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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031109021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903110902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903110902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-09
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Nicht die leiseste Hin deutung darauf, daß der Kaiser leidend sei oder auch nur beim Sprechen sich belästigt fühle, ist in die Oeffentlichkeit gedrungen. Läßt sich aber auch gerade hieraus und aus den Reisen, von denen daS Oberhaupt des Reiches soeben nach Potsdam zurückgekehrt ist, schließen, daß der auf operativem Wege ent fernte Polyp dem Kaiser so gut wie gar keine Beschwerden bereitet hat, so bleibt doch die Sorge das Kind der Liebe und läßt sich um so weniger abweisen, in je frischerer Erinnerung in der ganzen deutschen Nation noch die ersten Nachrichten sind, die über die Art des Leidens Kaiser Friedrichs in die Oeffentlichkeit drangen. Bei kaltblütiger Ueberlegung wird man sich freilich sagen, daß von jenem Leiden bei der Geburt deS jetzigen Kaisers noch keine Spur vorhanden war und baß von einer Bererbung also nicht wohl geredet werden kann. Aber die Liebe läßt von der Sorge nicht, und Kaiser Wilhelm II. wird gerade jetzt an dem Maße von Sorge um ihn erkennen, wie tief die Liebe zu ihm in den Herzen aller Deutschen, die diesen Namen verdienen, Wurzel geschlagen hat. Nahrung erhält die Besorgnis durch die bekannte Tatsache, daß der Kaiser häufig genug mehr als menschliche Anforderungen an sich selbst stellt. Besonders schwarzseherische Leute werden vielleicht auch daraus, daß nicht Prof. I)r. Orth selbst in einer von ihm unterzeichneten Erklärung den entfernten bindegewebigen Polypen als einen „durchaus gutartigen" bezeichnet, sondern daß es der „Nordd. Allgem. Ztg." über- laffen bleibt, diese Behauptung aufzustellen, ungünstige Schlüffe ziehen. Wir selbst legen auf diesen kleinen Form fehler kein Gewicht, umsomehr aber auf die Tatsache, daß der Kaiser noch in neuester Zeit längere Ansprachen gehalten hat, ohne die Hörer auf die Vermutung zu bringen, daß in seinem Kehlkopfe eine Wucherung in der Bildung begriffen sei. Und das wäre bei der Sorgfalt, mit der der Monarch von seinen Leibärzten umgeben wird, denn doch wohl nicht möglich gewesen, wenn eS sich bei dieser Wucherung um mehr als ein mit Leichtigkeit zu entfernendes und keine Spur zurücklassendes Gebilde gehandelt hätte. Jedenfalls ist der Kaiser selbst dieser Ueberzeugung und des halb von fester Zuversicht auf baldige völlige Genesung beseelt. Möge diese Zuversicht sich vollauf als begründet er weisen und sich auf die ganze deutsche Nation übertragen, die 97. Jahrgang Montag den 9. November 1903. mit den innigsten Wünschen jede weitere Nachricht über das Befinden des kaiserlichen Herrn erwartet und begleitet. — Ueber die Vorgeschichte der Operation und deren Erfolg wird der „Köln. Ztg." berichtet: „Völlig unerwartet ist die Nachricht gekommen, daß der Kaiser sich einer Operation unterziehen mußte, aber glücklicherweise konnte gleichzeitig gemeldet werden, daß es sich nicht um einen bösartigen Fall handelt. Schon als Professor Moritz Schmidt die erste Untersuchung vornahm, sprach er sich dahin aus, daß man es mit einer gutartigen Bildung zu tun habe. Immerhin hielten die Aerzte ihre Entfernung für nötig, und der Kaiser zögerte nicht einen Augenblick, sich ihr zu unterwerfen, und ertrug sie mit der größten Kalt blütigkeit. Die Operation wurde am Sonnabend Vormittag um 10 Uhr vorgenommen. Wenn man sie nicht sofort zur allge meinen Kenntnis brachte, so hatte dies seinen Grund darin, daß man das Ergebnis der mikroskopischen Unter suchung abwarten wollte, um mit einem völlig abge schlossenen Krankhettsberichte vor die Öffentlichkeit zu treten. Professor I. Orth, der Nachfolger Virchows, konnte auf Grund der Untersuchung die bestimmte Erklärung abgeben, daß eine gutartige Bildung vorliege, und es ist anzunehmen, daß der Heilungsprozeß nur kurze Zell dauern wird, während welcher der Kaiser sich lediglich eine Beschränkung im Gebrauch der Stimme auferlegen muß. Für die Auffassung, welche an maß gebender Stelle gehegt wird, ist es kennzeichnend, daß der Kron prinz, der bei einer ernsten Erkrankung seines Vaters sicher in Potsdam verblieben wäre, am Sonntag Mittag nach Wernigerode zur Jagd abgereist ist. Das traurige Ende des Kaisers Friedrich ist nur zu geeignet, bet einer solchen Erkrankung beunruhigende Gerüchte anftauchen zu lassen. Durch die schnelle Feststellung und Veröffentlichung des Tatbestandes ist allen derartigen sensationellen Erfindungen ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben worden. Bor einigen Jahren, als eine Balggeschwulst im Gesichte des Kaisers entfernt werden mußte, hat man au- demselben Grunde sich veranlaßt gesehen, sofort den Sachverhalt mitzuteilen." Dem „Berl. Tagebl." wird zur Erläuteruna des offi ziösen Berichte« wahrscheinlich aus ärztlichen Kreisen ge schrieben: „Daß die Aerzte von der Operation eine- Stimm tippen- Polypen sprechen, eine- wenig gebräuchlichen medizinischen Ausdrucks, bedeutet wohl, daß es sich um die Erkrankung eines Teil- der Stimmbänder handelt, an denen sich nicht selten solche gutartigen Geschwülste zu bilden pflegen. Es ist ferner hervorzubeben, daß, wie au- dem Gutachten des Prof. Orth hervorgeht, bei der polypenartigen Schwellung lediglich sehr weiche Teile des Bindegewebes in Frage standen, die operativ entfernt werden mußten. Die Bezeichnung dieser Teile al- „sehr weiche" ist charakteristisch für die Gut artigkeit der entfernten Teile de« Bindegewebes, da e- bekannt ist, daß bösartige Schwellungen dieser Art nicht im Bindegewebe, sondern vielmehr im Zellgewebe ge- bettet sind. Da der Polyp, wie der Befund sagt, eine größere Anzahl dünnwandiger Blutgefäße enthielt, so sind die kleine» grauen Pigmentkörnchen, von denen der Befund spricht, jeden falls auS leichten Blutungen hervorgcgangen, die sich al« Folgen der Anstrengung beim lauten Sprechen eingestellt haben. Da der entfernte Polyp mit einem Plattenepilhel überzogen war, so ergibt sich daraus, daß es sich lediglich um Zellen gehandelt hat, die an der Oberfläche der Schleimkäute lagerten. Mit einem Wort, die ärztlichen Angaben, denen man bei der großen Autorität der behandelnden und untersuchenden Aerzte volles Vertrauen schenken darf, sind für eine baldige Genesung des Kaisers so verheißungsvoll, wke man es unter den obwaltenden Um ständen zu erwarten berechtigt ist." Kampf gegen die „Akademiker". Daß unsere sozialdemokratische Presse alle vater ländischen Einrichtungen herabzuwürdrgen und zu schmähen pflegt, ist so bekannt, daß nicht daran erinnert werden muß. Sie lebt davon und unterscheidet sich dadurch von der Presse der „Genossen" in andern Ländern, die auch in der heiligsten Polemik gegen den Staat nicht das patriotische Schamgefühl verleugnet. Aber bemerkenswert zur Kennzeichnung der deutschen Sozialiftenpresse ist dies, daß sie in ihren Angriffen auf alles Bestehende vor den ärgsten Selbftwtderspruchen nicht zurückscheut und das Wort, „es könne nicht fuß und bitter aus einem Brunnen fließen", widerlegt, »so die „Leipziger Volkszeitung" in ein und derselben Nummer (256) und auf einem und demselben Blatte. Nach ihr ist es Chauvinismus, wenn man die deutsche Postverwaltung so gar koch hält — wie freilich nicht nur die Deutschen, sondern auch die Ausländer tun. „Denn während die französische Post einen Gewinnüberschuß von 64 000 000 verzeichnet, be ziffert sich der von der deutschen Post erzielte auf nur 30 000 000 . . ." „Es wirtschaftet also", hören wir weiter, „die deutsche Post mindestens viermal schlechter als die französische"... Viermal? Gewiß! Denn 4 mal 30 ist 64. Wenn aber nach Adam Riese nicht, so ist es ein kleiner Rechenfehler, den die gläubigen Genossen entweder nicht bemerken oder entschuldigen werden. Der Nettogewinn des preußischenEisenbahnbetriebeS beläuft sich aber, nach einer Notiz derselben Volkszeitungsnummer, auf rund 400 Millionen, und das hängt mit den „trostlosen Betriebsverhältnissen" zusammen, „die dann und wann in einem Eisenbahnunglück fällig werden". Daß solche Unfälle aus den preußischen Bahnen seltener als überall sonst vor- ..anmen, wird den Lesern verschwiegen, und daß man auf den deutschen Bahnen bequemer und präziser als auf den meisten ausländischen fährt, scheint der Artikelschreiber selbst nicht zu wissen. Aber, was eS hier zu notieren gilt: die Post wirtschaftet nach ihm schlecht, weil sie zu wenig erübrigt, und die Eisenbahnverwaltung verdient Tadel, weil sie zu viel abwirft. Die „V.-Z." weiß aber auch, woran eS liegt, daß jene im Vergleich mit der französischen und der englischen Verwaltung so schlecht« Geschäfte macht. Man stellt in Deutschland an die Postbeamten „zu hohe Anforderungen, man unterwirft insbesondere die höheren Beamten so und so viel Prüfungen, um festzustellen, ob sie genügend vorbereitetseien. Wo zu das ? In der englischen und der französischen Post arbeiten kauf männisch gebildete Geschäftsleute, in der deutschen Post unprak tische — Akademiker und Gendarmen (!)." Da haben wir's: die „Akademiker", die Leute, die mehr als Zigarrenmachen gelernt haben, sind nicht nur in der Partei, sondern auch im Post- und Eisenbahnbetrieb die „Allzuvielen", die Schuldigen und Schädlinge, die man beseitigen muß. DaS ist ächt sozial- demokratisch und, wie seltsam immerhin, der alte Polonius würde, wie von Hamlets Jrrereden, sagen: „Ist dies schon Tollheit, hat es roch Methode". Je weniger du gelernt haft, Genosse, desto brauchbarer bist du schon beute und, noch ge wisser, im Zukunftsstaate. Man mache August^Bebel zum Kriegsminister, den Mäntelfabrikanten a. D. Singer zum Kultus-, den Herren Kautsky oder Mehring zum Justiz minister und lasse Herrn Budde seine einflußreiche Stelle an den roten Postmeister abtreten, — „dann sind die Rollen ausgeteilt und alles woblbestellt", wie es in einem alten Studentenlieke heißt. Und das möglichst bald, damit man noch etwas davon erlebt! Denn so lange der Staat die „Ge bildeten" und „Akademiker" bevorzugt, geht alles schief. DaS Deutschtum tu Aust» alten. Professor Karl Lamprecht hat soeben den Schluß der Er gänzungsbände seiner „Deutschen Geschichte" erscheinen lassen. Er behandelt darin die neuesten Vorgänge der inneren und äußeren Politii, besonders das Eintreten Deutschlands in die Weltpolitik und die überseeische Betätigung des Deutscktums. Ueber das Deutschtum in Australien, von dem seit den 30 er Jahren des 19. Jahrhunderts gesprochen werden kann, führt der Gelehrte u. a. aus: Wird aber den Deutschen Australiens eine freudige Zukunft erblühen? Schon aus physiologischen Gründen ist dies zweifelhaft: denn soweit sich aus^ben schon älteren Er fahrungen der angelsächsischen Rasse Schlüsse ableiten lassen, zerstört das Klima des australischen Kontinents Energie und Fruchtbarkeit der Europäer. Aber auch davon abgesehen, zeigt das deutsche Element, es sei denn, daß es geschlossen in bäuerlichen Siedlungen fitze, nur zu leicht auch vier die ver hängnisvolle Neigung, im Angelsachsentum aufzugeken: mag dieses nun seine Verdienste anerkennen, wie es in Australien von ernsten Politikern unumwunden geschieht, oder ihm -mit beleidigendem Jingoismus enlgegengetreten, wofür seit dem Boerenkrieg, sowie seit der endgültigen Entscheidung der samoanischen Wirren sich aus Australien ebenfalls be trübende Beispiele ansühren lassen. Außerdem scheinen selbst die rem agrarischen Kolonien mcht genügend gesickert zu sein; so sind z. B. über den Rückgang des Zuckerrohrbaues iu Brisbane in den letzten Jahren herbe Klagen erschollen. Im ganzen läßt sich sagen, daß die Daseinsfrage an das australische Deutschtum Wohl nur allzubald ge stellt werde» wird; und die jüngste Zunabme des i-eunck- australischen Handel«, wie sie mit der Entwickelung der Be ziehungen des Norddeutschen „Lloyd" zum Kontinent seit Mitte der achtziger Jahre eingetreten ist, wird den drohen den Untergang wohl nur hinausschieben, nicht aber verhindern können. Die Republik Panama, da« neueste Staatengebilde der Welt, beginnt sich, obwohl herodianifche Würger dem neuen Gebilde nach dem Leben trachten, bereits einzurichten und zu konsolidieren. So besagt ein in New Nork eingelangtes Telegramm auS Panama, daß die Republik die von Kolumbien seiner zeit eingcgangcnen Verpflichtungen übernehmen werte; eS seien deshalb bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen worden. Der Gesandte der Republik Panama, Bunauvarilla ist in Washington einzetroffen und hat die Beglaubigungspapiere und Vollmachten als bevollmäch- Fenittetsn. Lin interessanter Mann. 5j Roman von Arthur Zapp. Na»dlU« vcrtotkn. Tie Mienen der Getadelten verzogen sich wie die eines kleinen Mädchen«, da« sich wegen einer Unart gescholten steht. Endlich stieß sie mit einem Anflug von Trotz her vor: „Aber er gefällt mir! Ich finde ihn sehr interessant und nett. Warum sollte ich ihm denn da mit er zwungener Kälte begegnen?" Frau ValeSka sah in peinigender Unentschlossenheit vor sich hin und nagte mit den Zähnen an der Unterlippe. Sie wußte nicht, wa- sie erwidern sollte. Die Wahrheit durfte sie ja nicht sagen, und doch er füllte es sie mit großer Betrübnis, wahrzunehmen, daß sich die Ahnungslose, Unerfahrene von dem gleißneri chen Wesen des Rumänen ebenso bestechen ließ, wie sie elbst einst. Sie umschloß die noch immer in der ihrigen ruhende Hand der Sousine mit festem Druck, und ihre von den Regungen ihre« Gewissen- ausgestacheltc Besorg nis machte sich in den Worten Luft: ,Mas gefällt dir denn so an ihm? Daß er dir kecke Artigkeiten sagt? Da- ist doch kein Zeichen seiner Feinfühlig keit und eine- ehrenhaften Charakter-. Bedenke, wie kurze Zeit ihr euch kennt! Gei auf deiner Hut, liebe Erna! Ich möchte dich gern vor einer Unbedachtsamkeit behüten. Wer weiß, wa- sich unter seiner glänzenden Außenseite verbirgt!" Da- sunge Mädchen zog mit einer raschen Bewegung ihre Hand au- der der anderen und ihre Mienen spiegelten starke Befremdung. „Ate du sprichst! Du hast etwa- gegen den Baron? Wa- soll sich denn in ihm verbergen? Weißt hu Henn etwa» von ihm?" verwirrt senkt« Frau Yale»-a da- Gesicht vor dem sorschend und argwdhnisch auf sie gerichteten Blick. Um di« Mundwinkel de- jungen Mädchen- zeichnete sich ein spöttische- Lächeln; ihre Augen «ahmen einen harten, listigen Ausdruck an und ihre Gtiinme klang spty und malitiö-, während sie bemerkter „Wenn dn ein sunge» Mädchen wärst und wenn ich nicht wüßte, baß du für Herbert schwärmst, weiht du, wa» ich dann glauben würde?" Frau BaleSka hob erschreckt ihr Gesicht. „Ach würde glauben", fuhr die andere fort, „daß du mir seine Aufmerksamkeiten nicht gönnst, daß du eifer süchtig darauf bist." „Erna!" „Schmerz und Empörung zitterten in diesem AuSruf. Frau Valeska erblaßte und ein paar große, schimmernde Tropfen hingen sich an ihre Augenwimpern. Mit einer Gebärde bitterster Kränkung, die eS verschmäht, sich laur zu äußern, brückte sie sich in das Polster und blickte nach der andern Seite zum Wagenfenster hinaus. Tin peinliches Stillschweigen entstand. Erna Sarnow schüttelte zuerst bas lähmende Unbehagen des kleinen Zwistes und der Empfindlichkeit ab. Ihre Hand auf die Schulter der Cousine legend, sagte sie: „Entschuldige! Ach habe dich natürlich nicht kränken wollen. Ueberhaupt, ist es nicht dumm, daß wir uns dieieö uns ganz fernstehenden Herrn wegen zanken? Sein Geplauder amüsiert mich. Das ist alle». Cs ist übrigens mehr bas Gefallen an seinem eleganten, fließenden Französisch, als an dem. was er mir sagte. Du brauchst wirklich keinerlei Besorgnis zu haben. Ich bin ja doch kein Kind. Denkst du. ich bilde mir ,va- Besondere- auf seine Galanterien ein? Unsinnl Ach weiß ganz g»t, baß eS weiter nichts zu bedeuten bat. 6« parier. So etwa- sagt ein Franzose jeder Dame. . , . Na komm, laß uns wieder gut sein!" Sie beugte sich hinüber und streifte mit ihren Lippen die Wange der anderen. Fünfte» Kapitel. Am Sonnabend war Baron Minole-ku der erste, der sich »um Füni-Uhr-Tee einstellte. Al- er -er Frau de» Hause» gemeldet wurde, hieß diese das Hau-mädchen den Herrn in den Salon sttbren. Sie selbst blieb noch, ob gleich sie bereits in voller Toilette war, in ihrem Boudoir. Ein starker Widerwille vor dem Alleinsein mit dem Nu- mänen beherrschte sie. Al- sie endlich den Salon betrat, ging Baron MinoleSku erregt ans und ab. Bei ihrem An- blick blieb er stehen und sah sie mit funkelnden Augen an. Nach einer kurzen, hastigen Verbeugung sprudelte er ihr zornig entgegen: „Sie verbergen sich vor mir. St« haben ein schlechtes Gewissen. Sie fürchten meine vor- würfe." Sie reckte sich stolz in die Höhe, sah ihm verachtungs voll in die Augen und zuckte mit ihren Schultern. „O, Ihre hoheit-volle Haltung imponiert mir gar nicht", erwiderte er wütend. „Sie wissen sehr wohl, was ich meine. Zuerst versprechen Sie mir Freundschaft und dann intrigieren Sie gegen mich." „Ich habe Ihnen weder Freundschaft versprochen, noch intrigiere ich gegen Sie." „So? Nennen Sie da» nicht intrigieren, wenn Sie mich absichtlich der Gesellschaft Ihrer Cousine berauben? Ich warne Sie. Wenn Sie mich noch einmal in dieser Weise brüskieren, bann —" Er unterbrach sich und sah ihr verblüfft nach. Frau ValeSka hatte ihm, ohne etwas zu erwidern, den Rücken gedreht und schritt jetzt der Tür zu. „Wo wollen Sie denn hin?" rief er bestürzt. „Ich will Ihnen Zett geben, zur Besinnung zu kommen." Er biß sich auf die Lippen. Al» sie eben die Han aus die Türklinke des Nebenzimmers legte, rief er rasch: „Pardon! Entschuldigen Sie meine Heftigkeit! Es ist nicht meine Absicht, Sie zu erzürnen. Im Gegenteil, ich suche Frieden und Freundschaft mit Ihnen." Sir kam langsam zurück, bleich, aber mit entschlossenem Gesichtsausdruck. „Dann verlangen Sie nicht Unmöglichkeiten von mir!" Sr sah sic mit einem zwiespältigen Ausdruck an. „Unmöglich nenne ich e-", entgegnet« sie, ihre mühsam erzwungene kalte Ruh« verlierend, „mich zu Ihrer willen- lose« Sklavin erniedrigen zu lasten, Ihnen blindlings zu gehorchen." Sie stand ihm mit flammenden Wangen gegenüber. Er betrachtete sie eine Wette schweigend, überlegend. Seine Mienen sänstigten sich und nahmen etwa- Versöhnende«, Verbindliche- an. „Sie übertreiben, gnädige Frau", entgegnete er wieder lächelnd. „Nicht meine Sklavin, sondern meine Freundin möchte ich in Ihnen sehen. Tie haben sich gegen mich einnehmen lasten und halten mich für einen Menschen, der kein vertrauen, keine Freundschaft verdient. Ich sagte Ihnen schon, -aß ich verleumdet worden bin. Was ich mir vorzuwerfen habe, ist nur, daß ich leichtsinnig mit dem Gelbe umgegangen bin, daß «ch im Spiel verloren, und Schulden gemacht habe. Mein Gott, ist das wirklich ein so tode-müvdige- verbrechen, gnädige Frau? Sind Tie deshalb berechtigt, nrich für einen wer weiß wie schlechten Menschen zu halten, vor dem Sie Ihre Cousine ängstlich behüten zu müssen glauben? Ist es gerecht, gnädige Frau, auS persönlicher Einpftndltchkeit mir ent- gegenzuarbciten, weil Sie sich von mtr getäuscht glaubten ? Soll ich Ihnen noch einmal schwüren ? Gut! Kommen wir nicht mehr darauf zurück!" brach er rasch ab, als Frau Valeska abwehrend ihre Rechte ausstreckre. „Alles, was ich von Ihnen will, ist, daß Sie mir nicht ge hässig begegnen. Ich will ja von Ihnen nicht ver- langen, daß Sie bet Ihrem Fräulein Cousine mein Lob singen, wenn das Ihnen zu sehr widerstrebt. Aber tun Sie auch nicht das Gegenteil! Beeinflussen Tie sie nicht gegen mich! Gönnen Sie mir und ihr die Möglichkeit, daß sie mich kennen lernt! Sie hat ja selbst Augen zu sehen. Hindern Sie sie nicht, sich ihr Urteil selbst zu bilden. Für Fräulein Sarnows Ent schlüsse sind Sie ja doch schließlich nicht verantwortlich." Frau Valeskas Atem begann leichter zu gehen und ihre Blicke verloren da- Entrüstete, Feindselige. Seine versöhnlichen, halb bittenden Worte wirkten wie lindern de- Oel auf die empörten Wogen ihrer Seele. Er streckte ihr mit einem Auöbrnck von Biederkeit seine Rechte entgegen. „Also Freundschaft, gnädige Frau, und wenn schon nicht Bunbc-genossenschaft, so doch Duldung!" Sie legte langsam ihre Hand in die seine. Er beugte sich rasch und drückte seine Lippen auf ihre Finger. Ein plötzlicher Impul» durchzuckte sie. „Sie werben mir mein Bild zurttckgcben!" Ein Schatten breitete sich über seine Zttg«. „Immer noch mißtrauisch, gnädige Frau?" „Sie weichen mir auS Sie haben keinen Grund und kein Recht, mir mein Bild vorzuenthalten", entgegnete sie heftig. ,Hein Recht? Erlauben Sie, gnädige Frau, ist cs nicht mein Eigentum? Ist eS mir nicht von Ihnen auS freier Entschließung anvertraut worden?" Sie stöhnte. Ihre Zähne gruben sich tief in ihre Unterlippe. „Sie wollen es mir nicht geben?" Er lächelte und versetzte au-weichcnb: „Aber man trägt doch sein Photographiealbum nicht bei sich, gnädige Frau." „Sie werden e- mir bringen?" Sr steckte eine gekränkt« Miene auf. „Ihr Mißtrauen weckt da- meine. Sie werden mir
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