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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031016016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903101601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903101601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Seit man in allen Kulturstaaten mehr und mehr zu der Ueberzeugung gelangt ist, Satz die Erziehung und Au», btldung der mit körperlichen und geistigen Mängeln be hafteten Kinder nicht allein eine persönliche Angelegenheit ihrer Erzeuger ist, sondern zu den der Gesellschaft in ihrem eigensten Interesse obliegenden Pflichten gehört, sind «ine ganze Reihe der verschiedenartigsten Einrichtungen ins Leben gerufen worden, die bestimmt sind, in diesem Sinne zu wirken. Go sind Anstalten entstanden zur Erziehung von Blinden, von Taubstummen, von Idioten, Krüppel- heime sind da und -ort errichtet worden und dergleichen mehr. Nicht die unterste Stelle nahmen unter all diesen gemeinnützigen Einrichtungen Hie HtllsSschulen für Schwachbegabte «in. Sie haben einer Aufgabe zu dienen, die lange Zelt in beklagenswerter Weise vernachlässigt warr während für die Blödsinnigen in den meisten Staaten in ausgiebiger Weise gesorgt ist, sodaß sie für einen LebenSerwerb herangebildet werden oder wenigstens in einem Asyl Unterkunft und Fürsorge finden, batten die müßig und schwach Begabten, die an der Grenzscheidr zwischen mangelnder Begabung un geringgradigem Schwachsinn stehen, bi» vor kurzer Zett keine besondere Berücksichtigung gefunden. In der Schule wurden sie zusammen mit vollstnnigen Kindern unterrichtet, obgleich sie mit den anderen nicht Schritt zu halten vermochten ober den Unterrichtsbetrieb aufs empfindlichste störten- Sollten dann jene bedauerns werten Geschöpfe nach Vollendung der Schulzeit für irgend einen Berus ausgebildet werden, so tauchten alle möglichen Schwierigkeiten auf; die mannigfachsten Ver fehlungen und Ungeschicklichkeiten wurden begangen, die als Störrigkeit qusgelegt und bestraft wurden; nicht feiten mußt« di, Lehre wiederholt gewechselt werden, und am En-e war daK Ergebnis d«r Erziehung ein Mensch, der für den Kampf ums Dasein nur mangelhaft ausgerüstet war. Biele dieser geistig Minderwertigen verfallen später der Bagabondaae oder dem Verbrechen, jahrelang be schästigen sie Polizei und Gerichte, bis man endlich ihren Geisteszustand erkannte und sie milder beurteilte. Nicht anders gestalten sich die Verhältnisse bei Erfüllung der militärischen Dienstpflicht. Eine grobe Zahl der störrischen, immer wieder unbotmäßigen Soldaten, -ie aus nichtssagenden Gründen ihren Truppenteil verlassen, die, aller Strafen ungeachtet, sich immer wieder zu dienst. lich«n Unregelmähigkeiten und »u Insubordinations vergehen hinreisten lasten, sind schwachsinnige Geschöpf«, die überhaupt nicht für den militärischen Dienst ge eignet sind. ES lag also eine Notwendigkeit vor, diesen Unglück lichen eiir höheres Mast von Fürsorge zuzuwenden, sie vor unverdienter Belästigung und falscher Beurteilung zu bewahren, anderseits aber auch die Gesellschaft vor ihnen zu schützen. Denn viele der sogenannten moralisch Irren, viele geborene Verbrecher, berufsmäßige Land streicher, Strolche, Zuhälter usw. sind nicht- anderes, als mäßig Schwachsinnige, deren Defekt auf moralischem Gr- biete hervortritt nnd bei denen die abnorme Anlage noch durch eine verkehrte Erziehung in ihren Folgen ver stärkt wurde. Wenn man heute in den meisten Staaten jene Unter- lastungSsünden wieder gut zu machen begonnen Hot, so bars man sich gleichwohl nicht verhehlen, daß wir noch in den ersten Anfängen stehen. Allerdings ist quantitativ sehr viel geschehen. Wenn im Jahre 1896 im Deutschen Reiche neun Schulen für schwachsinnige Kinder mit im ganzen 456 Zöglingen bestanden und im Jahre 1801 in Preußen allein 274 Klaffen mit 5756 Zöglingen errichtet waren, so bedeutet da» sicherlich eine ganz gewaltige Leistung. Mein in Bezug auf Organisation und Methodik bleibt doch noch vieles zu tun übrig. ES liegen hier allerdings Aufgaben vor, die bis vor kurzem noch beinahe unbekannt waren und in deren Bewältigung man sich erst einzuarbeiten hatte; noch sind wir nicht so weit, daß man, ähnlich wie für -ie Taubstummen anstalten, eine Klaffe von besonders vorgebtldct«n und ge prüften Pädagogen besäße, wenn auch Ansätze in dieser Richtung vorhanden sind. Aber -ie Aufgaben, welche des Pädagogen in der Hülfsschulc harren, verlangen un bedingt eine eigene Art der Ausbildung und d«r Er ziehungsmethodik. Mit dem Worte „schwachsinnig" oder „schwachbegabt" ist eigentlich sehr wenig gesagt. Im Wesen unserer Gehirnorganisation liegt eS allerdings, daß keine Störung und kein Defekt auf irgend einem Gebiete die übrigen geistigen Funktionen ganz unbeeinflußt ließe; abgcgrenzte Störungen bei sonst völliger geistiger G«. sundheit, wie sic früher eine bedeutende Rolle in der Jrrenhetlkund« spielten, gibt cs im strengen Sinne nicht. Gleichwohl können die Defekte in den verschiedenartigen Richtungen verschieden groß sein, sodaß für die praktischen Erziehungszweckc nur bestimmte Störungen maßgebend -lew«. Mit auderen Worten» noch wenig« al- -oll- sinnige Schüler lassen sich schwachbegabte nach einer gleichförmigen Methode erziehen und ausbilden. Was wir an geistigem Besitz unser nennen, ist immer ein Erwerb unserer Sinne. Was geistige» Eigentum werden soll, muß durch die Pforte der Sinneswerkzeuge in da» Bewußtsein etndringen, und die Höhe der mensch lichen Vernunft beruht im Grunde auf der Tatsache, daß uns wohl in der Schürfe einzelner Sinne viele Tiere überlegen sind, daß aber kein anderes Geschöpf so, wie der Mensch, alle Sinne so gleichmäßig und in gegenseitiger Ergänzung zu verwerten weiß. Der Bogel ist ein Augen wesen, der Hund orientiert sich vorwiegend mittels des Geruchssinnes, auch bei den höheren Tieren überragt ein Sinn die anderen, aber nur der Mensch ist im stan-e, obgleich auch bei ihm Auge und Ohr die hervorragendsten Sinne sind, sie alle gleichmäßig zu gebrauchen und den einen durch den anderen zu kontrollieren. Bei den Schwachsinnigen und Schwachbegabten ist nun regelmäßig, selbst wenn die gewöhnliche Prüsung gröbere Mängel nicht aufweisen kann, jene annähernde Gleichmäßigkeit der Sinnesfunktionen nicht vorhanden. Nicht etwa, daß die Sinneswerkzeuge nicht vollkommen ausgebildet wären, bas braucht keineswegs der Fall zu sein, sondern die geistigen Funktionen des Sehens, Hörens usw. sind um gleichmäßig entwickelt. Der Schwachbegabte ist nicht im stände, in gleicher Schärfe oder mit gleicher Schnelligkeit wie -er Bollsinntge die Sinneseindrücke in sein Bewußt, sein auszunehmen, nicht nur zu sehen, zu hören, zu riechen, sondern auch das Gesehene usw. zu erkennen, das Erkannte zu verarbeiten und in Beziehung zu bringen mit dem auf anderen Sinneswegen Erworbenen Gewöhnlich tritt der Defekt auf einem SinneSgebiet besonders hervor; ebenso ist Gedächtnis und Erinnerungsvermögen in -en verschiedenen Sphären verschieben stark beeinträchtigt. Entsprechend der Bedeutung -er beiden hervorragendsten Sinne kann man Geistesschwache mit Gesichts- nnd solche mit Gehörmängeln unterscheiden. Es ist wohl einzusehcir, daß, je nach dem vorliegenden Defekt, Erziehung und Ausbildung des geistigen Krüppels verschieden geartet fein muß. Der Erzieher muß ben am besten funktionierenden Sinn benutzen, um von ihm auS möglichst zahlreiche Eindrücke auf da» Seelenorgan wirken zu lasten, und durch Betonung der gegenseitigen Beziehungen auch die untätigen Sinne zu höherer Tätig keit anzuregen. Das ist natürlich eine ganz eigenartige und schwierige Aufgabe der Pädagogik, -ie nur auf der Grundlage eingehender psychologischer Kenntnifse gelüst werden kann. Von der Erfüllung dieser Voraussetzungen hängt nicht allein die befriedigende formale und technische, sondern auch die ethische Erziehung des Schwachsinnigen ab. Hat man der Notwendigkeit der individualisierenden Erziehung auch insofern zumeist Rechnung getragen, daß man nur kleine Klaffen errichtet hat, -ie -em Lehrer Zeit lassen, sich jedem einzelnen Kinde persönlich zu widmen, so ist die Wichtigkeit einer genauen psychologischen Unter- suchung noch keineswegs allgemein durchgedrungen. Hier bedarf es noch mannigfacher Arbeit und verstän-nisvollen Zusammenwirkens von Aerzten und Pädagogen. Die UntersuchnngSmethodik, welche hier notwendig ist, ist fo kompliziert und mühsam, daß sie nur van psychologisch er fahrenen Aerzten vollkommen beherrscht wird. Wenn schon bei jeder Schule der Schularzt für allgemein hygienische Ausgaben eine Notwendigkeit ist, so ist er in der Hülfs schulc für Schwachbegabte ein dringendes Bedürfnis. In vereinter Tätigkeit mit -em Pädagogen ist es notwendig, soweit dav nach dem heutigen Stande der Wissenschaft möglich ist, gleichsam die gesamten geistigen Funktionen des Kindes genau aufzunehmen und auf dieser Grund lage die Methodik, welche in An'wendttng kommen muß, festzustellen. Es wevden sich immer einzelne Gruppen zusammenftnden, die nach den gleichen Grundsätzen be handelt werden können, aber diese Sonderung muß vor genommen werden, wenn die in so bcdeutonüem Umfange getroffenen Maßnahmen die rechten Früchte tragen sollen. Nur auf dicker Grundlage wird e» auch möglich sein, für die spätere Erziehung der Schwachbegabten und ihre Eignung zu einem bestimmten Berufe sichere Anhalts punkte zu gewinnen, sowie auch die gerichtlichen und mili tärischen Behörden vor manchen Mißgriffen zu bewahren. Und wie das Objekt, um das es sich hier dreht, dem Grenz gebiete -wischen ärztlicher und pädagogischer Kunst an gehört, so ist es auch zu wünschen, daß Lehrer und Aerztc nicht etwa sich gegenseitig den Rang abzulaufen suchen, sondern in einträchtigem Zusammonivirken ihre Kräfte jener schwierigen Aufgabe widmen. P. Deutsche- Reich. Berlin, 15. Oktober. (Zentrums-Türken.) Daß die radikale polnische Presse der Provinz Posen di« Trennung -er schlesischen Polen vom Zentrum mit Jubel begrüßen würde, war vorauS- zuseben. Der Uebcrschwung aber, mit dem selbst der „g c - mäßigte" «Kuryer Poznan Skt" den Abfall der schlesischen Polen Zentrum feiert^ darf einigermaßen überraschen. Stellt doch der „Kuryer Poznanski" die Einigung der beiden polnischen Flügel in Schlesien auf eine Stufe mit einem Siege der Christen über die Un gläubigen. „Durch Gottes Fügung", so führt das Organ der Posener Dominsel aus, „kam die Botschaft gerade am Tage der Feier des Steges beiChottm über dteTürken in unsere Kirchen.. . .Man kann der Ver suchung nicht widerstehen, zwischen jener alten historischen Erinnerung an einen religiösen und nationalen Kampf und der jetzt vollzogenen brüderlichen Einigung in dem alten Piastcnlande einen symbolischen Zusammenhang zu konstruieren." — Solchen ausschweifenden Sätzen gegen über müssen sich wahrhaft kirchlich-katholisch gesinnte Kreise, wie die „Germania" feststellt, in der Tat aufs peinlichste berührt fühlen. Aber schließlich fordert ja unsere Zentrumspresse polnische Auslassungen, in denen das Zentrum den Türken gleichgestellt wird, geradezu durch die unterwürfige Art heraus, mit der sie trotz der „bitteren" Erfahrung in Oberschlesien immer aufs neue beteuert, daß das Zentrum an seiner bisherigen Polen politik festhalten werde'. Berlin, 15. Oktober. Der deutsche Ar- bciterkongretz, der demnächst in Frankfurt a. M. sich versammelt, erfährt durch Professor vr. E. Francke in der „Sozialen Praxis" eine bemerkenswerte Würdigung Francke stellt die Frankfurter Tagung zu nächst dem Dresdener Parteitage der deutschen Sozialdemokratie gegenüber, indem er an der Hand sozial demokratischer Gewährsmänner die sozialpolitische Un fruchtbarkeit der Dresdener Verhandlungen beleuchtet. Im Gcgeusatze dazu will der Frankfurter Arbetterkongreß auf eine gemeinsame Aktion in solchen Fragen der gesetz lichen Sozialreform, welche den teilnehmenden Arbeiter organisationen gemeinsam find, hiinvirken. Daß die Hirsch.Dunckerlchm» Gowerkvereine sich von diesen Be strebungen fernhalten, wird von Francke mit Recht be dauert. Auch gegen den Borwurf der ,Frenzzeitung", es würden auf dem Frankfurter Kongreß nicht die Pflichten vorangestellt, welche die Zugehörigkeit zum nationalen christlichen Staate bedingt, sondern die Rechte, die man er ringen zu müssen glaube, wendet sich Francke in zutreffen den Ausführungen. Was wolle man denn in Frankfurt verlangen? Vor allen Dtngan keine LtaatShülke in Ge. stakt von Unterstützungen und Begünstigungen: ausschließ lich die Forderung wove man erheben, daß Reich und Staat die Wege zu einer in festen Formen geordneten Selbstbülfe freimachen. Heute stehe in -er Ausübung der Selbsthülfe auf gesetzlichem Boden der deutsche Arbeiter noch unter Ausnahmegesetzen. Die Ausübung des Koalitivnsrechtes sei nur ihm beschränkt und erschwer:, unter den Vereins- u>nd Bersammlungsgeseven leide er allein, von seinen Berussvereinen wisse die Gesetzgebun» so gut wie nichts, alle andern Erwerbsstände Hütten staat lich anerkannte und geordnete Bertretungskörper, der deutsche Arbeiter nicht. Unter dieser Vernachlässigung und diesem Mißtrauen leide er nicht nnr in seinen recht- mäßiggn Bestrebungen, sondern empfinde auch schmerzlich ms Unrecht, das in solchen Ausnahmezuständen liege. So ei das Verlangen nach geordneter Selbsthülfe auch ein dealeS Gebot, in dem die ganze deutsche Arbeiterschaft, oweit sie über ihre Lage und Ziele nachdenke, einig wäre, lnd in diesem Sinne erhebe allerdings der vaterländische Arbetterkongreß Forderungen, deren Erfüllung jedem Arbeiter zu gute kommen müsse. Gerade das aber be zeichne den Frankfurter Kongreß, daß seine Urheber keime Prämie für Wohlvcrhalten erbäten, sondern selbstbewußt für das Recht aller Arbeiter einträten. Wenn sie der artige Rechte erringen wollten, so täten sie nur, was mutati» mulanäw aus konservativen, landwirtschaftlichen rmd handwcrkerlichen Versammlungen geschehe. Eine Oft- währ für die Erfüllung der in Frankfurt zu erlebenden Forderungen erblickt Francke in der Erklärung des Reichs kanzlers, daß nach der Ueberzeugung des Kaisers die Gleichberechtigung der Arbeiter ihren gesetzgeberischen Ausdruck finden solle. * Berlin, 15. Oktober. (Wahlparole oder Ent gleisung — auf alle Fälle eine Torheit.) Wieder holt ist darüber geklagt worden, daß keine Wahlparole für die bevorstehenden preußischen Landtagüwahlen aus gegeben werde. Diese Klagen müssen jetzt wenigstens auf link-liberaler Seite verstummen, denn die „Bert. Polit. Nachr." veröffentlichen heute folgende Kundgebung: „Die Sozialdemokraten halten nach einer bündigen Er klärung in dem leitenden Parteiblatte auf der ganzen Linie an der auf dem Dresdener Parteitage bestätigten Wahltaktik gegenüber den Linksliberalen fest. Wenn diese sich nicht unter das von den Sozialdemokraten ihnen gebotene kaudinische Joch beugen und sich deren Unterstützung nicht durch Abtretung einer Reihe von Mandaten erkaufen, werden die Sozialdemokraten sie in dem bevorstehenden Wahlkampfe allein lassen, selbst aus die Gefahr hin, daß das ohnehin schon schwache Häuflein der linksliberalen Abgeordneten noch weiter geschwächt würde oder ganz von der Bildfläche verschwände. Diese sozialdemokratische Taktik entbehrt der Folgerichtigkeit nicht. Man stellt die Freisinnigen vor die Wahl, entweder durch Unterwerfung unter das sozial demokratische Gebot sich in den Augen eines großen Teile- der eigenen Anhänger unmöglich zu machen, oder aber zwischeu den rechtsstehenden Parteien und den Sozialdemokraten zerrieben zu werden. Man erwartet von dieser Taktik nicht mit Unrecht eine Erweiterung des Einflusses der Sozialdemokraten auf diejenigen Schichten der Bevölkerung, die dieser bisher nicht zugänglich waren. Wenn die Sozialdemokratie nach Beseitigung der bürgerlichen Demokratie die einzige Vertreterin des demo- irakischen Gedankens wäre, so würden eben naturgemäß manche Elemente, tn deren politischer Anschauung der demokratisch« Fug das entscheidende Moment bildet, sich genötigt sehen, mit den Sozial demokraten zu gehen, wenn sie ihre demokratische Auffassung betätigen wollen. Da es der Sozialdemokratie auch viel weniger aus die Gelegenheit ankommt, in dem preußischen Abgeordneten hause praktische Arbeit zu leisten, als aus ihrer Wahlbeteiligung »Mw «VtouSkraft zu gewinn««, s» wiegt der Vorteil, den sie durch Ausschaltung eines großen Teiles der ltuksliberalen Parteien gewinnen würde, ungleich schwerer, als rin etwaiger Gewinn aus einem gelegentlichen Zusammengehen bei den Wahlen mit den Linksliberalen. Wenn diese daher unter dem Drucke der Stimmung ihrer Gesinnungsgenossen im Lande fortfahren, den sozialdemokratischen Forderungen zu widerstreben, so dürfte die allgemeine Beteiligung der Sozialdemo, kraten an den bevorstehenden LaudtagSwahlen viel- mehr den Parteien, welche jetzt die Mehrheit im Abge ordnetenhause bilden, als deren linksliberalen Geg nern zum Vorteil gereichen." Aus dieser Darlegung wird kein Mensch etwas anderes berauslesen können als die Mahnung an die Linksliberalen, sich selbst auf die Gefahr hin, Anhänger zu verlieren, die Unterstützung der Sozialdemokratie durch Abtretung einer Reihe von Mandaten zu sichern, um nicht ihre konservativen Gegner zu stärken und selbst völlig zerrieben zu werden. Dürfte man nun noch annehmen, daß diese Wahlparole von der preußischen Regierung ausgeht, so hätten wir den allerneuesten KurS: Die Regierung erklärt die Sozialdemokratie für bündnisfahig und empfiehlt den Freisinnigen, mit den „Genossen" einen Wablpakl zu schließen. Eine solche offiziöse Sanktion hat sich wohl selbst vr. Barth nicht träumen lassen, der jetzt mit Hohn auf den „unschlauen" Eugen Richter blicken kann. Da haben sich nun die honorigsten Leute der Barthschen Partei die Finger wund geschrieben, da haben die Oberbürger meister auf dem Parteitage mit aller Macht gewirkt, um ihre Partei vor der unvermeidlichen Diskreditierung zu bewahren, die eine Folge der Werbung um die Sozialisten liebe und noch mehr eines BündnrsseS sein mußte — nutzt alles nichts: Offiziös wird erklärt, der Fraktions vorteil gehe vor das Staatswohl. „Es lebe der ParteiegoiSmns!" Auf eines sind wir neugierig: Wie jetzt wohl der Regierung von den Konser vativen der Kopf gewaschen wird? Freilich kann man darauf gefaßt sein, daß bald ein anderer OfsiziosuS seinen Kollegen desavouiert und erzählt, die Regierung wisse von nichts, wodurch dann die ohnehin schon hübsche Verwirrung noch größer würde. Wo der Inspirator oder Autor des Artikels aber auch zu suchen sein möge, das Eine steht jeden falls fest: Eine größere Torheit hat in einer regie rungsoffiziösen Korrespondenz noch nicht ge standen. (-) Berlin, 15. Oktober. (Telegramm.) Der Kaiser traf mittels Sonderruges heute nachmittag 2 Uhr 55 Min. auf der Station Wildpark ein, wo die Kaiserin, der Kronprinz, die Prinzen Eitel-Friedrich, Adalbert und Joachim und die Prinzessin Viktoria Luise zum Empfange erschienen waren. DaS Kaiserpaar begab sich mit seinen Kindern zu Wagen nach dem Neuen Palais bei Potsdam. (-) Berlin, 15. Oktober. (Telegramm.) Der Prälat Wilpert aus Rom ist beute hier eingetroffen und wird der „Germania" zufolge morgen sein Werk über Malereien in den Katakombe» nebst einem Handschreiben deS Papstes dem Kaiser überreichen. T Berlin, 15. Oktober. (Telegramm.) Der Vun-eSrat stimmte in seiner heutigen Sitzung den Anträgen des 4. und des 6. Ausschusses über den Antrag Preußens auf späteres Inkrafttreten der Krankenvcrsicherungsnovelle von: 25. Mai 1903 für die preußischen Knappschafts kassen, sowie den Anträgen des 7. und 4. Ausschusses über die Vorlage, betr. Ausprägung von Kronen, zu. Berlin, 15. Oktober. (Telegramm.) In der Sitzung der ». Ge«er«lstzNO»e, die heute im Plenarsitzungssaale des Abgeordnetenhauses zusammengetreten ist, machte der zum königlichen Kommissar der Synode ernannte Vizepräsident deS Evangelischen Oberkirchenrats v. Freiherr v. d. Goltz Mitteilung von folgendem, aus Hubertusstock, den 12. Oktober, datiertem königlichen Erlaß: Um der evangelischen Landeskirche Meiner Monarchie einen neuen Beweis Meiner Fürsorge zu geben, bestimme Ich hierdurch, daß in den Entwurf des nächstjährigen Staatshaushaltsetats be hufs Aufhebung der gesetzlichen Pfarrbeiträge an den Pfarr-Witwen- und Waisenfonds eine an diesen zu zahlende Staatsrcnte von jährlich 850000 -Sl, sowie ferner die erforder lichen Mittel zur Erhöhung der Dienftanfwandentschädigung der Generalsuperintendenten auf den durchschnittlichen Jahre-betrag von 2000 eingestellt werden. (-) Oldenburg, 15. Oktober. (Telegramm.) Unter starkem Andrange des Publikums begann heute der Prozeß gegen den Oberlehrer Ist-. Ries und den Redakteur Viermann wegen Beleidigung deS Justirministers Ruh- strat und deS Landrichters Haake. Die Verteidiger erklär ten, daß sie den Gerichtshof wegen Besorgnis der Befangen heit ablehnten. Nach längerer Erörterung wurde dem Ein wenden der Verteidiger nur bezüglich eines Richter» stattge geben. Unter den Zeugen befindet sich der Juftizminister Ruhstrat, der sich dem Verfahren als Nebenkläger an geschlossen hat. Nach Vernehmung deS Angeklagten wird der Prozeß auf unbestimmte Zeit vertagt, da zwei Zeugen, auf die die Verteidigung nicht verzichtet, nicht erschienen sind. * Lhprtn «Mark), 15. Oktober. (Telegramm.) Der Kaiser ist mit Gefolge heute mittag hier cingetroffe» und im Wagen nach der Oberförsterei gefahren. Der Kaiser hat eingehend dreivirrtel Stunden die Klosterruine besichtigt, im Beisein der Minister vr. Studt und Frhr. v. Hammer stein. Der Kriegerverein, die Schulen und das Publikum begrüßten den Kaiser begeistert. Der Kaiser reist« dana nach Wildpark ab. * Aus der Ostmark. Zu der von dem Pokendlatt „W t e l k o p o l a n i n" ausgesprochen«» »Befürchtung", daß -j« Zöglinge des Posener Prtesterseminar- durch das Hören der Vorträge an der Posener »ka « -emie germanisiert werde» könnten, bemerkt der ,^>kurye r", Vas Organ des Erzbischofs v. Lta-lcwSki: «Die »ach« Ist nicht wahr. Di« Verwaltung -«D
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