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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031114020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-14
- Monat1903-11
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Wenn die Thronrede im Anschluß hieran von der letzten Finanzminister-Konferenz in absehbarer Zeit die Anbahnung einer Reform er wartet, so lehrt der fortgesetzte Widerstand der Zentrumspresse, wie schwere Hindernisse der Ge danke der Reichsfinanz-Reform noch zu überwinden hat. Eben jetzt nimmt das leitende Zentrumöorgan Badens, wo die bestehende Finanzwirtschaft nicht minder lästig als in Sachsen empfunden wird, gegen eine Reichsfinanz-Reform Stellung. Geradezu kurios sind dabei die Gründe, die von dem badischen Zentrumsblatte geltend gemacht werden. Der „Badische Beobachter" verspricht sich vom neuen Zolltarif er höhte Einnahmen und will im Hinblick hierauf die jetzige Reichsfinanz-Ordnung mit ihren schwankenden Ucberwcisuugcn und Matrikular-Beiträgen darum beibehalten, weil die Einzel staaten für die vergangenen mageren Jahre Entschä- digung erhalten sollen. Der springende Punkt der ganzen Reichsfinanzfrage, die Störung der einzelstaat lichen Finanzen durch die Schwankungen der Ueberweisongen und Matrikularbeiträge, sowie die verhängnisvolle Wirkung der fetten Jahre, die Einzelstaaten zu Ausgaben zu ver leiten, welche in den mageren Jahren ohne die empfindlichste Anziehung der Steuerschraube nicht geleistet werden können, kommt also für das badische Zentrumöorgan gar nicht in Betracht. Zugleich aber eröffnet die obige Auffassung de» „Badischen Beobachters" den schönsten eironlug vitiosus. Denn haben erst die Einzelstaaten wieder einmal in fetten Rcichsfinanzjahren erhebliche Ueberwcisungen ein gesteckt, dann wird die Zentrnmspresse nach der Logik des „Badischen Beobachters" sagen: die Einzclstaaten haben jahre lang so viel vom Reiche erhalten, daß sie nun auch einmal wieder an das Reich zahlen können. Dann ist der cireulus vitiosus geschlossen und der jetzige, in der sächsischen Thron rede für unhaltbar und für dringend reformbedürftig er klärte Zustand wird verewigt! Freilich weiß man aus alter Erfahrung, daß das Zentrum über alles mit sich reden läßt, nur nicht über Verzicht auf kirchenpolitische Forderungen. Wird ihm die Gewährung solcher Forderungen in Aussicht gestellt, so ist es zu Gegenleistungen stets bereit. Und was dem Zentrum gerade jetzt am Herzen liegt, weiß unsere Regierung, die bisher Stellung gegen die Aufhebung des 2 des Iesuitengesetzcs genommen hat, sehr gut. Gründet sie nun vielleicht ihre Hoffnung auf die Nachgiebig keit des Zentrums in der Reichsfinanzreformfrage auf die eigene Geneigtheit, ihre Stellung zur Frage der Ab bröckelung des Iesuitengesetzcs zu revidieren? Wir wollen eS nicht hoffen. Aber es wäre doch nicht unangebracht, wenn in der Zweiten Kammer gelegentlich diese Frage aufgeworfen würde. Die Einzellandtaqe haben ja auf die Abstimmungen ihrer Regierungen im Äundesrat einen ver fassungsmäßigen Einfluß nicht, aber eS kann doch keiner Regierung gleichgültig sein, ob sie sich durch ihre Haltung im Bundesrat in Gegensatz zur Mehrheit ihres Landtags setzt. Und daran glauben wir nicht zweifeln zu dürfen, daß die sächsischen Konservativen sich vorteilhaft vor den preußischen durch entschiedenes Eintreten gegen ultramontane Machtgelüste auszeichnen. Sie würden den unangenehmen Eindruck, den sie soeben durch ihre Erklärung in Sachen der Wahlen zu den Deputationen hervorgerufen haben, wenigstens einigermaßen verwischen, wenn sie die Initiative zur Klärung der Frage ergriffen, ob die königl. sächsischen Stimmen im Bundesrat in puncto Jesuitengesetz auch ferner ein ent schiedenes „Nein" sagen. Tas Ergebnis der preutztschen Landtagsmahlen wird man erst nach dem 20. November völlig übersehen können, da die am 12. d. vollzogenen Urwahlen noch nicht überall erkennen lassen, über welchen der Kandidaten die Mehrheit der Wahlmänncr sich einigen wird. Auf alle Fälle aber wird sich zeigen, daß der Versuch, eine wesentliche Aenderung in den Mchrheitsverhältnissen deS Ab geordnetenhauses herbeizusühren und besonders die klerikal konservative Majorität, die daS Haus seit langen Jahren aufwies, zu beseitigen, mißlungen ist. Das Zentrum wird schwerlich Verluste erleiden, dasselbe gilt von den Konservativen; und die Verluste, welche die Frei konservativen erleiden dürften, werden zwar hauptsächlich den Nationalliberalen zu gute kommen, diesen aber doch nicht genug neue Mandate zuführen, um ihren Einfluß wesentlich zu stärken. Bemerkenswert an den Ergebnissen der Urwahlen ist lediglich, daß es den Sozial demokraten trotz ihrer Anstrengung dock nicht gelungen zu sein scheint, auch nur ein Mandat aus eigner Kraft zu er ringen. Als bald nach dem für die Umstürzler so glänzenden Ausfälle der Reichstagswahlen die sozialdemo kratische Presse unter prahlerischem Pochen aus die Stimmen zahl von drei Millionen die liberalen Parteien zu einem Bündnisse zu verlocken suchte, wiesen wir sofort darauf hin, daß die sozialistischen Erfolge bei der Rcichstagswahl keinen irgendwie zuverlässigen Schluff,auf die preußischen. Landtags, Wahlen zuließen. In einem wie großen Irrtum die Sozial demokraten bis zuletzt befangen waren, ergibt sich aus einem am Tage der Wahl erschienenen Artikel der „Sacks. Arbeiter zeitung", in dem dieses Blatt schrieb: „Eugen Richter scheint lieber den Hagener Wahlkreis verlieren zu wollen, als daß er dort mit der Sozialdemokratie ein Wahlkartell schlösse." Gerade das Ergebnis der Urwahl in Hagen aber ist ein Beweis, wie wenig aus Reichstagswahlergebnisscn auf Landtagswahlen ge schloffen werden darf. Während bei den Reichstagswahlcn die Sozialdemokraten mit über 13 000 Stimmen an der Spitze standen, haben sie cs bei den Landtagswahlen auf kaum 3 Dutzend Wahlmänner gebracht, während über 400 fortschrittliche Wahlmänncr gewählt worden sind ; Herr Richter hätte also sehr töricht gehandelt, wenn er sich aus ein Kartell mit der Sozialdemokratie eingelassen hätte. Auch sonst haben die Sozialdemokraten wenig relativ günstige Erfolge erzielt. Sie hatten gehofft, den 3. Berliner Rcichstagswahlkreis zu ge winnen, und sie haben dort allerdings eine sehr große Zahl von Wablinännern durchgebracht, aber sie stehen doch hinter den fortschrittlichen Wahlmännern zurück, sodaß die freisinnigen Abgeordneten, selbst im Falle der Wahlenthaltung der konser vativen Wahlmänner, werden gewählt werden. Die Frei sinnige Volkspartei hat also ganz vernünftig gehandelt, als sie den ihr von den Sozialdemokraten zugcmuteten frei willigen Verzicht zurückwies. Auch sonst hat die Freisinnige Volkspartei bei ihrer Orientierung nach rechts statt links gut abgeschlossen; sie hat neue Erfolge nur dort davongetragen, wo sie mit den Nationalliberalen zusammenging, wie in Halle, Liegnitz, Elberfeld und Remscheid. Die Freisinnige Vereinigung, die —wenigstens soweit derBartbscheFlügel in Frage kommt — der Sozialdemokratie viel näher getreten ist, als die Volkspartei, hat keinerlei neue Eroberungen ge macht und wird auch im neuen Abgeordnetenhause höch stens ein Drittel soviel Mitglieder zählen, wie die Volks^ Partei. Wenn inan von einem Erfolge der sozialdemokratischen Wahlbeteiligung überhaupt reden kann, so ist es der, daß die Sozialdemokratie in einer Reihe von Wahlkreisen zwischen den Liberalen und den Konservativen die Entscheidung in der Hand hat, beispielsweise in Ober-Barnim, Teltow-BeeSkow, Bielefeld und voraussichtlich auch Breslau und Frankfurt a/O. Wir hatten schon viele Monate vor den Wahlen, als die Sozial demokraten die liberalen Parteien Preußens bald durch Lockungen, bald durch Drohungen zu gewinnen suchten, vorausgesagt, daß die Sozialdemokratie allenfalls für ein Dutzend Man date die Entscheidung in der Hand haben würde; diese Ziffer dürfte fast genau zutreffen. Wenn also die sozialdemo kratische Presse immer wieder betont hat,die preußischenLiberalen brauchten nur mit der Sozialdemokratie zusammenzugehen, um die konservativ-klerikale Mehrheit zu sprengen, so hat der bis jetzt übersehbare Wahlausgang die grenzenlose Ueber- trcibung dieser Behauptung bewiesen. Dabei muß man noch bedenken, daß eine Anzahl von Wahlkreisen, die den Konser vativen abgenommen worden sind, im Falle eines Bündnisses mit den Sozialdemokraten schwerlich erobert worden wären, weil dann sicherlich sehr viele Urwähler, die jetzt das nationalliberal-freisinnige Kartell unterstützt haben, nach rechts abgeschwenkt wären. Wie sehr sich die Liberalen obendrein der Regierung gegenüber kompromittiert hätten, darüber braucht kein Wort verloren zu werden. Zur Lage im fernen Osten schreiben die ,Berl. Pol. Nachr": Die Aktion ^er Mcich'e in Ehina ist, wenn auch die unmittelbaren Erfolge unbedeutend gewesen sein mögen, nicht ohne eine nachhaltige und den abendländischen Interessen förderliche Wirkung geblieben. Seitdem europäische Nationen, unter ihnen auch Deutsch land, teils durch militärische und maritime Stützpunkte, teils durch Erwerb von Pachtgebieten und durch Er öffnung eines intensiveren Handelsverkehrs in höherem Grade als früher am Ostrande deS asiatischen Kontinents festen Fuß gefaßt haben, haben sich die kommerziellen Be ziehungen hinüber und herüber lebhaft entwickelt. Es wäre deshalb außerordentlich nachteilig und bedauerlich gewesen, wenn durch den drohenden Konflikt zwischen Rußland und Japan eine Bewegung ausgehalten und auf lange Zeit hinaus eingcdämmt worden wäre, die sich zu allseitiger Zufrieden heit gestaltet hat. Schon begannen die allem Anschein nach bevorstehenden ernsten Ereignisse sich durch vermehrte Liefe rungen an Kriegsbedürfnissen, Kohlen usw. fühlbar zu machen, und der mit 10 000 Tons Kohlen befrachtete deutsche Dampfer „Batavia", der für russische Rechnung nach Ostasien beordert wurde, befindet sich noch auf derFabrt nach seinem Bestimmungs orte. Inzwischen scheint aber die Gefahr eines Krieges fast völlig geschwund en zu sein. Während noch bis vor wenigen Tagen die englische Presse ihre Anstrengungen, Japan zum Krieg zu treiben, eifrigst fortsetzte und beispielsweise zu be richten wußte, daß das über das Vorgehen Rußlands empörte japanische Volk mit Ungestüm nach der Eröffnung einer feindlichen Aktion verlangt, hat nunmehr etwas mehr Ruhe und Besonnenheit Platz gegriffen. Und zwar unter den Eindrücken der aus Tokio anlangenden, fortgesetzt friedlich lautenden Nachrichten, die neuerdings durch den Ersten Sekretär der japanischen Botschaft in London eine gewisse Bestätigung erhalten haben. Er er klärte dem Vertreter eines City-Blattes, daß die Verhand lungen in Tokio sowohl wie in Petersburg ihren Fortgang nähmen und ein beide Teile befriedigendes Er gebnis versprächen. Diese Annahme erscheint auch be gründet, wenn man erfährt, baß die japanische Regierung von einem guten Teil ihrer früberen Forderungen zurück gekommen ist. Wenigstens erklärte der Gewährsmann des Londoner Blattes betreffs der Mandschurei-Frage, er wisse nicht, warum Japan auf dem Versprechen Rußlands, die Mandschurei vollständig zu räumen, bestehen solle. Rußland habe in der Mandschurei Eisenbahnen gebaut, und Japan müsse daher Rußland das Recht zugestehen, diese Bahnen zu beschützen. Japan würde also ein Zurückziehen sämtlicher russischer Truppen nickt fordern, aber unter Umständen daran festbalten, daß nur soviel Streitkräfte dort verblieben, als für jenen Zweck erforderlich seien. Im übrigen werde Japan, falls Rußland in der Mandschurei verbleibe, die Politik der offenen Tür verfolgen und Anspruch erbeben, daß nicht nur dem eigenen Handel, sondern auch dem internationalen Ver kehr alle Mandschureibäfen geöffnet würden. Bezüglich Koreas besteht ein Abkommen, daß Japan kleine Truppen abteilungen auf der Halbinsel stationieren darf, die zum Schutze der dortigen japanischen Siedelungen bestimmt sind, während russische Truppen ohne die Einwilligung Japans die Grenze nicht überschreiten sollten. Japan will nun, nach den Aeußerungen des Botschaftssekretärs, den Inhalt dieses Vertrages in jeder Beziehung treu erfüllt haben; indessen habe Rußland berittene Polizei über die Grenze geschafft, die von einer aktiven Truppe schwer zu unterscheiden sei, und jenseits des A.^u-FlusseS auf koreanischem Gebiet eine Signalstation errichtet, die einem Fort täuschend ähnlich sehe. Gegen diesen offenbareu Bruch r-cs Vertrages und gegen eine weitere Ausdehnung der russischen Machtsphäre müsse Japan energisch Einspruch erheben, und in dieser Beziehung sei auch nicht jede Gefahr eines ernsten Zusammenstoßes beseitigt, zumal Herr ISvolSky, der als neuer russischer Minister deS Auswärtigen ge nannt werde, wenig Sympathien für Japan habe. Mau wird indessen kaum annehmen können, daS Japan um Koreas willen eine Aktion von unabsehbarer Tragweite unternehmen werde; vielmehr spricht alles dafür, daß auch in der Korea-Frage ein Ausgleich herbeigeführt werden wird, wie er bezüglich der Mandschurei bereits ge sichert zu sein scheint. — Auch wir haben stets die Lage weit weniger bedrohlich angesehen, als sie von der englischen oder in englischem Solde arbeitenden Presse dargestellt wird. Wir glauben auch nicht daran, daß China gegen Rußland mobil mache, wie im Laufe dieser Woche zweimal berichtet wurde. Nur eines kalten auch wir nicht für ganz ausgeschlossen, daß die rußlandfeindliche Stimmung weiter Kreise in Japan, das auf Korea doch einen sehr großen Wert legen muß, die japanische Regierung endlich dadurch zu einem verhängnisvollen Schritte fortreißen könnte, daß Zwischenfälle, wie der letzter Tage aus Tschemulpo gemeldete, wo japanische Hafenarbeiter russische Matrosen überfielen und die russischen Häuser in der europäischen Niederlassung förmlich belagerten, sich häufen. Bis jetzt hat die japanische Regierung allerdings eine höchst anerkennenswerte Besonnen- Fanilleton. Ein interessanter Mann. 10s Roman von Arthur Zapp. Da wurde sie plötzlich von Erna heftig am Handgelenk gepackt und die zornigen Worte zischelten in ihr Ohr: „Stum sage mir endlich einmal, was hast hu, was willst du eigentlich, was ist zwischen euch beiden? . . . Ich begreife dich nicht. Was geht denn mit dir vor? Hast du dir nicht selbst den Anschein gegeben, als wünschtest du, daß ich mich für Herrn von Minolesku interessiere? Hast du nicht neullich auf dem Ball bei uns und wieder heute mittag mich mit ihm -usammengebrackt? Und nun tust du ent setzt und redest inir ab. als wenn cs überhaupt gar kein größeres Unglück geben könnte, als meine Verlobung mit Herrn von Minolesku! Ja, was hat denn Has alles -u bedeuten?" Sie sah der Erbleichenden voll Haß, mit tiefstem Arg wohn in die Auaen. Schuldcrfüllt senkte Frau Valeska ihr Gesicht; mit plötz lichem Ruck warf sie sich auf den 'Fußboden und kniete vor ihrer Cousine und hob bittend, beschwörend ihre Hände. verzeihe mir, Erna! Verzeihe mir! Ja, ich habe schändlich gegen dich gehandelt, ich habe mich sckzwcr an dir versündigt. Ich kannte ihn ja längst in seiner ganzen Jämmerlichkeit. Aber ich konnte ja nicht anders, er zwang mich ja, dich — euch alle zu täuschen —" Di« ungestüm hervorbreckenden Tränen erstickten ihre Stimme. Erna Sarnow aber erblaßte jäh und ihr« Augen öffneten sich weit voller Schrecken. Eine unbe stimmte Angst vor etwas Entsetzlichem beschlich sie mit einem Male. „Du kanntest ihn — ?" stammelte sic. Der'Drang, dem beklommenen, schuldbeladenen Herzen Luft zu machen, ließ sich nicht länger bezwingen, und so gestand Frau Valeska stammelnd, von brennender Scham gefoltert, oft durch Schluchzen unterbrochen, was sich einst vor Jahren zwisckwn dem Baron und ihr zugctragcn. Sie berichtete ferner von dem Zwang, den er zuletzt aus sie ausgeübt, wie er sic durch Drohungen eingcschüchtcrt, sic willenlos und seinen schändlichen Zwecken dienstbar ge macht hatte. »Verzeih« mir", schloß sie, ganz zerknirscht und doch un willkürlich freier atmend, „verzeihe mir! Ich weiß, ich habe mir eine große Schuld gegen dich vorzuwcrfen, aber Gott sei Dank, es ist noch nicht zu spät! Du wenigstens bist vor ihm gerettet, wenn ich nun auch sein Opfer werden und zu Grunde gellen muß." Ans Erna Tarnow wirkte die unerwartete Enthüllung wie betäubend. Verwirrt, mit einem Gemisch von Acrgcr, Eifersucht und stolz ausflammcndem Zorn hörte sie die ersten Geständnisse ihrer Cousine an. 'Aber als die sich rückhaltlos Eröffnende weiter und weiter sprach, gewannen immer mehr Schrecken und Entsetzen die Oberhand in ihr. Zuletzt warf sie ihre Arme über die Lehn« des Sofas und preßte ihr vor Scham flammendes Gesicht daraus. „Laß mich!" stöhnte sic, heftig abwehrend, als sich Frau Valeska jetzt erhob und sich über sie beugte. ,lGeh'! Laß mich! Ich will allein sein, hörst du! Ich will niemand sehen, niemand!" Gehorsam, ohne einen weiteren Versuch, sich mit ihr zu verständigen, schlich Frau Valeska aus dem Zimmer. Elftes Kapitel. Unmittelbar nach ihrer Aussprache mit der Cousine überwog in Frau Valeska das Gefühl der Genugtuung und der Befreiung. Das. was seit Monaten schwer aus ihr gelastet, was sie im Gel>cimen gcgnült und gefoltert hatte, hatte sie sich endlich einmal von der Seele gesprochen. Aber dieses erlösende Gefühl verflüchtigte sich bald nnd die alte Angst und Unruhe, von der sie seit dem Tage verzehrt wurde, da Baron Minolesku wieder in ihren Gesichts kreis getreten war, kehrte wieder bei ihr ein. Wenn er er fuhr, daß sie ihn vor Erna Sarnow blvßgestcllt hatte, was würde er tun? Würde er seine Drohung ivahr machen, würde er sie verraten? Wie üvürde es Herbert auf nehmen? Und würde es wirklich zwischen ihm und Baron Minolesku zu einem Duell kommen? Ten ganzen Abend über guälie sic sich innerlich mit diesen Fragen, nnd wäre ihr Gatte nicht später nach Hanse gekommen, und hätte sic fick nicht frühzeitig znr Ruhe zurückgezogen, er hätte ihr sicherlich etwas an merken müssen. Am andern Vormittag hatte Frau Valeskas Unruhe den höchsten Grad erreicht. Ruhelos ging sic von einem Zimmer ins andere. Wiederholt horchte sic auf den Flnr hinaus. Kam Erna denn noch nickt? Was hatte sic be schlossen? Hatte sic bereits an Baron Minolesku ge schrieben? Kannte er bereits fein Schicksal? Bereitete er seine Rache schon vor, während sie sich noch in Sicher heit wiegte? Diese tödliche Ungewißheit war unerträg lich. Gegen Mittag beschloß sic, zu Erna zu eilen. Aber während sie noch damit beschäftigt war, sich zum Ausgehen zurecht zu machen, kam ein Brief. Erna schrieb: „Liebste Vallyl Wenn diese Zeilen in Deine Hände gelangen, bin ich schon fort. Verzeihe, daß ich nicht persönlich von Dir Ab schied nahm! Aber ich schäme mich vor Dir, ich schäme mich ja so sehr. Wüßtest Du. wie es in mir aussicht! Abscheu, Ekel, Verachtung und Hab gären in mir. Ich frage mich immer wieder: wie war es nur möglich? Wie kann man sich nur so entsetzlich in einem Menschen täuschen? Doch ich will nicht mehr an ihn denken. Es ist eine so entsetzliche Leere und Oede in mir. Mir ist, als ob mir der Boden unter den Füßen fortgezoaen wäre. 'Alles wankt und schwankt um mich. Werde ick je wieder die frühere Fröh lichkeit und Arglosigkeit erlangen? Werde ich je wieder im stände sein, einem Mann gläubig und vertrauensvoll ins Auge zu blicken? Vielleicht wird mein krankes Gemüt in der Ferne, in fremder Umgebung wieder genesen. . . . Ich habe mich gestern abend Papa entdeckt. Natürlich habe ich ihm nicht alles gesagt. Nein! Wozu ihm meine ganze Schmach enthüllen, meinen grenzenlosen Irrtum, meine bittere Enttäuschung! Das bleibt zwischen Dir und mir. Auch durfte ick ia Dein Geheimnis nickt preisgebe». Arme Bally, was mußt Du damals gelitten haben! Ick habe Papa nur gesagt, daß Baron Minolesku um mick ungehalten bat, daß ich ihn nicht mag, und daß ich nun, um ihm nicht mehr begegnen zu müssen, für ein paar Wochen «der Monate fort möchte. Papa war sogleich ein verstanden, und lmt sofort an Tante Eugenik telegraphiert, ob mein Beiuck willkommen wäre. Und beute vormittag — in einer halben Stunde — reise ich ab. Ihm schreibe ich nickt. Um keinen Preis in der Welt mochte ick, daß er eine Zeile von mir besäße. Er existiert für mich nicht mehr. Wenn er keine Antwort erhält, wird er ohnedies wissen, woran er ist. Lebe wohl, meine gute, teuere Valln, und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner unendlich dankbaren Erna." In der Lesenden mar ein zwiespältiges Gefühl. Ge nugtuung und Zusriedcnl-eit tämpstcn mit einer entsetz lichen Angst. Freilich, eine Galgenfrist hatte sic ja noch. Baron Minolesku wußte ja noch von nichts. Was würde er tun? Wie würde er sich Ernas Stillschweigen erklären? Welche Schritte würde er unternehmen, um Aufklärung zu erlangen? Nur mit äußerster Aufregung gelang es ihr, ihrem Gatten während des Mittagessens ein unbefangenes Ge sicht zu zeigen. Als er kurz nach vier, nachdem sie gemein- sam den Nachmittagstee getrunken hatten, wieder fortging, atmete sie erleichtert am. Während sie früher immer ge schmollt und sich beklagt hatte, wenn sein Beruf ihn ihr einmal für einen Nachmittag entzog, empfand sie jetzt sein Fortgehen wie eine Erlösung. Bitter, schmerzlich lächelte sie in sich hinein. Dahin war es nun schon mit ihr ge kommen. Aber nun brauchte sie sich doch wenigstens keinen Zwang aufzucrlegen, nun konnte sie der unerträglich in ihr gärenden Rastlosigkeit doch Luft machen, indem sie in den Zimmern hin- und herging, bald ans Fenster trat, bald in den Korridor hinauslauschte. Worauf wartete sie eigentlich? Sie wußte es selbst nicht. Sie hatte nur das unbestimmte Gefühl, daß irgend etwas Entsetzliches ge schehen mußte, daß Schrecken und Vernichtung über ihr drohten. Kurz vor sechs Uhr kam ein Brief mit der Post. Beim Anblick der Handschrift auf dem Kuvert ahnte sie, von wem er kam. Mit zitternden Fingern erbrach sie das Schreiben. Ihre Ahnung hatte sie nicht getäuscht. Der Absender war Baron Minolesku, und die wenigen Zeilen, die der Brief enthielt, lauteten: „Verehrte gnädige Frau! Fräulein Erna Sarnow hat Ihnen zweifellos mitge- t«ilt, welch« bedeutnngsoolle Frage ich ihr vorgelegt habe. In sehnender Erwartung sehe ich der Antwort ent gegen, die mir für beute vormittag von dem gnädigen Fräulein versprochen worden war, die aber bis jetzt nicht eingetrvffcn ist. Ick bin voll Unrul>e und Bestürzung um so mehr, als das Gerückt zu mir dringt, Fräulein Sarnow wäre beute vormittag plötzlich abgcreist. Sollte das wahr sein? Mir scheint cs unmöglich; denn, würde Fräulein Erna gereist sein, ohne mir irgend eine Antwort zukom- mcn zu lassen? Sollte sich das Unglaubliche dgnnoch be wahrheiten, so wäre nur eine Erklärung möglich, die ich vorläufig noch nicht in Erwägung ziehen möchte. Jeden falls erbitte ick von Ihnen umgehende Nachricht. Sollte ich eine zufriedenstellende Erklärung bis morgen früh nicht erhalten haben, so würde ich mich genötigt sehen, im
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