02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031117024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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- Tag1903-11-17
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Dabrllarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertrnanuahme 25 H (exci. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß snr Anzeigen: Abrad »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend» 7 Uhr. Druck uad Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 585. Dienötag den 17. November 1903. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 17. November. Hinausschiebung der Heeresvorlage? Seit dem Frühjahre ist viel von einer zu erwartenden Heeresvorlage die Rede gewesen; das konnte nicht be fremden, aber befremdlich war es, daß die laut werdenden Vermutungen viel weiter auseinander gingen, als jemals vorher in gleichen Fällen. Bald wurde von einer Ver stärkung um etwa 30 000 Mann gesprochen, bald wieder sollten es nur 10 000 sein; heute wurde versichert, die Verstärkung sollte zur Schaffung dritter Bataillone bei den Infanterie-Regimentern mit nur zwei Bataillonen dienen, morgen wurde behauptet, die Kavallerie sollte bei der Heeresverstärkung besonders bevorzugt werden. Und um allem die Krone aufzusetzcn, mird jetzt eifrig darüber gestritten, ob eine Hinaus schiebung der ursprünglich in Aussicht genommenen Heeresvorlage geplant sei oder nicht. Eine solche Hinaus schiebung wäre auf zweierlei Weise möglich: entweder dadurch, daß man für die volle Dauer des nächsten Ouinquennates auf eine Heeresvorlage verzichtete und erst nach fünf Jahren mit einer neuen Forderung heran träte, oder aber dadurch, daß man nur für das nächste Jahr von einer neuen Forderung absähe und also den HeereSetat diesmal nur für ein Jahr bewilligen ließe. So sehr wir jederzeit für nationale Forderungen ein zutreten bereit sind, so wollen wir doch auch nicht päpst licher sein als der Papst. Glauben die für die Politik und das Heerwesen verantwortlichen Staatsmänner auf die Dauer von fünf Jahren auf eine Verstärkung der Armee verzichten zu können, um so bester. Es gehört nicht zu den Pflichten des Reichstages, in den Fragen der Wehrkraft die Initiative zu ergreifen. Und doch hätten wir gegen die Hinausschiebung um fünf Jahre ein sehr wesentliches Bedenken: für den Fall nämlich, daß dann die diesmal versäumte Vermehrung nachgeholt wer- den und eine Forderung erhoben werden sollte, die sich auf "fünf Jahre rückwärts und fünf vorwärts bezöge, also doppelt so stark wäre, wie die normale Forderung von etwa 25 000 bis 30 000 Mann. Wir haben zweimal dar über hinausgehende Forderungen gehabt, nämlich 1887 und 18V3. und in beiden Fällen mußte zu einer Auflösung des Reichstages geschritten werden. Der Erfolg der Re gierung war bei der Auflösung von 1887 ein voll kommener, sechs Jahre darauf aber ein sehr dürftiger; heutzutage dürfte es auch durch eine Auflösung kaum noch möglich sein, eine Mehrheit gegen das Zentrum, ein- schließlich seiner Annexe, die radikale bürgerliche Linke und die Sozialdemokratie zu schaffen. Die Hinaus, schiebung einer Heeresfordcrung um ein Jahr würden wir vollends für verkehrt halten. Die finanzielle Wir- kung der von dem Abschluffe noch ziemlich weit entfernten Handelsverträge wird nicht nach einem Jahre, sondern frühestens nach etwa drei Jahren festzustcllen sein; son- stige finanzielle Veränderungen, etwa durch Bewilligung neuer indirekter Steuern, sind nicht zu erwarten, also wind aller Voraussicht nach die finanzielle Lage des Reiches im Spätherbst 1904 kaum wesentlich anders sein als gegenwärtig. Und können wir uns in finanzieller Hinsicht von der Hinausschiebung um ein Jahr keines Vorteils versehen, so ist in anderer Hinsicht ein wescnt- licher Nachteil desto sicherer. Wenn nämlich diesmal die Friedenspräsenzstärke auf nur ein Jahr festgestellt wird, so werden die Anhänger der jährlichen Festsetzung der Hecresstärke sich dieses Präzedens zunutze machen, und zwar mit vollem Rechte. Und wenn nun auch nicht daran zu zweifeln wäre, daß bei einer jährlichen Feststellung der Heeresstärke immer eine bewilligende Mehrheit sich zu- sammcnfände, so fände doch gleichzeitig die Soztaldemo- kratic eine neue Basis für ihre Angriffe auf das Heer wesen. Die Hinausschiebung der Heeresvorlage um ein Jahr könnten wir uns also nur durch die Annahme er klären, daß die Regierung vor einem Konflikte mit dem Reichstage zurückschrcckte. Glaubt man aber, daß die Schmierigkeit, eine größere Heeresfordcrung durch zusetzen, im nächsten Jahre geringer sein würde als in diesem? Wir müßten wirklich nicht, worauf eine der artige Hoffnung beruhen könnte. Im Gegenteil: wenn die Hinausschiebung der Heeresvorlage als Zeichen der Furcht vor einem Konflikte anzusehen wäre, würden die Gegner einer HcereSvermehrung im nächsten Jahre doppelt so viel Mut zum Widerstande finden. Bauernburschcnvcreinc sind die neuesten Schöpfungen, mit denen in Bayern das Zentrum zugleich die katholische Landbevölkerung beglücken und die Bauernbündler zu schädigen sucht. Was bei diesen Gründungen berauskommen wird, sagt mit köstlicher Ironie ein katholischer Landpastor in der liberalen „Augsb. Abendztg." voraus: Dank dem unermüdlichen Eifer für die „guat Sach" steht der katholische Klerus vor einer neuen Charge: Vorstand schaft des hochlöblichen Bauernburschenvereines von Teufelshautsdrein. Nicht mehr lange wird es dauern, und die Spalten der „Augsb. Postztg." werden sich wiederum in dieser Sache erschließen, um der Welt zu verkünden, daß auch in Hinterstranbach sich ein Bauern burschenverein gegründet, daß der Lederermeister für den Verein eine gar dauerhafte Fahne mit sehr dauerhaft befestigten^ entsprechenden Symbolen gefertigt, daß der dem Festgottesdicast der Lehrer eine Messe von Palestrina zu Gehör brachte, der Hinterstöfenbauernsepperlgirgl während des Festmahles in tiefdurchdachter Rede auf die Bedeutung des heutigen Tages hin wies und dabei die Ideale des Vereins klarlegte, daß d'Semmel bäuerin die Fahnenmutter machte und die Dorfschönen durch holde Entfaltung der ihnen von Gott verliehenen natürlichen An lagen nicht wenig zur allgemeinen Festesstimmung beitrugen. Mit bitterer Ironie gedenkt dann der geistliche Herr des Versuches, die Kleriker in einem Verbände zu einen, der aber von den Bischöfen mit harter Hand unterdrückt wurde; zum Schluffe aber gewinnt er seinen Humor wieder, denn er scherzt: Darum, Ihr P. T. Herren Bauernburschen: Empfanget meinen Glückwunsch zu der Gnade, welche Euch zu teil geworden. Schätzet sie wohl! Und wenn Ihr auszieht mit quieksendem Spiel und lederner Fahne, wenn Ihr im Maßkrüglregen nicht wanket und weicht, bis der letzte Stuhlfuß dem Gegner den schlagenden Beweis Eurer Begeisterung für die guat Sach' hat erbracht, wenn Ihr blühet, wachset und gedeihet, wie die Schwammerling zur Regenzeit, wenn Ihr Aufklärung und Bildung schöpfet aus dem Euch frisch erschlossenen Quell der Weis heit und Wissenschaft und düse vergeistigt aus Euren Augen leuchtet, dann, o dann versagt das Bedauern auch jenen nicht, die an Idealismus Euch nicht wollten nachstehen. Und nun meine Herren, lade ich Sie ein, mit mir das Glas zu erheben und zu rufen: der hochlöbliche Bauernburschenverein von Teufelhauts- drein, er lebe hochl abermals hoch! Zum dritten Mal hoch! Prost, meine Herren, Prost! Englands Vordringen nach Tibet. Die Engländer gelüstet es wieder einmal, in dem Himalaya-Reick Tibet festen Fuß zu fassen und so die Russen, die sich gleichfalls seit langer Zeit eifrig um dre Gunst des Dalai-Lama bemühen, zu überholen. Diese und die Engländer selbst haben es bisher auf friedlichem Wege — vergeblich — versucht, die verschlagenen Mongolen in Ab hängigkeit von sich zu bringen und das Land politisch und kommerziell auszunutzen, jetzt beißt es, Albion sei die Geduld ßeriffen und es wolle nun mit Gewalt nehmen, was man ihm freiwillig nicht gibt. Man berichtet uns: * London, 16. November. Das „Reutersche Bureau" erfährt, ein wichtiger Vormarsch der englischen Tibet-Expedition unter Oberst Jounghusband stehe unmittelbar bevor, das Chumbi- Tal zwischen Sikkim und Bhutan solle besetzt und ein Vormarsch nach Gjangtse, ungefähr 150 Meilen von der Hauptstadt Lhassa, unternommen werden. Das genannte Bureau meldet weiter, infolge der letzten Nachrichten aus Lhassa, nach welchen eine friedliche Lösung unwahrscheinlich sei, habe Oberst Uounghusband vor kurzem in Simla mit dem Vizekönig konferiert. Die Regierung von Lhassa verteile große Mengen von Gewehren und fordere die Bevölkerung aus, sich zum Kriege vorzubereiten. Die Tibetaner erwarteten offenbar eine Unterstützung von Rußland. Die Tibetaner rechneten auch aus Unterstützung durch ihre Ver bündeten von Nepal, die Regierung von Nepal habe aber die Tibetaner vor geheimen Abmachungen mit Rußland gewarnt und weigere sich, Tibet im Falle des Ausbruchs von Feindseligkeiten mit England zu unterstützen. , In Petersburg, wo man den Verlauf der englischen Expedition natürlich mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, faßt man, wie der „Köln Ztg." geschrieben wird, die Lage so auf, daß es sich hei der Expedit,on im wesentlichen darum handele, gewisse noch nicht entschiedene Grenzfragen zwischen der englisch-indischen und der tibetanischen Regierung zu regeln und vielleicht auch von Tibet gewisse Handels vergünstigungen zu erreichen. Die Handelsbeziehungen zwischen Twet und Indien lassen noch viel zu wünschen übrig. Die tibetanische Regierung hat England, ebenso wie sie dies wiederholt Rußland gegenüber getan bat, Ver sprechungen für die Hebung der englisch-indischen und tibetanischen Handelsbeziehungen gemacht, sie meist aber nur zu bald wieder vergessen oder sie nur scheinbar bewilligt, indem sie die gemachten Konzessionen auf andere Werse illusorisch zu machen verstand. Jetzt verlangt Lord Curzon mit dem nötigen militärischen Nachdruck die Grenzregulierung zwischen Indien, besonders dem Bezirk Sikkim, und Tibet und die Erfüllung der zur Hebung des gegenseitigen Handels von der tibetanischen Regierung gemachten Zu sicherungen. Zu diesem Zwecke sei, wie ein russischer Ge währsmann mitteilt, zur Zeit in Kramba eine gemischte Kommission aus englisch-indischen, chinesischen und tibetanischen Beamten zusammengetreten. Die Engländer hätten übrigen« zu ihrer Bedeckung „nur" zwei Bataillone Pioniere und eine Sappeurkompagnie bei sich, und diese aus technischen Truppen bestehende Begleitmannschaft auch in der Haupt sache nur, weil die Wege in jenen Gebieten äußerst schlecht seien und einer gründlichen Besserung bedürften, wie das auch aus dem Umstande hervorgehe, daß im Hinterlande von Sikkim zwei Bataillone Pioniere und ein Infanterie- Regiment mit Wegeausbefferungsarbeiten beschäftigt seien. Daß eS England oder der englisch-indischen Regierung ge lingen sollte, in das Land des Dalai-Lama einzudringen, sich dort festzusetzen und dauernde Handelsbeziehungen zu er öffnen, daran glaubt man in Petersburg um so weniger, als bisher alle Bemühungen Rußlands, nach dieser Richtung hin mehr oder weniger festen Fuß in Tibet zu fasten, voll^ ständig mißglückt sind. Curzon auf Reife». Aus Karachi, Britisch-Ostindien, wird uns unterm 10. Noventber gemeldet: Der Vizekönig von Indien, Lord Curzon, reiste heute, begleitet von vier Kriegs schiffen, nach dem Persischen Golfe ab. Diese Rund reise soll ihn nach Ostafrrka, der arabischen Küste und dem Persischen Golf führen. Obwohl dieser Herr sonst sehr reklamebcdürftig ist, hat er diesmal befohlen, daß zu dieser Reise keine Journalisten zugelasten werden. Dafür hat er wohl seine guten Gründe. Der Besuch von Britisch Ostafrika ist zunächst nur ein Vorwand; er will dort die britisch-indischen Truppen begrüßen, die sich nun schon so lange Zeit vergeblich bemühen, den „tollen Mullah" ein zufangen. Die Hauptzielpunkte der Reise des Lords sind aber zwei Gebiete, auf die England schon seit längerer Zeit sein Augenmerk gerichtet hat. Erstens das Festland gegenüber von Aden und zweitens der Persische Golf. Im Hinterlande von Aden rollt schon seit Jahren engli- sches Gold, und unter diesem Einflüsse befinden sich die dortigen Stämme in einem beständigen Zustande der Un botmäßigkeit gegen ihren legitimen Herrn, den Sultan, -er etwas zu weit wohnt. Lord Curzon will sich nun wohl davon unterrichten, ob die Wühlarbeit schon soweit ge diehen ist, daß England demnächst seine Hand attf daS reiche Land Aemen legen könnte. Am Persischen Golfe aber hat der mit allzuviel Geräusch ins Leben gesetzte Plan der Bagdadbahn England beunruhigt. Vor einiger Zeit hörte man schon von dem Streite des Sultans von Koweit, ba den Endpunkt der Bagdadbahn bilden soll, mit seinem türkischen Oberherrn. Damals schon stand hinter diesem Sultan England. Nun dürfte Lord Curzon wohl die letzten Abmachungen mit ihm treffen. Seit Beendigung des Noerenkrieges entfaltet England eine unheimliche Tätigkeit, jedem Schwächeren, bei dem eS dies ohne Ge fahr riskieren kann, Land abzunehmen. Gelingt ihm sein Anschlag auf Koweit und wird es hier von niemand ge hindert, dann kann wohl das Bagdadbahn-Projekt von uns dauernd eingesargt werden. Zma russisch-japanischen Konflikt. Baron Rosen, dem russischen Gesandten in Tokio, ist in erster Linie das Verdienst zuzuschreiben, daß die kriegschürendc japanische Partei der „Progressisten" ihre gefährlichen Treibereien als nutzlos einstellen muhte. Auch die Aberufung des russischen Gesandten in Söul (Korea), der aus russischer Seite beständig zum Kriege drängte, ist das Werk Baron RosenS. Die Gesellschaft der Tairo-doschi-kai, das sind die Progressisten, war dadurch so mächtig geworden, daß der Präsident -es japanischen Oberhauses, Prinz Jnoe, seinen ganzen Einfluß auf geboten hatte, um die Regierung zu bewegen, in den Pro- F-tiilleton. Ein interessanter Mann. iss Roman von Arthur Zapp. Älacvdruck verboten. „Also geschenkt! Sehen Sie mal, Sie Glückspilz! Wer hat Ihnen denn das Geld geschenkt?" „Eine Dame." Der Kommissar lachte belustigt. „Eine Dame? Sie scheinen ja sehr vornehme Bekannt- schaffen zu haben." Karl Grunert reckte sich und entgegnete stolz, mit dem Brusttöne der Ueberzeugung: ,Habe ich auch, Herr Kommissar." Er warf einen listigen Seitenblick nach dem Regierungsasseffor hin. „Die Herren würden schöne Augen machen, wenn ich Ihnen sagen würde —" „Na also, wie heißt die Dame?" unterbrach der Kom- missar, ungeduldig werdend. Der Verhaftete schüttelte mit einer schlau überlegenen Miene den Kopf. „Das werden Sie doch nicht von mir verlangen, Herr Kommissar, daß ich die Dame verrate. Nee, das gibt's nicht." „Schön", versetzte der Kommissar unwirsch, »ich habe auch gar nicht die Absicht, auf diesen dummen Schwindel näher einzugehen. Bleiben wir bei der Hauptsache! Den Diebstahl bei Baron Minolesku begangen zu haben, stellen Sie also in Abrede?" „Jawohl, Herr Kommissar." „ES ist aber bewiesen, -aß Sie sich in der Wohnung des Barons aufgehalten haben, kurz bevor er selbst nach Hause kam und den Diebstahl entdeckte." Der Arrestant zuckte mit den Achseln. „Es kann doch einer vor mir dagewesen sein." „Das ist unmöglich. Die Wohnung des Barons war verschloßen, Sic haben sich den Schlüffe! von der Wirtin geben lassen." „Dann ist eben nach mir jemand dagcwesen, ich habe die Wohnung ausgelassen." „Das ist ebenso unmöglich. Frau Weber hat Sie fort gehen hören, fünf Minuten später ist der Baron nach Hause gekommen. Ueberhaupt schon die Tatsache allein, daß Vie so eilig fortgegangen sind und sich nicht einmal die Zeit genommen haben, zu schließen, ist Beweis, daß Sie ein schlechtes Gewissen hatten. Ueberhaupt, wenn Sie nicht gestohlen haben, was haben Sie denn in der Wohnung des Barons gemacht?" „Ich war von dem Herrn Baron bestellt?" „Jawohl, aber erst um sieben Uhr. Um halb sieben waren Sie -ort und anstatt auf den Baron zu warten, gehen Die kurz vor sieben wieder fort. Wie erklären Sie das?" Karl Grunert sah eine Weile überlegend vor sich hin. Plötzlich erhob er sein Gesicht, auf dem wieder der Aus druck ruhiger Sicherheit strahlte, als sei er sich bewußt, daß ihm niemand etwas anhaben könne. „Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, Herr Kommissar", begann er. „So? Na, das ist ja schön. Sie räumen also ein, die achthundert Mark genommen zu haben?" „Unsinn! Ich denk' ja gar nicht daran. Gewiß, ich habe etwas genommen, aber kein Geld, etwas anderes, und deshalb war ich auch früher gekommen, zu 'ner Zett, wo ich wußte, daß der Herr Baron noch nicht da war." „Sie haben etwas anderes genommen? Was denn?" „Eine Photographie." Der Kriminalkommissar warf einen lächelnden Seiten blick nach seinem Vorgesetzten, als wenn er sagen wollte: Sehen Sie -och nur den Schwindler! Dann fragte er: ,Wozu wollen Sic denn die Photographie genommen haben?" „Wozu? Na einfach, um Geld zu verdienen. Ich sagte mir, wenn ich die Photographie der Dame zurück bringe, dann wird sie mir wohl einen ordentlichen Posten Geld dafür geben." Der Kommissar schüttelte mit höchst ungläubiger, halb erstaunter, halb ärgerlicher Miene den Kopf. „Das sind ja die reinen Räubergeschichten. . . Und Sie behaupten nun, der Dame das Bild gegeben zu haben?" „Nee. Das Bild ist — da ist's!" Er zeigte auf den Kriminalschutzinann, der während des Verhörs mit der Durchsuchung des Jacketts, das man dem Arrestanten ausgezogen hatte, beschäftigt war, und der jetzt einen in Umschlagpapier gehüllten Gegenstand aus der Rrusttaschc des Kleidungsstückes hervorzog. Der Kommissar streckte die Hand danach aus, aber Assessor Freyhoff kam seinem Untergebenen mit einer instinktiven Bewegung zuvor und nahm den Gegenstand an sich. Langsam streifte er das Papier ab und, nach einem schnellen Blick auf das Bild, drehte er es um, stutzte und barg es rasch wieder in der Hülle und steckte es zu sich. ,F)ch werde es in Verwahrung nehmen", sagte er zu dem erstaunt und fragend blickenden Kommissar und nun selbst das Verhör wieder aufnehmen-, wandte er sich an den Verhafteten: „Sie geben also zu, das Bild Baron Minolesku entwendet zu haben?" „Ja." „Im — im Auftrage der Dame?" Der Gefragte blickte unschlüssig vor sich hin und überlegte. „Das — das gerade nicht", antwortete er zögernd. „Ich dachte mir aber, daß sie froh sein würde, wenn sie es wieder hätte." „Also Sie handelten aus freiem Antrieb?" „Ja — jawohl." „Und warum haben Sie das Bild der Dame nicht ausgehändigt, wie es doch nach Ihrer Angabe Ihre Ab sicht war?" Der Arrestant machte ein verblüfftes Gesicht. „Ich — ich hatte keine Zeit", stammelte er. Der Assessor trat ihm funkelnden Blickes ein paar Schritte näher. „So ? Sic hatten keine Zeit", sagte er scharf. „Ich will Ihnen sagen, warum Sie es der Dame nicht ausgeliefert haben, weil Sic die Absicht hatten, das Bild zu Er pressungen zu benutzen. . . . Und nun gestehen Sie", fuhr er rasch fort, „wo Sie die achthundert Mark gelassen haben, die Sie dem Baron Minolesku ohne allen Zweifel ge stohlen haben?" „Ich habe nicht gestohlen." „Das Lcngncn hilft Ihnen nichts. Ein Beweis, daß Sie das Geld gestohlen habein, ist der, daß Sie nicht in Ihre Wohnung zurückgekehrt sind, weil Sie sich sehr wohl sagen mußten, daß niemand anders als Sie vcr Täter, schafft verdächtig sein konnte, und daß die Polizei natürlich Ihre Wohnung beobachten würde.... Wo haben Sie denn genächtigt?" „Ich habe überhaupt nicht geschlafen, sondern habe mich in verschiedenen Lokalen aufgchalten." „Bis zum Morgen?" „Ja." „In welchen Lokalen?" Der Arrestant nannte einige Namen, die der Kommissar notiert«. „Gut", schloß der Assessor das Verhör. „Mr werden Ihre Angaben morgen prüfen. Inzwischen kommen Sie vielleicht von selbst zu der Ueberzeugung, daß Ihnen Ihr Leugnen nichts hilft, und daß Sie am besten tun, Ihr Verbrechen einzugestehen." Nach dem Verhör begab sich Assessor Freyhoff in sein Bureau. Hier zündete er die Lampe an, ftztzte sich vor seinem Schreibtisch und betrachtete die dem verhafteten Diebe abgenommene Photographie. Kopfschüttelnd laS er die auf die Rückseite geschriebene Widmung. Dann ver. fiel er in ein langes Sinnen. Endlich erhob er sich und verschloß das Bild mit einem tiefen Seufzer. Fünfzehntes Kapitel. Am andern Vormittag, gerade als er seine Wohnung verlassen wollte, um sich nach seinem AmtSbureau zu be geben, wurde dem Assessor Freyhoff von dem HauSmäochen des Rcßtorfschcn Hauses ein Brief gebracht. Boll Interesse öffnete er und las: „Sehr geehrter Herr Assessor! Ich bitte Sie, mich heute freundlichst im Laufe deS Bor mittags besuchen zu wollen. Es ist eine -ringende und diskrete Angelegenheit. Vielleicht wissen Sie bereits, worum es sich handelt. In Eile! Mit besten Grüßen Ihre Valeska v. Reßtorf." Der Assessor nickte trübe vor sich hin. Freilich wußte er bereits, was die Gattin seines Chefs mit ihm zu be sprechen haben würde. In seinem Bureau war Assessor FreyhoU heute von einer ungewöhnlichen, ganz unbesiegbaren Zerstreutheit. Wiederholt ließ er den Federhalter sinken, sah über seine Arbeit durchs Fenster sinnend ins Leere, und so oft er jemand an feiner Tür vorübcrgehen hörte, fuhr er er schreckt zusammen und nahm eine wartende Haltung an. Gegen elf Uhr kam RegierungSrat v. Reßtorf aus seinem benachbarten Bureau herein. Der Assessor sprang sogleich von seinem Sessel auf und ging seinem Chef entgegen. „Lassen Sie sich nicht stören, lieber Herr Kollege!" wehrte der Regierungsrat ab. „Nur eine Frage: hat der Sallunke, der Grunert, schon gestanden?^ „Nein, Herr Regierungsrat." „Nicht? Na, das nenne ich wirklich unglaublich dreist. Sie wissen, daß der Mensch bei mir festgenommen ist. Er hatte die Unverschämtheit, sich mit einem Dietrich unsre
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