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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190310252
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19031025
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19031025
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-25
- Monat1903-10
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1903
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VezugS'Pret- t» der tzauptexpedifton oder deren Au-geüe» steNea odgeholt: vtertellährltch 8.—, ke> »weimattger täglicher Anstellung in- Hous ^8 8.78. Durch die Poft bezogen Mr Deutsch» land «. Oesterreich vierteliShrlich ^l 4.80, für die übrige» Länder laut Zeitung-Preisliste. Ledaktton «nd Expedition: JohanniSgaffe 8. Fernsprecher 188 und SSL FtttalevpudM»«»« r VlfredHahn, Buchhaadlg., Unwersitütsstr.8, L. Lösche Kathariuenstr. 14, u. Königspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 84. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerlin: Carl Ouncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandlg„ Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4608. Nr. 544. MMer TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates «nd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6gespaltene Petitzelle 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 76 Lp vor den Famüieunach- richten (6 gespalten) 60 H. Tabellarischer und ^iffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uuo Offertenannahme 26 (excl. Porto). Grtra Beilagen lgrfalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.-, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abend»Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abrudS 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonntag den 25. Oktober 1903. 97. Jahrgang. Aus -er Woche. Fast -ie ganze verflossene Woche hindurch haben tn der ReichShauptstadt unter -em Borsitze des Reichs kanzler- und des ReichsschatzsekretärS einzelstaatliche Finanzminister über die Mittel beraten, durch die bis zum Eintritte der Wirkung -er auf Grund -es neuen Zolltarifs abzuschließenden Handelsverträge -ie Einzel staaten vor einer weiteren Erhöhung der Matrikular- beiträge zu bewahren seien. Was bei diesen Be sprechungen herausgekommen ist, weiß man nicht, aber jedes Kind kann sich sagen, -aß vor solcher Erhöhung nichts anderes schützt, als äußerste Sparsamkeit im Reiche und Inanspruchnahme des Reichskrcdits. Zu einer solchen Inanspruchnahme aber ist die Zustimmung -es Reichstags und besonders die des „regierenden" Zentrums nötig. Wird es diese Zustimmung geben? Gibt eS sie nicht, so übt cs dadurch einen Druck auch auf solche einzelstaatliche Regierungen aus, in deren Land tagen keine oder nur sehr wenige Zentrumsleute sitzen und die also nicht von ihrer Volksvertretung gequält wer den können, der von Preußen gewünschten Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes zuzustimmen. Was sollen nun diese Negierungen tun, um aus ihrer wachsen den Finanznot herauszukommcn? Sic muffen wohl oder übel in daS preußische Verlangen willigen, wenn sie nicht in den finanziellen Ruin treiben wollen. Hat viel leicht Graf Bülow das Zentrum zur Ausübung dieses Druckes befähigen wollen, als er sein Versprechen gab? Wenn er daS nicht gewollt hat, so hat er eS doch herbei geführt. Denn hätte daS Zentrum jenes Versprechen nicht erhalten, so würde es nicht glauben, den Bundesrat zur Aufhebung beS verhaßten Paragraphen nötigen zu können. Jetzt weiß e» ganz genau, daß eS nur noch einige der notleidendsten kleinstaatlichen Regierungen zur Zustim mung zu dem preußischen Vorschläge zu nötigen braucht, um mit der Aufhebung des 8 2 des Jesnitengesctzes zu gleich eine Abschlagszahlung auf die völlige Beseitigung dieses Gesetze- zu erlangen. Wahrscheinlich haben das auch die Herren Finanzminister sich gesagt und hüllen deshalb das Ergebnis ihrer Beratung in undurchdring liches Schweigen. Daß und warum die „Genossen" im Reichstage eine diabolische Freude an der Finanzmisdrc der Einzel staaten Haven, ist hinlänglich bekannt. Dieses Elend schafft Unzufriedene und dient den sozialistschen Agitatoren als wirksames AgitattonSmittel. So werden denn auch die unentwegten wie -ie revisionistischen „Genossen" im Reichstage für nichts zu haben sein, was die Sehnsucht der einzelstaatlichen Finanzminister stillen könnte. Die wachsende Unzufriedenheit wird die ,-Bvlksbcglücker" für die Schlappe entschädigen, die sie mit dem „Vorwärts" in dem „Kaiserin scl" - Prozesse erlitten haben. Mit dem eigenartigen Takte, durch den die ganze Aktion sich auSzeichnete, bat -er preußische Oberstaatsanwalt in diesem Prozesse «A als einen „Sport" gewisser Zeitungen bezeichnet, -em Kaiser die sogenannte Wahrheit zu sagen, allerdings verhüllt und verklausuliert. Der weniger hoch in den Wolken schwebende Publizist mußte sich wundern über die Gelassenheit, mit der solch großes Wort ausgesprochen wurde. Denn für die ge wissenhaften Mitarbeiter deutscher Zeitungen handelt eS sich in diesem Zusammenhänge um alles andere eher, als um einen Sport. Wohl jeder von ihnen hat schon ge rungen mit der unsagbar schweren Pflicht, nicht die so genannte, keine verhüllte oder verklausulierte, nein, die Wahrheit, wie sie seinem Denken und Empfinden sich darstellt, auszusprcchen auch dem Kaiser gegenüber. Nicht von den Gefahren der Majcstätsbeleidigung soll hier die Rede fein. Sie existieren für den Patrioten und Monarchisten nicht in -em Maße, daß ihre Vermeidung ihm nicht natürlich wäre. Weit schwerer lastet aus uns die Befürchtung, eS könnte schließlich das Ansehen -er Monarchie, die Kraft des monarchischen Gedankens, leiden unter einer Kritik, die sich doch nicht umgehen läßt für denjenigen, der zum Dolmetscher wie zum Führer der öffentlichen Meinung berufen ist. Wollten wider ihre llcberzengung solche Publizisten alles loben, nichts tadeln, keiner Ansicht widersprechen, die aus dem Munde des Reichsoberhauptes kommt, so verlören sie jenen Ein fluß, den die Monarchie selbst zu den Faktoren zählen muß, deren sie nicht entraten kann. Nur solche Wort führer, die vom Publikum immerdar als aufrichtig und zuverlässig erkannt werden, können der Monarchie, sollte sic irgendwann und irgendwie in Gefahr kommen, feste stützen sein. Wie wenig die Zeitungen sich zum „Sport" der Kaiser kritik drängen, hat man erst eben wahrgenommen bei den Reden, die zur Konfirmation seiner Söhne und zur Ent hüllung der Kaiser und Kaiserin Friedrich-Denkmäler Kaiser Wilhelm gehalten hat. Beide Reden ent halten Himvaise auf Fragen von allgemeinstem Interesse, sie beziehen sich auf daS EintgungSwerk, auf Gott und Glauben. Und doch haben fast all« Zeitungen ben per sönlichen Anlaß dieser Kundgebungen für auSreichend erachtet, von eingehender Besprechung abzusehen. Eine bemerkenswerte Ausnahme haben nur die Organe des UltramontaniSmus gemacht, indem st« die Heiligen-Verehrung in Schutz nahmen gegen des Kaisers Wort von ihrer Eitelkeit. Das rheinische Zentrumsblatt fühlte sich dadurch sogar angeregt, von dem geringen Erfolge kaiserlicher Reden einiges zu sagen, ja geradezu einen Mißerfolg zu konstatieren. Ob wohl auch gegen diese Art -er Kritik ein preußischer Oberstaatsanwalt Entrüstung aufbringen würde? Vermutlich würde ihn davor die Erwägung schützen, daß Verteidigung des Heiligenkultus zu den be rechtigten Interessen gehöre, deren Wahrnehmung der katholisch sich nennenden Presse obliegt. Denn auch in dieser Beziehung haben wir längst keine Mainlinie mehr. Zarteste Fürsorge auch für -en politischen Katholizismus übt in Preußen wie in Bayern der moderne Staatsmann. Hier, in -cm zweitgrößten deutschen Staate, über dessen parlamentarische Vorgänge wir in -er verflossenen Woche nicht eingehend genug berichten konnten, hat der neue Ministerpräsident v. Podewils in der Kammer der Abgeordneten Gelegenheit gehabt, seinem preußischen Kollegen zu beweisen, daß er diesem in der Fürsorge für -en politischen Katholizismus mindestens nichts nach gibt. Es war durchaus keine partikularistische Tat, daß er den päpstlichen Nuntius gegen die Liberalen verteidigte, die es für ungehörig erachteten, -aß der Herr Nuntius an -er Tagung deS katholischen Preß vereins teilnahm. Er darf diesen nicht als politischen Verein ansehen, der gute Herr v. Podewils, weil die Polizei es nicht tut. „Dafür kann ich nichts", obwohl dieser Verein in seinen Kundgebungen von der „bewunderungs würdigen Klarheit und Festigkeit" spricht, Mit der das katholische Bayernvolk zu den Parlamenten wählt. Nicht politisch ist ein Verein, der die Mannen aufruft, um „ben Uebcrmut unserer Gegner zu brechen", die „dem ganzen katholischen Bauernvolke förmlich und öffentlich den Krieg erklärt haben." Es hat beileibe mit Politik nichts zu tun, wenn dieser Verein sich vornimmt, „den Nebermut von Nichtbauern und Ausländern evangclisch-bündle- rischcr und hochverräterisch-alldeutscher Richtung zu brechen." Wir erinnern uns, daß in Ungarn vor Jahren der päpstliche Nuntius sich eine Rundreise gestattete und deswegen im Reichstage vom Ministerpräsidenten einen solchen Denkzettel erhielt, daß in Wien -er Minister des Auswärtigen für ihn eintrcten mußte, aber mit dem Effekte, daß er selbst sein Amt verlor, obwohl er der berühmte und hochverdiente Kalnokn war. Herrn v. Pode- wilö wird eS in seiner Stellung keinen Schaden tun, daß er, noch dazu mit einer so abgeschmackten Finte, den Nun tius zu halten versucht hat. Zudem ist er mit dieser frommen Tat sich selbst treu geblieben. Ist man einmal, wenn auch nur sechsjährig und mtt -er Kinderfrau, zur schwarzen Mutter Gottes von Altoetting gewallsahrtet, so ist man ge feit gegen die Sünde einer Beleidigung -e» päpstlichen NuntiuK DaS neckische Spiel -es DruckseblerteirfelS hat in den Münchener Sitzungsbericht eines großen Ber liner Blattes am -Donnerstag folgenden Satz geraten lassen: „In lebhaften, sehr energischen Ausführungen be spricht der Minister hierauf die ultramontane Agitation im Lande und führt charakteristische Beispiele unter stürmischem Beifall -er Linken und heftigem Widerspruche der Rechten auf." Nicht der Minister, sondern -er Führer der Libe ralen hat daS getan. Herr v. Podewils hat sich — von seiner mehr langen als inhaltsreichen Rede Uber Bayerns Reichstreue abgesehen — zwar über die von liberaler Seite ihm entgegengestellten Vorurteile sehr laut beklagt, aber von den Extravaganzen der ultramontanen Blätter schwieg er. Ja, er hat in das Lob der hingebungsvollen ReichStreue die Ultramontanen Bayern- ausdrücklich mit hineinbezogen, trotz der „preußischen Lakaien" eine- ihrer Wortführer. Wir müßten uns sehr irren, wenn von diesem StoatSmanne besondere Verdienste um Nieder werfung deS UltramontaniSmus jemals sollten zu ver zeichnen sein. Daher zweifeln wir auch sehr, ob ihm je mals stürmischer Beifall der Linken, heutiger Widerspruch der Rechten wird zu teil werden. Auch künftighin wird die Sache beS Liberalismus auf die Liberalen deS bayerischen Landtags angewiesen sein. Und da kann cs uns mtt wahrer Freude erfüllen, daß deren Führer zweimal recht scharf gesprochen hat. Lchädlcr hatte erklärt, seine Partei verlange, baß Bayern und sein Ministerium die ans Verfassung und Vertrag beruhenden Rechte der katho. lischen Kirche achte. Man weiß, wie cs aufzufaffen ist, wenn ein Schädler ausruft: „Und darum müssen wir ver langen, insbesondere nach dem Vorgang Ladenburg in Kassel, daß unsere Hochschule bei aller Freiheit der wirk lichen und wahren Wissenschaft nicht wieder zum Tummel, platz für ungewisse Hypothesen gemacht werde." Aber der wackere Führer der Liberalen ist den Gegenhieb nicht schuldig geblieben. Er hat für feine Forderung die richtige Adresse gefunden, als er dem Ministerpräsidenten ins Ge- sicht sagte: „Namentlich verlangen wir, daß nicht eine neue Aera Landmann eintritt, die die Regierung zur Geschäfts führerin der Zentrumspartei macht. Wenn wir das wahrnchmen würden, würden wir die Regierung mtt allen uns zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen. Wenn Sie -ie von mir bezeichnete Richtung einhalten, werden Sie, wie gesagt, unsere Unterstützung finden, wenn nicht, werden Sie uns gegen Sie finden." Es liegt ein furcht barer Ernst in diesen Sätzen, wie in der ganzen politischen Situation Bayerns. Die Podewilssche Auslassung über ReichStreue, Briefmarke und katholischen Pretzverein nimmt sich dagegen äußerst harmlos, zu harmlos aus. Crailsheims Nachfolger scheint nicht zu ahnen, daß unter der glatten Fläche, auf der er sein Rößlein tummelt, ge fährliche Elemente fluten, die den fröhlichen Rciterömann leicht verschlingen können. Deutsches Reich. es Berlin, 24. Oktober. lWettrennen und Rennwetten.) In diesen Tagen stand ein Sekretär der Staatsanwaltschaft wegen gröblicher AmtSver- gehungen vor Gericht. Diese Vergehungen sind zurückzu- führen aus pekuniäre Verlegenheiten, und diese Verlegen heiten wieder sind in erster Reihe zurückzuführen auf eine unselige Spiellcidenschaft des Mannes. Er hak selbst zugegeben, im Laufe weniger Jahre die an sich sehr stattliche, für einen Mann seines Standes und Einkom mens aber geradezu ungeheuere Summe von 12 000 Mark am Totalisator eingebüßt zu haben. Ein eigen artiger Zu'all will es, daß an demselben Tage, an dem der Sekretär Baganz dies Geständnis machte, ein Sportblatt die Mitteilung brachte, dem Reichstage werde ein Gesetzentwurf zugehen, die zur Zeit 20 Prozent be tragende Totalisatorsteuer (die Erhöhung aus 20 Prozent hat bekanntlich erst vor wenigen Jahren stattgefunden) wieder herabzusetzen. Das Blatt begründet diese Forde rung damit, daß der Fiskus durch eine niedrigere Besteue rung gar nicht geschädigt werden würde: denn die Wetten am Totalisator würden dadurch wieder an Umfang zu nehmen. Wir glauben nicht, daß ein derartiger Gesetzent wurf im Reichstage auch nur die mindeste Aussicht auf Annahme hätte. Sozialdemokratie und Zentrum, denen im neuen Reichstage nur noch ganz wenige Stinnnen zur Mchrluut fehlen, wären geschlossen gegen eine solche Er mäßigung, von den anderen großen Parteien kaum eine einzige geschlossen dafür. Wir sind Gegner sowohl der Sozialdemokratie, wie des Zentrums: aber in diesem Falle können wir ihnen nur beitrcten. Wir gehören nicht zu jenen Puritanern, die da verlangen, derStaat solle die nun einmal der Menschheit seit Jahrtausenden inne wohnende Spiellcidenschaft zu unterdrücken suchen. Er soll sie in geregelte Bahnen lenken. Das tun viele der deutschen Einzelstaaten durch staatliche Lotterien mit einem ganz be stimmten Spielplanc, nach dem jeder Mitspiclcnde seine Chancen berechnen kam» Das Spiel am Totalisator aber ist den Launen des Zufalles prcisgegebcn: dies geht schon am besten daraus hervor, daß selbst die Prognosen der Fachblätter über die voraussichtlich gewinnenden Pferde unendlich oft nicht cintreffen. Es ist deshalb schon schlimm genug, daß der Staat den Totalisator duldet, und es wäre geradezu unverzeihlich, wenn die Erschwerung, die die Er höhung der Totaliiatorsteuer mit sich gebracht l>at, in Fort fall käme. Daneben freilich sollte der Staat den Buch machern, den Wcttburean- und erst gar dem lichtscheuen Gesindel der „Tipster" gehörig auf die Finger klopfen. Wenn man die Wunde des Totalisators zu berühren wagt, so sind die Sportblätter sofort mit dem Vorwurfe blinder Feindschaft gegen den Rennsport bei der Hand. Wir sind nicht nur nicht blinde Feinde, sondern Freunde des Sports. Deshalb begrüßen wir eS, -aß der Kaiser seine Zustim mung gegeben hat, daß in Berlin wieder Wettrennen am Sanntage stattstndcn dürfen. Ebenso sind wir durchaus nicht Gegner der von einem Sportblattc angekündigten Absicht der preußischen Regierung, die für Rennpreise auSgeworfene Summe zu erhöhen. Durch eine solche Er höhung mn 100 000 oder 200000 eine Summe, die bei dem preußischen Riescnetat keine Rolle spielt, wird nie mand unglücklich gemacht oder demoralisiert. Durch den Totalisator aber werden Tausende dem Verderben und dem moralischen Verfall Angeführt. Und wenn gesagt wirb, die Wettrennen könnten ohne Totalisator nicht be stehen, so wird damit das Todesurteil über die Wettrennen ausgesprochen, denn dann wäre das ganzeSystem so unge sund und verfehlt wie nur möglich Wir glauben aber nicht an bieft Behauptung. In Berlin wenigstens hat die Wiedereinführung des Totalisators nur den Erfolg ge habt, die gute Gesellschaft von dein Besuche der Rennbahn abzustoßcn, weil zahllose fragwürdige Existenzen sich ein fanden, denen -er edle Sport vollkommen gleichgültig ist und denen nur daran liegt, im Trüben zn fischen 0. II. Berlin, 24. Oktober Die Bauarbeiterbe wegung, die im nächsten Jahre lo-brechen soll, wird schon setzt eingeleitet. Nach den Ankündigungen der Agitatoren des MaurerverbandeS dürfte in circa 200 Städten zu gleicher Zeit die intensivste Agitation zur Durchführung deS Acht stundentage« einsetzcn. Der Eifer der Mitglieder des Bei bandes, den Streikfonds zu stärken, ist lebhafter al- je. In der Woche vom 13. bi- zum t9. Oktober sind wohl 50 000 diesem Fonts zuaesübrt worden, darunter au- Berlin 14 835 aus Braunschweig 1609 aus Wiesbaden 1600, aus Stettin und Umgegend 2324 aus vre-lau und Umgegend 8222 ^e, aus Hamburg 4455 Zahlreiche Provinzialkonferenzen, auch Baukonferenzen ge nannt, finden statt, um den Plan im einzelnen zu entwerfen. Für den Gau Magdeburg hat eine Konferenz in Blanken burg getagt, auch die Gaukonferenz für Stuttgart ist bereits abgehalten worden, die für Köln soll am 15. November tagen. Auf diesen Konferenzen wurde die Agitation auf den Bauten als die vorteilhafteste empfohlen, da man bei ihr auch den nicht zum Verbände gehörigen Kollegen so zusetzen könnte, daß sie schließlich mürbe würden und dem Verbände beiträten. Zahlreiche Beispiele dieses Terrorismus sind ja bereits bekannt geworden. Auf der Gaukonferenz Stuttgart bemerkte ein Delegierter, die Unternehmer würden nun bald einsehen, daß die Maurerorganisation und deren Kasse nicht zu sprengen sei. Ein Teil der Unternehmer bat leider die ihnen allen für daS nächste Jahr drohende Gefahr noch nicht erkannt; aber es ist koch erfreulich, daß diese Er kenntnis im Wachsen ist. Trügen nicht alle Anzeichen, so bringt uns das nächste Jahr Lohnkämpfe in einer Schärfe und einem Umfange, wie wir sie noch nicht erlebt haben. ID Berlin, 24. Oktober. (Zum Vorgehen gegen die Anarchisten.) Wegen eines schamlosen Artikels „Der Kaiser von Sahara" ist bekanntlich das Anarchistenorgan „Neues Leben" konfisziert und der Redakteur des Blattes Knobel verhaftet worden. Die Polizei nahm dann noch verschiedene Haussuchungen vor, so u. a. bei den bekannten Anarchisten Grünen berg und Reinhard, welche die ersten BerlrauenSmännerposten bei den Anarchisten bekleiden; es soll aber nichts gefunden worden sein. Anläßlich der Verhaftung deS Knobel ist natürlich der übliche anarchistische Aufruf zu Sammlungen erschienen. „Zwei Genossen" — beißt es in ihm — haben für unsere Ueberzeugung ihre Freiheit geopfert und da durch ihre Familien in Not gebracht. Wer ist da unter Euch, ter nicht einige Groschen übrig hat, um helfend einzugreifen?" — Bekanntlich war in dem hiesigen Anarchistenvereine, der den Namen „freiheitliche Sozialisten" führt, ein Vortrag des Ur. Friedcberg über den „Generalstreik" angeküntigt. I)r. Friedeberg war sozialistischer Delegierter in Dresden und aus der Ankündigung dieses Referenten war gefolgert worden, daß manche Brücke vom Anarchismus rum cLozialiSmus hinüberfübre. I)r. Frieteberg bat nun seinen Vor trag gehalten und dabei erklärt, daß eine Wechselwirkung zwischen den beiden Hauptrichtungen deS Sozalismus, „Sozialdemo kratie und Individualismus", nötig sei. Dieses Wort verdient festgenagelt zu werden. Wenn ein bekannter sozialdemo kratischer Delegierter ein Handinhandgehen von Sozial demokraten und Anarchisten für notwendig erklärt, so beweist das, daß dieser Mann selbst die Hände in beiden Lagern Kat und für eine noch weitere Verbindung tätig ist. Wenn wieder einmal die Sozialdemokraten die Anarchisten abzu schütteln versuchen, dann sei auf diese Aeußerung deS Ur. Friedeberg bingewiesen. Der nächste Vortrag im anarchistischen Verein findet am 27. Oktober statt; ein Herr Max Schütte soll Uber die Ermordung Kaiser Alexanders H. sprechen. Es wird interessant sein, zu be obachten, wie viel Sozialdemokraten diesen Vortrag mit an hören und bejubeln. * Berlin, 24. Oktober. Fälle von sozial demokratischem TerroriSmuS, soweit es sich »m Beseitigung der Konkurrenz nichtsozialdemokratischer Arbeiter handelt, werden fast täglich berichtet. Daß die sozialdemokratischen Arbeiter nicht immer aus eigener Initiative handeln, sondern selbst unter der Diktatur der sozialdemokratischen Partei stehen un- dadurch verhindert werden, einen ihrer Arbeitskraft und Geschicklichkeit entsprechenden höheren Ver dienst sich zu erwerben, beweist folgender Vorfall. Bor kurzem hatte -er Vorstand des Berliner Beamtcn- wohnungSvereins über Schwierigkeiten bei der Ausfüh rung seiner Neubauten geklagt. ES fiel -cm Vorstände auf, daß viele tüchtige, in Akkord arbeitende Leute stet- um 2 Uhr Feierabend machten. Auf Befragen erzählten sie, sie dürften nicht mehr als eine bestimmte Menge f e r t i g st e l l e n; da sie aber flotte Ar beiter wären, dürften sie, um -en Durchschnitt nicht zu überflügeln, nicht mehr als etwas über einen halben Ta g schaffen. Da die Arbeit nicht flott ge nug Vorschrift, forderte der Vorstand des Beamten- wvhnungSvercins den Unternehmer auf, mehr Leute c i n z u st c l l e n. Da erklärten ihm aber die Arbeit nehmer, wenn er ihnen -ie Arbeit nicht ganz »-erlassen und noch einen einzigen Manu einstcllen werde, so wür den sic sämtlich die Arbeit nie der leg en. Letzterer Fall hat sich häufig wiederholt. Durch das häufige Fragen der den Bau besuchenden Mitglieder und die offensicht liche Acngstlichkcit manches Mieters waren die Arbeiter genau darüber unterrichtet, daß eine bestimmte Arbeit dringender war als -ie sonstigen Arbeiten. Der Lohn hierfür betrug 5, mitunter 6 Eines Sonnabends traten einige Mann bei dem Unternehmer an und er klärten, man wolle für diese Arbeit eine neue Preis bemessung vornehmen, der Lohn betrage fortan 12 Wenn der Unternehmer nicht die Annahme erkläre, wür den alle streiken. — Also die flotten Arbeiter, die -er Sozialdemokratie ««gehören, werden von Partei wegen gezwungen, ihre Arbeitszeit mißt nur, sondern auch ihren Arbeitsverdienst einznschränken! DaS ist sozialdemokratische „Freiheit" und daS ist sozialdemokra tische Fürsorge für daS Wohl deS Arbeiters! — Wie wenig ernst die führenden Persönlichkeiten der Partei eS mit der Arbeiters üirforge nehmen, geht aus folgender Meldung der „Freis. Ztg." hervor: lieber grobeMiß - stände in sozialdemokratischen Betrieben führten die Schlächter bittere Klage. In der letzten öffentlichen Versammlung der Berliner Schläckitcrgesellcn wurde sestgestcllt, daß in den Schlächtereien, die der sozial demokratische Rabatt-Sparverein „Tüdost" kürzlich ein gerichtet hat, Zustände herrschen, dft jeder Be schreibung spotten. Ungesunde Sckilaf- und Ar- beitSränme sind vorhanden, so -aß man sich genötigt ge sehen hat, bei der Polizei Anzeige zu machen; weil die organisierten Gesellen sieb weigerten, Mund 17 Stunden zu arbeiten, wurden sie entlasten un unorganisierte eingestellt. D Berlin, 24. Oktober. (Telegramm.) Die „Nordd. -lllq. Ztg." schreibt: Der Kaiser sagte sich für heute abend bei dem Reichskanzler Grafen v Bülow zum Diner an. Unter den Geladenen befinden sich der Rektor der Universität Frbr. v. Richthofrn, Reinhold Bega«, vr. Slaby, di«
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