01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031104011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903110401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Neklamea nut« dem Nedaktiongstrich (Lgespaltrn) 78 vor de» Familtenaach» richte» («grspaltr») KO Labellarischer «ud »isfrrniatz entsprechend höher. — Aebühren für Nachweisung«» und Osskrteaanaahm« ÜÜ L, (exkl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), onr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuag 6V.—, mit Postbesörderuag 70.— Jinnahmrschluß für Aryrigein Abeud«AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» stad stet« an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« unauterbroche» gröffaet so» früh 8 bi« abe»d« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leidig. Nr. 560 Mittwoch den 4. November 1903. 97. Jahrgang. Der Stapellauf Les vierten Schlachtschiffs der Lrannschweig-Klaffe und die Frage der Steigerung unseres Schlachtlchiffdeplackments. V. v. Der am Sonnabend in Gegenwart des Kaisers bet Stettin erfolgte Stapellauf des Linienschiffes „Preußen", des vierten der Braunschweig-Klasse von 13 200 Tonnen, lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf die Frage der Steigerung des SchlachtschiffdeplacementS. DaS beständige Anwachsen des Deplacements der Linien schiffe der meisten Seemächte rief neuerdings Erörte- rrrngen hervor, die besondere- Interesse beanspruchten. Jene Steigerung hat sich auch bet den großen Linien schiffen unserer Flotte beständig vollzogen, wenn auch nicht in dem Umfange, wie bei einigen anderen See- Mächten,' und zwar betrug bas Deplacement der Branden burg-Klasse von 1891/92 10 060 Tonnen, das -er Kaiser- Klasse von 1896/1000 11 ISO Tonnen, da- der Wittelsbach- klaste von 1900/1901 11800 Tonnen und die neuesten Linienschiffe der Braunschweig-Klasse erhielten 13 200 Tonnen. Ungleich größer ist der Tonnengehalt, -en die neuesten englischen Linienschiffe erhielten; er über trifft alles, was in dieser Hinsicht jemals dagewesen. Be saßen schon die Linienschiffe der britischen Duncan-, Royal-, 16 760 Tonnen und bet der Neu-Seeland- und der Hindo- stan-Klasse auf 16 600 Tonnen; die drei neuesten Linien schiffe de- diesjährigen englischen Flottenetats sollen sogar das Deplacement von 18 000 Tonnen erhalten. Auch Japan folgte dieser Deplacementssteigerung, indem es ein Linienschiff von 18 000 Tonnen in England bestellte. In Linienschiffen neuesten Typs bauen außerdem die Vereinigten Staaten die „Louisiana" von 16 300 Tonnen, Frankreich die „Rspublique" von 14 900 Tonnen, Rußland für das Ostseege- schwader zwei Schlachtschiffe von je 16 KOO Tonnen; nur Italien und Oesterreich-Ungarn bleiben mit -em Deplacement von 12 000 Tonnen für die „Regina Elena" und dein von 10 600 Tonnen für den „Ersatz Laudon" hinter den 18 200 Tonnen unserer neuesten Linienschiffe zurück. SS liegt somit die Frage nabe, ob wir mit unseren neuesten Linienischisfcn von 13 200 Tonnen nicht gegen die erstgenannten großen See mächte ungebührlich ins Hintertreffen geraten und ob es nicht unsere Pflicht sei, ihnen in der Tonnengchalts- steigerung zu folgen. Man hat unlängst besonder- die artilleristische Seite des zwischen Linienschiffen mit sehr großen und mit kleineren Deplacements bestehenden Unterschiedes, sowie die Ungleichheit deS beiderseitigen PanzerichutzeS ins Auge gesaßt und erörtert. Allein in erster Linie besteht der Unterschieb beider Schiffsgattungen darin, daß die mächtigen Linienschiffe der großen Seemächte in weit ent legenen Gebieten, und zwar in den zum Teil sehr wertvollen Kolonien aufzutreten und zu operieren be- rufen sein können und daher sehr beträchtliche Vorräte an Kohlen und Munition mit sich führen müssen, da die Fahrtdauer dorthin lang ist und namentlich eigene Munt- tion-depotS nicht überall zur Hand sind. Hierauf und auf die Mttführung der für so lange Fahrten nötigen Vorräte aller Art zielt daS gewaltige Deplacement der neuesten Linienschiffe jener Mächte in erster Linie ab und erst in -weiter auf die Ueberlegenheit der artilleristischen Armierung. Diese Ueberlegenheit über unsere neuesten Linienschiffe ist anerkanntermaßen bei -en Neubauten Englands und Amerikas — vermutlich auch Rußlands — vorhanden und erstreckt sich auf die Geschützzahl und das Kaliber. ES wtrvde nun jüngst behauptet, daß trotzdem, da in See nicht Geschütz gegen Geschütz, sondern Geschütz gegen Panzer kämpfe und unsere 28-Zenttmeter-Äaiionen den schwersten Panzer der Gegner, die 17-Zenttmeter- Kanonen die mittleren Panzerstärken sicher durchschlagen, diese beiden Kaliber dem 80,5-Zenttmeter-Geschütz bezw. den 23», 20- un>d Iv-Zentimeter-Geschützen anderer Flotten unbedingt vorzuziehen seien, da sie mehr Munition mit- znftthren gestatteten und da besonders unsere17-Zentimeter- Gcschütze schneller bedient werden könnten. Dem gegenüber möchten wir einwcnden, daß jenes Plus an Munition doch nur ein relatives sein kann, da es bei einem Deplacc- mentsunterschiede von 3400 bis 3560 und 4800 Tonnen, wie er zwischen unseren neuesten Linienschiffen und den englischen Linienschiffen der King Edward- und der Neu seeland-Klasse, bezw. den neu projektierten der Union und Japans besteht, bei -en neuesten, stärker armierten Panzer kolossen jener Mächte an absoluter Ziffer größer sein mutz. Weit mehr spricht 'für die Beibehaltung unseres kleinen Deplacements der Umstand, datz kleinere Linienschiffe geringeren Tiefganges und aus ihnen gebildete Geschwader schneller manövrieren und beweglicher sind und seichtere Geivüsser aufzusuchen vermögen, wa- unter Umständen allerdings ein bedeuten der Vorteil sein kann. Allein bei einer Schlacht in hoher See kommt nur der erstere und nicht der letztere Vorteil unmittelbar in Betracht, und überdies beträgt der Ttef- gangSunterschiod zwischen den Linienchhiffen der King Edward VII.»Klafle und unseren neuesten bei ihren Tief gängen von 8,1, bezw. 7,8 Meter nur 4 Zentimeter UN- ist daher nur sehr gering. Aber ganz abgesehen davon, baß unsere Linienschiffe, wenn auch ein Teil von ihnen während des China krieges bei -er ostasiatischen Expedition verwandt wurde, in erster Linie zur Verteidigung unserer heimischen Ge wässer und Küsten und nicht zu überseeischen Operationen bestimmt sind, kommt noch ein Umstand, der für Bet behalten des geringeren Deplacements spricht und be sondere Hervorhebung verdient, hinzu. Es ist der Um stand, daß die Tief« und die sonstigen Verhält nisse des Kaiser Wilhelm-Kanals eine be trächtliche Steigerung unseres Linienschiffs-Deplacements kaum gestatten würden, eS sei denn, er erführe eine aber malige höchst kostspielige und zeitraubende Vertiefung. Er ist heute überall auf 9 Meter vertieft, da er ursprüng lich zu seicht angelegt war. Aber da seine Durchsteuerung infolge seiner beträchtlichen Kurven den großen Linien schiffen schon jetzt erhebliche Schwierigkeiten bereitet, so ist eine beträchtliche Vermehrung -es Tonnengehalts dieser Schiffe — sei eS durch die Erweiterung ihrer Breiten-, sei cs -durch die Vergrößerung ihrer Tiefen dimensionen — völlig ausgeschlossen. Ein« eventuelle Verstärkung unserer Schlachtflotte den großen Kolossen Feuilleton. Vie Nationen bei Tisch. Gastronomische Plauderet von Th. B. Gall. ittaLvruct vervonn. (Schluß). Bezüglich der englischen Küche weichen die Urteile un gemein von einander ao. Während die einen behaupten, daß es die gesündeste, weil nahrhafteste und zugleich billigste Kost sei, sind andere entsetzt über den Ptangel an jeglicher Würze, und die schale Nüchternheit, die zumal Fleischgerichten eigen. Tatsache ist, daß sich John Bull bei dieser ZubereitungSart sehr wohl fühlt: er ist sehnig, hat einen Mund voll wetßer, lachender Zähne und wenig Anlage zur Beleibtheit. Lharakteristtsch an der eng lischen Küche ist der Reichtum an Fletsch; daS Beefsteak hat einen Weltruf erlangt, vorausgesetzt natürlich, daß es richtig hergestellt ist — diese etwa fintzerstarke Lenden- Vratenscheibe, wie sie mit Butter, Zwiebel und Kartoffeln in der Pfanne gebraten wird und saftig, nahrhaft den Verdauungsorganen so vorzüglich bekommt. Kür Fein- schmecker kann ich Albion» Söhne und Töchter gewiß nicht erklären, aber Sinn für praktische «ost haben sie bestimmt. Man beobachte sie nur, sobald man Gelegenheit hat, mit ihnen auf der Reise in einem öffentlichen Gasthaus zu- sammenzukommcn. Während die vornehme Französin ohne Zweifel ein Diner bestellt, bestehend aus soundso- vielen Gängen, wird die Engländerin sich -uerst immer nur ein Gericht kommen lassen. Man kann beinahe wetten, daß eS Rostbeef ober Beefsteak sei — zum min desten eine kompakte Fleischspeise und am allerliebsten vom Rind. Sie wart«» auch nicht etwa, bis ihr der K«lln«r di« Speisekarte überreicht ober vielleicht dies «nd jene» In beredter Sprache empfohlen hat. Meisten» jveih fl« schon vorher, wa» st« verlangen wird) etwa»»« Vorschläge beachtet sie kaum oder weist sie mit ent schiedenem Nein ab. Bchagt ihr daS Gericht, so fordert sie es zum zweiten Mal, und ist der Llppetit noch nicht gestillt, so schreckt sie, selbst auf die Gefahr, als Bielesserin zu gelten, vor einem gleichen ferneren Auftrage nicht zurück. Sind wir dagegen in England, sei e- in einem Speise hause oder gar in der Familie, zu Tisch, so geraten wir unter einen geradezu lächerlichen Zwany. Man verlangt womöglich, daß unser Gaumen sich sofort an die Kost gewöhne, die man uns vorsctzt. Ja, noch mehr, man rechnet darauf, daß wir diese schmackhaft finden und in Loo darüber Überflüßen. Sv ist Senf nur zu Rindfleisch und Schinken gestattet. — Wehe über den Armen, der etwa das Verbrechen begeht, ihn auch zu Hammelfleisch zu nehmen! Er wäre gesellschaftlich gerichtet; kein Mensch würde ihn noch eines Vttckes würdigen. ES gibt Leute, die den Salat, wie er ohne Essig und Oel, höchstens mit etwas Salz, verzehrt wird, krampfhaft htnunterwürgten, nur um nicht ein allgemeine- sstooking wachzurufen, und gebratene Enten, die mit Salbei gefüllt waren, mit Hymnen feierten, obgleich der Geruch ihren Nasen so widerwärtig deuchte, wie ungefähr Kampher. Daß da» Verwechseln von Messer und Gabel oder überhaupt die nicht absolut sichere Handhabung dieser Etzgeräte als eine Todsünde ersten Range» angesehen wird, weiß jeder, der einmal mit Engländern in Beziehung kam. Sehnlich verfehntt wäre der. dem eS vielleicht einfiele, trockene» Brot mit dem Messer zu schneiden. Daß Anstand und Manierlichkeit zu herrschen hat, ist eine gesellschaftliche Pflicht, an der gewiß nicht gerüttelt werden darf; aber man soll diese Forderung auch nicht übertreiben und bi» zur Lächerlichkeit zuspttzen. Ich kann mir nicht Helsen; wenn ich die Art und Weis« sehe, in der manche blonde Lady mit Mester und Gabel umgeht, meine ich oftmals, Jvnglierkunststückchen zuzuschauen — von einem natür lichen Esten ist doch kaum mehr die Red«! Fm Lauf« brr Z«it hat sich nämlich für -t« Aefthettk b«S Esten» «in bestimmter Kodex -«rau-gebildet. Dan der erwähnten Mächte gegenüber würde daher nicht so wohl durch die Vermehrung des TonnengehaltS unserer Linienschiffe, als vielmehr durch Steigerung ihrer Anzahl und durch schnelleres Feuer ihrer Geschütze zu bewirken sein. Aber in ersterer Richtung sind uns durch unser bereits stark angeschwollenes Kriegsbudget und durch die militärisch-politischen Aufgaben unserer Flotte überhaupt gewisse Grenzen gesteckt, und in letzterer Hinsicht ist zu berücksichtigen, -aß schnelleres Verfeuern der Munition in See, wo rechtzeitiger Munitionsersatz schwierig ist, eine Feuerüberlegenheit um so weniger ver bürgt, je größer die Gefechtsdistanzen beim Fernkampf geworden sind. Deutsches Reich. v. L. L. Berlin, 8. November. Den traurig st en Tiefstand der ultra montan en Polemik be. zeichnet das vom giftigsten Hasse gegen den Wittenberger Reforinator eingegebene und unter -er Hand massenhaft vertriebene Machwerk, dessen Titel schon genug sagt: „Luthers galante Abenteuer, quellenmäßig er zählt" von A. Besenbacher ldret Bünde, als Manu skript gedruckt, im Selbstverläge des Verfasser» und in besten Auftrage versandt durch die Buchhandlung von Peter Breuer in Frankfurt a. M.j. Wie können es be greifen, baß die „Köln. Bolksztg." mit dieser „quellen mäßigen" Arbeit, wenigstens vor der Öffentlichkeit, nichts gemein haben will. Helfen wird ihr das freilich nicht viel, denn Bescnbacher, was vielleicht ein Pseudonym ist, hat nur das, was ein Gottlieb Ma funke und andere soge nannte „katholische Geschichtsforscher" mehr oder weniger keck ausgesprochen haben, in noch gröberer und gemeinerer Form unter die Leute gebracht; besonders in den Mönchsklöstern soll sich seine Leistung der größten Aus- merksamkeit erfreuen, wie sie denn auch in Oesterreich ve breitet wird, um der evangelischen Bewegung Einhalt zu tun. Es muß also ziemlich schlecht mit den „geistigen Massen" der römischen Kirche bestellt sein. In seinem Vorworte erklärt der Verfasser: „Das Buch will eine histo- rische, aber noch mehr eine psychologische Schilde, rung von Luthers EntwickelnngSgang bieten: dabei ist die christlich Dezenz möglichst gewahrt und jeglicher Anstoß zu vermeiden gesucht." In einer beson. deren „Vorbemerkung" macht er das Zugeständnis: „So wie Kinder niemals für etwaige Fehler ihrer Eltern oder Voreltern verantwortlich sind, so kann auch auf nie mand ein Schatten fallen aus dem Umstande, daß er etwa im Luthertum, ZwinqlianiSmus, Kalvinismus, Anglika nismus usw. a,^gewachsen ist oder erzogen wurde", meint aber schließlich: „Will jemand den Luther als ideales Vor bild für sein Denken nn-d Leben erwählen, so bleibt dies ganz Sache seines individuellen Geschmackes, um den wir ihn übrigens durchaus nicht beneiden." Der erste Teil schildert „Luther im ledigen Stand", der zweite Teil „Luthers Heiratsgeschichte", der dritte Teil „Luther im Ehestände". Einige Kapitelüberschriften werden zur Kennzeichnung von Besenbachcrs Schritt genügen: „Der Bcnusorcdiaer", ,-der Bänkelsänger in Worms", „Luthers Jugendiündcn", „der Prophet auf „Freierssüßen"", „ein geprellter Heiratskonknrrent", „Luthers türkischer Harem", „ein Gottesmann an der Kette", „der tanzende Prophet", „Martin durchgcbrannt", ..Melanchtbon von Luther beohr- seigt", „ein ergrauter Liebhaber". Als eine Probe von der Schritt selbst sei nur ein Satz au« dem Schlußworte ange führt: „Bei seinem Bemühen, den Venusdienst mit dem Christentum zu verschmelzen — nach dem Bei. spiel früherer Ketzerhäupter —, bekam Luther in der Folge lebenslängliche Kämpfe mit seinem widerborstigen Ge wissen, welches ihn mit BernunftSgründen widerlegte. Diese „Bestie" glaubte er aber erwürgen zu können durch immerwährende Wiederholung seines Sprüchleins: Der Mensch hat keine Vernunft und keinen freien Willen, also auch gar keine Verantwortlichkeit für sein Vergehen. Er kann gar nicht anders als nur sündigen. Um „bestia- l i s ch" leben zu können, hatte er den Menschen zur Bestie Legradiert." Ob die ultramontane und jefui- tische Kampfesweise noch tiefer sinken kann? Berlin, 3. November. (Wer im GlaShause sitzt . . .) In einer heftigen Polemik gegen die National- liberalen im allgemeinen und die Jugendvereine dieser Partei im speziellen erklärt die „Kreuzzta.": „Wenn Leute, die für national gesinnt gelten möchten, gleichzeitig imstande sind, auch nur an die Möglichkeit einer Annäherung an die Umsturzpartei »u denken, so sind wir mit ihnen ein für alleMale fertig und werden in dieserGe- sellschaft nie etwa« anderes al« ein Anhängsel der Internationalen erblicken." Wo und wie weit etwa in liberalen Kreisen, mögen e« natio nale Jugendvereine oder sonstige Kreise sein, die Möglichkeit einer Annäherung an die Sozialdemokratie ventiliert wird, können auch wir die« nicht billigen. Hat aber die „Kreuzztg." da« Recht zu einer so scharfen Ab sage, daß sie derartig« Kreise al« „Anhängsel der Internatio nalen" bezeichnen darf und hochmütig erklären kann, sie sei mit ihnen „ein für allemal fertig"? Wir verbrachten die Zeit der stürmischen Wahlbewegung von 1881 in Preußens zweiter Residenzstadt Breslau. Dort kamen in beiden Wahlkreisen die fortschrittlichen Bewerber in die Stichwahl mit der Sozialdemokratie. Da der Fortschrittler in BreSlau-West einen Vorsprung von über 1000 Stimmen vor dem Sozialdemokraten hatte, da ferner ein Bewerber in Breslau-Ost um kaum 900 Stimmen hinter dem Sozialisten rurückstand, da endlich Nationalliberale und Zentrum in der Stichwahl für die beiden fortschrittlichen Kandidaten einzu treten entschlossen waren, so war der Sieg der bürgerlichen Bewerber gewiß — auch ohne dir Hülfe der Konservativen; diese brauchten nur Gewehr bei Fuß zu stehen. In beiden Wahlkreisen aber siegten die sozialistischen Kandidaten dank tatkräftiger konservativer Unterstützung. Dies läßt sich ziffernmäßig beweisen. In BreSlau-Ost hatten in der Hauptwahl die Konservativen 4100 Stimmen erhalten, die Sozialdemokraten 5200; in der Stichwahl entfielen auf den Sozialdemokraten 8500 Stimmen. Da« Mehr von über 3000 Stimmen konnte der ganzen Sachlage nach zum größten Teile nur aus dem konservativen Lager stammen. In Breslau- West gingen die Sozialdemokraten von 4950 aus 8313 Stim men. Auch hier konnte das Plus von ca. 3400 stimmen der Hauptsache nach nur den etwa 4000 Stimmen zugeschrieben werden, die in der Hauptwahl für die konservativ-haudwerkS- partcilichen Kandidaten abgegeben worden waren. Nun, einen stärkeren Grad der Annäherung an die Sozialdemokratie als die Wablunterstützung sozialistischer Beweroer gibt es doch Wohl kaum; man bedenke obendrein, daß diese konservative Glanzleistung nur drei Jahre nach dem Attentate auf den alten Kaiser und dem Erlaß des Sozialistengesetzes erfolgte. War die „Kreuzztg." damals mtt ihren Breslauer Gesinnungs genossen „ein für allemal fertig" und bezeichnete sie sie als „Anhängsel der Internationalen"? Berlin, 3. November. (Ein Versuch zur Störung der deutschen Einigkeit in der Ostmark.) Der „Köln. Bolksztg." ist es ein Dorn im Auge, daß die deutschen Katholiken i» der Ostmark sich immer mehr ihrer nationalen Pflichten im Kampfe gegen das Polentum bewußt werden. Das rheinische Blatt bemüht sich deshalb,die deutschenKatholikcn gegen die andern deutschen Parteien aufzubetzen. Es weist deshalb ra- rauf hin, daß bei den Wahlkompromifsen der deutschen Parteien Grund dazu legte wahrscheinlich AlthellaS mit seiner feinen, liebenswürdigen Lebensart; die Verzierung stammt aus der Zeit der römisckwn Weltherrschaft; den Stil lieferte die formenreich« Renaissance, wie sie im Hause der Medici zu Florenz ihr Heim batte und durch die Heirat mtt den Frauen dieses Geschlechts -ei den ValotS im Louvre zu Paris. Alle Aiunut und Feinheit, die runden Linien und zierlichen Berschnürkelungen, lieb nun John Bull ver knöchern, indem er sich zum Kunstrichter ausivarf und au» seinem eigenen Naturell heraus Regeln schuf, die er d«r gesamten Kulturwelt aufzunötiaen versuchte. Merk würdigerweise lieb man sich diese Zwangsherrschaft ge fallen, und demnach darf man beinahe heute sagen, daß ote Eßgcsetze, wie sie von England au» diktiert wurden, geradezu international gowor-en sind. Nichtsdestoweniger gibt «» bin und wieder ein Auf lehnen dagegen, und glücklicherweise Abweichungen davon. So bedient sich der Franzose, nachdem -a» Mester in sofern seine Schuldigkeit tat. als dadurch das Fleisch zer teilt worden ist, oftmals eine» Stückchen Brote», mit Hülfe besten er die einzelnen Bisten aus die Gabel schiebt und dann -em Munde zuführt. Ich muß gestehen, -aß ich an dieser Art und Weis« zu essen nichts Anstößiges finden kann. Noch unsere Großeltern verfuhren ganz ebenso. Sie zerschnitten das Fletsch, indem das Mester in die rechte, die Gabel in die linke Hand genommen wurde, dann legten sie das Messer beiseite, ban-babten mit der Rechten die Gabel und aßen froh und wohlgemut ohne jede Zimper lichkeit. In Schweden, wie überbauvt in den nordischen Reichen Europas, verfährt man noch beute auf ähnliche Weise; nur daß man ohne ästhetische Rücksicht auf da» stamm verwandte England und sein« Tyrannei jeden Jmotß, so gar Gemüse und Fisch, zerkleinert, und dann allein mit Hülfe der Gabel die Mahlzeit nimmt. In Italien muß der Löffel vorwiegend iedes andere Eßgerät ersetzen; brr Behelf ist zwar etwa» mangelhaft; ntcht»bestow«nigrr sah ich eine niapolitantsch« Schön« wie «ine Königin damit umgehen; die angeborrn« Grazie, di« d«n Kandtzmilnninnen eines Rafael und Lionardo zu eigen, kommt ihnen auch dabei zu statten. Am wenigsten manierlich beim Essen erscheint mir der Grieche; er bewältigt tue Mahlzeiten mit geradezu wilder Hast, bedient sich der Finger mehr als der ihm zu Gebote stehenden Mcster und Gabel, verschlingt unmäßig große Stucke und zerteilt sie kaum zuvor mit den Kauwerkzeugen. Ich glaube, eine Engländerin fällt in Ohnmacht, wenn sie Zeugin solches Vorganges wird! Und wir Deutschen? .... Sinn, ich meine, wir können un» ganz ruhig beim Esten sehen lasten! Ohne io zimper lich wie .lohn Bull zu sein, unteriänttden wir uns doch von den Böltern -es OstenS sehr entschieden durch Manier und sicheres Umgehen mit den Ebaerätcn. Charakteristisch an uns finden frein-e Reisende, daß wir, etwa da- oben erwähnte Sauerkraut auSaenormnen, kein eigentliches Nationalgericht besitzen. Die durch Jahrhundert« ge tragene Zerrissenheit Deutschlands, die Widerhaarigkeit der cirrzelnen Stämme gegen einander, offenbart sich auch in diesem Umstande. Ein Humorist behauptete einmal, die moderne deutsche Küche werde einzig und allein zu sammengehalten durch die — Sauce. Jenen abscheulichen braunen Satt, kraftlos und allen Wohlgeschmacks bar, der in den Restaurants, au» einem Univerialtopfe ge- schöpft, über jede Fletsch, und womöglich auch Fischipctse geschüttet wird, nannte er recht bezeichnend „deutsche Einig- keitStunke". Nun, ganz so schlimm ist «» denn doch wohl nicht! Mtt Zuhülfenabme des bewährten Liebig« Fleisch. Extraktes vermag man selbst bei den augenblicklich hohen Preisen für animalische Nahrung-mittel ganz vorzügliche Saucen herzustellen. Und wenn man in Köln ander» kocht als in Königsberg, in Berlin ander- als in Ham burg und Wien, so offenbart sich doch eher dadurch auf kuli narischem Gebiete eine Vielseitigkeit, die sich gewiß, nicht zum Schaden für Zunae und Gaumen, von dem bei an deren Nationen herrschenden monotonen Einerlei auf das Glücklichste abhebt.
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