtigen. Heute muh -aS Blatt sehen, daß selbst bei Geistlichen die Gemeinsamkeit -er Kon fession nicht immer LaS einigende Band bildet, sondern daß eine scharfe, ja man kann sagen, daß eine feind selige Scheidung stattfindet zwischen Geistlichen deutscher und tschechischer Nationalität. DaS Rationalität-- Prinzip also macht sich nicht nur bei den katholischen Laten, sondern auch bei dem Klerus, für den ja das religiöse Moment naturgemäß viel eher an erster Stelle steht, al- für da- Laientum, bemerkbar. TS ist vielleicht nicht uninteressant, darauf htnzuweisen, Laß schon bei der Papstwahl sich etwa- Sehnliches beobachten ließ, indem nämlich die Kardinäle germanischer Raffe zusammen gingen. SS fehlt auch nicht an Beispielen, baß slawische (vor allem polnische) oder französische Geistliche Ihre Nationalität sehr stark hervorheben und ihre nationale Gesinnung energisch betonen. Nun kommen auch -ie deutschen Geistlichen — baß sie etwa» spät kommen, ist bei der Langsamkeit -eS deutschen Charakter- erklärlich, eS ist aber zu hoffen, daß sie nunmehr um so entschiedener an der Betonung ihres Deutschtums sesthalten werden. DaS Nationalität-Prinzip, da» um die Mitte des vorigen Jahrhundert- anfing, ein sehr wichtiger poli- ttscher Faktor zu werden, hat im Laufe der Zeit an Kraft nicht da» geringste eingebüßt. DaS nationale Empfinden der Völker ist immer feinfühliger geworden und nun greift da» Nationalität-Prinzip sogar tn den Machtbereich der katholischen Kirche hinein, deren Tendenz e- an sich vollkommen- zuwider läuft. Denn die Macht der katho lischen Kirch« baut sich auf -em Universalität-- Prinzip, d. h. auf der Jnternationalität auf. Vatikan kann und wirb Liese- Prinzip, mit dem seine Weltmacht steht und fällt, niemal- aufgeben, wohl aber wirb er seiner gewohnten Taktik gemäß, soweit e» eben ohne die Vernichtung feine- Grundprinzips angeht, den nationalen Empfindlichkeiten der Gläubigen in den ein zelnen Ländern Rechnung tragen, wofern dies« mit der nötigen Festigkeit auf ihren Forderungen beharren. In- wieweit freilich auf die Dauer der Gegensatz zwischen de» ft«»« mächtiger and ringende» Ratto» alttätSprinzip vom Täter selbst herbeigefllhrt, um sich einer Verpflichtung zu entziehen. Ist dies der Fall, so beseitigt er nicht die Verantwortlichkeit." Deutsche- Reich. -s Berit«, 13. Oktober. (Welfenzorn und Welfen- aerechtigkeit.) Die am 18. d. M. bevorstehende Grund steinlegung der BiSmarcksäule in Hannover bringt da« Welfenorgan der Provinzialhauptstadt schon jetzt aus dem Häuschen. In einem Artikel über die BiSmarcksäule finden wir folgende anmutige Stilblüten: „Man braucht nicht ein mal Deutsch-Hannoveraner zu sein, um zu erkennen, daß eine solche Säulengabe ein Schimpf, eine Beleidigung des treuen hannoverschen Volkes, eine Erniedrigung unseres Standes- bewußtsein« und ein trauriges Zeichen modernen Knecht sinn« und moderner Erfolgsanbetung ist. . . . Jeder von den Königstreuen wird beim Anblick des steinernen und plumpen Ungeheuers gerechten Ekel empfinden. . . . Eine BiSmarcksäule in Hannover mutet genau so an, wie ein Denkmal für Kaiser Karl den Großen in Verden, daS die Inschrift tragen müßte: „Dank dem edelsten, besten, hochherzigsten und größten deutschen Kaiser, der an einem Tage viertausend Sachsen, die dem Christentum abhold waren, abschlachten ließ. Das Welfenorgan ist gewiß sehr stolz auf diesen Vergleich, der aber gerade die Schief heit und Ungerechtigkeit welfischer Auffassung beweist. Auf der BiSmarcksäule wird ja doch nicht stehen: Dank für Langensalza und die Vertreibung der welfischen Dynastie. Die Säule gilt dem Bismarck, der Deutschland geeinigt und damit die Hannoveraner zu Gliedern eines mächtigen Reiches gemacht hat; ohne Bismarck würde jeder Hannoveraner, der nach der Uebersee kommt, ebenso rechtlos und schutzlos sein, wie er es vor fünfzig Jahren gewesen ist. Oder hat etwa jemals auch nur die allerkleinste und schädlichste mittel öder südamerikanische Republik sich vor Repressalien seitens de« Königreichs Hannover zu fürchten brauchen? Dafür also, daß «S so aan» ander- geworden ist, haben di« Hannoveraner Bismarck ebenso dankbar zu sein, wie jeder andere Deutsche. Die Säule gilt ferner dem Bismarck, der durch eine unver gleichliche Staatskunst eS vermochte, ein Bündnis mit dem zwölf Jahre vorher aebemütigten Oesterreich und späterhin auch mit Italien abzuschließen, und der durch dieses Bündnis dem von neidischen und feindlichen Nachbarn umgebenen deutschen Reiche den Frieden erhalten hat — bis jetzt und voraussichtlich noch auf Jahrzehnte hinaus; auch dafür hat jeder Hannoveraner ebenso Anlaß, dem großen StaatSmanne dankbar zu sein, wie jeder andere Deutsche. Sie gilt endlich jenem Bismarck, der das wirtschaftliche Leben de« ganzen Reichs — und auch Hannovers — so mächtig gefördert und der jene große soziale Gesetzgebung inauguriert hat, durch die wir noch heute, ein halbes Menschenalter nach Bismarcks Ent lassung, den meisten Ländern voraus sind. Wenn Hannoveraner dafür Bismarck eine Denkfaule errichten, so ist dies nicht Knechtssinn und auch nicht Erfolgsanbetung, sondern einfach Dankbarkeit. Wenn die Welfen die Großtaten Bismarcks nach 1868 nicht völlig zu würdigen vermögen, weil sie 1886 eben nicht vergessen können, so sei ihnen daS nicht verübelt; niemand wird von ihnen verlangen, daß sie heucheln und an einer Denkfeier für Bismarck teilnehmen. Dann aber sollten auch sie Gerechtigkeit üben und diejenigen, die für 1870—71 und die Leistungen Bismarcks in den darauf folgenden zwanzig Kriedensjahren ein starkes Gefühl der Dankbarkeit besitzen, nicht verunglimpfen, noch dazu mit so rohen Ausdrücken wie „Knechtssinn" und „Ekel", die der hohen Kulturstufe, auf der der hannoversche Volksstamm sich befindet und auf die er mit Recht stolz ist, nicht würdig sind. Solche brutalen Ver hetzungen aber bergen, abgesehen von ihrer Widerwärtigkeit, noch die Gefahr m sich, unter Umständen am 18. Oktober zu Ausschreitungen zu veranlassen, für die die Anhänger des WelfenblatteS schwer würden büßen müssen. * Berlin, 18. Oktober. Ueber -ie Wahl beteiligung bei den letzten Reichstags- wählen ist dem dritten BterteljahrShefte zur Statistik de- Deutschen Reiche-, das eine auf Grund der Bericht« der Wahlkommifsare aufgestellt« vergleichende Ueberstcht der Reichstagswahlen von 1898 und 1908 enthält, folgendes zu entnehmen: Die Wahlbeteiligung war bei der Wahl von 1903 un- gleich stärker als bei der von 1898. Während sich bei ersterer von 11 441 094 Wahlberechtigten 7 786 714 oder 68,1 v. H. an den Hauptwahlen beteiligten, war die« im Jahre 1908 bei 9 833 794 oder 76,1 v. H. der Wahlberechtigten der Fall. Diese Zunahme erstreckte sich auf sämtliche Staaten und grö ßeren Verwaltungsbezirke, und nur in wenigen Wahlkreisen war die Wahlbeteiligung etwas schwächer al« im Jahre 1898. Im übrigen sind die Unterschiede hinsichtlich der Wahl beteiligung in der Haupt wähl zwischen den einzelnen Staaten recht erheblich, wobei e- auffällig ist, daß fast alle Staaten, in denen die Beteiligung im Jahre 1898 beson der» groß oder gering war, diese Eigentümlichkeit auch im Jahre 1903 zeigen. Bei weitem am größten war die Wahlbeteiligung m Bremen mit 92,2 (1898 89,1) v. H., wo die Sozialdemokraten mit 81,8 v. H. aller Stimmen der frei sinnigen Vereinigung mit 48,9 v H. den Sitz abnahmen. Dann folgt Lübeck mit einer Wahlbeteiligung von 90,6 (1898 89,51 v. H. und an dritter Stelle Rcuß ä. L., wo ein heftiger .Kampf zwischen Sozialdemokraten und Konservativen (erstere erhiel ten 50,8, letztere 49,8 v. H. aller Stimmen) stattfand, mit 89,4 (1898 77,0) v. tz. Ueber 80 v. H Wahlbeteiligung hat ten dann noch Anhalt mit 87,9 (1898 78,7), Hamburg mit 84,0 (71,2), Mecklenburg-Schwerin mit 83,8 (78,6), Sach sen-Altenburg mit 83,6 (76,5), Königreich Sachsen mit 83,0 (78,9), Schwarzburg-Rudolstadt mit 80,6 (70,8), Schwarz« burg-Sonder-hausen mit 80,8 (70,7) und Dachsen-Koburg- Gotha mit 80,4 (79,9) v. H. Weitaus am geringsten war bei der Hauptwahl di« Wahlbeteiligung i« Lipp« mit 47,8 (11-8 sog« nur 88,0), vom Hundert; dann folgten Oldenburg mit 68,4 (89,0), Bayern mit 71,6 (60,2) und Sachsen - Weimar mit 78,1 (63,4) v. H. In Preußen betrug die Wahlbeteiligung 75,8 v. H. gegen 68,4 v. H. im Jahre 1898. Die st ärk st «Wahlbeteiligung hatten von den einzelnen Provinzen die östlichen, in denen der Kampf zwischen Deutschtum und Polentum tobt. In der Provinz Posen betrug di« Wahlbeteiligung 81,7, in Westpreutzen 79,3 v. H. Im Jahre 1898 hatte Westpreußen mit 77,0 v. H. die erste Stelle innegehabt, gefolgt von Posen mit 78,7 v. H. Dann folgen Westfalen mit 78,8 (70,0), Sach sen mit 77,9 (73,0), Schleswig-Holstein mit 76,2 (72,0). Rheinland mit 78,8 (66,9), Brandenburg mit 75,1 (68,9), Hannover 74,9 (69,1), Pommern mit 74,6 (68,2), Schlesien mit 74,1 (66,1), Berlin mit 73,7 (66,0), Hessen-Nassau mit 70,5 (62,1), Ostpreußen mit 70,2 (64,8) und Hohenzollern mit 64,5 (57,8) v. H. Unter den einzelnen Regierungsbezir ken stehen obenan Bromberg mit 86,3 (81,2) v. H. Wahlbe teiligung, Marienwerder mit 84,6 (81,6), Arnsberg mit 81,0 (75,1) und Liegnitz mit 79,9 (75,7), untenan Königsberg mit 70,1 (62,4), Aachen mit 68,6 (88,8), Oppeln mit 68,4 (66,0), Köln mit 68,1 (66,2) und Sigmaringen mit 64,5 (57,3) v. H. Für die Regierungsbezirke der Provinz Han nover enthält die amtliche Statistik eigentümlicherweise keine Angaben. In den einzelnen Wahlkreisen schwankt die Wahlbeteiligung bei den Hauptwahlen zwischen 47,8 v. H. und 92,9 v. H. Während aber im Jahre 1898 24 Wahlkreise mit noch nicht 50 v. H. Wahlbeteiligung waren, betrug deren Zahl im Jahr« 1908 nur noch 2 (Lippe mit 47,8 und Degendorf mit 47,2 v. H ). Umgekehrt hatten im Jahre 1898 11, da gegen im Jahre 1903 37 Wahlkreise eine Beteiligung von mehr als 85 v. H. Ueber 90 v. H. ging die Beteiligung in den Kreisen Hagenau-Weißenburg mit 90,5 v. H., in Lübeck mit 90,6, in Bremen mit 92,2 und in Wirsitz-Schubin, wo die Konservativen vergeblich den Polen bekämpften, mit 92,9 v. H. Bei den Stichwahlen kamen 7 Wahlkreise auf eine Be teiligung von mehr als 90 v. H. Darunter Germer-Heim und Wanzleben auf 92,4, der Landkreis Straßburg, den die Deutsche Volkspartei den Elsaß-Lothringern abnahm, auf 92,8 und Hagenau-Weißenburg, wo der Ansturm der Nationallibe ralen auf die Protestpartei vergeblich war, mit 93,2 v. H. (-) Berlin, 13. Oktober. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Zta." schreibt: Die „Frankfurter Reuest. Nachr." teilen mit, es schwebten gegenwärtig Unterhandlungen, nach denen der Sitz der Regierung von Wiesbaden nach Frankfurt a M. verlegt werden solle. Demgegenüber ist festzustellen, daß diese Mitteilungen jeder tatsächlichen Unterlage entbehren. — Der Prediger am. Ferdinand Richter ist gestern im 82. Lebensjahr in Martendorf gestorben. Mit ihm ist ein treu bewährte» Mitglied der nationalliberalen Partei dahingegangen, der lange Jahr« im Parlament, namentlich bei allen Fragen der Kirche und Schule, hervorragend gewirkt bat. Ferdinand Richter war am 25. Februar 1822 geboren und wurde von dem Wahlkreis Tel tow - BeeSkow - Storkow 1862 in daS preußische Abge ordnetenhaus gesandt; er schloß sich hier der Fraktion Grabow an, später dem linken Zentrum und 1866 der national liberalen Partei; den Wahlkreis Teltow-BeeSkow vertrat er bis zum Jahr 1866, dann gab ihm von 1866—1867 Berlin I, darauf bis 1879 der Wahlkreis SanaerShausen-EckartSberga daS Mandat. In seiner Gemeinde Mariendorf stand er im höchsten Ansehen, die großartigen Ovationen, die ihm bei seinem 70. Geburtstag bereitet wurden, legten hiervon be redtes Zeugnis ab. (Nat.-Ztg.) (-) Paderborn, 13. Oktober. (Telegramm.) Zum Nach folger des Armeebischofs Aßmann ist dem Vernehmen des „Westfälischen Volksblattes" nach der Generalvikar Vollmar Berlin bestimmt. Derselbe legt heute vor dem Nuntius in München daS feierliche Glaubensbekenntnis ab. Die Bischofsweihe dürste nächstens erfolgen, nachdem die päpstliche Erneunung vollzogen wordea ist. * vre-la«, 13. Oktober. Eine unter dem Vorsitz des Kardinals Kopp abgehaltene Erzpriesterkonferenz der Diözese Breslau richtete ein Ergebenheit-telegramm au den Papst, worin sie diesem die Gefühle ihrer tiefsten und willfährigsten Verehrung bezeugt. * Au» Rürnber» schreibt man der „Allgem. Ztg.": Als vor etwa N/, Jahren da» hiesige ultramontane Blatt Artikel über die hiesigen Schulverhältnrssc brachte (welche, beiläufig bemerkt, in offizieller Weise als vollständig unrichtig charak terisiert wurden-, stieß ein bekannter, durch seine Lungen kraft sich auSzeichnender ZentrumSführer in einem Privat kreise die Drohung aus, daß die Nürnberger bei der Be ratung der Polytechnikumsfrage im Landtage ihre Strafe erhalten würden. Wie erinnerlich, wurde diese Drohung auch verwirklicht, indem die damalige Vorlage der Regierung abgelehnt wurde. Nun brachte dieser Tage ein hiesiges nichtultramontane« Blatt einen Artikel au« Rom, der nicht den Beifall de» hiesigen ultramontanen Blatte- hatte. Würde das ultramontane Blatt sich mit einer Ent gegnung begnügt haben, dann würden wir wohl nicht weiter die Sache berühren. Aber da» nltramontane Blatt bemerkt, „eS sei sehr unvorsichtig, den Ultramontanen nicht paffende Zeitungsartikel zu bringe«, denn die Kammermehrheit sei imstande, de« Uebermut zu dämpfe»!" Ein Zeichen der Zeit! * München, 13. Oktober. In der gestrigen Sitzung de« Finanzausschusses de« Landtag« wurde beim Etat be« königlichen Hause- au den Ministerpräsidenten die Frage nach dem Befinden h'e- König- Otto gerichtet. Herr v. Podewrl« gab zur Antwort, daß eine Lenderung in dem Befinden des Kranken weder zum Schlimmeren noch zum Besseren eingetrete» sei, worauf der Titel -ha« »eit«« L» örftrmlg -each«i-t »«rd«.
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