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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190606095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19060609
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19060609
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-09
- Monat1906-06
- Jahr1906
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1906
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- — 90 — hüben st> vwer de Weig wioll niH nödig. So, un wenn Tu tmrrüg bist, denn giwst Tu mfi dicrt' Bau? Wedider ab." „Ao geh ich damit hin," fragt Nuscha in ihrem schlech ten, kaum verständlichen Deutsch. „Upp de Kass. Sei wiesen di all Herr." „Und die Kasse behalt das Geld?" „Jo, vwer Tu kriegst et Webber/ wenn Tu't wist. Un mehr dortau, as 'Tu hentröjt hest. Verlier nischt. Paß mi upp dat Baut upp. Wi möten nu tau spioren anfängen. Wat bruken wi Bvtter taunt Vesper! Sei wart verkövt. Du löppst all Mondag mit een povr Mark up „de Kass. Wi mSten hier weg. En beten wat eigenes köpen. Von de Wiwer un de schftmime Nored furh ick lied ne linger, dat sei mit Fingern upp Ti wiese. Ick schfim mi tau sihr vor de annern Kirls., bei ordentlich! christlich Wiwers hewen." „Mch-t länger, was'ist denn geschehen/'daß Tu das erst heute mtzrfft?" Er schämt sich, ess ihr zu sagen. „Nischt nijes. Et müßt wo eis ruttzömen. Wi trecken up en anner Flag, wo wi allein sün. Mot Miene kämmt mit und kriegt ehr Ollendeel bi uH wil sei ehr Jild tau- schütt. Ick denk an son kleen Rentengaud. Ein Pird, een Kauh un een ^paar Morsen Land." Nuscha legt den Kopf auf den Tisch zwischen die Salz bütte und die Blechlöffel und weint vor sich hin. So weit war es also gekommen, so weit. Er schjämt sich ihrer. Und Hann Tegels weint auch Tann "riß er sein junges Weib an sich und erstickt sie beinahe mit seinen Küssen. „Nuschjing, ach du leide Gott- ick daud nee Webber — nee — nee." Nuscha msachte sich zum Gärige nach Porzin fertig, das blaue Buch kam in das großblumige Brusttüchlein und daS Geld in die Tasche ihres Sonnhagsrockes. Sv machte sie sich auf den Weg. Einhundertdreiundfünfzig Mark in ihrem Besitze, dass benahm ihr beinahe den Atem. Unter wegs setzte sie sich auf den staubigen Rand des Chaussee grabens! und zog das Sacktüchlein mit dem kostbaren Kno ten äuS der Tasche. Sie spielte mit dem Kelde und ließ ess durch die Finger gleiten und erfreute sich an seinem Glanze. Tabei entglitt ihr ein Geldstück, und nun über fiel sie die Angst. Was' würde Hann sagen! Sicherlich würde er sie züchtigen. Während sie weitergeht, hört sie einen Laut an ihr Ohr dringen, wie dass Winseln eines HundeS. Sie tritt hinzu und findet ein elendes, zerlump tes! Weib, das sich in Schmerzen windet, und während sie sich mit dem Weibe zu schaffen macht und deren Hunger mit ihrem trockenen Brote zu stillen sucht, kommt sie auch auf das! Geld zu sprechen, das sie bei sich führt. Hat sie doch aus dem Munde der alten Frau ihre geliebten heimat lichen Laute vernoMMen. Was waren doch das für ver traute Klange! Ihre Muttersprache ist es, die an ihr Ohr dringt, und nun versenken Pch die beiden imMer tiefer in ein Gespräch hinein. Fortwährend fordert die Alte Schnaps, aber Nuscha kann ihn ihr nicht geben, und wie die Alte bittet, ihr doch daS Geld und das Buch zu geben, Hamit sie in dem Spar- kassenbuche durch betrügerische Eintragungen das" Ver schwinden des Geldes verdecke, und Nuscha nun ihr Brust tüchlein aufmacht, um das Buch hervor zu holen, da wird auf ihrer Brust' ein flammendes Muttermal sichtbar. Nu scha erklärt, daß sie auch in der Herzgegend noch ein solches besitzt- da erkennt die Alte sie als ihre Tochter, und beide feiern nun ein jauchzendes Wiedersehen. Nuscha kann es nicht begreifen, sie hat eine Mutter, einen Menschen, an dessen Herz sie sich bergen kann, jemand, der ihre Art versteht! Es ist das jäh erwachend« Kindesgefühl, das sie der Landstreicherin in die Arme treibt. WleÄ holt Nuscha für das Geld herbei, was die Alte pur wünscht, und auch den Rest läßt sie ihr. Sie selbst geht wieder nach Hiause und gibt ihreM'Manne das Buch zurück, der die Fälschung nicht merkt, weil er keine Ein sicht in das Buch nahm und es sorgsam in das alte Linnen wieder an seinem früheren Platze steckt. Und nun trifft sie auf ihren Gängen zum Markte regelmäßig die Mutter, und all das Geld, das! sie für hie auf dem Markte ver kaufte Butter einnimMt, das steckt sie der Mutter zu, während der gute Hann in dem Glauben ist, daß Mienes und sein Geld wohl angelegt sei. Für eine tapfere Tat, die dem Jürgen eine Menge sei nes prächtigen Viehes rettet, schenkt ihm'dieser eine an sehnliche Summe, und nun kann er daran denken, sich end lich ein eigenes kleines Besitztum zu kaufen, um dem Hohn und Spott seiner Kameraden zu entgehen. So macht er sich denn eines Tages mit Nuscha und der alten Miene 'auf den Weg, uM in der Nähe ein kleines Rentengütchen zu besichtigen. Zugleich soll nun auch das Geld von der Sparkasse in Porzin zur Anzahlung ab gehoben werden; dabei stellt sich der ganze Betrug, den Nuscha verübt hatte, heraus. Sie läuft davon, da es Hann Tegels nicht übers Herz gewinnt, sie zu züchtigen oder dem'Gericht zu überliefern, weil er sie immer noch auf das" innigste liebt. Während Hann und Miene glauben, daß sie nach Hause eilt, sucht sie ihre Mutter auf und macht sich mit ihr davon, kein Mensch weiß, wohin. Sie haben alle nach Nuscha Tegels gesucht, auch die, die sie schmähten. Tag und Nacht! Hann ist darüber ein alter, gebrochener Mann geworden. Er! wird weiterleben und weiterschuften. Tas legt er sich als Strafe dafür auf, daß er nicht besser auf sie achtete. Sonst hätte sie sich wohl picht verirrt, meint er. Auch die Polizei hat ihr möglichstes getan. Es ist alles umsonst gewesen. Tas Geld bleibt verschwunden und sie mit ihm. Tas Renten gütchen kauft ein anderer, und Miene besorgt Hann Tegels kleine Wirtschaft. Sie sparen und rackern von neuensloch das ist alles. Manchmal, wenn sie niemand hört, erzählen sie von Nu scha. Miene meint allemal am Schluß, daß sie wohl ins Wasser gegangen sein würde. Sie ahnt nicht, daß sie mit dieser Vermutung einen Blick in die weite Zukunft tut. Elftes Kapitel. Ein furchtbares Unwetter bricht über Bornhagen los. Schwefelgelbes Leuchten am Himmel fließt auseinander und schüttelt blanke, hartgefrorene Schloßen herunter. Anfangs haben sie die Form und Größe wie Bohnen. Aber sie wachsen an, ballen sich in der Luft zu einer Größe zusammen, die alles, was grünt und reift, zer schlägt, knickt oder gänzlich vernichtet. In wilder Aufregung stürzen die Leute vom Felde heimwärts. Am flinkesten, erweisen sich dabei die halb wüchsigen Kinder, die unter bestatten Kunzes Aufsicht die Steine vom Tresch absammelten. Die Mädelchen haben die kurzen Oberröcke als Schutzhüllen über die Köpfe geschlagen. Tie Jungen werfen die Weidenkörbe, die zur Bergung der Steine dienten, darüber, so daß die ver- hitzten, geängstigten Gesichter wie überreife Kirschen un ter dem braunen Geflecht hervorschauen. Ter Inspektor Kunze ist der einzige, der seinen Gang nichl beschleunigt. Gleichmäßig, mit steifen, langen Schritten, seiner alten Gewohnheit treu, stapft er vor wärts. Je mehr ihn die harten Bälle schsmerzen, desto Wohler wird ihm. Er hat sich seitdem sein Junge in die Nacht hinausflüchtete, brennend nach einer Hand ge sehnt, die ihn so züchtigt, daß er ein Recht hat, zu schreien. Tie Hand der Gottheit ist noch viel zu weich und zu nachsichtig mit ihm. An dem alten Künze vorbei saust in wilden Sprüngen die Hammelherde dem Stall entgegen. 91 In der Farne schluchzt Miene Tegels verzweifelte Stimme: „Min Farken! Achs du leiwer Gott! Butschcken — butsch — butsch — butsch. Te oll Nodopp von Hemken is ne Öp. Kunn bei sei ne bi Tiden rinnebringen? But- schjeken — butsch — butsch — butsch. . " Sie hat in dieser Stunde völlig vergessen, daß sie, als ihres einstigen „Bölketreckkinds" Wirtschafterin, nicht mehr das geringste mit dem herrschaftlichen Borstenvieh zu schaffen hat. Ms" das Wetter losbrach und Hcmkcns Mutter nach ihrem Jüngshen schrie, der auch richtig kam und die Ferkel ihrem! Schicksal überließ, hat sie sich die SackscWrze um' die Ohren gebunden und ist aufs Feld gestürzt. Tie Anhänglichkeit für ihre einstigen Pflege befohlenen trieb sie dazu. Tie Gewalt dessstlnwettcrs steigert sich mit jeder Mi nute. Seit einem Jahrzehnt ist kein ähnlicher Hagelschauer über Bornhagen und Umgegend niedergegangen, keiner, der so radikal den Schweiß der heißen Tage und die Ge bete der Nächite, die als stolze in Erfüllung gegangene Erhörung auf den Feldern ihrer Fruchst entgcgcnrcifcn, zuschanden gemächt hätte. Jürgen von Gerlingen ist soeben von dem' Rund gange durch die Ställe zurückgekontmen. Er hat sich über zeugt, ob das Vieh auch! alles beieinander ist. Jetzt steht er am Mittelfenster feincs^Arbeitszimmcrs und sieht auf den Gutshof hinaus. Tie Schloßen Hüpfen immer noch in tollem! Tanze durcheinander. Sie springen an die Schei ben, sie schlagen die Vögel von den Bäumen herunter und die Hühnerglucken, die in gackernder Angst ihre ver lorenen Küchlein zusam'inenlocken, von den weiten Maschen des Trahtzaunes herab. Jürgen legt die Hände vor die Augen. Tic Hoffnung und Mühe eines ganzen Jahres zerrinnt in dieser grauen vollen Stunde vor seinen Blichen. Und doch macht er sich iminer wieder klar, daß er keinen Grund hat, niedergebrochsen zu sein. Ter Lrneue- rungsvertrag und die fälligen Meten sind ja dem Bruder gottbob! noch zur rechten Zeit übergeben. Warum also ge währt er dem beklemmenden Angstgefühl Einlaß in sein Herz? Es muß sich als grundlos erweisen. Tie Hagelgesellschäst wird, nachdem sie zehn Jahre ohne Entgelt den hohen Beitrag von Bornhagen einge strichen hat, gerecht fein'und den entstandenen Schaden auf Heller und Pfennig ersetzen. Mehr beansprucht Jür gen nicht- Tann wird schon alles wieder ins Lot kommen. Nur von den kleinen Besitzern der umliegenden Renten gütchen, die den schlichten Titel „Bauer" nicht mehr hören Mögen, wird nach dem heutigen Tage manch einer Knecht werden müssen. Zehn Jahre lang ist kein Hagel in diese Gegend gekomlnen. Tas hat sie sicher gemacht. Sie haben die hohen Prämien gespart und heimlich über die dumlnen Großgrundbesitzer gelacht. Tic wenigen, die sich trotzdem halten können, werden noch heute zum Agenten Polenz nach Porzin laufen, um für das nächst? Jahr im voraus zu zahlen. So sind die Leute vom Pom- miernländ. Wenn das Unglück geschkHru, haben sie alle mal einen Sack voller Weisheit und Vorsicht. Wenn Jürgen annimmt, daß er allein in seinem Ar beitszimmer ist, so irrt er. Fräulein von Silkenbrach stand bereits zehn Minuten hinter densSinnendcn und sah mit ihren klugen, Hellen Augen aufmerksam zu ihm herüber. „Jürgen," sagt sie plötzlich in seine Starrheit hinein, „weißt Tu, was Miene Degels soeben in der Küche sagte? „Füer is no veel schlimjmer as dit un de Franzosens ok," sagte sie. Tabei blutet ihre Nase erbärmlich, und 'ihr linkes Auge ist völlig verschwollen von den Schlägen der Schlossen. Liegt nicht eine tiefe Weisheit in der Rede der einstigen Schweinefürstin? Gibt es nicht wirklich noch Härteres, als das hier?" Er nickt mechanisch, ohne sich nach! ihr umzuwenden! oder sein Erstaunen über ihre Gegenwart zu zeigen. (Fvryetzmi« fohsiJ s Der Erfinder der Eisenbahn. Ein Erinnerungsblatt zum 12S. Geburtstage George StrphensonS. 1781 — 8. Juni — IS06. Von Dr. Karl Schott. Nachdruck verboten. Auf der Stcphcnsvn - Brücke in Newcastle steht sein Tcnlmal. Tvch bedarf er eines solchen? Kennt nicht die ganze Welt seinen Namen? Ward ihm nicht Unsterblich keit zuteil, wie sie kaum! einem zweiten zuteil geworden? Oder gibt cs Jemand, der den Erbauer der ersten Eisen bahn nicht kennt? Seine Lcbensgeschichte ist eine alltägliche, wie sie unter hundert Menschen sich neunzig Mal abspielt, nicht aber sein Lcbcnswcrk, auf das wir weiter unten ausführlicher zurücklominen werden. Wir wollen hier nur vorwegneh men, daß ihn die Geschichte der Technik den Hauptbe gründer des Eisenbahnwesens nennt. Und doch stamMte dieser geniale Mann, dieser bahn brechende Geist im Modernen Verkehrswesen, aus recht ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater Ivar Heizer dep Tampfmsaschine des "Kohlenwerks zu Wylam bei New castle, ivo am 8. Juni 1781 George Ctephensvn geboren wurde. Zum regelrechten Schulunterricht langte es nicht. Als Georg 8 Jahre alt war, siedelten seine Eltern nach, Tewley-Burn über, wo der Knabe, uns auch ein Scherf lein zum Unterhalt der Familie beizutragcn, Kühe hütete. Während der Hütezeit hatte er Muße genug, seinen Träu mereien nachzuhängen, die meistens" darin gipfelten, daß er sich gar wunderliche Maschinen ausdachte und diese in Lehnt modellierte. Nach dem Kühehüten, das' ihm mit der Zeit wohl langweilig geworden sein mag, ging George an das Rübenhacken. Tvch auch dos währte nicht lange. Ter Ehrgeiz des Knaben endete nicht früher, als bis er, mit vierzehn Jahren, Gehülfe seines Vaters geworden war: Bon Tewley-Burn zog die Familie Stephensvn jedoch bald wieder fort; es ging nach Jolly's Ceose bei Newburn, wo unser George den mit 12 Schilling Wochenlohn be zahlten Posten eines Stallburschen erhielt. Jetzt mit dem Alter von 15 Jahren meldete sich auch ungestüm der Wis sensdrang in dem Jüngling, den es bitter schmerzte, nicht jene Bücher lesen zu können, in denen die Maschinen von Watt und anderen Erfindern so ausführlich beschrieben» waren. Er mußte die schwere Kunst des Lesens erlernen, löste es was es wolle. Und so besuchte George Stephensvn in einem! Aller, wo andere der Schule den Rücken zu Itchren beginnen, dreimal in der Woche die Abendschule, um daSj Lesen, Rechnen und Schreiben zu erlernen. Und fein Vor haben war auch von Erfolg gekrönt. Und nun kamen Jahre der geistigen Entwickelung, der rastlosen Berufstätigkeit, in der er höher und höher stieg, und Jahre der Liebe, die ihren Beschluß darin fanden, daß er 1802 seine Kraut Fanny Henderson als Gattin heiny- führte. Tic Einnahmen waren für den kleinen Haushalt, der bald durch ein Söhnchen vermehrt worden war, recht schmale geworden. Stephenfon sah sich auf Nebenverdienst angewiesen; er wandte sich der Schuhmacherei, der Schnei derei und der Ührmacherei zu, die ihm, in den Muße stunden wacker betrieben, denn auch eine kleine Zubuße eintrugen. Tvch das junge Zantillenglück dauerte nicht lange. Fanny slsarb. Ter alle Vater erblindete. Und Stephenfon, dessen außerordentliches Talent von seinen Arbeitgebern bereits anerkannt war, mußte in den schwierigsten Ber-
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