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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190311189
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19031118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19031118
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-18
- Monat1903-11
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1903
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Vez«ft-.Pret- i» der Hmipteipeditto» oder deren AuSgabo» pelle» odgeholt: vtettel;äl,rlich S—, bet zwermoltger tüglicher jjostellana in« Hau« 8.7k Dorcft die Poft bezogen für Drotich- land ». Oesterreich vierteljährlich 4.K0, für dt« Lbrigeo LLader laut ZeüuagSpreitüste. Ledaktion »nd Ervedition: JohanntSgasse 8. tzernlprecher 1K3 nad SSL Filiatevpedili-nenr Alfred Hahn, Unchhandlg., Untvrrsttät-str.^ 8. Lösch«, Kalhartneastr. 14, n. Löntgspl. 7. Havvl/iliale Vres-en: Marteastrast» S4. Fernsprecher «ml I Nr. 1718. Hauvl-Filiale Serlin: Carl vancker, Herzgl Payr. Hojbuchhaubkg, Lützowstroß» 10. Fernsprecher Lmt VI Nr. 4608. KiMM. Tagcblalt Anzeiger. ÄmtsAatk des Lönigkiche« Land- «nd des Hörrigkicherr Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Noüzeiaurtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen «PrekS die -gespaltene Petltzelie LS Reklame» anker dem Redaktion-strich (ägespaUen) 76 vor den FamUieanach» richten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer and Htffernsatz entiprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaaaaahln« Sk L, (excl. Porto). Frkra-Beilagen (gesalzt), nar mit der Morgea-AuSgabe, ohne Poftbefvrdernag 60.—, mit PostbesSrdernag ^l 70^-. Ännahmeschluß für Anzeigen: Lbrud-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Mo rgr ».Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen stad stet« an di» Expedition za richten. Dir Expedition ist Wochentag« annnterbrochea geöffnet von srüh S bi« abend« 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Polz ia Leipzig. Nr. 588. Parteitag der k. k. Sonaldemokratie. L Wie«, 18. Novemiber. Nirgends ist die rote Inter, nationale so üppig, teilweise sogar bis zur RegierungS- fähtgkett emporgedtehen, wie in den Nationalstaaten, deren Reichtum auch dem „Proletarier" eine gehobene Lebensstellung verbürgt- und nirgends geht es der inter nationalen Bölkerbeglückung so schlimm, wie gerade dort, wo sie ihre völkerversühnenden Theorien an der wirtschaft lichen Rückständigkeit und dem Massenelend eines Nativ- nalitätengemengeS erproben könnte, wie z. B. in Oe st e r- reich-Ungarn. DaS zeigt soeben wieder der in Wien versammelte Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie, besten Klagen über den langsamen Fortgang ihrer Propa. ganba zu den Renommistereien ihrer retchsdeutschen Gäste von der „Dreimilliopenpartei" in einem kläglichen Gegen sätze stehen. Sowohl der Berichterstatter der Parteileitung. Genosse Gkaret, wie der Referent der Parla- mentSfraktion, Abgeordneter Hannich, stellten fest, baß die Parteitättgkeit in -en zwei Jahren seit dem letzten Parteitage ein Gefühl des Unbe. friedigtseinS hinterlaste. Die Schuld liege haupt ¬ sächlich an der Rückständigkeit des österreichischen Agrar- ftaatet, an der Vielsprachigkeit, welche die Organisation erschwere, und an der nationalen Demagogie, welche alle Leidenschaften beherrsche. Mer, so tröstete man sich, dieser Staat und sein Privilegicnparlament eilten von selbst dem Zusammenbruche entgegen. Die Sozialdemokratie brauche nur diese Entwickelung abzuwarten, um dann mit dem all gemeinen, gleichen und direkten Wahlrechte alle Klaffen- -rioilegien zu beseitigen. Diese nun schon jahrzehntelang dauernde Wechsel- reiterei mit Anweisungen auf die Zukunft mußte den re volutionären Scharfmachern in der Partei doch als eine Art Bankerotterklärung vorgekommen sein. Genost« WtnarSky warf dem Abgeordneten vor, die Lästigkeit der Bourgeoisie habe schon auf sic abgefärbt, die Fraktion habe in grundsätzlich wichtigen Fragen im Parlamente, wie z. B. bei der Nekrutenvorlage oder in der böhmischen Sprachenfrage, entweder geschwiegen oder sich absentiert; und Genosse Huber, Sekretär der Gcwcrkschastskom- Mission, wagte cs sogar, gegen die Führer die schwerste Anklage zu erheben, die es seit Dresden geben kann: ,^Wir sind schon" — höhnte er — „revisionistisch vom Scheitel bis zur Sohle." Und trotz des lebhaftesten Widerspruchs der beleibigten „Revolutionäre" wiederholte er: „Ja, unsere Tätigkeit ist der eleganteste Revisionismus!" Freilich, auch diese furchtbare Beschuldigung verhallte wie ein Kassandraruf im Winde; die Parteileitung, wie die Fraktion, erhielten ihr Vertrauensvotum. Eine Rcvi- stoNSdebatte hat der Wiener Parteitag, gewitzigt durch die DreSdenerLrfahnrngen, ängstlich gemieden, sogar um bas ominös« Wort haben sich die Genossen herumgedrückt wie der Satan um den Kreuzweg; trotz alledem hat heute August Bebel die traurige Gewißheit, daß die öfter, reichtfchen Proletarier dem revolutionären Dogma un treu geworden und rettungslos einem opportunistischen Revisionismus verfallen sind. vr. Viktor Adler, der langjährige Führer der öfter- reichtfchen Sozialdemokratie, ist heute ein schwarzgelber Bernstein geworden, den die Berliner Rechtgläubigen in seiner souveränen Stellung in Wien nicht einmal „fliegen" lasten können. Er war so klug, die Orthodoxie nicht anzu greifen, aber er gefiel sich außerordentlich tn den Para doxen eines Ketzers, der seine Ketzeret mit Berufung auf die reine Lehre der ursoztalstischen Partetheiligen Marx und Engels bemäntelt. Da kamen denn freilich haar- sträubend« Ansichten zu Tage. Zunächst stellte vr. Adler die betrübende Tatsache fest, daß ein österreichischer Parteitag sich überhaupt noch nie nrtt der grundsätzlichen Stellung zum Militarismus beschäftigt habe. Dann legte er selbst sein Bekenntnis ab. Auf die Gefahr hin, als Setzer verschrien zu werden, sei er dafür, daß alle waffen fähigen Leute auf ein Jahr zum Militär assentiert wür den. Denn der Heeresdienst sei ein hygienisches und er zieherisches Bedürfnis des Volkes. Die brauchbarsten Kampfgenossen seien diejenigen, die beim Militär gebient hätten, und wenn im deutschen Reichstage gesagt worden sei, ohne Sozialdemokraten hätte die deutsche Armee keine Unteroffiziere, so könnte er umgekehrt sagen: Ohne Mi- lttärbienft hätten die Sozialdemokraten keine Unteroffi ziere. Im übrigen richte sich der Militarismus, indem er tmmer wettere Bolkskretse in seit»«» Bann ziehe, tn ähn licher Weise selbst zu Grunde, wie der Kapitalismus sich in den Fabriken nur ein Heer von Proletariern organisiert habe. MU ähnlichen opportunistischen Schlüssen verteidigten sich auch die Sozialdemokraten Abg. Pern er- storfer und Abg. Hannich, welche im Par. lawent« für dt« -putschen Aufschrift«» auf «tn«r Söh- misch« Lokalbahn gestimmt hatt«n an- deshalb von dem Sprecher dar tschechischen Genossen, vr. Soukup, der O«l«tzuu- der „Gtetchbemchttgung" »«schuldigt mord« Mittwoch den 18. November 1903. 97. Jahrgang. waren. Am derbsten sprang der polnische Sozialdemokrat, Abgeordneter DaSzinSki, mit den Radikalen um. Er sehe ruhig dem Vorwurfe dos PartciverratS ent gegen. Aber die Politik der Radikalen sei eine Politik der leeren Worte, mit -er die Partei sich nur lächerlich mache. Auch über den Wert des Generalstreiks waren die Meinungen so geteilt, daß der Parteitag mit der einzigen Forderung, für das allgemeine, gleiche und direkte Wahl- recht zu kämpfen, über diesen heiklen Punkt zur Tages- ordnung überging. Ganz entschieden forderte der Partei, tag außerdem nur die völlige staatsrechtliche Trennung der beiden Reichshälften. Das geht zwar eine revolutionäre Partei eigentlich gar nichts an, zeigt aber ebenfalls, wie stark die österreichische Sozialdemokratie von der reinen Negation durch die Macht der Verhältnisse auf revisio- nistische Bahnen abgcdrängt worden ist, wie sie sich auch wider Willen an die Sette bürgerlicher Parteien stellen muß, wenn sie sich, nachdem sie einmal durch die Schaffung der 5. Kurie ins Parlament eingezogen ist, als eine ernste Partei behaupten will. Kann man auch von einer „Mau serung" noch nicht sprechen, so ist doch sicher, daß die Ar- beiter aller Nationen in Oesterreich unter der allgemeinen Stagnation des Wirtschaftslebens schon zu lange und zu schwer leiden, als daß sie Lust hätten, sich für die Aussicht auf eine, wenn auch noch so geringe Besserung durch die Verheißungen deS Zukunstsstaates entschädigen zu lasten. So hat das Reich der Unwahrscheinlichkeiten, welches heute ohnehin nur mehr ein Versuchsfeld für allerlei staatsrechtliche und soziale Probleme zu sein scheint, wenigstens den einen Beweis geltafert, daß auch die Ratio- nalitätcnkämpfe eine gute Sette haben: wo der Kampf um die idealen Güter von Sprache und BolkStum geht, ist kein Nährboden für materialistische Verhetzung der Klassen. Auch die rote Internationale Oesterreichs hat noch vor ein paar Jahren geglaubt, der Regierung gegen die Deutschen mit einem svzialen Programm zu Hül'e tcmmen und den „nationalen Hader" natürlich nur au, Seite der DeMschen erschlagen zu können. Tie hat dafüi: den Spottnamen einer k. k. Sozialdemokratie erhalten und ihre slawischen Anhänger haben selbst so entschieden gegen die Verwerfung nationaler Ansprüche protestiert, daß die Internationale auf dem Brünner Parteitage sich nach Nationen organisieren und diesen die Stellungnahme in Sprachenfragen jreigeben mußte. Auf diese prinzipielle Anerkennung des Nationalismus folgt jetzt auch die PreiS- gebung der revolutionären Programms zu Gunsten eines evolutionären. Die Slawen betrachten die Sozialdemo kratie ohnehin nur als Vorschule für die Abschüttelung der deutschen „Tyrannei", zu der ihnen die „Genosten deutscher Zunge" die Mittel liefern. Und wenn die Sozial demokratie sich nicht bald von ihrem bequemen Schrüch- lein „Religion ist Privatsache" zu einem entschlossenen Kampfe gegen den KlerikaliSmuS aufrafft, so kann es ihr geschehen, daß ihr auch die deutschen Genoffen durch die roten Lappen gehen und in- deutschradikale Lager über laufen. Gibralla-Liserla. Die marokkanische Frage beschäftigt in hohem Grade fortgesetzt die englische wie die französische Presse. Namentlich in England macht sich «ine gewisse nervöse Unruhe bemerkbar, seitdem eine Korrespondenz aus Lissa bon, im Zusammenhang mit -en jüngste» Ereignissen in Marokko, auf die augenscheinlich zunehmende Annäherung Spaniens an Frankreich hingewiesen hat. Englands Position in Gibraltar beschäftigte seither neuerdings die Aufmerksamkeit. Wenn man auch in militärischen Kreisen Englands schon seit einiger Zeit Lurch die Anlage neuer Batteriegruppen an dem Moorish-Schloß u-n>d am Rock Gun den Schutz Gibraltars gegen einen Angriff von der Sierra Carboncra aus anstrebt, hat sich doch dt« lieber- -eugung mehr und mehr Bahn gebrochen, daß selbst mit diesen Verstärkungen der militärische Wert Gibraltars er- hebliche Rückschritte gemacht hat. Plan hat eingesehen, daß aus den starken spanischen Befestigungen der Forts Car- bonera und Tampo S. Roque nicht nur sämtliche Häftn und forttfikatortfchen Anlagen im Westen Gibraltars unter in- tensivem Feuer stehen, sondern daß auch die neu projektier, ten Hafenbauten an der Latalan-Bai von ebendenselben Geschützen ernsthaft bedroht sind. Nicht minder gefährdet wird die Westfront der Felsenoeste von den zu Algeciras gehörenden Befestigungen, von denen die KortS Carnero im Süden und Almirante Torr« im Nordosten die gegen überliegende Küste der Bucht von Gibraltar auf eine Entfernung von nur 7 Kilometer befchießen können. Noch mehr jedoch als alle diese Besorgnisse vor einem Angriff von der Landseite her und vor -er bedrohlichen Nähe der spanischen Kanonen, haben die verschiedenartig- sten Erfahrungen während -er diesjährigen großen Hebungen der britischen Mittelmeerflott« die maßgeben den Kreise Englands davon überzeugt, daß ohne einen Stützpunkt an der afrikanischen Küste Gibraltar schwer im stände sei, seine dominierend« Rolle an der Einfahrt tn da- Mittelländische Meer aufrecht zu erhalten. Trotz aller Vorsicht und Wachsamkeit tn Gibraltar und auf den zur Verteidigung gehörenden Schiffen war eS nämlich bet dies«« Manüvern einer feindlichen Flott« gelungen, die Enge der Fahrstraße von Gibraltar vom Gegner unbe helligt zu passieren, di« Kanarischen Insel» lsupponiert) zu erreichen und sich alsdann »tt dem vom Aermelkanal her «rwartet«» Bundesgenosse» -» vereinen. Entscheidend bet diesen Resultaten war die Tatsache, das die Flotte deS Angreifers sich ganz dicht an der afrikanischen Küste halten konnte, sodaß angenommen werden imrßle, es werde selbst »en schwersten Geschützen der Festung bei einer Emsernung von etwa 20 Kilometer kaum möglich sein, die feindlichen Schiffe wirksam zu beschießen. Als Ersatz oder wenigstens zur Unterstützung von Gibraltar sollte, so hieß es in por tugiesischen Blättern, englischerseits zunächst der Hasen von Lagos in Aussicht genommen sein. War dem wirklich so, so ist gegenwärtig dieser Gedanke wieder ausgegeben, da sich herausgestellt hat, daß die Bucht von Lagos zu schwer zu befestigen und die Entfernung bis nach Gibraltar für die Sicherheit einer dauernden Verbindung zwischen den beiden Hafenplätzen zu weit ist. Alis der Umschau nach einem günstiger gelegenen Stützpunkt haben sich die Augen der Engländer wiederum auf C e u t a gerichtet, doch scheint Frankreich mit dieser unbequemen Nachbarschaft durchaus nicht einverstanden zu sein. Im Hinblick auf die Abwehr, mit der sich die französische Presse gegen die englischen Projekte wendet, erscheinen die Mitteilungen über die Fortschritte interessant, di« die Franzosen in der letzten Zeit in dem Ausbau ihrer starken Flottenbasis in 'B i s e r t a gemacht haben, bas den End punkt der von Toulon über Korsika geführten strategischen Linie bilden und das gegenüberliegende Gibraltar in Schach halten soll. Was vor allen Dingen den fortisika- torischen Schutz Bizcrtas anlangt, so sind, im Gegensatz zu den unverändert gebliebenen Stadtmauern, die übrigen Befestigungen zum Schutz gegen Angriffe von der Seeseite unter der energischen und umsichtigen Leitung des Gene rals Marmier zu erstklassigen Werken ansgcbaut und mit schweren Geschützen neu armiert worden. Es finden sich nördlich der Stadt die Korts El Koubia, Am-Roumie, Saint Jean und Dschebilet-Rara, im Süden die FortS Chrek, Er-Kemel und Er-Roumanbia, und als Haupt- redutts dieser gesamten Anlagen dient das Fort Spanien, das, an einem der letzten Abhänge des Kap Blanc gelegen, die Reede uinb die Stadt Biserta beherrscht und gleichfalls in erheblichem Umfange erneuert worden ist. Während die vorbezeichneten Befestigungen in ihrem gegenwärtig modernisierten Zustande aller Wahrscheinlichkeit nach ausrcichen dürften, «inen Angriff ans Biserta von der «Seese te i,cr und Landungsversuche in der Nähe deS Hafens siegreich zurückzu;chlagen — Unternehmungen, die ge legentlich der vorjährigen Flottemnanövcr nach dem Ur teil des Admirals Gervais keine Aussicht auf Erfolg haben würden — sind Bedenken entstanden und auch wiederholt zur Sprache gebracht worden, ob daö Arsenal von Sidi-Abdallah, das iS Kilometer vom Meere entfernt liegt, gegen einen feindlichen Vorstoß von der Landseite her hinreichend geschützt sei. Namentlich ist auf die Gefahr hingewiesen worden, die der Militärstaüt für den Fall er- wachse, daß ein auf der Wattseite bet Medjerdah gelandeter Gegner sich des Eisenbahnknotenpunktes von Djeüetda bemächtigen, dann die Höhen von Mateur ersteigen uird von hier auS mit seiner Artillerie nicht nur daS Arsenal, sondern auch die im Jnnensee vor Anker liegenden Schiffe unter Feuer nehmen würde. Zum Schutz gegen diese Schwächen der Verteidigung Btsertas liegen zwei Pro jekte vor. Das eine derselben goht dahin, eine einzige zu- sammenhängende Gruppe befestigter Werke auf denjenigen Höhen anzulegen, von denen aus die Arsenalgebäude so- wohl wie die Eisenbahn beherrscht werden können, während daS andere Projekt alle diejenigen Stellungen fortifikatorisch verstärken will, die den großen See um geben. Gegen die Ausführung >des letztgenannten Ent wurfes wird, abgesehen von den ungeheuren Kosten, die damit verbunden sind, geltend gemacht, daß auf diese Weife ein großes verschanztes Lager geschaffen würde, das eine Besatzung von mindestens 30 000 Mann notwendig machen werde, und dessen Mittelpunkt ein See bilde, dessen Ver bindung von Ufer zu Ufer weder sehr bequem, noch durch einfach« Bevkehrsmtttel ohne weiteres zu erreichen sei. AuS Lieser Skizze von dem aktuellen Stand der Befesti gungsarbeiten Btsertas erhellt, daß dieser Kriegshafcn in einem Kampf um die Vorherrschaft im Mittelmecr zu einer hervorragenden Rolle berufen sein dürfte, und daß es aus diesem Grunde nicht im Interesse Frankreichs liegen kann, wenn eine andere Macht sich in nächster Nähe davon fest- setzen sollte. Deutsches Reich. * Leipzig, 17. November. Zur Entlastung der Strafsenate deS Reichsgerichts macht Oberreichs anwalt vr. OlShausen in der „Deutsch. Juristenzcitung" sehr beachtenswerte Vorschläge. Zunächst weist er nach, daß einer Vermehrung der Räte m den Senaten oder einer Der- Mehrung der Senate selbst die schwersten Bedenken entgegen- stehen. Würde ein neuer Strafsenat bewilligt, so erscheinen tttwiß zwei neue Civilsenate nötig. Da zur Zeit drei Civilsenate mit je acht Räten besetzt sind, so würden mindesten« erforderlich sein: zwei Präsidenten und 14 — 3 — 11 Räte, wobei derjenige Civilsenat, dem der Präsident de» Reichsgericht- sich ansckließt, bei dessen häusiger Behinderung durch anderweite AmtSgeschafte kaum mit acht Räten würde auskommen können. Hiernach würden erforderlich sein: 13 beziehungsweise 14 richterliche Kräfte für die Eivil- und 8 beziehungsweise 7 für die Strafsenate, waS ein« weitere Vermehrung um IS beziehungsweise 21 Richterkräfte für da» Reichsgericht ergeben würde. Em Hinweis auf diese Zahlen genüge, um den Weg einer Ver mehrung de» Richterpersonal«, sei e« unter Vermehrung der Strafsenate, sei e» ohne eine solche, überhaupt al» nicht mehr gangbar erscheinen zu lasten. Den Strafsenaten könne aber auch ohne Personalvermehrung geholfen werden, und »war ohne große Schwierigkeiten. Da« Mittel erblickt der O-erreich««awalt in einer Abänderung de» GerichtSver- fastung«gesetzt« durch Erweiterung der gesetzlichen Zuständig- leit der Schöffengerichte, sowie der UeberweisungSfähigkett von Strafsachen feiten» dec Strafkammer» an die Schöffen gerichte. Die Zuständigkeit der Schöffengericht, soll au«ge- dehnt werden auf bewaffneten oder gemeinschaftlichen Haus friedensbruch, Beleidigung und üble Nachrede, auch wenn die Verfolgung im Wege der öffentlichen Klage geschieht, und ferner aus Eigentumsdelikte brS zum Werte deS Objekts von 100 statt bisher 25 Zu den UrberweisunaS- delikten sollen hinzukommen: einfache Kuppelei, fahr lässige Brandstiftung, fahrlässige Gefährdung eines Eisen bahntransportes und Nötigung. Eventuell soll die Bedingung für die Ueberweisungssähigkeit noch dahin erweitert werden, daß die Ueberwcisung für statthaft erklärt wird, wenn nach den Umständen des Falles keine andere und höhere Strafe als Gefängnis von höchstens sechs Monaten oder Geld strafe von höchstens 1000 zu erwarten steht, statt wie bisher eine solche von nur drei Monaten Ge fängnis oder 600 Geldstrafe. OlShausea weist schließlich den Einwand zurück, daß die so heroeigeführte Entlastung des Reichsgerichts anderseits zu einer übermäßigen Belastung der Schöffengerichte, sowie der cm Stelle des Reichsgerichts tretenden Revisionsgerichte in Strafsachen führen würde. Die Bearbeitung der sonst ans Reichsgericht gelangenden Revisionen würde übergehen auf das baierische oberste Landesgericht, sowie die 23 nicht bayerischen Oberlandesgerichte deS Reiches. „Die so auf 24 Gerichte sich verteilende Arbeit wird nächsten» hier und da zu einer Vermehrung der Arbeitskräfte führen, am ehesten am Kamniergericht, wo dem Vernehmen nach ohnehin ein Strafsenat, wenigstens in seiner jetzigen Besetzung, zur Be wältigung der ihm obliegenden Arbeitslast nicht mehr aus reichend lein soll." Der Verfasser bezeichnet selbst das zu er lassende Gesetz al« ein „Notgesetz", das sich auf daS Notwen wendigste beschränke und nicht weiter in das jetzige Recht eingreife, als unbedingt erforderlich sei. Um so mehr hält er sich zu der Mahnung berechtigt: „Man gehe bald ans Werk unv befasse den Reichstag womöglich in der ersten Session mit der Frage — daS enftcheidende Wort über die umfassende Reform des Strafprozesses und die Organisatiou der Straf gerichte bleibt ihm für später Vorbehalten." * Leipzig, 17. November. Zum Prozeß Bilse wirb uns von militärischer Sette ge schrieben: „AuS all Len Vorgängen, die der Roman und der Prozeß Les Leutnants Bilse an Len Tag gebracht Haben, geht hervor, -aß die Zu sammensetzung des Trainosftzterkorps in Horbach keine richtige war, und hierfür trifft die Schul- zweifellos -ie höheren Milttärvorgcsetzten, «welche -ie Eigenschaften der einzelnen Offiziere als solcher, wie als Menschen im all gemeinen aus Len QualifikationSberichten doch zur Ge nüge kennen mußten. Die militärischen Eigenschaften Les Kommandeurs, Major Fuchs, mögen immerhin vortreff, lichc gewesen sein; aber jedenfalls hat ihm die Befähigung gefehlt, alS selbständiger Kommandeur an der Spitze eines Offizierkorps zu stehen und dessen Mitglieder in jeder Richtung zu erziehen. Die jungen Offiziere müssen Lies aber ganz besonders sowohl in militärischer, wie in gesellschaftlicher Beziehung, und in letz terer Beziehung hat eS in Forbach tatsächlich an allem gefehlt. ES wird nicht ausbleiben, daß man dort mit eisernem Besen rücksichtslos auskehrt, und diesem oder jenem dürfte die Verabschiedung sicher sein. Aber damit ist der Sache noch lange nicht abgeholfen, und wenn wir eS auf Grund eigener vieljähriger Erfahrung auch ab lehnen müssen, solche Zustände als typisch für -ie kleinen Garnisonen zu bezeichnen, sie vielmehr als einen bedauer lichen und ausnahmsweiscn Einzelfall ansehen, so ergeben sich doch manche Fingerzeige, wie die bessernde Haild sich anlegen ließe. Nicht etwa häufiger Wechsel von Offizieren oder gar ganzen Truppenteilen zwischen kleinen un großen Garnisonen, was doch nur etwas rein Aeußerliches sein würde; nein, die Verbesserung muß mehr von innen He ra u S sich gestalten. Mag die Beschaffung des OffiztererfatzeS bet der Infanterie auch mit noch so großen Schwierigkeiten verknüpft sein, so sollte bei der Annahme von Fahnenjunkern mit noch größerer Vorsicht und Strenge in der Auswahl vorgegangen werden. Dies er scheint nach den Vorkommnissen in gorbach auch bei der Auswahl der Offizier - a m e n notwendig zu fein, und die Möglichkeit dazu ist gegeben, da bei dem Nachfuchcn des HciratSkonsenseS durch einen Offizier auch eine Acußerung -cs Kommandeurs über die betreffenlde 'Dame bcigebracht werden muß. Neben dieser strengeren Auswahl bei An- nähme der Fahnenjunker sollten diese auch nach voll endetem Besuche der Kriegsschule noch längere Zeit als jetzt beim Truppenteile als Fähnriche verbleiben. Mögen sie immerhin den Ossiziersdegen erhalten und OfsizierS- -tenste tun, ja auch eine entsprechende höhere Löhnung be ziehen, da sie als Kapitulanten anzusehen sind; aber man lasse sie noch ein halbes bis ein Jabr als Fähnrich« im Offizierkorps sich bewegen, wo ihre CHaraktereigeuschaften dann weit besser und eher zur Kenntnis kommen können, als dies jetzt der Fall ist. Nach jetziger Gepflogenheit wird ein Fahnenjunker etwa anderthalb Jahre nach seinem Eintritte zum Offizier befördert; die Hälfte dieser Zeit bringt er im Kreise gleichaltriger Kameraden aus der Kriegsschale zu und ist dem Verkehr in dem Offizierkorp», dem er später angvhören soll, vollständig entzogen, so daß ihn diese» knapp oberflächlich kennen lernt. Hat der Fähn rich sich nichts Besonderes zu schulden kommen lassen, so erfolgt die Offizierwahl glatt, ebenso die Ernennung; aber nicht selten stellt eS sich heraus, daß man mit bcidem besser noch ein wenig gowartet hätte. Die verhältnismäßig häufigen Verabschiedungen ganz junger Leutnant» scheinen dieser Auffassung in vollem Umfange recht zu geben. Jeden falls tritt in keinem anderen Berufe ein Anwärter In so kurzer Zett in die vollen Rechte seine» Stande» und Be rufe» ein, wie tn der Offizterlaasbahn; gerade aber weil dem Offizier in so vieler Beziehung besondere Rechte zugcbilliat werden und eine besondere Stellung eingeräumt wird, sollte die VorbereitungSzett für diesen Beruf erheb- sich mehr verlängert werden, wa» der Gesamtheit des Offizierkorps, wie a- es Heere» nur von Nutzen sei» würde. Nach dieser Richtung hin weist aber der Prozeß Bilse recht gute Lehren auf; möchten sie nicht unbeachtet bleiben!"
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