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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031029022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903102902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903102902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-29
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VeilW M 8ei»M ÄMt mi> AnMlNr.M, ÄmerÄG A. Moder tSV. Weü-Aiitzck.) - ! Kunst un- Wissenschaft. Musik. NeueS Theater. Leipzig, 29. Oktober. Selten nur läßt sich Frau Kammersängerin Baumann, das gefeierte Ehren mitglied dcS Stadttheaters, noch auf unferer Buhne sehen. Doch wenn sie kommt, dann erfreut und erquickt ihre Kunst den Hörer wie ehedem. Auch gestern streute ihre Madame Fluch tn Nicolais köstlichen „Lustigen Weibern von Windsor" eitel Lust und Behage», auS. Es war nicht nur ihre virtuose Gesangskunst, die ihr Len Wohlklang ihres Organs in so seltener Weise konserviert hat; die Leichtigkeit, Freiheit und Reinheit ihres Ansatzes, die Ausgleichung in allen Registern und Stärkegraden, die Bvlubilität des Tones, für das lustige Koloraturgeschnörkel der Partie ein ganz be sonderer Vorteil; es war nicht viel weniger der Geschmack und die Pikanterie ihres aufs feinste pointierten Bor- trageS und nicht zuletzt das von Witz, heiterer Laune, List und Uebermut prickelnde Spiel, das wie mit lustigen Schelmereien in den Sccnen mit dem elefantischen Galan, so mit köstlich affektierten Jammermeisen in den lärmenden Ehestanbsscenen aufs ««genehmste unter hielt. Kein Wunder, -aß die Künstlerin das Haus zu freudigem Beifall htnritz und mit Kränzen und Blumen überschüttet ward. Nicht geringer war der Jubel, den die prächtigen Stimmen der Herren Rapp und Schelper in dein berühmten Duo, das natürlich iviederholt werden mutzte, entfesselten, dieser in der Rolle des Fluth, den er in der charakteristischsten Weise als rabiaten Polterer, mit Gift und Groll geladen, als wütenden Othello, borstig bis tn die Haartour, zurechtstellte, jener ein ganz drolliger Falstaff von der Grazie eines Nilpferdes, in seiner Dummdreistigkeit in der Tat über alle Mittelmäßigkeit erhaben, -och der Pointierung des gesprochenen Wortes nicht durchweg mächtig. Recht frisch und anmutig gab Frl. Seebe, deren vielseitige Verwendbarkeit in der Tat erstaunlich ist, das vielumworbene Bräutchen wieder, ohne allzu sehr in Sentimentalität unterzutauchen, und sang die lyrischen Ergüsse mit ebenso quellendem Tone, als ihr das anmutige Geschwätz der „sühcn" Anna leicht und zierlich von den Lippen perlte. Ein kleiner Jntonationsmangcl ließ sich ihr leichter nachsehen, als ihrem Partner das häufige Detonieren. Eine sehr ansprechende Reich stellte Frl. Sengern in die Scene. Von drastischer Komik waren die mit vollen» Recht stark karikierten Buffvfigurcn der Herren Marion und Kunze. Das Ensemble ging flott un frisch. Herr Kapellmeister P o r st brachte die stimmungs vollen Partien des Werkes wie die dramatisch belebten gleich feinsinnig zu Gehör. Hervorragend schön und mit trefflichem Anpassen an die Solisten spielte Herr Konzert meister Wollgandt die obligate Violine. vr. R u d. Krautze. Altenburg, 26. Oktober. Wie in Leipzig gestern Mcyerbeer die Oper beherrschte, so auch in Altenburg. Nur mit dem Unter schiede, daß hier „Die Hugenotten" gegeben wurden, dort aber „Tie Afrikanerin". So waren wir wenigstens in etwas der Großstadt über. Leider war es keine tadellose Aufführung, welche uns geboten wurde. Der von Halle entliehene Heldentenor, Herr v. Humalda, hatte keinen besonders glücklichen Tag und vermochte somit die Partie des Raoul nicht einheitlich zu gestalten. Das aber ist bei diesem Charakter unbedingt von nöten, wenn er ergreifend wirken soll. Daß in Herrn v. Humalda eine tüchtige Kraft schlummert, möchten wir nicht leugnen; aber er scheint sie nicht immer in glück licher Weise nützen zu können. Denn kaum hatte er sich auf die Höhe der Partie geschwungen, so versagte mählich seine Kraft — gesanglich sowohl wie darstellerisch. An Entschuldignngsgründen für die wechselvolle Leistung wird es gewiß nicht fehlen, darunter gar viele, denen mit Rücksicht darauf, daß der Gast ganz neu auf der hiesigen Bühne war, die Berechtigung nicht abgesprochen werden darf, und so wäre es wünschenswert, wenn sich bald wieder einmal Gelegenheit böte, den Heldentenor von Humalda noch besser kennen zu lernen. Frau Kochhann, unsere Primadonna, litt einiger maßen an Heiserkeit, weswegen die hohen Töne gaumigen Beiklang hatten und die ersten Takte der völligen Sicherheit entbehrten. Trotzdem wuhte sie ihre „Valentine" recht sympathisch zu gestalten. Das kam daher, daß sie voll und ganz in ihrer Rolle aufging. In ihr wuchs sich das liebe ¬ dürstende Edelfräulein zu einer heldenhaften Gestalt voll er greifender Schönheit aus. Echtes dramatisches Leben flutete auf und ab und brachte zur rechten Zeit eine Steigerung des Gefühls lebens zum Ausdruck, daß man ganz im Banne der Valentine lebte, mü ihr fühlte und mit ihr litt. Schade nur, daß ihr Partner sich nicht immer von ihr mit fortreißen ließ, wodurch die hohen dramatischen Momente etwas beeinträchtigt wurden. — Gut erfaßt hatte Herr Guth seinen Marcel, und gesanglich leistete er durchgängig Vollwertiges, weshalb wir uns von ihm noch manche schöne Leistung versprechen dürfen. Besonders gut bei Stimme war Frl. Dölitzscher als Margarethe von Valois, wie auch Frl. Zurmahr gesanglich mehr bot, als man von ihr erwartet. Beide Damen haben sich wesentlich vervollkommnet, und bei der «steren schwindet auch die Schwerfälligkeit ihrer Bewegungen, wo durch sie sich früher stets als Neuling verriet. Herr Görger zechte sich als routiniertester Sänger unlerer Bühne und schuf im Grafen Nevers eine mustergültige Bühnenfigur. Herrn Paul schien die Partie des Grafen Saint-Bris nicht günstig zu lieben, wiewohl er nach der Seite der Verinnerlichung hin kaum zu wünschen übrig lietz. Die kleineren Rollen fallen weniger ins Gewicht und seien daher nicht einzeln besprochen. — An Stelle des Herrn Hofkapell meister vr. Göhler erschien als Leiter der Ausführung Herr Kapell meister Ritter, er war seiner Aufgabe gewachsen und dirigierte an der Hand des Klavierauszugs mü großer Sicherheit und tempera mentvoll. Im Orchester fehlte noch manches an der Kleinarbeü, desgleichen bei den Thören. Literatur und Theater. Leipziger LckrausptelhanS. Leipzig, 29. Oktober. Adolph L'Arronge und Gustav von Moser haben vor mehr als 30 Jahren gemeinsam eine Posse geschrieben — „Der Registrator auf Reisen" —, die, aü sie neu war, eine ganz bedeutende Zugkraft ausübte. Damals waren die Theaterbesucher noch naiv, schwärmten nicht für den Naturalismus oder Symbolismus, sondern ließen sich gern eine Welt vorgaukeln, die zwar nicht existiert, aber gar lustig anzuschauen ist. Die Berliner Posse stand zu jener Zeit in hoher Blüte und es war für jeden Bühnen- Autor ehrenvoll und brachte ihm Gewinn, wenn er eine solche schrieb und sich damit auf der Höhe des dramatischen Könnens zeigte. Die oben erwähnte Posse der Herren L'Arronge und Moser, welche jüngst, mit William Büller als Registrator Cäsar Wichtig, im Leipziger Schauspielhause von neuem auf die Bretter kam, hat sich den Ruf einer „klassischen" Posse erworben; ihre Ausgrabung ist daher, wenn auch nicht gerade mit Freuden zu begrüßen, so doch vom Standpunkte einer jedem Geschmack Rechnung tragen den Repertoiremischung zu entschuldigen. Es ist ja jetzt Mode geworden, alte Possen wieder hervorzuholen, sie neu aufzuputzen und sie dem Publikum als leicht verdauliche Zwischengänge in dem modernen Theatermenu vorzusetzen. Auch Herr Direktor Anton Hartmann eignete sich die neue Gepflogenheit gewisser Berliner Bühnen an und ließ den „Registrator auf Reisen" neu einstudieren. Da aber William Büller nur einmal die Rolle des Cäsar Wichtig spielte und da« Stück nicht gleich wieder vom Repertoire verschwinden sollte, wurde für die weiteren Aufführungen Herr Emil Wirth mit der Rolle betraut. Gestern abend präsentierte sich der genannte Darsteller, dessen humorvolles Gestaltungstalent sich wiederholt glänzend be währt hat, zum ersten Male als Registrator Cäsar Wichtig und erntete damit einen großen Erfolg. Man muß aller dings Spaß verstehen und sich mit sanfter Gewaltanwendung in das wunderliche Milieu hineinleben, um den arg verspot teten Bureaukraten, dessen Name schon eine starke Ironie ist, als eine möglicherweise in der Welt existierende Persönlichkeit aufzufassen. Sobald man dies fertig ge bracht, amüsiert man sich über das tolle Durcheinander der Possenhandlung. Herr Wirth schuf ein sehr ergötzliches Charakterbild. Sem Cäsar Wichtig machte den Eindruck, als wäre er einem Bilde von Oberländer entsprungen. Nach unten schroff, nach oben wedelnd, dabei auSgestattet mit bescheidenen Geistesgaben, die ihm, einem Epigramm Grillparzers folgend, ein Lebensalter von mindestens 80 Jahren garantieren, nebenher aber auch mit einem guten Quantum sogenannter Bauernschlauheit ausgerüstet, so ist der Registrator aufzufassen und so hat ihn Herr Wirth in allen Teilen mit Bravour zur Geltung gebracht. Das Hau war zwar nur schwach besucht, was eS indes an Beifalls jubel aufbringen konnte, das spendete es Herrn Wirth und den übrigen sehr wackeren Darstellern. — lieber die letzteren wurde bei der früheren Besprechung bereits berichtet. Franz Urban. * Tas „Neue Wiener Journal" feiert sein zehnjähriges Bestehen. Im Jahre 1893 gegründet, hat es jetzt in Bezug ans die Zahl der Abonnenten alle österreichischen Tagesblätter über flügelt. Tie am 15. Oktober herausgegebene Festnummer ist 92 Seiten stark; eine große Zahl namhafter deutscher Schriftsteller hat zu dieser Nummer Beiträge gegeben, meist kleinere Skizzen und Aphorismen, welche ein Zeichen des Anteils, den man auch in Deutschland an dein Aufschwung dieses „unparteiischen Tagblatts" nimmt. Für Leipzig ist wohl die Tatsache von einigem Interesse, daß der Herausgeber, I. Lippowitz, der das Blatt in verhältnis mäßig kurzer Zeit so in die Höhe brachte, ein geborener Leipziger ist und sich hier seine ersten journalistischen Sporen verdiente. 8 Adolf Menzels berühmtes Meisterwerk, die „Piazza d'erbe in Verona", ist bei Versteigerung der Sammlung Henneberg, München, durch Vermittlung des Herrn Hofkunsthändler Ludwig Gutbier, Dresden, von einem deutschen Sammler erworben worden. Erfreulicherweise wird das herrliche Gemälde zunächst noch für einige Wochen auf der großen „Menzelausstellung", die Herr L. Gutbicr (Arnolds Kunsthandlung) in seinem Dresdner Salon veranstaltet, zu sehen sein. Ernennungen, Verletzungen rc. im öffentliche« Dienste. Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zu besetzen: die ständige Lehrerstelle in Stein- Hübel-Sciffen. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: außer Amtswohnung im neuen Schulhause 1200 Mark Grundgehalt, 120 für zwei gewerbliche Zeichenstunden, 50 Heizungsentschädigung, event. 72 für Erteilung des weiblichen Handarbeitsunterrichts und 36 für Heizung und Reinigung der Schulstube. Gesuche sind bis zum 14. Novem ber an den Kgl. Bezirksschulinspektor Schulrat Or. Winkler in Freiberg einzureichen; — die Filialkirchschulstclle zu Beucha. Kollator: das Kgl. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Einkommen neben freier Wohnung mit Garten 1200 «L vom Schuldienste, 250 vom Kirchendienste, 110 für Fortbildungsschulunterricht und 55 <K für Sommerturnen. Event, werden der Frau des Lehrers für Erteilung des Nadel arbeitsunterrichts 60 gewähr». Bewerbungsgesuche mit sämtlichen Unterlagen, einschließlich des Militärdienstauö- weiscs, sind bis zum 15. November bei dem Kgl. Bezirksschul inspektor Or. Stephan in Borna cinzureichen. Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. 6. Leipzig, 28. Oktober. Die Schlafsucht hat dem 23 Jahre alten Tischler und Bierausgeber Max Friedrich K. aus Zeulen roda bei seinen Diebstählen schon zweiinal in recht üble Lage gebracht und ihn der Polizei in die Hände geliefert. Er hat sich dies aber nicht zur Warnung dienen lassen, sondern ist am Morgen des 10. August nach einem Diebstahl wiederum ein geschlafen, überrascht und festgenommen worden. Er hatte sich am Abend des S. August nach 7 Uhr in einen Gasthof in der Plagwitzer Straße in Kleinzschocher eingeschlichen, auf dein Boden genächtigt, und nach eingctretener Nachtruhe aus dem Gastzimmer ein Spiel Karten, ein Stück Brod, eil» Taschentuch und ein Taschenmesser gestohlen. Dann hat er sich nochmals zur Ruhe gelegt, und ist wieder so fest eingeschlafen, daß er früh von der Buffetiersehefrau, als diese die Leute wecken wollte, überrascht wurde. Er floh über das Dach eines Nach- bargrundstückcs und sprang von hier aus durch ein Fenster ins Freie, wurde aber festgeyalten und der Polizei überliefert. Der Gerichtshof verurteilte K. unter Aufhebung zweier ihm von den Schöffengerichten in Schmölln und Zwickau wegen Betrugs am 11. bez. 24. September zudiktierten Gefängnis strafen von einem Monat und bez. 7 Wochen unter Zubilligung mildernder Umstände zu einer Gesamtstrafe von einem Jahre fünf Monaten zwei Wochen Gefängnis und 5 Jahren Ehrenrechtsverlust. Die seit dem 1. September verbüßte Strafhaft kommt auf die erkannte Strafe in Anrech nung. Einen nicht geringen Schrecken hatte die Dienstmannsehe frau F. in der Erdmannstraße in Plagwitz, als sie am 30. Sep tember von einer Reise zurückkehrte und die Entdeckung machte, daß in ihrer Abwesenheit ein Fremder in ihre Wohnung ein gedrungen war, aus der Kommode ihr Sparkassenbuch mit einer Einlage von über 1200 ge» ommen und am 29. September 100 lL abgehoben hatte. Der Verdacht der Täterschaft lenkte sich sofort auf den 37 Fahre alten Gärtner und Handelsmann Carl Otto M. aus Brehna bei Bitterfeld, der früher bei der F. gewohnt und nicht nur Handelsgeschäfte mit ihr getrieben, sondern auch zu ihr in freundschaftliche Beziehungen getreten war. Die F. hatte ihm am 8. August bereits 100 -L geborgt, als er aber weitere finanzielle Ansprüche an sie stellte, kam es zu Differenzen, infolge deren er auszog und sich bei einer Flur nachbarin einmietete. Nachdem M. der Frau F. nach Reichen bach nachgereist war und vergebens eine Versöhnung versucht hatte, war er unter Benutzung eines falschen Schlüssels in die Wohnung der F. in Plagwitz eingedrungen und hatte sich, an geblich um sich für die im gemeinsamen Handel erlittenen Ver luste schadlos zu halten, die 100 geholt. Er will dabei an genommen haben, daß Frau F. diese Eigenmächtigkeit nach träglich genehmigen würde. Mit dieser Ausrede drang er aber nicht durch, der Gerichtshof hielt auf Grund der eingehenden Beweisaufnahme für erwiesen, daß M. in rechtswidriger Zueignungsabsicht sich das Geld von der Sparkasse geholt hatte. Es wurde daher M. unter Anrechnung eines Monats der er littenen Untersuchungshaft zu vier Monaten Gefäng- n i s verurteilt. 6. Leipzig, 28. Oktober. Aus Heimweh zum Brandstifter geworden ist der 15 Jahre alte Kellnerlehrling Gustav Willy N. ans Leutewitz. N., der Sohn eines wohlhabenden Hoteliers aus Bischofswerda, war nach seiner Konfirmation »um Hotelier W. in Oschatz in die Lehre gekommen und hatte sich dessen völlige Zn- sriedenheit erworben. Weil N. angeblich von dem neuen Ober kellner etwas schars angefaßt wurde, befiel ihn im Juni dieses Jahres Heimweh. Sein Prinzipal gewährte ihm schließlich auch einen zweitägigen Urlaub. Der Abschied vom Elternhause fiel ihm außerordentlich schwer. Am Tage nach seiner Rückkehr am 23. Juni wurde er.wieder heftig' vom Heimweb geplagt und beschloß durch eine Brandstiftung die Rückkehr ins Elternhaus her- beizuführrn. In der neunten Abendstunde ors 23. Juni begab N. sich heimlich auf den Heuboden des Hotels, wo etwa '/« m hoch ca. 15 Zentner Heu lagerten. Dies zündete er an und ging dann wieder in den Garten zurück, wo er die Gäste weiter bediente. Tas Feuer vernichtete die Heuvorräte, wurde aber dann unterdrückt, doch waren die Holzdirlen bereits angekohlt und die Dachsparren zeigten Brandgruben. Am folgen den abend versuchte N. im Saalgebäude unter dem Hohl raum der Theaterbühue Feuer anzulegen. Die dort ausgestellten Papiervorrüte, das Packpapier, die Coulissen und sonstigen dort aufbewahrten Gegenstände entwickelten aber einen so starken Rauch, daß das Feuer bald bemerkt und ehe es größere Dimensionen an- nehmen konnte, abgelöscht wurde. Zum dritten Male versuchte N. am 29. Juni eine Brandlegung. Nachdem er sich einen Schlüssel zum Zimmer Nr. 40 verschafft hatte, ging er abends in dasselbe und zündete das dort stehende Bett an. Auch in diesem Falle verriet aber recht zeitig der Rauch die verübte Brandlegung, außer Bett und Matratze war aber auch in diesem Falle bereits tue Bettstelle von dem Brande ergriffen wordeu. Die wiederholten Brandstiftungen veranlaßten die Kgl. Staatsanwaltschaft in Leipzig auf erhaltene Anzeige Herrn Assessor Vr. Lange nach Oschatz zu senden, um umfassende Er örterungen über den Täter an Ort und Stelle vorzunehmen. Die selben verliefen aber völlig resultatlos, da durch einen eigentüm lichen Zusall es unterblieben mar, den Piccolo N. unter dem zu vernehmenden Personal dem Untersuchungsrichter anzugeben. Kaum mar dieser nach Leipzig zurückgekehrl, als am 7. Juli auf dem Boden des Vordergebaudes, „Zum Goldenen Löwen" Feuer ausbrnch, das zwar auch nach, ehe es größere Dimensionen annahin, unter drückt werden konnte, durch welches aber für gegen 600 Wäsche beschädigt, bezw. vernichtet wurde. In diesen! Falle kam als Brandstifter N. in Frage, der zur Zeit der Entstehung des Brandes in verdächtiger Nähe des Trockenbodens gesehen worden war. Aus Vorhalt legte N. auch ein offenes und reumütiges Geständnis ab. In der Verhandlung vom 22. September machte der Verteidiger Ns., Rechtsanwalt Vr. Hezel, Bedenken gegen die Zurechnungs fähigkeit seines Klienten gellend und beantragte, N. auf seinen Geistes zustand zu untersuchen. Dies ist in der Zwischenzeit durch den Gerichts assistenzarzt vr. Richter geschehen. Nach dessen Gutachten ist die Widerstandsfähigkeit Ns. zwar infolge der Pubertät und des Heim wehs gemindert gewesen, von einer geistigen Unzurechnungsfähigkeit konnte indessen nicht die Rede sein. Es wurde daher N. wegen vorsätzlicher Brandstiftung unter Anrechnung von drei Monaten der erlittenen Untersuchunbshaft zu einem Jahre sechs Monaten Gefängnis verurteilt, wobei strafsteigernd berücksichtigt wurde, daß durch die Brandstiftung ei» Gesamtjchaden von gegen 2000 ./t erwachsen ist. 6. Leipzig, 29. Oktober. Wegen Verschleierung im Sinne von 8 314 des Handelsgesetzbuches sind der vormalige Direktor der Aktienbraucrei in Borna Gustav Hermann H. aus Stettin und der Rechtsanwalt und Notar Friedrich Hermann R. aus Borna unter Anklage gestellt worden. H. war seit dem 1. De zember 1899 kaufmännischer Direktor der genannten Aktien gesellschaft, während N. vom Jahre 1891 bis zum 25. Januar 1901 das Amt eines Vorsitzenden des Aufsichtsrates verwaltet hat. Im Jahre 1898 halte die Brauerei in der Zwangsver steigerung vier von ihr beliehene Grundstücke in Halle, Rochlitz, Pegau und Möckern erwerben müssen und war mit ihren Hypotheken zum größten Teil ausgefallen. Sie hatte für 1898 keine Dividende zahlen können, für 1899 konnten zwar 3 Prozent gewährt werden, aber für 1900 fiel wiederum die Dividende aus. Durch die Festlegung ihrer Kapitalien geriet die Brauerei in finanzielle Schwierigkeiten, die schließlich am 10. Mai 1901 zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft führten. Die beiden An geklagten sind nun der Verschleierung insofern beschuldigt, als sie in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft in ihren Geschäftsberichten und Bilanzen unrichtigte Darstellungen gegeben haben. Namentlich wird von der Anklage die unrichtige Aufstellung der Bilanzen darin gefunden, daß die erstandenen Häuser zum Tax- und nicht zum Erstehungswerte eingesetzt worden sind. Die Angeklagten erklären, daß sie Geschäftsbericht und Bilanzen korrekt aufgestellt haben und halten eine Verschleierung für ausgeschlossen. Der Sachverständige erklärt, daß nach kauf männischen Grundsätzen ein Gewinn erst gebucht werden könne, wenn die Häuser zu dem Taxwerte verkauft worden seien. Dem widerspricht der Verteidiber H.s, Rechtsanwalt Or. Rosenthal, und beantragt die Ladung eines neuen Sach verständigen, der sein Gutachten unter Zugrundelegung der Bestimmungen im Handelsgesetzbuchs und im Akticngesetz ab zugeben habe. Der Verteidiger R.s, Rechtsanwalt Or. Felix Zehme, schließt sich dem Anträge seines Mitverteidigers an. Der Gerichtshof beschloß, dem Anträge stattzugeben, die Ver handlung zu vertagen und einen anderen Sachverständigen in dieser Sache zu bestellen. Nach einer nichtöffentlichen Sitzung wurde der 28 Jahre alte stuck, cam. Ernst Alfred W. wegen Freiheitsberaubung mit zwei Wochen Gefängnis bestraft. Ebenfalls unter Ausschluß der Öffentlichkeit wurde gegen den 40 Jahre alten Schuhmackstrmeister Ernst Richard Th. aus Möckern wegen Verbrechens im Sinne von § 176 Ziffer 3 des Reichsstraf gesetzbuches verhandelt. Th. wurde trotz seines Leugnens für schuldig befunden und unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Jahre fünf Monaten Gefängnis und drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Zur Anrechnung auch nur eines Teils der erlittenen Untersuchungshaft lag für den Gerichtshof keinerlei Veranlassung vor, da Th. die Straftat, der er überführt wurde, hartnäckig in Abrede gestellt hat. I?. Chemnitz, 27. Oktober. Das Gründer-Genie Kossub, der durch das Projekt eines zoologischen Gar tens für Chemnitz iu weiten Kreisen von sich reden machte, hatte sich heute wegen Betrugs vor der Strafkammer ll des hiesigen Königl. Landgerichts zu verantworten. Am 13. April 1858 als Sohn eines Polizeikommissars in Breslau geboren, besuchte der Angeklagte das Gymnasium bis zur Obersekunda, ging hierauf als Hospitant an die Körnst!. Bau akademie nach Berlin und diente als Einjährig-Freiwilliger in einem dortigen Garde-Rcgiment. Kossub, der sich, ohne ein Examen abgelegt zu haben, Architekt nennt, hat sein bisheriges Leben in den verschiedensten Berufen gefristet. Wie die Straf akten ergaben, hat er 1886 in Frankfurt als Generalsekretär des Vereins deutscher Bauunternehmer wegen Betrugs vier zehn Tage Gefängnis erlitten, im Jahre 1893 erhielt er als Maurermeister vom Schöffengericht l in Berlin wegen Unter schlagung eines Sparkassenbuchs mit 450 -L eine Woche Ge fängnis zuerkannt. Dann wurde er im Oktober 1893 vom Landgericht Breslau wegen schweren Diebstahls und versuchten Betrugs zu zwei Jahren drei Monaten Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Er hatte damals ein Behältnis erbrochen und den Geldbetrag von 700 gestohlen. Kossub, der verheiratet und Vater von 7 Kindern ist, kam auch noch weiter mit den Gerichten in Berührung, ohne daß man ihm jedoch etwas anhabcn konnte. So gründete er, obwohl er kurz zuvor den Offenbarungsei- geleistet hatte, in Bromberg eine „Genossenschaftsbank für Beleihung von Lebensversiche- rungspolizen", wurde als Direktor mit monatlich 1000 angestellt und siedelte nach Groß-Lichterfelde über, wo er eine prächtige Villa bezog. Am 29. März 1902 verfiel die Bank nach kurzer Lebensdauer in Konkurs und gegen Kossub wurde wegen Konkursvergehen und Betrugs die Untersuchung ein geleitet, das Verfahren aber schließlich eingestellt. Als auch die Gründung einer deutschen Juristenbank in Berlin verun glückte, kam Kossub erneut unter Anklage, wurde wegen wider holten Ausbleibens zur Hauptverhandlung verhaftet und schließ lich — freigesprochen. Inzwischen hatte der unternehmende Mann in Chemnitz Boden gefaßt und den Herrn Oberbürger meister Or. Beck für das Projekt des zoologischen Gartens interessiert. Mit dem Namen dieses Herrn führte sich K. in vornehmen Familien ein, erließ große Inserate in den Tages zeitungen, hielt Vorträge und gründete schließlich einen Ver ein, der durch Entnahme und Vertrieb von Aktien das Projekt des zoologischen Garten» verwirklichen sollte. Auf eingezogene Erkundigungen erfuhr der Rat jedoch, daß er es mit einem vorbestraften Menschen zu tun hatte und wies ihn ab. Es stellte sich nämlich heraus, daß K. bei Aufstabc der Inserate in den Zeitungsexpeditionen erklärt hatte, die Rechnung bekomme der Aerr Oberbürgermeister, und damit den Glauben erweckte, die Stadt werde sich nunmehr offiziell der Sache annehmen. Auch hat K. den Inhaber einer hiesigen Firma unter dem wahr heitswidrigen Vorgeben, zwei große Brauereien hätten ihm die Unterstützung mit vielen Tausenden zugesichert, zur Her gabe eine» Aktienanteiles von 533 33 </k veranlaßt. K., der bekanntlich nach Verlust der städtischen Protektion einen Verein zur Errichtung eines zoologischen Gartens gründete, wurde nunmehr verhaftet und heute wegen Unterschlagung zu fü n f Monaten Gefängnis und zweijährigem Ehrverlust verurteilt. Von der Anklage de» Betrugs zum Nachteil der Zeitungen wurde er freigesprochen. Der Antrag Koffubs auf Haftentlassung wurde abgelehnt. Sitzung der Stadtverordneten zu Leipzig. (Schluß.) Herr Joachim stellte sich im allgemeinen auf den Standpunkt des Referenten. Es gäbe viele Straßen, die sich in viel schlechterem Zustande befänden, als die im HauShaltplane zur Pflasterung vvrgeschlagenen. Kür diese mögen die jetzt ersparten Mittel venvendet werden. Herr Lehmann befürwortet die Herstellung der (von den Ausschüssen zur Ablehnung beantragten) Lchützenstraße, Kurze Straße, Merseburger Straße, Markt in L.-Lindenau, Schleußiger Weg in L.-Kleinzschocher, so wie Schnorr- und Rödelstratze in L.-Schleußig. Herr Seyferth wünschte, daß für die Herstellung der Harkortstraße in irgend einer Weife etwas getan werde. Die Regelung der Kußwegverhältnisse vor dem Reichsgericht sei -ringend erforderlich. Herr Direktor Sauer dankte dem Referenten dafür, datz er die Arndtstraße als eine solche Straße benannt habe, deren Pflasterung sehr nötig sei. Die Straße stehe 35 Jahre und habe ein sehr schlechtes Pflaster. Herr vr. Fritzsche wünschte eine andere Anordnung der Haltestellen in der Grimmaischen Straße. Die Halte stelle an der Ritterstratze sei ganz überflüssig. Dringend wünschenswert sei die Sorge für größere Sicherheit auf dem Noßplatze vor der Markthalle. Herr Weidenbach ersuchte darum, datz der Rat bei den Straßenbahnen darauf hmrvtrke, daß das Gequietsche der Wagen aufhöre. Her Gang loff hielt es für angebracht, wenn die Stratzenmasten der elektrischen Bahnen an den Hafte stellen weiß angestrichen würden. Herr Stadtrat vr. Schanz glaubte, datz letztere- nicht angebracht sein würde; wegen des Aufhörens des Ge quietsches der Wagen sei man schon mit den Gesellschaften in Verhandlungen aetreten. Nach einem Schlußworte des Referenten wurde um 3/410 Uhr zur Abstimmung geschritten. Dieselbe ergab die Annahme sämtlicher Ausschußanträge, teils einstimmig, teils mit großen Mehrheiten. Bei Beratung des Kontos „Reinigung und Unterhaltung derStratzen" des Haushaltplanes auf das Jahr 1904 wurde ein Betrag von 2500 (außer- ordentlich) für Unterhaltung und Ergänzung der Fahr bahnen mit Zementmakadam gestrichen, im übrigen das Konto genehmigt. Der Ankauf -er Grundstücke Kohlgarten straße Nr. 49 in L.-Reudnitz für 300 000 Kohlgarten straße Nr. 51/53 für 313 500 Kohlgartenstrabe Nr. 55 und Ra bet Nr. 44 in L.-BolkmarSdorf für 140 000 ^l, sowie Bergstraße Nr. 19/21 in L.-Reudnitz für 95 000 Mark, sowie die Gewährung einer Vermittlungsgebühr von 2742,50 wurde einstimmig abgelehnt, weil die geforderten Preise als viel zu hoch erachtet wurden. Die Vermehrung der Beamten und die Er weiterung -er Geschäftsräume des Armenqmtes fand Zustimmung. Sport. Futzballsport. 8 Der Leipziger Fnßball-Club „Vorwärts" begibt sich nach Berlin, um am Sonnabend und Sonntag dort gegen die Fußball- Clubs „Preußen" und „Els" zu spielen. Er entsendet solgende Mannschast: „Stürmer: Scbmeller, Boettcher, Lea, Brandt und Weber. Deckung: Geisberg, Kanitz und Fiedler. Verteidigung: Burghardt und Kalomanewitz. Tbor: Lauth. Als Ersatz spielen am zweiten Tage Horn, Cremnitzer und Bühle. Man ist auf das Abschneiden der Lechziger sehr gespannt, da sich die beiden Berliner Clubs in hervorragender Form be finden. Letzte Nachrichten. vv. Prag, 29. Oktober. (Privattelegramm.) Der Chef der Papierfabriksfirma Eichmann L Comp., Theodor Eichmann, beging Selbstmord, wie man annimmt, im Zustande der Geistesgestörtheit. Der Vermögensstand -er Firma, bei der bekanntlich ein Angestellter Wechselfälschungen im Betrage von 500 000 Kronen begangen hat, beträgt 5,3 Millionen, während die Verbindlichkeiten sich bloß auf 2,2 Millionen belaufen, sodaß die Firma mit 3 Millionen aktiv wäre. * Paris. 29. Oktober. (Telegramm.) Dem „Eclair" wird von seinem Spezialberichterstatter in Tanger telegraphiert, daß der Prätendent Buha- mava auf der ganzen Linie siegreich sei und den Norden von Marokko in seiner Gewalt habe. Es bestätigt sich fer ner, daß er den Sultan von Marokko, der nach Fez zurückgekehrt sei. dort eingeschlossen habe. Die Bevölkerung zwischen Tetuan und Tanger befinde sich in vollem Aufruhr. * Paris, 29. Oktober. (Telegramm.) Das „Echo de Paris" will wissen, in dem Handschreiben, das der russische Minister des Auswärtigen, Graf Lambs dorff, gestern dem Präsidenten Loubet überbrachte, sage der Zar, daß Rußland so fest wie je entschlossen sei, seine Friedenspolitik zu verfolgen; er spreche ferner die Hoffnung aus, daß das befreundete und verbündete Frankreich an dem Friedenswerke Mitarbeiten und daß eine glatte und glückliche Lösung der im Orient und in Asien schwebenden Fragen herbeigcführt werde. * Madrid, 29. Oktober. (Telegramm.) In der Deputiertenkammcr verlas der Ministerpräsident Bill averde eine neuerliche Depesche aus Bilbao, wonach die Kavallerie wiederum genötigt war, zu schieben. Mehrer Personen seien verwundet. — Die Minister traten zu einer Sitzung zusammen. Dabet wurde auch eine Abordnung der Arbeiter empfangen. — Der Präfekt von Bilbao telegraphierte, daß die Ausständigen eine Kolonialwarcnhandlnng plünderten und das Jesuitenklostcr zu stürmen ver suchten, woran sie jedoch verhindert wurden. Die Zahl der bei den gestrigen Zusammenstößen Umgekommenen soll sieben betragen. Die Garnison in Bilbao wird ver- stärkt. Verantwortlicher Redakteur Or. Herrn. Kücküing in Leipzig, für den musikalischen Teil Adolf Rntlmrdt in Leipzig.
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