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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031023029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-23
- Monat1903-10
- Jahr1903
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7364 me Oesterreich. Ungarn. Tie Wurmkrankhcit in den böhmischen Kohlenrevieren. 6. Tur, 23. Oktober. Wegen des Umsichgreifen« der Wurmkrankheit in westfälischen Revieren wurden von Oesterreich Vorsichtsmaßregeln gegen die Einschleppung der Krankheit getroffen. Der beauftragte Arzt m Dux-Ober- leutenSdorfer Revier, Herr Kais. Rat vr. Patzelt, unternahm eine Studienreise nach Westfalen in das Gebiet der Wurm krankheit und traf nach seiner Rückkehr im Bezirksspital sofort alle Borkehrungen. Im Brüx - Falkenauer Gebiete sind nach den bisher bekannten Meldungen zwölf Arbeiter von der Wurmkrankheit befallen worden. Infolge recht zeitigen Eingreifen« und sachkundigen Vorgehen« befindet sich ein Teil der Erkrankten bereit« auf dem Wege der Ge nesung, während für die anderen Erkrankten eine baldige Genesung ebenfalls bevorstehl. Frankreich. Deputierteukammer; Streikbewegung. * Part», 22. Oktober. (Kammer. Fortsetzung.) Minister präsident CombeS erwidert, er beabsichtige, weiter mit den Republikanern gegen die klerikale und die man archistische Reaktion die Regierung zu führen. Er wolle nicht auf seine Methode verzichten, welche auf der Ver einigung aller Republikaner begründet sei und welche den nicht gedeckt werden. — Der Kaiser hat zu morgen abend die an den finan ziellen Besprechungen beteiligt gewesenen Vertreter der Bundesregierungen zur Hoftafel nach dem Neuen Palais geladen. Die Besprechungen sind geschlossen worden. — Der Reichskanzler Graf v. Bülow empfing heute den mexikanischen Minister der Auswärtigen Angelegen heiten Mariscal. — Prinz Heinrich von Preußen, welcher nach seiner^ Teilnahme an der Enthüllung des Kaiser Frirdrich-Doppel- DenkmalS in Berlin in Begleitung seiner Gemahlin wieder nach Wolfsgarten zurückgekehrt ist, wird am 1l. November wieder in Kiel eintreffen. Am 15. November ist der Urlaub des Prinzen beendigt, worauf er seine Dienstgeschäfte wieder übernimmt. — Bor der heutigen Plenarsitzung de« Bundesrats dielten der Ausschuss für Justinvesen und vie vereinigte» Ausschüsse für das Seewesen, für Handel und Verkehr und für Justizwesen Sitzungen. — Die Vorschläge, welche dem Reichstage in seiner nächsten oder übernächsten Tagung zugehen werden, um die längst erstrebte Entlastung de« Rrichsgrricht« zu ermöglichen, sind, was für ihr Gewicht nicht unwesentlich ist, ausgcarbeitet worden unter hervorragender Beteiligung des jetzt zum Reichsgerichtspräsidenten ernannten bisherigen Ministrrial-Direktors im Reichsjustizamt I)r. Gutbrod. — Die kanalseindlichen Blätter verzeichnen mit Genug tuung die Auslassung eine« „hervorragenden rheinischen In dustriellen" in dem „Köln. Tagbl", der von dem Bau des Mittellandkanal« nicht« wissen will und an seiner Stelle den Bau von Schleppkähnen befürwortet. E« ist da-, schreibt die „Wes.-Ztg.", rin alter konservativer Trick, das System von Schleppkähnen gegen den Kanal auszuspielen. Die „Kreuzztg." hat sich seinerzeit dieses Vorschlages mit großer Wärme angenommen. Nachdem aber Herr v. Thielen lin Äbgeordnetenhause die absolute Unmöglichkeit de« Baue« solcher Bahnen in den Kohlenrevieren nachgewiesen hatte, bat selbst die „Kreuzztg." diese« Projekt preiSgeben müssen. Jetzt wird e« von einem rheinischen Industriellen, der vor sichtigerweise au« seiner Anonymität nicht herauötntt, wieder ausgenommen, um der Kanalvorlage ein Bein zu stellen. — Das vreußische Kammergericht hat gegenüber einer allgemein geyalteneu Polizeiverordnung entschieden, daß der Polizeibehörde nicht daS Recht zustehe, allgemein das Verabreichen von geistige» Getränken an Trunken bolde zu verbieten; Privatpersonen könnten niemals auf Grund einer Polizeiverordnung mit Strafe belegt werden, wenn sie einem Trunkenbolde Branntwein verabreichten. Anderseits habe die Polizeibehörde das Recht, Gast- und Schankwirten zu verbieten, an Trunkenbolde geistige Getränke zu verabreichen, denn nach tz V des Polizeiver waltungsgesetzes vom 11. März 1850 gehören die Wein-, Bier- und Kaffeewirtschaften und sonstige Einrichtungen zur Verabfolgung von Speisen und Getränken zu den Gegen ständen des polizeilichen Verordnungsrechts. — Aus Anlaß eine« im Eiselgebiet vorgekommenen Falles macht ein Erlaß de« preußischen Medizinalminister» darauf aufmerksam, daß Blutentziehungen bei Schulkindern rum Zwecke der Ermittelung und Feststellung von TypbuS- krankheiten (sogenannte Vidalsche Reaktion), so gerinafügig diese Blutentnahme (au« dem Ohrläppchen oder Zeigefinger- auch sei, nicht ohne vorherige« Einvernehmen mit der Schul behörde und nicht ohne Zustimmung der Eltern, unter keinen Umständen aber zwangsweise vorgenommen werden dürfen. — Hier angekommen sind der Staatsminister Möller, der Präsident des kaiserlichen Patentamts Wirkliche Geheime Ober regierungsrat Ha uh, der württembergische Gesandte Freiherr vonVarnbüler, der Bevollmächtigte zum Bundesrat württem bergische Oberstleutnant Dorrer, der italienische Botschafter Graf Lanza. — Ter Staatssekretär des Rrich-postamteS, Wirkt. Geheimer Rat Kraetke, welcher sich gegenwärtig auf einer Informations reise in West Preußen befindet, begab sich gestern von Danzig nach Dirschau zur Besichtigung des dortigen Postamtes und fuhr alsdann nach der kaiserlichen Gut-Herrschaft Tadinrn weiter, um den dortigen Postneubau zu besichtigen. Im Anschluß hieran begab sich der Staatssekretär über Elbing nach Marienburg, wo er neben bei auch da« Ordensschloß besuchte. Bon Marienburg erfolgte gestern abend die Rückkehr nach Berlin. — Das Befinden des Präsidenten des Reich-mtlitärgerichts, General der Infanterie, Frriderru Julius von Gemmingen, der seit einiger Zeit an de» Folgen einer Influenza schwer erkrankt ist, giebt zu ernster Besorgnis Veranlassung. — Freiherr Speck v. Sternb urg, der deutsche Botschafter in Washington, wird sich während seiner Anwesenheit in Deutschland einer Ohrenoperation unterziehen. — Staatsanwaltschaftsrat Plaschte vom preußischen Kammer gericht, seit kurzer Zeit HülfSarbeiter im Justizministerium, ist, wie die „Kreuz-Ztg." hört, zum Geheimen Justizrat und Vortragenden Rat ernannt worden. — Al« „SiegeSsest der Sozialdemokratie" wurde gestern der 25jährige Gedenktag des Erlasses de- Sozialistengesetzes in Berlin in den angekündigten 17 stark besuchten Versammlungen begangen. In einer de?Bersammlungen sprach Bernstein, der auch bei dieser Gelegenheit gegenüber den in Dresden laut gewor denen Auffassungen für die Akademiker eintrat: Redner wandte sich, so heißt es im „Vorwärts", gegen die Auffassung, „daß nach dem Erlaß de« Sozialistengesetzes von den gebildeten Parteiangehörtgrn die meisten der Partei den Rücken gekehrt hätten. Da« stimme nicht. So mancher Akademiker habe in der schlimmsten Zett treu zur Partei gehalten und in ihr mitgewtrkt." — In einer anderen Versammlung batte Mottrler, der ehemalig« „rote Postmeister" und jetzig« Reicy«tag«abgeordnete für Leipzig, da« Referat. * In Königsberg hat sich wieder einmal gezeigt, wie die Sozialdemokratie mit zweierlei Maß mißt. Die dortige sozialdemokratische Ortskrankenkasse hatte einen j Konflikt mit dem Aerzteverein. Sie erkannte die „gewerkschaftliche Organisation" der letzteren nicht an, während die Sozialdemokratie doch auf diese Organisationen bei den Arbeitern so sehr viel gibt. Auch zog die Kasse aus wärtige Aerzte heran, damit sie der Königsberger Aerzte- Organisation in den Rücken sielen. Sonst nennt die Sozial demokratie solche Personen „Streikbrecher". Man steht, wa« die Sozialdemokratie den Arbeitern gestattet, ist bei anderen Bevölkerungsklassen verwerflich, und wieder, waS sie diesen Ubelnimmt, ist bei den Arbeitern anerkennenswert. Wenn man e« nicht schon wüßte, baß die Sozialdemokratie lediglich Klasseninteressen verfolgt und nur die „Genossen" als voll berechtigte Burger anerkennt, so würde man durch solche Vor- kommnifse darüber genau aufgeklärt werden. (-) Königsberg t. Pr., 22. Oktober. Der Oberpräsi dent Freiherr von Richthofen hat jetzt doch au« Ge sundheitsrücksichten seine Entlassung nachgesucht. D Koburg, 22. Oktober. Die Kronprinzessin vou Rumänien nebst Kindern ist heute vormittag hier ein getroffen. * In Trier ist an die Stelle der bis jetzt an der vielgenannten königlichen Töchterschule tätig gewesenen protestantischen Oberlehrerin Frl. Martin, die nach Berlin versetzt wurde, eine Lehrerin der katholischen Mädchenschule der Ursulinerinnen getreten. — Dir Sozialdemokraten errangen bet den Gewerbe- aertchtSwahlen zum ersten Male den Sieg über die katholische Arbeiterpartei mit 220 gegen 204 Stimmen. * Stratzburg, 22. Oktober. Auf dem 24. unterelsässtschen Lehrrrtage teilte Staatssekretär v. Köller mit, daß in dem nächsten elsaß-lothringischen Lande-haushaltsetat die Aufbesserung der BolkSschullehrergebälter vorgesehen werden solle. * Saarbrücken, 22. Oktober. Die hiesige königliche Berg- werksdirektion hat gegen den hiesigen Handelskammer sekretär vr. Tille Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, welche die bezeichnete Behörde in der in einem SitzungS- protokolle der Handelskammer enthaltenen Behauptung erblb die Handelskammer betreffende Beschwerde der BergwerkSdirektton an den HandelSmtnister enthalte falsche Angaben. Da« be treffende Protokoll war vom Borsibenden der Handelskainmer Louis Vopelius und dem Syndikus vr. Lille unterzeichnet. Letzterer veröffentlichte es in der „Saarindustrie", dem Organe der Handels kammer. Der Vorsitzende der Handelskammer nahm Gelegenheit, zu erklären, daß er an der Abfassung und Veröffentlichung des Proto- kolls in der beanstandeten Form nickt beteiligt sei. Der Straf antrag wurde daher nur gegen vr. Tille gestellt. * München, 22. Oktober. I» der gestrigen Sitzung deS Finanzausschusses, in der eine Reihe von Titeln ohne größere Debatte genehmigt wurde, fragte beim Militär etat, Kapitel Bekleidung und Ausrüstung, der Abgeordnete Frank an, ob Bayern verpflichtet sei, die so oft wechselnden Verzierungen aller Art an den Uniformen nachzuahmen. Der Kriegsminister verneinte diese Frage. Er halte aber eine Aenderung nicht für ratsam, da die Mannschaften selbst großen Wert auf solche Aeußerlichkeiten legten. Deutsches Reich. Berlin, 22. Oktober. DaS Verhältnis Bayerns »um Reiche ist vom neuen bayerischen Ministerpräsidenten Freiherrn v. Podrwil« in einer ausführlichen, sorgfältig vorbereiteten programmatischen Erklärung vor der Kammer erörtert worden. Um zu dieser Erklärung den richtigen Standpunkt einzuuehmen, muß man sick daran erinnern, daß die bayerische Zentrumspartei nach dem bekannten Swine münder „Kunfttelegramm" de« Kaiser« auf dem Parteitage de« bayerischen Zentrum« und im Reichstage die lewenschaft- lichsten Anklagen gegen „Unitarismus" und „Abso lutismus" erhoben hat. Das Ministerium Crailsheim hielt derlei Anklagen für grundlos; daS Ministerium Pode- wil« tut dasselbe. Darin liegt di« höchst erfreuliche na- tionalpolitische Bedeutung der heutigen Programm rede de« bayerischen Ministerpräsidenten. Freiherr vou Podewils hat ausdrücklich betont, wie durchdrungen so wohl der Kaiser wie der Reichskanzler von der Ueber- reugung ist, daß die Rechte der BundeSfürsten und der Bundesstaaten nicht beeinträchtigt werden dürfen. Wenn der bayerisch« Ministerpräsident die Ernennung de« Herrn v. Stengel zum Schatzsekretär al« Beweis für die Ge- lnnungen der ReichSreaierung anführte, so zeigte ich damit, welch glücklicher Griff mit der Ernennung >e« bayerischen BundeSratSbevollmächtigten in national politischer Beziehung getan worden ist. Daß die bayerische Regierung an keiner verantwortlichen Stelle unrtanschen Bestrebungen begegnet, erleichtert ihr ohne Zweifel die rückhaltlose Entschlossenheit, Bayern cm Ver bände de« Reiche« mit möglichster Aktivität an allen politischen Aufgaben mitarbeiten zu lassen. Das Mini sterium Podewils nimmt lediglich reale bayerische Interessen wahr, indem e« Bayern durch regste Teilnahme an der gemeinsamen Arbeit de« Reiches vor Vereinsamung schützt. Frhr. v. Podewils hat aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß er der Erfüllung dieser Aufgabe nicht nur aus nüchterner Berechnung der Nützlichkeit, sondern auch willigen Herzens und mit der Freudigkeit deS Patrioten dient. Hierfür legt namentlich die Wärme Zeugnis ab, mit welcher er der Ver dienste der beiden Männer gedachte, die Jahrzehnte lang die glücklichsten Beziehungen zwischen dem Reiche und Bayern unterhalten haben: der Herren Graf Crailsheim und Graf Lercheufeld. Hierfür legt ferner der Hinweis darauf Zeugnis ab, daß Bauern« Stellung gegenüber dem Auslande um so angesehener sei, je geachteter das Königreich Bayern inner halb des RercheS durch lebendigste Teilnahme an der Lösung der im Reiche gestellten Aufgaben dastehe. Die bayerischen Patrioten im engeren Sinne können, wenn sie ehrlich sein wollen, von der programmatischen Erklärung des Frhr. v. PodewelS nichts wencger als erbaut sein. Natürlich wird sich der bayerische KlerikaliSmuS daran klammern, daß Frhr. v. Podewils die föderative Grundlage des Reichs betont hat und die bayerischen Reservatrechte nicht schmälern lasten will. In letzterer Beziehung jedoch wider strebte auch Graf Crailsheim, um eiu Beispiel zu nennen, der Einführung der Einheitsmarke — und ist trotzdem vom bayerischen Zentrum der Preisgabe bayerischer Interessen an den „UnitariSmuS" beschuldigt worden! Betreffs der Ein heitspostmarke stellte Frhr. v. Podewils sest, daß neuerliche Versuche, Bayern zur Aufgabe seines Standpunktes zu be wegen, in keiner Weise gemacht Worten seien. Der bayerische Ministerpräsident bestätigte damit die Mitteilung, die wir in bezug auf die Einheit-marke am 20. d. Mts. gemacht haben. * Berlin, 22. Oktober. Ueber den ArbeitSmarkt im Monat September schreibt daS „Reichs-ArbeitSblatt": Die Lage des ArbeitSmarktS im Monat September hat sich in den meisten Industrien gegen den Monat August noch weiter verbessert und kann heute im allgemeinen als günstig bezeichnet werden. Der Kohlenbergbau hat sehr gut zu tun, iu der Metall- und Maschinenindustrie und m der elektrischen Industrie hat die Besserung in der Be schäftigung weiter sehr erhebliche Fortschritte gemacht, so daß die Lage wohl als fast normal bezeichnet werden kann, und auch die Textilindustrie ist, von einzelnen Branchen ab gesehen, im großen und ganzen genügend be;chäftigt. Wenn auch m einzelnen Berufen, wie der Bäcker, Bildhauer, Buch drucker, Handschuhmacher im September eine bemerkenswerte Arbeitslosigkeit vorhanden war, und auch in einzelnen Industrien die Konjunktur ungünstig war, so ver mag daS an dem günstigen Gesamtbild des deutschen ArbeitS- markteS im September nichts zu ändern. Die au die als Mount« Pinta, Rubama und Vancouver verzeick-' Berichterstattung deS „Reicks Arbeitsblatte«" angeschlostentn neten Erhebungen verlaufend, bei dein Mount St. Ellas." Kassen zeigen für September eine Zunahme des Beschäftigungs Im Verlaus ter Verhandlungen ist, wie der Bericht grate» um 28 474 gegenüber einer Zunahme von 1« 007 tm bervorhebt, der Mangel an gutem Kartenmaterial, Monat August. Tie Vermittlungsergebniste bei den LrbeitS- über da« strittige Küstengebiet als eine wesentliche Erschwe- § nachweisen waren im September sehr günstig, in einer rung der Beratungen empfunden worden ; es wird zu-j Anzahl von Berufen konnte die Nachfrage nach ArbeitSlräften gestanden, daß die Zweifel an der Identität der in der Grenzbestimmung genannten Berge auch jetzt noch keine-weaS behoben seien, und es wirb daher eine neue kartographische Ausnahme der fraglichen Territorien nachdrücklich gefordert. Treibereien der klerikalen Reaktion einen Strich durch die Rechnung gemacht habe, bevor dieselbe di« rrwarteten Vorteile daraus ziehen konnte. Der Minister wirft sodann den liberalen Republikanern vor, daß sie sich mit den Reaktionären verbündet und zu Verteidigern der' Kongregationen aufgeworfen hätten. Man könne denselben deshalb keinen Platz in der Kammer mehrheit einräumen Er übernehme keine Verantwortung für da« Absingen der Internationale, für ihn bleibe die Mar seillaise da» offizielle Lied. EombeS bespricht darauf die Unruhen in ArmentiLre« und erklärt, daß die dortigen Plünderungen ganz unerwartet stattgesunden hätten. Seitdem er am Ruder sei, habe er niemals veranlaßt, daß Blut fliehe. (Anhaltender Beifall link«, Lärm auf der Rechten.- Bezüglich der Ereignisse in Hennebout sagte der Minister präsident, er werde die Freiheit der Bekenntnisse zu schützen wissen. Den Interpellanten sei nicht daran gelegen, di« Wahr heit festzusrellen, sondern die Regierung zu stürzen. Combes schließt, wenn das gegenwärtige Programm erledigt sei, werde die Regierung ein neues vorlegen, welche» eine Militarvorlage, die Aufhebung des Gesetzes Falloux und di« Abschaffung des kongrcganistischen Unterricht» umfasse. (Lebhafter Beifall auf der Linken.) Aynard (Progressist) wendet sich gegen Lombcs, dem er vorwirft, er vernachlässige die allgemeine Politik und beschäftige sich lediglich mit der religiösen Frage. Seine Politik sei nur ein religiöser Krieg. Redner befürwortet eine Politik der Freiheit und weist die Beschuldigung zurück, daß die liberalen Republikaner sich mit der Rechten verbündet hätten. — Im weiteren Verlaufe der Sitzung kommt eS zu Reibereien zwischen Motte (Progressist), welcher die ihm von Sembat (Sozialist) zugerufene Bezeichnung „Ausbeuter" zurückweist, und Sembat, der erklärt, er übernehme dis Verantwortung für seine Worte. Bourgeois droht, er werde den Präsidentensitz Verlusten. Schließlich werde» 7 Tagesordnungen eingebracht. Tombe» erklärt, er nehm« nur die von Sarrien eingebrachte an, in welcher es heißt, die Kammer billige die Erklärung der Regierung und gehe unter Ablehnung jedes Zusatzes zur Tagesordnung über. Diese Tagesordnung wird m i t 332 gegen 238 Stimmen an genommen und di« Sitzung sodann kurz nach 8 Uhr ge schlossen. Nächste Sitzung Montag. * Armentiörev, 22. Oktober. Kaciöres hielt vor mehreren Hundert Ausständigen auf einem öffentlichen Platze eine Ansprache, in der er die Arbeiter zum Zu sammenschluß gegenüber den Arbeitgebern ermutigte und ihnen die Unterstützung ihrer Ansprüche durch di« sozia- listischen Deputierten zusicherte. Die Versammlung nahm eine Tagesordnung an, die besagt, daß der Ausstand bi« zum äußersten fortgeführt werden soll, und gegen die Hersendung von Truppen Einspruch erhebt. Italien. Sur Krise. * Nom, 22. Oktober. Der König empfing heute in Gan Rostore den Botschafter in Petersburg, Grafen Morra diLusiano. Morgen wird der König in Rom eine Besprechung mit Zanard elli haben.— Wie die Blätter melden, hat der König Biancheri, Giolitti, ViSconti-Benosta, Billa, Sonnino und Fortis aufgefordert, nach Rom zu kommen, um ihre Ansicht über die Lage zu hören. Im all gemeinen sind die Blätter der Ansicht, daß die Lösung der Krisis schnell erfolgen werde und daß Giolitti mit der Neubildung deS Kabinett- beauftragt werden dürfte. Spanien. Kammer; vasarbetterftretk * Madrid, 22. Oktober. Die Deputiertenkammer wählte heute Romero zum Präsidenten. * Barcelona, 23. Oktober. (Telegramm.) Die Stadt konnte gestern abend nicht beleuchtet werden, da die Arbeiter der Gasanstalt in den Ausstand getreten sind. Der Gouverneur stellte einen Verein der GaSarbeiter vor Gericht. Mehrere Ausständige wurden verhaftet. Biele Kaufläden, Theater und Werkstätten sind geschloffen. Patrouillen durch ziehen die Stadt. Militäringenieure hatten GaS hergestellt, doch ließen die Ausständigen daS GaS entweichen, indem sic die Hähne der Laterne» öffneten. Orient. Balkanwtrren; Serbische». * DaS französische Intrigenspiel im Orient wird durch den „Figaro" um eine neue Nummer bereichert. DaS genannte Pariser Blatt läßt sich nämlich au« „Konstantinopel" von einer Note berichten, die Großbritannien neuerdings der Pforte überreicht habe, und behauptet, diese Note sei vonD « utschland zu dem Zwecke angeregt, die russisch.österreichischen Forderungen be- treff- Makedonien« abzuschwächen. Daß Deutschland eine der- artige Note des Londoner Kabinetts inspiriert habe, ist, wie wir auf Grund zuverlässigster Informationen feststrllen können, glatt erfunden. Im übrigen ist nach der Veröffentlichung des eng lischen Blaubuch« über Makedonien von der Ueberreichung einer englischen Note in Konstantinopel überhaupt nicht» bekannt geworden. * Konstanttnopel, 22. Oktober. Uebereinstimmende Kon sularberichte au« UeSküb, Monastir und Saloniki melden, daß die Truppenausschreitungen, besonder- die der RedifS anlaßte, ihre bisherige Scheu vor der Gesichtsmaske und all den anderen häßlichen Zutaten der Gewalttouron ab- -ulegen. Als Donat eines Morgens telephonisch bei ihr an- sragte, ob sie für den Abend zu einer Probefahrt der neuen Maschine bereit sei, sagte sie ohne Bedenken zu. Als sie nach der Fabrik kam, war Capitant bereit- selbst zu gegen. Noch immer zeigte er sich sehr kühl und gereizt. Die Tour begann tm Tempo einer gewöhnlichen Probefahrt. Als man aber die Bororte hinter sich hatte und auf freie, menschenleere Chausseen gelangte, die der aufsteigende Mond leidlich erhellte, begann das, was Do- nat ein „energisches Training" nannte: in beispielloser Eile jagte das Gefährt vorwärts, ohne jede Rücksicht auf die Beschaffenheit der Straße, gleichgültig, ob sie mit Steinen gepflastert, mit Kiesel belegt oder frisch aufge- schüttet war. Auf kleineren Strecken hatte Marion, als sie noch ihre Charette steuerte, öfters die grüßte Geschwindigkeit spielen lasten. Da hatte cS sich aber immer nur um ein paar Kilometer gehandelt. Donat hatte für die erste Probe- und gleichzeitig Trainingsfahrt aber eine fast zehnmal größere Strecke zurückgelegt und er wandte bei seiner Uebung jedes Manöver an, das bei einem großen Rennen in Frage kommen konnte: das plötzliche Halten, scharfe Wendungen bei Kurven, das Uebcrwinden steiler Steigungen, das Bergabfahren und möglichst kurze Halten nach der Gewinnng ebenen Bodens. Aber so strapaziös und aufregend hatte sich Marion die Sache denn doch nicht vorgestellt. Dagegen waren ihre eigenen Versuche die reine Spielerei gewesen. Im Verlaufe der ersten Viertelstunde dachte sie schon gar nicht mehr an das häßliche Bild, da« ein jeder Auto mobilist in der Ausrüstung für große Touren bietet. Sie saß, ohne den Willen, sich zu rühren, auf -er zweiten Bank neben ihrem Manne und hielt sich an der fort während bebenden Wagenbrüstung fest. Die Füße konnte man nicht bewegen, denn der Fnnenraum war mit Maichinrnwerkzeug und Lpritfästern ««gefüllt. Starr war ihr Blick durch die beiden groben Gläser, die ihre Augen gegen den Wind schützten, nach vorn gerichtet. Sie hatte nickt den Mui, nach links oder recht« zu sehen. Sie hielt mir immer daS Bild der vom Monde grell be schienenen Landnraßc fest, die unter ihren Füßen mit rasender Eile zu verschwinden schien. Zu Anfang hatte sie noch ein schaukelnde» Gefühl ge habt. Das verlor sich aber bald und wich einem Zittern ihres ganzen Körper». Es war ihr, al» ob jeder MuSkel in vibrierende Tätigkeit versetzt wäre. Dann beschlich sie ein matte-, flaues Gefühl im Magen, das eine ver zweifelte Aehnlichteit mit der Seekrankheit hatte. Capitant schien eS nicht bester zu gehen als ihr. Er sprach kein Wort, auch wenn sich bei den Fahrten durch die Dörfer und durch kleine Städte da» Tempo ver langsamte. Die Maschine war elektrisch beleuchtet. Eine kleine Batterie bediente die drei Laternen. Bon weitem mußte sich das blitzschnell heransausende Gefährt mit den drei feurigen Augen ganz unheimlich im weißen Mondlichte ausnehmen. Tonais geschickter Steuerung gelang e» in allen Fällen, wo die Pferde entgegenkommender Wagen scheuten oder Fußgänger in ihrer Verwirrung ratlos hin und her Uber die Strabe eilten, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Die Maschine funktionierte tadellos. Selt sam war die instinktive Furcht der Dorfhunde, die da- Gefährt niemals anfielen, sondern sich scheu an die Häuserwändc drückten, wo sie ängstlich schnaufend ver harrten, bis die Maschine wieder ihren Blicken ent schwunden war. Wenn sie dann zu bellen anfingen, waren die Automobilisten gewöhnlich schon beim nächsten Dorfe angclangt, wo sich das gleiche Schauspiel wieder holte. Auf diese» Fahrten hatte Marion niemals eine Ahnung, wo man sich befand. Ein paarmal glaubte sie, verschiedene Gegenden und Ortschaften von dem, von jenem Ausfluge wiederzuerkennen. Al» sie bei einer kurzen Rast Donat danach fragte, amüsierte sich der herzlich über ihre Vermutung; denn man war ebenso viel Meilen von Pari» entfernt, als Marion Kilometer annahm. Da der Mond um halb zwölf Uhr schon wieder ver- schivand, hatte Donat die Route so gelegt, daß man um diese Zeit die Vorstadt von Pari« erreichte. Durch die Pariser Straßen mußte die Fahrt ja beträchtlich lang samer genommen werden. UebrigenS schienen auch andere Firmen und Chauffeure ihre Probe- und TrainingSfahrten in die mondhellen Nächte verlegt zu lx»ben, denn die Rennbahn ward tagsüber nicht erheblich mehr als zuvor in Anspruch genommen. Uneingeweihte nahmen die- für ein Zeichen der Lauheit — die Fachleute wußten den Grund. „Sie haben nun Gelegenheit gehabt, festzustellen, lieber Freund", sagte Marion nach einer Reihe von solchen Fahrten lächelnd zu Donat, „wie ich mich an Bord Ihre» diabolischen Fahrzeuges benahm. Ich bitte nun um Ihr freundliches Urteil." Donat hatte die Leistungen -er Maschine und damit die Anforderungen an die Mitfahrenden progressiv ge steigert. Auf einer besonders glatten Strecke, draußen im freien Gelände, hatte er die Geschwindigkeit einmal auf 00 Kilometer in der Stunde gebracht. Er mußte nun ehrlich gestehen, daß ihm Marion, die diese Strapaze ohne Klage mitgemacht hatte, gegen alle Anfechtungen gefeit schien. Triumphierend hörte sich Marion da» unver hohlene Lob an. Sie wußte sehr gut, wie hart eS George angekommen war, auszuhalten. Er befand sich nach solchen Touren in wahrhaft bemitleidenswertem Zu stande, war aber doch zu eitel, al» daß er e» zugegeben hätte. Denn das wäre ja einer Beschämung vor Donat und seiner Frau gleichgekommen. Schließlich willigte er also in die Anmeldung zur Fahrt ein. Einen anderen Grund für Marions Eigen sinn al- ihre nervöse Vorliebe für Sensationen aller Art wußte er nicht. Nur schwer rang er sich den Entschluß von der Seele, denn er war persönlich gerade kein Held, ja eS gebrach ihm so ziemlich an allen Eigenschaften, die den Chauffeur auSzeichnen müsten, — an Selbstdisziplin, Energie, Mut, persönlicher Anspruchslosigkeit und dem richtigen Training für Strapazen und Entbehrungen. ES graute ihm geradezu vor der ungeheuerlichen Auf gabe, die das Nennprogramm an ihn stellte: genau be rechnet waren e» 1106 Kilometer, die in rasender Ge- schwindigkeit innerhalb dreier Tage zurückgelegt werden sollten. Als die Notiz, daß bei der Rennsahrt auch eine Dame aus den Kreisen der Pariser Großindustriellen mitstarte» werde, in die Journale gelangte, als daraufhin auch andere Damen, die die Sensation reizte, ihrem Beispiel folgten und Marion» Name zusammen mit solchen der ersten Aristokratie Frankreich- gemannt wurde, wnchS ihr Stolz. Nur ein Bedenken hatte sie: sie fürchtete, daß Liselotte durch irgend ein ZeitungSklatt von ihrem Vorhaben erfahren könnte. Die Pariser Blätter brachten nun von Tag »u Tag ausführlichere Meldungen übe» tle bevorstehende Monstrefahrt, und auch im Automobilklub arbeitete man fieberhaft. Marion fand sich gleich ihrem Gatten und Donat täg lich, manchmal sogar mehrmals täglich, dort ein. Eine rechte Vorstellung von dem Unifange der Vorbereitungen, die für eine solche Rennfahrt zu treffen waren, konnte sich Marion nicht machen. ,^öor allem gilt eS die Einrichtung eine- großen Apparates für den Sicherheits«, -en Kontroll- und den Skachrichtendienst", erklärte man ihr. „Die Fahrstraßen, die gefährlichen Wegepnnkte müsten bezeichnet, für Wagen parks an Len Tageszielen müssen geeignete Orte au-findig gemacht werben. Die GarnisonkommanboS, die Land- ratSämter, die Polizeibehörden müssen in Kenntnis gesetzt werben, damit es keine Verkehrsstörungen gibt. Dann be darf es der Vorsorge, daß die Fahrtteilnehmer durch die Ortschaften sicher hindurchgeleitet werden. Man wirb die verkehrsreichsten Städte z» diesem Zwecke neutralisieren." Auch die kleinste Kleinigkeit, die mit der Fernfahrt in Zusammenhänge stand, interessierte die lebhaften Pariser, sowohl die SportSleute als auch die Laien. Die Anmeldungen für beide Fahrten mehrten sich von Tag zu Tag. Auf den Chausseen im weiten Umkreise um ganz Paris herum fanden Probefahrten von Seiten aller Teilnehmer statt; solange der Mondschein anhielt, auch während der Nacht. Die Zeitungen füllten ihre Spalten mit Berichten über die Persönlichkeiten der Champion- de» Fn- und Aus landes, die sich an der Fernfahrt beteiligen wollten, oder sie stellten Vergleiche zwischen den Maschinen an, soweit deren Leistungen bekannt geworben waren. Eine- der grüßten Blätter von Pari- entsandte sogar «inen Korre- sponbenten im Automobil nach Berlin, damit er Land und Leute und Fahrstraßen vo-m automobilfftischen Stand, punkte aus studierte. Der Bericht, den er über die erste jenseits der belgi schen Grenze zu passierende Strecke erstattete, rief in Sportskreisen eine nicht geringe Beängstignna hervor. „Ohne schweren Unfall dürfte die Rennfahrt nicht ab- gehen", äußerte sich der Sachverständige, „denn hie» k" Deutschland dicht an der Grenze reiht sich Dorf an Dorf in rund acht Kilometer langer Zeile, und auf den Straßen wimmeln erschrecklich viele Kinder." (Fortsetzung folgt.)
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